L 8/14 P 18/04

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 P 715/02
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8/14 P 18/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 21. April 2004 abgeändert. Die Schiedsstellenbeschlüsse vom 4. Februar 2002 und 11. Juni 2002 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, über den Vergütungsanspruch der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 2.) tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte, die Kosten der 2. Instanz trägt die Beklagte allein.

Der Streitwert wird auf 119.264,07 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Schiedsspruch über Vergütungen für stationäre Pflegeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).

Die Klägerin, die in A-Stadt ein Pflegeheim mit insgesamt 112 Plätzen betreibt, rief am 21. Februar 2001 die beklagte Schiedsstelle an. Mit ihrer Antragsbegründung vom 22. Juni 2001 begehrte sie die Festsetzung höherer Pflegevergütungen (Pflegeklasse I: 81,05 DM statt bisher 70,98 DM; Pflegeklasse II: 113,46 DM statt 99,38 DM; Pflegeklasse III: 145,88 DM statt 127,77 DM; Entgelt Unterkunft/Verpflegung: 31,05 DM statt 28,93 DM). Als Streitpunkte mit den Kostenträgern benannte die Klägerin die erforderlichen Personalmengen im Bereich der Pflege/Betreuung und die Jahreskosten je Vollzeitkraft (Mehrforderung 286.850,00 DM), die Personalmenge im Bereich der Verwaltung und die Jahreskosten je Vollkraft (Mehrforderung 62.610,00 DM), die Personalmenge bei den Reinigungskräften und die Jahreskosten je Vollkraft (Mehrforderung 65.560,00 DM) sowie eine Mehrforderung beim Lebensmitteleinsatz (18.028,00 DM) und beim Wirtschafts- und Verwaltungsbedarf (20.832,00 DM). Unter zusätzlicher Berücksichtigung eines unternehmerischen Wagnisses von 2 % errechnete sie hieraus die geltend gemachten Pflegesätze. Demgegenüber lautete das Angebot der Kostenträger auf 72,00 DM (Pflegeklasse I), 100,80 DM (Pflegeklasse II), 129,69 DM (Pflegeklasse III) und 28,13 DM (Entgelt Unterkunft/Verpflegung). Die geltend gemachten erheblichen Kostensteigerungen des Pflegeheims seien nicht begründbar, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Einrichtung bereits zu den teuersten im Wetteraukreis gehöre. Der Einrichtung sei es möglich, mit weniger Personal (37,6 Vollzeitkräfte statt der geforderten 40,26 Vollzeitkräfte) auszukommen. Statt der geforderten 72.500,00 DM Durchschnittsgehalt pro Mitarbeiter im Pflege- und Betreuungsbereich sei ein Betrag von 70.000,00 DM angemessen. Auch beim Hauswirtschaftsdienst, beim Verwaltungsdienst, beim Verwaltungs- und Wirtschaftsbedarf und bei den Aufwendungen für Lebensmittel müssten niedrigere Kostenansätze gefunden werden. Das unternehmerische Risiko der Klägerin sei mit den Gesamtkosten der Kalkulation bereits abgedeckt.

Nach mündlicher Verhandlung setzte die Schiedsstelle mit Beschluss vom 11. September 2001 das Verfahren aus und gab den Parteien auf, weitere Verhandlungen zu führen. Der Beschluss wies darauf hin, dass die Ermittlungen des erforderlichen Pflege- und Betreuungspersonals unter angemessener Berücksichtigung der besonderen Bewohnerstrukturen (hoher Anteil geistig Behinderter, psychiatrisch erkrankter junger Bewohner) auf der Grundlage der mit dem Hessischen Amt für Versorgung und Soziales G. abgestimmten Struktur zu erfolgen habe; "Durchschnittsgehalt auf Basis des Kostenträgervorschlags, sofern die Einrichtung keine höheren Beträge nachweisen kann; das Verhältnis Pflegekraft und zu betreuendes Klientel soll sich im Rahmen des bereits in den Verhandlungen ergebenden Korridors bewegen". Das erforderliche Reinigungspersonal solle auf der Basis von Flächenberechnungen, die im Alten- und Pflegeheimbereich üblich seien, ermittelt werden. Hinsichtlich des Verwaltungspersonals sei ein Stellenschlüssel nicht unter 1:34 einzusetzen und das Durchschnittsgehalt auf Basis des Kostenträgervorschlags einzusetzen, sofern die Einrichtung keine höheren Beträge nachweisen könne.

Am 17. Oktober 2001 beantragte die Klägerin die Wiederaufnahme des Schiedsstellenverfahrens, nachdem Pflegesatzverhandlungen am 1. Oktober 2001 gescheitert waren. Nunmehr forderte die Klägerin als Pflegevergütung in der Pflegeklasse I 80,55 DM, in der Pflegeklasse II 112,76 DM, in der Pflegeklasse III 144,98 DM und als Entgeltunterkunft/Verpflegung 30,99 DM, beginnend ab dem 1. Juni 2001. Die Klägerin führte aus, in allen wesentlichen Streitfragen habe es keine Annäherung gegeben, vielmehr bleibe das Angebot der Kostenträger noch hinter dem ursprünglichen Angebot zurück. Hinsichtlich der geforderten Personalmengen im Bereich Verwaltung und Pflege/Betreuung habe sich keine Annäherung ergeben. Bezüglich der Personalkosten seien den Kostenträgern die Lohnjournale von Januar bis zum März 2001 und die dazugehörigen Dienstpläne vorgelegt worden, um die kalkulatorischen Personalkosten nachzuweisen. Die Forderung der Kostenträger, darüber hinaus weitere Unterlagen (sämtliche Lohnjournale von Januar 2000 bis September 2001 sowie die dazugehörigen Dienstpläne, Gehaltsabrechnungen und Einstellungsverträge) vorzulegen, habe man als willkürlich und unzumutbar zurückgewiesen. Im Vergleich mit den Kosten anderer Pflegeeinrichtungen seien die von ihr geltend gemachten Vergütungen angemessen. Sofern die Schiedsstelle die Ermittlung leistungsgerechter Entgelte aber nicht durch einen derartigen Vergleich mit anderen Einrichtungen vornehme, sondern auf die Kosten abstelle, die das Heim bei wirtschaftlicher Betriebsführung habe, müsse in die Pflegekalkulation der Wagniszuschlag von 2 % eingerechnet werden.

Nach mündlicher Verhandlung erließ die Beklagte am 4. Februar 2002 folgenden Beschluss:

1. Das Pflegepersonal wird entsprechend dem ursprünglichen Antrag des Antragstellers mit 39,26 VK festgesetzt, wobei bezüglich der Durchschnittspersonalkosten pro VK von 70.000,00 DM ausgegangen wird. Höhere Kosten sind nicht ausreichend nachgewiesen. Die alte Pflegekennziffer von 120,9 ist hierbei zu Grunde gelegt.

2. Bezüglich der Verwaltungskosten wird der Schlüssel 1:34 festgelegt. Dem stehen Personalkosten in Höhe von 67.964,00 DM gegenüber. Höhere Kosten sind nicht ausreichend belegt.

3. Bezüglich der Reinigungskosten für die Fläche von 3.770 qm wird auf den zwischen den Parteien bereits bestehenden Konsens verwiesen. Dem steht ein Betrag in Höhe von 55.000,00 DM gegenüber. Höhere Kosten sind nicht ausreichend nachgewiesen.

4. Bezüglich der Lebensmittelkosten wurde von den Kostenträgern bestätigt, dass der Kostenansatz in Höhe von 8,50 DM akzeptiert ist.

5. Bezüglich des Wirtschafts- und Verwaltungsbedarfs wird festgesetzt, dem Antrag der Kostenträger mit 3,18 DM zu folgen.

6. Die Laufzeit beginnt mit dem 1. Juni 2001 und endet am 31. Mai 2002.

Dagegen hat die Klägerin am 25. April 2002 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben. Sie hat die Aufhebung des Schiedsstellenbeschlusses und die Festsetzung höherer Pflegevergütungen begehrt.

Am 12. Juni 2002 hat die Beklagte einen Ergänzungsbeschluss gefasst, mit dem sie die Pflegesätze wie folgt festgesetzt hat:
Pflegestufe I 38,43 EUR (75,16 DM);
Pflegestufe II 43,80 EUR (105,22 DM);
Pflegestufe III 69,17 EUR (135,29 DM);
Entgelt für Unterkunft und Verpflegung 15,09 EUR (29,51 DM).

Sie hat hierzu ausgeführt, der Beschluss stelle ohne inhaltliche Öffnung eine Präzisierung des Beschlusses vom 4. Februar 2002 dar, der die sich aus der getroffenen Entscheidung rechnerisch ergebenden Pflegesätze feststelle.

Die Klägerin hat auch diesen Beschluss angegriffen und die Auffassung vertreten, die festgesetzten Pflegevergütungen seien nicht leistungsgerecht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) sei die vorrangige Methode der Entgeltfindung der Vergleich der geltend gemachten Entgelte mit denen anderer Pflegeeinrichtungen. Offensichtlich habe die Schiedsstelle diese Methodik abgelehnt, ohne dies jedoch zu begründen und sich statt dessen dafür entschieden, die Pflegevergütung auf der Basis von Kostengesichtspunkten zu berechnen. Hierbei habe sie jedoch den geltend gemachten Wagniszuschlag nicht berücksichtigt, obwohl dies nach der Rechtsprechung des BSG geboten sei. Darüber hinaus beruhten die festgesetzten Entgelte auf der fehlerhaften Bewertung der Beklagten, dass höhere Personalkosten nicht nachgewiesen seien. Ihren Nachweispflichten habe sie durch die Vorlage der Lohnjournale für Januar bis März 2001 und der entsprechenden Dienstpläne genügt.

Das Sozialgericht hat nach Beiladung der Kostenträger mit Urteil vom 21. April 2004 die Klage abgewiesen. Nach der Rechtsprechung des BSG seien Schiedsstellensprüche nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Diese beschränke sich darauf, ob der Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt sei und die Schiedsstelle den bestehenden Beurteilungsspielraum eingehalten und zwingendes Gesetzesrecht beachtet habe. Das sei der Fall. Die von der Klägerin geforderten höheren Personalkosten sowohl im Pflege- und Betreuungsbereich als auch bei der Verwaltung und der Reinigung seien nicht nachgewiesen worden. Die von der Klägerin vorgelegten anonymisierten Dienstpläne und Lohnjournale für Januar bis März 2001 seien nicht entsprechend aussagekräftig gewesen; andere Unterlagen habe die Klägerin nicht vorgelegt. Weitere Ermittlungen habe die Beklagte nicht durchführen müssen. Ausreichend sei, dass die Schiedsstelle die präsenten Beweise auswerte. Alles andere würde dem Grundsatz eines beschleunigten Verfahrens widersprechen. Auch die Notwendigkeit einer zusätzlichen Sozialarbeiterstelle ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht, weshalb die Schiedsstelle zutreffend eine weitere Erhöhung der Stellenzahl abgelehnt habe. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zur Berechnung der Pflegesätze nicht auf übliche Marktpreise abgestellt habe, da sich aus den Sitzungsniederschriften ergebe, dass von den Kostenträgern vergleichbare Einrichtungen benannt worden seien, die von der Klägerin aber nicht akzeptiert worden seien. Schließlich sei es nicht ermessensfehlerhaft, dass die Schiedsstelle keinen Wagniszuschlag berücksichtigt habe, weil sich aus den Niederschriften nicht entnehmen lasse, dass hierüber verhandelt worden sei.

Gegen das ihr am 13. Juli 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. August 2004 Berufung eingelegt. Sie meint, das Sozialgericht als auch die Beklagte seien zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie – die Klägerin – die Angemessenheit der geltend gemachten Personalkosten nicht ausreichend nachgewiesen habe. Auch das Schiedsstellenverfahren werde durch den Untersuchungsgrundsatz geprägt. Die von ihr vorgelegten Unterlagen seien ausreichend gewesen, die prospektiven Personalkosten nachzuweisen. Die Aufforderung der Kostenträger zur Vorlage weiterer Unterlagen habe sie nicht nachkommen müssen, weil diese Forderung sowohl vom Verfahrenszweck nicht gedeckt als auch vom Umfang her unerfüllbar gewesen sei; zur Vorlage dieser Unterlagen hätte sie einen kleinen LKW bestellen müssen. Im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes sei es Sache der Schiedsstelle gewesen, auf die Vorlage der Unterlagen hinzuwirken, die aus ihrer Sicht zum Nachweis der Personalkosten erforderlich gewesen seien. Ein solcher Hinweis sei jedoch unterblieben. Auch während der Schiedsverhandlung am 4. Februar 2002 habe die Beklagte in die von ihr mitgebrachten und vorgelegten Lohnjournale und Dienstpläne keine Einsicht genommen. Angesichts dessen sei die Ablehnung höherer Personalkosten mit dem Hinweis auf einen fehlenden Nachweis ein Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundsätze. Die tatsächlich festgesetzten Personalkosten lägen auch fernab üblicher Gehaltsstrukturen und seien offensichtlich nicht leistungsgerecht. Sie habe im Schiedsstellenverfahren auf Vergleichseinrichtungen hingewiesen, bei denen Personalkosten im Pflegebereich bereits für das Jahr 2000 in der von ihr begehrten Höhe berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus sei auch die Notwendigkeit einer zusätzlichen Sozialarbeiterstelle nachgewiesen, weil ihre besondere Bewohnerstruktur, die durch einen hohen Anteil psychisch kranker und geistig behinderter Menschen mit hohem Betreuungsbedarf gekennzeichnet sei, dies erkennbar erfordere. Indiziell werde dies durch den Hessischen Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege bestätigt; lege man dessen Berechnungskriterien zugrunde, ergebe sich schon für ein "normales" Pflegeheim ihrer Größe ein Personalbedarf von 39,8 Vollzeitkräften. Unverständlich sei der Einwand des Sozialgerichts, das über den Wagniszuschlag eine Entscheidung nicht habe ergehen müssen, weil dies in der mündlichen Verhandlung nicht thematisiert worden sei. Aus der Schiedsstellenverordnung ergebe sich, dass das Verfahren durch schriftliche Anträge und deren Begründung vorzubereiten sei. Der Wagniszuschlag sei in diesem Rahmen wiederholt angesprochen und zwischen den Beteiligten streitig behandelt worden. Eines mündlichen Vortrages habe es daher nicht bedurft.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 21. April 2004 sowie die Beschlüsse der Beklagten vom 4. Februar 2002 und 11. Juni 2002 aufzuheben, soweit die Beklagte über die in ihrem Ergänzungsbeschluss vom 11. Juni 2002 festgesetzten Entgelte hinaus die Festsetzung folgender weiterer Entgelte abgelehnt hat: Pflegevergütung Pflegeklasse I weitere 2,75 EUR pro Pflegetag, Pflegevergütung Pflegeklasse II weitere 3,85 EUR pro Pflegetag, Pflegevergütung Pflegeklasse III weitere 4,96 EUR pro Pflegetag,
Entgelt für Unterkunft und Verpflegung weitere 0,76 EUR pro Pflegetag und das Verfahren insoweit an die Beklagte zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, die Klägerin verkenne ihren Auftrag, als Vertragshilfeorgan zu fungieren. Mit ihrem Beschluss vom 11. September 2001 habe sie den Beteiligten den Weg zu einer Vereinbarung gewiesen. Die Klägerin sei aber augenscheinlich nur daran interessiert, ihre Vorstellung durchzusetzen, ohne das Vertragshilfeorgan hinreichend zu unterstützen. Die Klägerin habe die für den Nachweis höherer Kosten erforderlichen Unterlagen nicht beigebracht. Zu weiteren Ermittlungen sei sie – die Beklagte – nicht verpflichtet gewesen, um das gesetzlich angeordnete Beschleunigungsziel nicht zu verfehlen. Bereits aufgrund der Hinweise im ersten Schiedsstellenbeschluss sei für die Klägerin nachvollziehbar und ermittelbar gewesen, wie der Schiedsspruch ausfallen werde.

Die übrigen Beteiligten stellen keine Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat im Sinne der Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung der Klägerin Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen kann keinen Bestand haben, denn der angefochtene Schiedsspruch verstößt gegen § 85 Abs. 5 Satz 1 SGB XI.

Die Beklagte ist der richtige Klagegegner. Zwar ist diese nicht rechtsfähig, aber in entsprechender Anwendung von § 70 Nr. 4 i.V.m. § 51 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig (BSG, SozR 3-3300 § 85 Nr. 1).

Die Verpflichtungsklage der Klägerin ist im Sinne der Verurteilung zur Neubescheidung begründet, weil der Schiedsspruch der Beklagten rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist.

Der Schiedsstellenbeschluss vom 4. Februar 2002 unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil die Beklagte durch die Festsetzung einzelner Parameter für die Berechnung der Pflegevergütungen - statt der Festsetzung der genauen Pflegesätze - eine Entscheidung getroffen hat, für die es keine Rechtsgrundlage gibt. Nach § 85 Abs. 5 Satz 1 SGB XI hat, wenn eine Pflegesatzvereinbarung innerhalb von sechs Wochen nicht zustande kommt, nachdem eine Vertragspartei schriftlich zu Pflegesatzverhandlungen aufgefordert hat, die Schiedsstelle auf Antrag einer Vertragspartei die Pflegesätze unverzüglich festzusetzen. Pflegesätze sind die Entgelte der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger für die voll- oder teilstationären Pflegeleistungen des Pflegeheims sowie für medizinische Behandlungspflege und soziale Betreuung (§ 84 Abs. 1 SGB XI). Der Spruch der Schiedsstelle hat insoweit die Rechtswirkung einer vertraglichen Vereinbarung, die den Streit der Parteien endgültig beendet. Mit dieser gesetzlichen Regelung ist eine Entscheidung nicht vereinbar, die lediglich über einzelne Elemente entscheidet, die für die Bestimmung der Pflegesätze maßgeblich sind, weil damit die gesetzlich bezweckte endgültige Streitbeilegung nicht sichergestellt ist. Denn dass sich aus der Festlegung einzelner Parameter ergebende Rechenwerk kann, wie auch der Streit der Beteiligten zeigt, die im Einzelfall resultierenden Pflegesätze nicht zweifelsfrei festlegen.

Aber auch der Beschluss vom 11. Juni 2002, mit dem die Beklagte die Pflegevergütungen und das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung in konkret bezifferter Höhe festgesetzt hat, ist rechtswidrig und aufzuheben, weil er den Anspruch der Klägerin auf ermessenfehlerfreie Entscheidung (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG) verletzt.

Bei der Festsetzung der Pflegesätze hat die Schiedsstelle die Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB XI zu beachten. Die Pflegesätze müssen leistungsgerecht sein und es einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen. Das Pflegeheim darf Gewinn erzielen, es muss aber auch das Verlustrisiko tragen. Schließlich ist der Grundsatz der Beitragsstabilität zu beachten (§ 84 Abs. 2 Sätze 1, 4, 5 und 6 SGB XI).

Bei der Prüfung, ob diese Vorgaben beachtet worden sind, ist die gerichtliche Prüfung eingeschränkt. Aufgrund ihrer besonderen Funktion und Zusammensetzung steht der Schiedsstelle ein Entscheidungsspielraum zu, der die gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt, der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten und zwingendes Gesetzesrecht beachtet worden ist; das setzt voraus, dass die gefundene Abwägung auch hinreichend begründet wird (BSG, a.a.O.).

Der gesetzlich eröffnete Beurteilungsspielraum greift aber erst dann ein, wenn die Schiedsstelle die für die Höhe einer leistungsgerechten Vergütung maßgeblichen Faktoren in ausreichender Weise ermittelt hat. Sie ist daher in erster Linie verpflichtet, die Marktpreise zu bestimmen, die für diese Pflegeleistungen gezahlt werden, weil unter den Bedingungen eines vom Gesetzgeber angestrebten freien Wettbewerbs Angebot und Nachfrage den Preis einer Ware bestimmen und damit dies auch die leistungsgerechte Vergütung im Sinne von § 82 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI ist. Es kommt also insbesondere nicht auf die tatsächlich entstandenen Selbstkosten des Anbieters an (BSG, a.a.O.). Das schließt allerdings eine Orientierung an den bisher entstandenen Kosten nicht generell aus. Denn die Einrichtungen dürfen nicht gezwungen werden, die erwarteten Leistungen unterhalb der Gestehungskosten anzubieten. Die Selbstkosten bilden also, soweit sie den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen, regelmäßig die Untergrenze des festzusetzenden Entgeltes (Bundesverwaltungsgericht – BVerwG - Band 108, 47, 53 f.).

Methodisch betrachtet hat daher auf einer ersten Stufe die Schiedsstelle die bisherigen und die prospektiven Selbstkosten des Einrichtungsträgers zu ermitteln. Auf der zweiten Stufe sind diese dann anhand der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit zu bewerten, was notwendig einen Vergleich voraussetzt. Die Methode der Wahl ist dabei in erster Linie der Vergleich der Entgelte verschiedener Pflegeeinrichtungen für vergleichbare Leistungen (externer Vergleich), um für die angebotene Leistung die leistungsgerechte Vergütung zu ermitteln. Erst wenn ein üblicher Marktpreis auf diesem Weg nicht ermittelt werden kann, etwa weil es wegen Besonderheiten des Pflegeheims nicht möglich ist, eine hinreichend große Zahl von vergleichbaren Angeboten zu erhalten, kann es von Belang sein, welche Kosten der Heimträger bei wirtschaftlicher Betriebesführung hat, um unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung des persönlichen Arbeitseinsatzes, des zu tragenden Unternehmerrisikos sowie einer angemessen Verzinsung des Eigenkapitals eine leistungsgerechte Vergütung zu ermitteln (BVerwG, a.a.O; BSG, a.a.O.). Diese Vorgehensweise stellt aber, wie das BSG betont, die Ausnahme dar, weil der Versuch, eine leistungsgerechte Vergütung ausgehend von dem Betriebsaufwand des Pflegeheims zu ermitteln, in der Regel nur schwer möglich sein wird. Denn außenstehende Beobachter werden nur schwer in der Lage sein, die geltend gemachten Aufwendungen als unwirtschaftlich zu belegen und vorhandenes Rationalisierungspotential zu erkennen; zudem fehlt es an geeigneten Maßstäben dafür, eine angemessene Vergütung für die aufgewandte eigene Arbeitskraft des Unternehmers, für die Übernahme des Unternehmerrisikos und für die Kapitalverzinsung festzulegen (BSG, a.a.O.).

Diesen rechtlichen Anforderungen genügt der Beschluss der Beklagten vom 12. Juni 2002 auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Beschluss vom 4. Februar 2002, der insoweit als Begründungsteil anzusehen ist, nicht.

Dies gilt zunächst für die Festlegung der Personalkosten in den Bereichen Pflege/Betreuung, Verwaltung und Reinigung. Insoweit lässt der Beschluss bereits nicht erkennen, dass die Beklagte die bisherigen und prospektiven Selbstkosten der Klägerin festgestellt hat. Der Beschluss führt hierzu lediglich aus, höhere Personalkosten als die im Beschluss – dem Angebot der Kostenträger folgend – anerkannten Kosten seien nicht ausreichend nachgewiesen bzw. belegt. Bei den von den Kostenträgern angebotenen Personalkosten handelt es sich jedoch nicht um Werte, die aufgrund von Unterlagen der Klägerin ermittelt wurden, sondern um Ansätze, welche die Kostenträger aufgrund der Kosten anderer Pflegeheime für angemessen hielten. Insoweit kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nicht ausreichend nachgekommen ist. Denn die Klägerin hatte bereits in ihrer Antragsbegründung vom 20. Juni 2001 die – aus ihrer Sicht – notwendig anfallenden Personalkosten im Einzelnen dargelegt. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat sie, nachdem der Schiedsstellenbeschluss vom 11. September 2001 den Nachweis höherer Personalkosten verlangt hatte, den Kostenträgern darüber hinaus Lohnjournale von Januar bis März 2001 sowie dazugehörige Dienstpläne vorgelegt. Zwar waren diese Unterlagen nach Auffassung der Kostenträger nicht ausreichend, weshalb von dieser Seite umfangreiche weitere Unterlagen angefordert wurden, deren Vorlage die Klägerin verweigert hat. Ob die Aufforderung der Kostenträger zur Vorlage derart umfangreicher Unterlagen im Hinblick auf den damit verbundenen Eingriff in die internen Geschäftsangelegenheiten der Klägerin unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten überhaupt zulässig war, kann hier allerdings dahinstehen. Denn die Beklagte hat sich diese Forderung der Kostenträger nicht erkennbar zu eigen gemacht und auch sonst der Klägerin keine Hinweise gegeben, dass zum Nachweis höherer Personalkosten die Vorlage weiterer Unterlagen erforderlich sei. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin hat die Beklagte auch darauf verzichtet, in die Lohnunterlagen Einsicht zu nehmen, welche die Klägerin zum Termin am 4. Februar 2002 mitgebracht hatte. Angesichts dessen beinhaltet die Entscheidung der Schiedsstelle damit aber auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin (§ 24 SGB X). Denn ohne einen dahingehenden Hinweis der Beklagten konnte die Klägerin auch nach dem protokollierten Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 2002 nicht davon ausgehen, dass die Beklagte die dargelegten Personalkosten (weiterhin) als nicht belegt ansah.

Zu Recht rügt die Klägerin ferner, dass der Schiedsspruch keine Entscheidung über den von ihr geforderten so genannten Wagniszuschlag getroffen hat. Nach der zitierten Rechtsprechung des BSG kommt ein derartiger Zuschlag in Betracht, wenn eine Kostenermittlung im Wege des "externen Vergleichs" nicht möglich ist und die Schiedsstelle die Kostenfestsetzung deshalb im Wege des "internen Vergleichs" (Überprüfung der Entgeltkalkulation des Einrichtungsträgers auf eine sparsame und wirtschaftliche Betriebsführung) vornimmt. Darüber hinaus kann ein solcher "kalkulatorischer Gewinn" auch bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung im Wege des "externen Vergleichs" Berücksichtigung finden, soweit das vom gewerblichen Einrichtungsträger verlangte Entgelt damit nicht höher liegt als die anderen Einrichtungsträgern für vergleichbare Leistungen zugestandenen Vergütungen (BVerwG Band 108, 56). Die Beklagte hätte deshalb hierüber eine Entscheidung treffen müssen. Der Auffassung des Sozialgerichts, dies sei entbehrlich gewesen, weil sich aus den Niederschriften über die mündliche Verhandlung vor der Schiedsstelle nicht ergebe, dass über einen derartigen Wagniszuschlag verhandelt worden sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Weder aus dem Gesetz noch aus der Verfahrensordnung der Schiedsstelle ergibt sich ein Anhalt dafür, dass die Schiedsstelle nur über solche Streitpunkte zu entscheiden hat, über die ausdrücklich mündlich verhandelt worden ist. Zutreffend verweist die Klägerin auf § 7 der Schiedsstellenverordnung, wonach das Schiedsstellenverfahren durch schriftliche Anträge und deren Begründungen vorzubereiten ist. Die Klägerin hatte den Wagniszuschlag schriftsätzlich wiederholt geltend gemacht und im Schriftsatz vom 16. Oktober 2001 dem Wagniszuschlag abschließend "elementare Bedeutung" für ihre Kalkulation beigemessen. Auch die Kostenträger hatten sich in ihren Stellungnahmen mit dem Wagniszuschlag beschäftigt und seine Berücksichtigung abgelehnt. Allein die Tatsache, dass dieser Dissenspunkt im Rahmen der mündlichen Verhandlungen, die von der Auseinandersetzung um andere Streitpunkte geprägt waren, keine ausdrückliche Erwähnung erfand, kann nicht geschlossen werden, dass der diesbezügliche Antrag der Klägerin nicht mehr weiter verfolgt wurde.

Soweit die Klägerin den Schiedsspruch schließlich auch deswegen angreift, weil dieser die zusätzlich geforderte Sozialarbeiterstelle nicht zugestanden hat, vermag der Senat allerdings keine Verletzung des Beurteilungsspielraums der Beklagten zu erkennen. Der Beschluss führt insoweit aus, dass die bewilligte Stellenzahl von 39,26 Vollzeitkräften der Bewohnerstruktur des Hauses T. entspreche und die Notwendigkeit einer zusätzlichen Sozialarbeiterstelle nicht nachgewiesen sei. Auch wenn diese Begründung knapp geraten ist, so lässt sie im Zusammenhang mit weiteren Ausführungen zur Bewohnerstruktur und zur Konzeption der Einrichtung erkennen, dass die Schiedsstelle die widerstreitenden Argumente der Klägerin und der Kostenträger erwogen und bewertet hat. Aus dem erst im Oktober 2005 in Kraft getretenen Rahmenvertrag über vollstationäre Pflege kann die Klägerin keinen Ermessensfehler der Schiedsstelle bei der Beschlussfassung im Jahr 2002 herleiten.

Da der Schiedsspruch aus den vorgenannten Gründen den Anspruch der Klägerin auf ermessenfehlerfreie Entscheidung verletzt, ist die Beklagte zur Neubescheidung zu verurteilen. Hingegen scheidet allerdings die von der Klägerin beantragte teilweise Aufhebung des Schiedsspruchs lediglich in dem Umfang, in dem dieser eine für sie ungünstige Entscheidung getroffen hat, aus. Denn eine solche Teilaufhebung widerspräche dem Gesetz. Die Teilaufhebung eines Verwaltungsaktes ist nur zulässig, wenn der verbleibende Teil rechtmäßig als Verwaltungsakt bestehen bleiben kann und anzunehmen ist, dass er entweder als solcher von der Behörde erlassen worden wäre oder das die Behörde unabhängig davon verpflichtet gewesen wäre, den Verwaltungsakt ohne den fehlerhaften Teil zu erlassen (grundlegend BVerwG, Urteil vom 19. Juni 1969, IC 13.66 – JURIS –; BSG, Breithaupt 2000, 394, 398; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 131 Rdnr. 3b). Ihren Beurteilungsspielraum bei der Frage, welches die leistungsgerechte Vergütung der Klägerin im Sinne von § 82 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI ist, übt die Beklagte aber im Rahmen einer Gesamtabwägung aller insoweit maßgeblichen Umstände aus. In diesem Rahmen kann das Schiedsstellenverfahren bei seiner Wiederholung neue Erkenntnisse bringen; so ist es der Schiedsstelle z.B. nicht verwehrt, die Vergütung nunmehr auf der Basis eines externen Vergleichs vorzunehmen. Dies kann zu einer von der bisherigen Vergütungsfestsetzung nach oben wie nach unten abweichenden Regelung führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Als im Wesentlichen unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da die Beigeladene zu 2.) erstinstanzlich dem Vorbringen der Beklagten beigetreten ist und einen eigenen Sachantrag gestellt hat, ist sie an den Kosten dieser Instanz zu beteiligen (§ 154 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 Zivilprozessordnung). Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.

Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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