L 3 R 3994/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 RJ 524/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 3994/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juni 2003 abgeändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist noch die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der 1962 geborene Kläger erlernte den Beruf des Holzmechanikers und war zuletzt als Bauschreiner versicherungspflichtig beschäftigt. Er wird von der Beklagten deswegen als Facharbeiter eingestuft. Nach gesundheitsbedingter Aufgabe der Bauschreinertätigkeit war und ist er als Kellner auf dem Ponyhof seiner Schwägerin tätig.

Nach Durchführung einer stationären Heilbehandlung in der B.-Klinik Bad K. (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 19/31 der Rentenakte) beantragte der Kläger am 24.7.2000 die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Gestützt auf das Ergebnis der Heilbehandlung lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 11.8.2000 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch u. a. nach Veranlassung einer Begutachtung durch Dr. K. (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 119/135 der Rentenakte) und Einholung einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 14.12.2000 (Blatt 149 der Rentenakte) mit Widerspruchsbescheid vom 17.1.2001 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 15.2.2001 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt hat.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 29/42 der SG-Akte verwiesen).

Sodann hat das SG auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung des nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. K. vom 6.12.2002. Dieser hat rezidivierende, gegenwärtig fast remittierte depressive Störungen, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung sowie ein chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom mit neurologischen Ausfällen erhoben und eine hypochondrische Störung ausgeschlossen. Leichte bis allenfalls mittelschwere körperliche Arbeiten mit dem Heben und Tragen von Lasten bis höchstens 10 kg könnten vorbehaltlich einer orthopädischen Begutachtung vollschichtig verrichtet werden.

Daraufhin hat das SG noch Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. R. vom 27.3.2003. Dieser Sachverständige hat eine anhaltende Lumbalgie mit Ischialgie links bei Bandscheibenvorfall L5/S1 links mit endgradiger Bewegungseinschränkung ohne schwerwiegende Wurzelkompressionszeichen diagnostiziert. Ausgeschlossen seien schwere und mittelschwere Tätigkeiten, Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken, häufige Positionsänderungen sowie häufiges Heben und Tragen von Lasten über 15 kg. Zumutbar seien leichte und gelegentliche mittelschwere Tätigkeiten entweder vorwiegend im Sitzen oder vorwiegend im Stehen und Gehen. Diese Tätigkeiten könnten vollschichtig verrichtet werden. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich und es bestehe keine Einschränkung der Wegefähigkeit.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 24.6.2003 unter Aufhebung ihrer Bescheide kostenpflichtig verurteilt, dem Kläger ausgehend von einem Leistungsfall vom 24.4.2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit ab dem 1.7.2000 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Es hat unter Darstellung der für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften sowie unter Darstellung der Grundsätze zum Berufsschutz entschieden, dass der als Facharbeiter einzustufende Kläger seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben könne. Die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten seien nicht zumutbar. Zur Verweisungstätigkeit eines Registrators der Vergütungsgruppe VIII BAT hat das SG unter Berufung auf eine Entscheidung des 12. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ausgeführt, in die angelernte Tätigkeit eines Registrators, die ihrerseits eine Mindestausbildung bzw. Mindesteinarbeitung von drei Monaten erfordere - andernfalls sei sie einem Facharbeiter bereits sozial nicht zuzumuten - könnten sich in kürzerer Zeit in der Regel nur Versicherte einarbeiten, die über gewisse Vorkenntnisse für die dabei anfallenden Registratur-, Kartei- und Büroarbeiten unter Einsatz von EDV- und Verwaltungsgrundkenntnissen verfügten. Daran fehle es vorliegend. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das ihr und dem Kläger am 29.9.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6.10.2003 Berufung eingelegt. Speziell zu der von ihr genannten Verweisungstätigkeit eines Registrators beruft sie sich auf Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach diese Tätigkeit grundsätzlich auch von Versicherten, die keine einschlägigen Vorkenntnisse hätten, nach einer max. dreimonatigen Einarbeitungszeit ausgeübt werden könne.

Mit der von ihm erhobenen Anschlussberufung macht der Kläger einen Rentenbeginn bereits ab dem 1.5.2000 und im Übrigen geltend, dass er u. a. die Tätigkeit eines Registrators auch aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juni 2003 aufzuheben, die Klage in vollem Umfang abzuweisen und die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juni 2003 zu verurteilen, ihm bereits ab 1. Mai 2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und in der Sache begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit, weil er zur Überzeugung des Senats jedenfalls die Tätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst in der Vergütungsgruppe VIII BAT (z. B. bei einem Gericht) vollschichtig verrichten kann und ihm diese Tätigkeit auch sozial zumutbar ist.

In diese Vergütungsgruppe sind nämlich "Angestellte im Büro -, Registratur-, ... sonstigen Innendienst ... mit schwieriger Tätigkeit ..." eingruppiert (vgl. hierzu und zur zumutbaren Verweisbarkeit eines zur Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters gehörenden Berufskraftfahrers auf die Tätigkeit eines Registrators BSG vom 27.11.1991 - 5 RJ 91/89 - und allgemein BSG vom 12.9.1991 - 5 RJ 34/90 - sowie zur Verweisung eines Maurer-Facharbeiters auf die Tätigkeit eines Registrators Urteil des erkennenden Senats vom 19.11.2003 - L 3 RJ 2583/03 -).

Diese Tätigkeit ist ihm mit seinem Restleistungsvermögen auch objektiv (gesundheitlich) zumutbar. Nach der dem Senat vorliegenden berufskundlichen Stellungnahme des - damaligen - Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg vom 16.8.2000 handelt es sich bei der Tätigkeit eines Registrators um eine Tätigkeit, die auch im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ausgeübt wird und in der Regel lediglich mit leichten Arbeiten verbunden ist. In diesem Rahmen kann zwar das Heben und Tragen von Lasten (Aktenvorgänge, Poststücke) grundsätzlich nicht vermieden werden, es können dabei im Einzelfall durchaus Lasten von über 5 kg bis zu 10 kg zu bewegen sein, im Einzelfall können auch Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten häufig nicht vermieden werden und - je nach Registratur - können durchaus auch Arbeiten auf Leitern vorkommen. Für den Senat ist letztlich jedoch die berufskundliche Einschätzung maßgebend, dass die körperliche Belastung insgesamt auch weitgehend von der jeweiligen Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation abhängt. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Bewegen von Lasten von über 5 kg bis zu 10 kg, Zwangshaltungen und das Arbeiten auf Leitern nicht generell und in allen Fällen mit der Tätigkeit eines Registrators verbunden sind. Dies deckt sich im Übrigen mit den Kenntnissen des Senats über die Tätigkeit eines Registrators z.B. bei einem Gericht, die damit aus berufskundlicher Sicht bestätigt wurden.

Dieses Leistungsprofil hält sich im Rahmen des von den vom SG gehörten Sachverständigen skizzierten Restleistungsvermögens des Klägers, sodass der Senat sich nicht gedrängt gefühlt hat, insoweit weitere medizinische Ermittlungen anzustellen, zumal zureichende Anhaltspunkte dafür, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers zwischenzeitlich eine wesentliche nachteilige Veränderung eingetreten ist, weder ersichtlich noch vorgetragen sind.

Schließlich erfüllt diese Verweisungstätigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats auch die höchstrichterlich vorgegebene Voraussetzung, dass auf eine Tätigkeit nur verwiesen werden darf, wenn die für sie notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erworben werden können (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23). Denn nach der erwähnten berufskundlichen Stellungnahme beträgt die Anlernzeit/Einarbeitungszeit üblicherweise nicht länger als drei Monate. Sie hängt dabei zwar auch von den jeweiligen persönlichen Fähigkeiten ab, ist aber weitgehend von Vorkenntnissen unabhängig. Es handelt sich nämlich um eine einfache Anlerntätigkeit, für die keinerlei besondere Ausbildung erforderlich ist.

Da also die für die Ausübung einer Registratorentätigkeit erforderliche Einarbeitungszeit weitgehend von Vorkenntnissen unabhängig ist (und damit auch von EDV- und Verwaltungsgrundkenntnissen), kann die Tatsache, dass der Kläger vorliegend über solche Vorkenntnisse nicht verfügt, im Ergebnis nicht dazu führen, dass er sich auf eine längere und damit nach der Rechtsprechung nicht mehr zumutbare Einarbeitungszeit berufen kann. Der anders lautenden Rechtsauffassung des 12. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg schließt sich der erkennende Senat insoweit nicht an. Dass beim Kläger - von Vorkenntnissen abgesehen - sonst eingeschränkte persönliche Fähigkeiten vorliegen, die eine längere Einarbeitungszeit begründen, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere bestehen beim Kläger nach dem Sachverständigengutachten von Dr. K. keine hirnorganischen Beeinträchtigungen hinsichtlich Auffassung, Übersicht, Konzentration und Abstraktionsvermögen. In diesem Zusammenhang kann auch nicht unbeachtet bleiben, dass der Kläger nach Sachlage immerhin über die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Facharbeiters verfügt. Damit wird zumindest eine auf normalem Niveau anzusiedelnde geistige Leistungsfähigkeit und damit auch Lernfähigkeit dokumentiert.

Nach alledem war das Urteil des Sozialgerichts abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Daraus folgt gleichzeitig, dass die Anschlussberufung des Klägers unbegründet und daher zurückzuweisen ist.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) noch weicht das Urteil des Senats von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts ab (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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