L 11 KR 1984/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 3655/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1984/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. März 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten sind die Kosten für Unterbringung und Verpflegung im Diabetes-Dorf A. im Streit.

Der 1967 geborene Kläger, der unter Diabetes leidet, ist bei der Beklagten krankenversichert.

Am 07.04.2004 beantragte der Internist Dr. T., Diabetes-Dorf A., bei der Beklagten für den Kläger unter Vorlage von Unterlagen, darunter eine Kostenübernahmeerklärung einer anderen Krankenkasse, u.a. die Übernahme der Kosten für Unterbringung und Verpflegung im nicht zugelassenen Diabetes-Dorf A. anlässlich einer Insulin(pumpen)therapie-Einstellung bzw. der Therapie-Korrektureinstellung in Höhe der Fallpauschale von 1.224,03 EUR.

Die Beklagte zog zunächst Arztbriefe und Unterlagen der den Kläger behandelnden Internisten/Endokrinologen Dr. V. und Z. bei und beauftragte anschließend den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MdK) mit der Erstattung eines sozialmedizinischen Gutachtens. Dr. K. vom MdK kam in diesem Gutachten zu dem Ergebnis, dass beim Kläger die Fortführung der konventionellen intensivierten Insulintherapie als ausreichend und zweckmäßig anzusehen sei.

Zwischen dem 25.05.2004 bis 11.06.2004 führte der Kläger die Pumpenschulung im Diabetes-Dorf A. durch. Hierbei wurde er auch mit einer Insulinpumpe versorgt.

Mit Bescheid vom 24.06.2004 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für eine Insulinpumpe und die Schulung gestützt auf das Gutachten des MdK ab.

Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er vor der Pumpentherapie schwankende Blutzuckerwerte gehabt habe. Seit der Pumpentherapie liege eine stabile Blutzuckereinstellung vor. Er fügte seinen Diabetespass und bei ihm gemessene Laborwerte bei. Auf Anforderung der Beklagten reichte er einen ärztlichen Bericht des Dr. T. und der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. R. nach.

Die Beklagte wandte sich noch einmal an den MdK, der aufgrund der weiteren Informationen die Versorgung mit einer Insulinpumpe nunmehr für erforderlich hielt.

Mit Bescheid vom 01.12.2004 half die Beklagte dem Widerspruch daraufhin insoweit ab, als sie die Kosten für die Insulinpumpe H-Tron in Höhe von insgesamt 3.250,61 EUR übernahm.

Wegen der stationären Diabetikerschulung im Diabetes-Dorf A. beauftragte die Beklagte erneut den MdK mit der Erstattung eines sozialmedizinischen Gutachtens. Dr. K. führte hierzu aus, dass eine Diabetikerschulung ambulant erfolgen könne. Aus den Unterlagen sei die Notwendigkeit einer stationären Pumpenschulung nicht abzuleiten. Eine wohnortnahe Schulung in einem Diabeteszentrum bzw. einer Diabetesschwerpunktpraxis sei in der Regel ausreichend und zweckmäßig.

Nach Information hierüber hielt der Kläger seinen Widerspruch insoweit dennoch aufrecht und wies darauf hin, dass die Schulung im Diabetes-Dorf in A. in mehr als 100 Stunden Unterricht durchgeführt worden sei. In einer Schwerpunktpraxis sei in einem Bruchteil der Zeit eine erfolgreiche Vermittlung nicht möglich. Da er aufgrund einer Patellasehnenruptur vom 07.01.2004 seit Anfang des Jahres 2004 arbeitsunfähig krank gewesen sei, habe er die Pumpenschulung während dieser Zeit, in der er sowieso arbeitsunfähig gewesen sei, machen wollen. Die Schulung in A. habe ihm insoweit auch den Vorteil geboten, dass er bei seiner eingeschränkten Beweglichkeit nicht ständig habe fahren müssen. Den Antrag auf Kostenübernahme habe Dr. T. mit Schreiben vom 04.04.2004 gestellt, die Ablehnung habe er erst am 24.06.2004 erhalten. Es sei ihm unverständlich, wie sich die Bearbeitung eines Antrags derart in die Länge ziehen könne. Ohne umfassende Schulung helfe ihm die mittlerweile übernommene Insulinpumpe nichts.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Durchführung einer ambulanten wohnortnahen Schulung in einem Diabeteszentrum bzw. einer Diabetesschwerpunktpraxis sei ausreichend und zweckmäßig. Die 18-tägige wohnortferne Insulinpumpen-Schulung gehe über das Maß des medizinisch Notwendigen hinaus. Kostenübernahmeerklärungen anderer Krankenkassen könnten ebenfalls keine Leistungspflicht begründen, da es sich hierbei um Einzelfallentscheidungen gehandelt habe und es eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht gebe. Im übrigen sei die Kostenerstattung auch deshalb ausgeschlossen, da sich der Kläger die Leistung ohne die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten selbst beschafft habe. Es sei auch kein Systemversagen bzw. eine Versorgungslücke erkennbar. Schließlich sei die Insulinpumpen-Schulung keine unaufschiebbare Leistung im Sinne eines Notfalles.

Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er wiederholte im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und wies noch darauf hin, dass es sich, wie dem beigefügten Schreiben des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen e.V. und des Dr. T. zu entnehmen sei, bei der Insulinpumpeneinstellung bei Dr. T. um eine ambulante Therapie handele. Die Notwendigkeit einer ambulanten Insulinpumpenschulung werde durch das Gutachten des MdK ausdrücklich bestätigt. Von einer Mitarbeiterin der Beklagten sei ihm auch gesagt worden, dass eine Kostenübernahme auch rückwirkend erfolgen könne. Auch die Übernahme der Kosten der Insulinpumpe sei rückwirkend erfolgt.

Auf Nachfrage des SG erklärte der Kläger, dass Dr. T. sich bereit erklärt habe, die Kosten für die Schulung zu stunden bis die Situation abschließend geklärt sei.

Das SG hörte Dr. T. als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte mit, er habe mit dem Kläger keinen schriftlichen Vertrag geschlossen. Er vertraue auf mündliche Absprachen. Eine Rechnung für den Aufenthalt im Diabetes-Dorf habe er dem Kläger bisher nicht gestellt. Er fügte ein von ihm an den Kläger gerichtetes Schreiben vom 04.04.2004 bei. Nach diesem Schreiben bezahlt die Beklagte für den Aufenthalt 1.224,03 EUR.

Mit Urteil vom 13.03.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, im Falle des Klägers sei keine Kostenbelastung entstanden, die einen etwaigen Freistellungsanspruch rechtfertigen könnte. Der Kläger habe mit Dr. T. keinen wirksamen privatrechtlichen Vertrag geschlossen, in dem er sich verpflichtet hätte, für die Kosten der Insulinpumpenschulung ggfs. selbst aufzukommen. Dr. T. habe auch keinen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 i.V.m. § 818 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Ein derartiger Bereicherungsanspruch bestehe nur innerhalb eines Leistungsverhältnisses. Die Abgabe eines Hilfsmittels vom Hilfsmittellieferanten an den Versicherten und die Ausbildung in seinem Gebrauch stelle eine Leistung des Hilfsmittellieferanten an die Krankenkasse und die rechtzeitige Leistung der Krankenkasse an den Versicherten dar.

Hiergegen richtet sich die am 11.04.2006 eingelegte Berufung des Klägers. Er hat dargelegt, dass er Dr. T. versichert habe, ihm für die Kosten der Schulung aufzukommen, falls diese nicht von der Krankenkasse übernommen würden. Damit sei ein mündlicher Vertrag geschlossen worden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn von Kosten in Höhe von 1.224,03 EUR für die Unterbringung und Verpflegung im Diabetes-Dorf A. in der Zeit vom 25. Mai bis 11. Juni 2004 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des SG ist nach ihrer Auffassung zu Recht ergangen.

Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten erörtert.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht komme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Berufung, über die der Senat gemäß § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheidet, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Streitgegenstand nur der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.08.2005 ist. Mit dem Schreiben vom 22.12.2004 wurde die bereits mit Bescheid vom 24.06.2004 getroffene Entscheidung lediglich noch einmal wiederholt. Eine eigenständige Entscheidung ist hierdurch nicht erfolgt.

Im übrigen scheitert der Anspruch des Klägers auf Freistellung von den Kosten, abgesehen davon, dass solche nicht entstanden sind, auch daran, dass die Schulung im Diabetes-Dorf in A. und damit auch Unterbringung und Verpflegung nicht medizinisch notwendig war. Ausreichend und zweckmäßig wäre eine Schulung wohnortnah in einer Diabetespraxis oder einem Diabetesschwerpunkt gewesen. Die dort erfolgende Unterweisung ist ausreichend. Es wird insoweit nicht verkannt, dass die Schulung im Diabetes-Dorf in A. umfassender und deshalb für die Beteiligten vermutlich auch befriedigender ist, doch ist eine so umfassende Schulung mit 100 Stunden medizinisch nicht notwendig. Der Gebrauch der Insulinpumpe kann in wesentlich kürzerer Zeit erlernt werden. Im übrigen setzt eine Kostenübernahme durch die Beklagte voraus, dass sie vor Erbringung der Leistung mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Sie muss einen ablehnenden Bescheid erlassen haben bevor die Leistung in Anspruch genommen wurde. Ansonsten fehlt es an der Kausalität zwischen dem die Haftung der Krankenkassen begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) (BSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 18/01 R). Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Schulung zwischen dem 25.05. und 11.06.2004 durchgeführt. Der Bescheid datiert vom 24.06.2004. Der notwendige Beschaffungsweg wurde somit nicht eingehalten. Der Kläger hat sich vor Erlass des Bescheids die begehrte Leistung verschafft. Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Antrag bereits am 07.04.2004 bei der Beklagten einging. Die Bearbeitung eines Antrags bis zum 24.06.2004 und damit innerhalb von weniger als drei Monaten ist nicht zu lang. Hiervon ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil der Kläger wegen der Patellaverletzung in diesem Zeitraum aus diesem Grund bereits arbeitsunfähig krank war. Dies mag ein wirtschaftlich und arbeitsrechtlich nachvollziehbarerer Grund für die Inanspruchnahme der Leistung im Diabetes-Dorf in A. in dieser Zeit sein, einen Notfall, der eine sofortige Inanspruchnahme der Leistung erforderlich gemacht hätte, stellt dies jedoch nicht dar. Die Unaufschiebbarkeit einer Leistung beurteilt sich allein nach medizinischen Kriterien, d.h. der übliche Beschaffungsweg muss mit einer für den Berechtigten unvermeidbaren Verzögerung, d.h. mit medizinischen Risiken, nicht unbedingt aber Lebensgefahr, verbunden sein, der die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit oder die Besserung des Gesundheitszustandes gefährden könnte oder der für den Versicherten nicht zumutbar ist (BSG SozR 3 - 2500 § 29 Nr. 3). Dies ist beim Kläger nicht der Fall gewesen. Die Schulung musste nicht aus medizinischen Gründen in diesem Zeitraum durchgeführt werden. Schließlich hat die Beklagte die Erstattung der Leistungen auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Das Diabetes-Dorf in A. ist nicht zugelassen. Es besteht kein Versorgungsvertrag im Sinne des § 108 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und es handelt sich bei der Einrichtung auch nicht um eine Hochschulklinik oder um ein Krankenhaus, das im Krankenhausplan eines Landes aufgenommen ist (§ 108 Nr. 1 und 2 SGB V). Dies wäre für die Erstattung einer Leistung, nachdem es sich um keine ambulante Leistung handelte, indessen erforderlich. Dass keine ambulante Leistung vorlag, wird daraus deutlich, dass der Kläger im Diabetes-Dorf übernachtet hat und die Fallpauschale für die Unterbringung geltend gemacht wird. Die Leistung ist eine stationäre Maßnahme. Eine stationäre Maßnahme kann nur in einer zugelassenen Einrichtung erfolgen. Für einen Versorgungsnotstand, der es rechtfertigte, die Beklagte zur Erstattung der Behandlungskosten in einer Nichtvertragsklinik zu verpflichten, besteht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens kein Anhalt. Die Unterweisung und Schulung hätte nicht nur in dieser Einrichtung erfolgen können. Die Kostenübernahme kann schließlich auch nicht aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V hergeleitet werden. Denn die vom Kläger in Anspruch genommene Leistung gehört, da sie in der nicht zugelassenen Einrichtung durchgeführt wurde, von vornherein schon nicht zu den Leistungen, die die gesetzlichen Krankenkassen zu gewähren haben und damit am Wirtschaftlichkeitsgebot zu messen sind. Auch der Umstand, dass die Beklagte an sich verpflichtet gewesen wäre, dem Kläger eine Schulung in einer anderen Form zur Verfügung zu stellen, begründet keinen Anspruch auf Erstattung der nunmehr geltend gemachten Kosten. Der Kläger hat sich aus freien Stücken außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung begeben. Für derartige Behandlungen hat die Krankenkasse selbst dann nicht einzustehen, wenn hierdurch keine höheren Kosten als im Rahmen des gesetzlichen Leistungssystems entstanden wären.

Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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