Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 VJ 00804/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 VJ 3363/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Rücknahmeverfahrens streitig, ob beim Kläger bestehende Gesundheitsstörungen als Impfschadensfolge nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) anzuerkennen sind und deswegen Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vom Hundert (v.H.) zu gewähren ist.
Der am 13.12.1953 geborene Kläger nahm am 16.09. oder 17.09.1985 im Betrieb seines damaligen Arbeitgebers an einer Grippeschutzimpfung teil. Die Impfung wurde nach der Auskunft der Betriebsärztin Dr. R. mit einer Impfpistole durchgeführt. Am 27.09.1985 suchte der Kläger den Internisten Dr. H. auf, der die sofortige stationäre Einweisung des Klägers bei Verdacht auf Meningitis veranlasste. Im Diakonie-Krankenhaus S.-H. wurde eine Virus-encephalitis (CMV-Infektion) mit teilregredienter armbetonter Hemiparese links, Hemihypästhesie rechts und ein weitgehend rückläufiges organisches Psychosyndrom diagnostiziert und der Kläger bis 21.11.1985 stationär behandelt. Anschließend befand sich der Kläger bis 19.02.1986 in der Nachsorgebehandlung im Diakoniewerk B. W. (Nachsorgekrankenhaus). In der Folgezeit erfolgten stationäre Behandlungen des Klägers in den Kliniken S., G. (vom 26.02. bis 21.05. 1986, 03.12.1986 bis 11.02.1987, 13.04. bis 08.06.1988, 30.06. bis 10.08.1993 und vom 07.06. bis 19.07.1994). Im Entlassungsbericht vom 20.07.1994 schloss Dr. H. einen Kausalzusammenhang zwischen der Grippeimpfung und der CMV-Virusmeningoencephalitis aus.
Den Erstantrag des Klägers vom 14.07.1994 auf Gewährung von Versorgung wegen Impfschäden lehnte das Versorgungsamt H. (VA) gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Medizinaldirektorin Dr. H. mit Bescheid vom 20.03.1995 mit der Begründung ab, die im Anschluss an die Grippeschutzimpfung aufgetretene Virusencephalitis stehe nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Impfung. Dr. H. hatte einen Ursachenzusammenhang verneint und darauf hingewiesen, dass die Virusencephalitis durch das sog. Cytomegalievirus, welches weltweit verbreitet sei, verursacht worden sei. Die Übertragung erfolge durch Schmier- oder Tröpfcheninfektion. Wie der Infektionsweg beim Kläger gewesen sei, könne anhand der Aktenlage nicht näher angegeben werden. Der Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, die Erkrankung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Infektion aufgrund der Impfung zu begründen, wofür die Narbenbildung einer ca. 2 cm großen Narbe an der Einstichstelle spreche, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.1995 zurückgewiesen.
Im April 1998 beantragte der Kläger beim VA eine Überprüfung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) und legte einen Bericht des Dr. M.-W., Chefarzt der Abteilung für Neurologie im Diakonie-Krankenhaus S.-H., vom November 1995 vor, in dem dieser ausführte, alle Fragen des Zusammenhanges dieser 10 Jahre zurückliegenden Infektion seien schwer zu beantworten, zumal auch viele andere Möglichkeiten einer CMV-Infektion in Frage kämen und ein hochtitriger CMV-Antikörper-Spiegel nicht unbedingt ätiologisch richtungweisend sei. Ein Zusammenhang sei in jedem Fall spekulativ. Das VA zog Unterlagen der AOK H. bei und hörte erneut Dr. H ... Diese legte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme dar, beim Kläger habe es sich zum Zeitpunkt der Impfung um einen Patienten gehandelt, bei dem kein Anhalt für eine geschwächte Abwehrlage bestanden habe. Die Inkubationszeit für eine Zytomegalie-Virus-Infektion bei einem immunkompetenten Patienten betrage 20 bis 60 Tage. Wenn angenommen werde, dass die ersten Symptome der Zytomegalie-Virus-Infektion am 27.09.1985 aufgetreten seien, dann müsse der Viruskontakt mindestens 20 Tage vor diesem Datum, also nicht erst zum Zeitpunkt der Grippeschutzimpfung gelegen haben. Mit Bescheid vom 05.06.1998 lehnte das VA hierauf die Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X ab, da bei Erlass des Bescheides vom 20.03.1995 weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Der Widerspruch des Klägers, mit dem er u. a. darauf hinwies, dass weitere Personen nach der Grippeschutzimpfung gesundheitliche Störungen aufgewiesen hätten, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.01.1999).
Am 08.02.2000 stellte der Kläger erneut einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X, der mit Bescheid vom 13.04.2000 abgelehnt wurde.
Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren wandte sich das VA an Arbeitskollegen des Klägers, die im Jahr 1994 bestätigt hatten, dass sie am 16.09.1985 an einer Grippeschutzimpfung bei dem damaligen Arbeitgeber des Klägers teilgenommen hätten. Der noch erreichbare Herr G. bestätigte gesundheitliche Probleme nach der Impfung. Nach ca. 2 Wochen sei er wieder zu sich gekommen. Das Fieber habe nachgelassen und die Schwellungen, die am Anfang erschreckend ausgesehen hätten, seien verschwunden. Er sei damals mit dem Kläger zusammen geimpft worden. Das VA holte daraufhin eine gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. B., Arzt für Labormedizin, ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der zeitliche Verlauf dafür spreche, dass die Influenzaimpfung während der Inkubationszeit der CMV-Infektion erfolgt sei. Obwohl zur Frage einer Immunsuppression durch die Impfung mit einem Gesamtvirusimpfstoff keine systematischen Untersuchungen existierten, könne es als wahrscheinlich gelten, dass es durch die Impfung zu einer Belastung des Immunsystems, möglicherweise sogar zu einer gewissen Immunsuppression komme. Obwohl nur wenig Literatur zu Fragen der Immunsuppression durch Impfungen publiziert sei, fänden sich doch verschiedene Hinweise, dass es auch bei der Verabreichung von Totimpfstoffen zu einer passageren Immunsuppression kommen könne. Wenngleich die durchgeführte Influenzaimpfung mit Sicherheit nicht in erster Linie als Ursache für die später aufgetretene Symptomatik und die Residualzustände des Klägers verantwortlich sei, so sei dennoch davon auszugehen, dass die Influenzaimpfung zu einer Verschlechterung des Krankheitsverlaufes der Zytomegalie-Virus-Infektion beigetragen haben könne. Hierfür spreche auch, dass solch schwere Krankheitsverläufe beim immungesunden Patienten fast nie beobachtet würden. Entsprechend dem körperlichen und geistigen Zustand des Klägers bei Vorstellung zur Untersuchung sei von einer MdE mit annähernd 100 % auszugehen. Da es nicht möglich sei, eine Verschlechterung des CMV-Infektionsverlaufes durch die Influenzaimpfung im Detail zu belegen, andererseits jedoch eine negative Beeinflussung des CMV-Infektionsverlaufs durch die Influenza-Impfung plausibel erscheine, sollte deren Anteil an der MDE pauschal mit einem Drittel angenommen werden. In einer von Dr. H. erbetenen ergänzenden Stellungnahme führte Prof. Dr. B. aus, aufgrund der Unterlagen und Vorgutachten sei wohl unstrittig, dass die damalige Influenzaimpfung innerhalb der Inkubationszeit einer CMV-Infektion erfolgt sei. Ebenso dürfe es insgesamt als wahrscheinlich gelten, dass die beschriebene neurologische Symptomatik des Klägers eben dieser CMV-Infektion zuzuschreiben sei. Allgemeines Literaturverständnis besage, dass eine CMV-Encephalitis weit überwiegend beim immunkompromittierten Patienten vorkomme, beim ansonsten gesunden Patienten jedoch eine Rarität darstelle. Untersuchungen, inwieweit sich bei CMV-Encephalitis Patienten möglicherweise unerkannte Immundefekte nachweisen ließen, existierten nicht. Es könne daher als wahrscheinlich gelten, dass eine entweder vorbestehende oder passagere Immunsuppression zu einem in seiner Schwere ungewöhnlich ausgeprägten Krankheitsbild der CMV-Infektion beigetragen habe. Da Anhaltspunkte für einen vorbestehenden Immundefekt nicht existierten, sei eine passagere Immunsuppression plausibel und eher wahrscheinlich. Hierzu äußerte sich Dr. H. in einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme dahingehend, dass nach dem virologischen Gutachten die Verursachung einer Verschlimmerung der Cytomegalievirusencephalitis durch die Grippeschutzimpfung als möglich, aber nicht als wahrscheinlich zu beurteilen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2001 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) mit der Begründung, nach den Feststellungen des VA sei die CMV-Infektion zum Zeitpunkt der Impfung schon gegeben gewesen, da die Inkubationszeit mindestens 20 Tage betrage. Er habe auch tatsächlich schon an leichten grippalen Symptomen gelitten. Damit sei aber in eine bestehende Krankheit "hineingeimpft" worden. Hersteller von Impfstoffen wiesen selbst darauf hin, dass erst 14 Tage nach Abklingen der letzten Krankheitssymptome geimpft werden dürfe. Damit bestehe die ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass das Immunsystem ohne die nunmehr hinzutretenden Impferreger die bestehende Erkrankung zumindest soweit in den Griff bekommen hätte, dass es nicht zu den letztendlich aufgetretenen schweren Ausfallserscheinungen, die in dieser Vehemenz bei CMV-Infektionen äußert selten seien, gekommen wäre. Die Impfung sei in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt der schweren Ausfallserscheinungen zumindest annähernd gleichwertig gewesen.
Als gerichtlicher Sachverständiger erstattete Prof. Dr. E., ehemaliger Direktor des Instituts für Impfwesen und Virologie H., ein Gutachten nach Aktenlage. Dieser führte zusammenfassend aus, die Grippeschutzimpfung vom 17.09.1985 sei beim Kläger mit einem Jet-Injektor durchgeführt worden. Von dem Arzt des Heimes, in dem sich der Kläger derzeit befinde, habe er erfahren, dass sich am linken Arm des Klägers, an dem die Grippeimpfung durchgeführt worden sei, eine 2 Zentimeter lange Narbe befinde. Dies lasse den Schluss zu, dass seinerzeit an der Impfstelle ein entzündlicher Prozess vorgelegen habe, wodurch über eine Schmierinfektion das Eindringen des Cytomegalievirus in die Blutbahn und später ins Gehirn begünstigt worden sei. Eine CMV-Encephalitis sei nachweislich ein äußerst seltenes und auch ungewöhnliches Ereignis. Mit Wahrscheinlichkeit liege beim Kläger ein Grippeimpfschaden vor. Nach der Beurteilung von Prof. Dr. B. sei aufgrund des Gesundheitszustandes des Klägers eine MdE von 100 v.H. angemessen.
Der Beklagte legte dazu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. S. vor, derzufolge aus den aktenkundigen Unterlagen keinerlei Hinweise zu finden seien, also auch nicht ärztlich bestätigt sei, dass es zu einer entzündlichen Reaktion bzw. einer Ulzeration mit nachfolgender Narbenbildung am linken Oberarm im Zusammenhang mit der Impfung gekommen sei. Allein aus der Tatsache der Benutzung einer Impfpistole und einer 1995 geltend gemachten Narbe am linken Oberarm könne der Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden. Die Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs könne ein Anerkenntnis nicht begründen.
Mit Urteil vom 25.06.2002, dem Beklagten zugestellt am 14.08.2002, hob das SG den Bescheid vom 13.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2001 auf, verpflichtete den Beklagten, den Bescheid vom 20.03.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.1995 zurückzunehmen und verurteilte den Beklagten, dem Kläger ab 01.01.1996 Beschädigtenrente nach einer MdE um 100 v.H. zu gewähren. In den Entscheidungsgründen führte das SG im wesentlichen aus, die heute beim Kläger bestehenden im Zusammenhang mit einer Virusencephalitis entstandenen Gesundheitsstörungen stünden entgegen der Auffassung des Beklagten mit Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit der erlittenen Schädigung. Dass es im Gefolge der Impfung zu einer Gesundheitsschädigung gekommen sei, stehe zur Überzeugung des Gerichts fest durch das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen. Dieser verfüge auf dem hier zu beurteilenden Fachgebiet über besondere Erfahrungen und Kenntnisse. Er habe die aufgetretenen Risiken und möglichen Entstehungsfaktoren eingehend abgegrenzt und gegeneinander abgewogen und sei damit im wesentlichen zu dem auch schon von Prof. Dr. B. gewonnenen Ergebnis gelangt, dass nämlich die heute beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen ursächlich auf die durchgeführte Grippeschutzimpfung zurückzuführen seien. Den entgegenstehenden ärztlichen Äußerungen der S. Klinik und des D.-Krankenhauses S. H. sowie den Auffassungen der Medizinaldirektorin Dr. H. und des Dr. S. vermöge sich das Gericht deshalb nicht anzuschließen. Es sei nicht nachgewiesen, dass anderen Bedingungen gegenüber der erlittenen Impfung mit Wahrscheinlichkeit eine überragende Bedeutung zukomme.
Hiergegen hat der Beklagte am 29.08.2002 Berufung eingelegt und zur Begründung unter Beifügung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vorgetragen, aus versorgungsärztlicher Sicht könne allenfalls die geschützte Impfung am 16.09.1985 sowie eine am 27.09.1985 diagnostizierte CMV-Encephalitis als bewiesen angesehen werden. Unklar und widersprüchlich blieben der Krankheitsverlauf bzw. die Befindlichkeitsstörungen zum Zeitpunkt der Impfung, d. h. eine unübliche Impfreaktion (gesundheitliche Schädigung) sei nicht nachgewiesen. Hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität stütze sich das Gericht in den Entscheidungsgründen auf Möglichkeiten, lasse hierbei aber offen, welche der beiden von den Gutachtern Prof. Dr. B. und Prof. Dr. E. aufgezeigten möglichen Zusammenhänge dem Urteil zugrunde gelegt würden. Wesentliche versorgungsrechtliche Kriterien für die Anerkennung eines Impfschadens seien bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigt worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Juni 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil.
Der Senat hat Dr. H. als sachverständigen Zeugen gehört und eine Auskunft bei Dr. R. eingeholt. Dr. H. hat über Behandlungen des Klägers im August 1985 und am 27.09.1985 berichtet. Arbeitsunfähigkeit habe nur vom 12.08. bis zum 23.08.1985 wegen des Verdachts auf Gastritis und Schulter-Arm-Syndrom bestanden. Zu den Zeiten, an denen er den Kläger gesehen habe, hätten keine grippalen Symptome bestanden. Wann die Grippeschutzimpfung gewesen sei, sei ihm nicht bekannt. Der Kläger habe am 27.09.1985 darüber geklagt, dass er Grippe habe und krank sei. Von Impfung sei damals keine Rede gewesen. Bei Verdacht auf Meningitis und Halbseitensymptomatik sei der Kläger als Notfall in das nächstgelegene geeignete Krankenhaus transportiert worden. Dr. H. fügte Entlassungsberichte der Kliniken S., vertrauensärztliche Gutachten und einen Bericht der betreuenden Nervenärztin C. bei.
Dr. R. hat mitgeteilt, sie habe im Jahre 1985 im Rahmen ihrer betriebsärztlichen Tätigkeit Grippeschutzimpfungen durchgeführt. Im Zusammenhang mit damaligen Impfaktionen seien außergewöhnliche Impfreaktionen nicht bekannt bzw. mitgeteilt worden. Die Grippeschutzimpfungen seien damals nach allgemein gültigen Richtlinien mit einer Impfpistole durchgeführt worden, die ihr von Seiten der Krankenkassen zur Verfügung gestellt worden sei.
In einem Erörterungstermin am 01.04.2005 ist die ehemalige Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen worden. Auf die Niederschrift vom 01.04.2005 wird Bezug genommen.
Nach dem vorgelegten Betreuerausweis ist mit Bestellungsurkunde des Vormundschaftsgerichts E. vom 19.11.2001 ein Betreuer bestellt worden.
Der Senat hat sodann Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-umweltmedizinischen Fachgutachtens bei Prof. Dr. H ... Der Sachverständige ist zu der Beurteilung gekommen, dass aus seiner fachärztlichen Sicht unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen davon auszugehen sei, dass der Kläger im September 1985 an einer Cytomegalievirus (CMV) verursachten Virusencephalitis erkrankt sei. Hierfür spreche der signifikante Virustiter. Die Labordiagnostik (deutliche BSG-Erhöhung, deutliche Leukozytose im Differential-Blutbild) entspreche einem eher bakteriellen Geschehen vor der Impfung. Es bestehe mit Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang der Virusencephalitis mit der Grippeschutzimpfung im Sinne der Verschlimmerung. Es habe beim Kläger vor der Impfung ein "Unwohlsein" bestanden, ferner mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verminderung der Abwehrlage. Die Verminderung der Abwehrlage vor der Impfung sei als Kontra-Indikation zur Durchführung der Grippe-Schutzimpfung zu werten. Als Schädigungsfolgen bestünden eine spastische Hemiparese links, eine Hemihypästhesie und eine Hemihypalgesie rechts. Die schädigungsbedingte MdE sei mit 100 v.H. zu bewerten. Es bestehe Einvernehmen mit Prof. Dr. E. hinsichtlich der Bewertung des entzündlichen Geschehens, des Unwohlseins 2 Wochen vor der Impfung und dass beim Kläger mit Wahrscheinlichkeit ein Impfschaden vorliege.
Zu der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R., wonach abgesehen davon, dass einige Widersprüchlichkeiten bzw. Unklarheiten vorlägen, versorgungsärztlicherseits aus den von den Gutachtern angeführten Möglichkeiten die Wahrscheinlichkeit eines Impfschadens weiterhin nicht abgeleitet werden könne, hat Prof. Dr. H. in einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme dargelegt, an seiner Beurteilung im Gutachten festzuhalten. Hierzu hat sich für den Beklagten Dr. G. geäußert und ausgeführt, dass gegen den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Grippeschutzimpfung und der CMV-Encephalitis im Sinne der Entstehung spreche, dass ein entsprechend ausgeprägtes Impfulkus, welches den (nur) möglichen Eintritt eines CMV-Virus in die Blutbahn hätte begünstigen können, nicht belegt sei. Auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Grippeschutzimpfung und der CMV-Encephalitis im Sinne der Verschlimmerung sei nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit zu bejahen. Für eine relevant gestörte Immunabwehrlage zum Zeitpunkt der Grippeschutzimpfung gebe es keinen Beleg. Die Laborkonstellation zum Zeitpunkt der Aufnahme in das D.-Krankenhaus sei für einen Virusinfekt zwar nicht typisch, belege jedoch keineswegs das Vorliegen eines ärztlich erkennbaren bakteriellen Infektes und einer Abwehrschwäche bereits zum Zeitpunkt der Impfung. Eine häufige oder gar regelhafte Verschlechterung des Infektverlaufes bei CMV-Infektionen durch Grippeschutzimpfungen sei nicht bewiesen.
Der Senat hat eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. E. eingeholt. Darin ist dieser zu dem Ergebnis gelangt, der positive Nachweis von Cytomegalie-IgM-Antikörpern sowie der CMV-IgG-Antikörper, die nach Erkrankungsbeginn mit ansteigendem Antikörpertiter festgestellt worden seien, seien der Beweis, dass es sich um eine Erstinfektion beim Kläger mit diesem Virus gehandelt habe. Auch die bei der Klinik-Erstuntersuchung festgestellten krankhaften Leberwerte sprächen für das Vorliegen einer Cytomegalie-Virusinfektion. Es bestehe mit Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Virusencephalitis und der Grippeschutzimpfung im Sinne der Entstehung. Dafür spreche, dass seinerzeit beim Kläger eine Jetinjektion durchgeführt worden sei und es sich beim Kläger um eine Erstinfektion gehandelt habe, wobei die Entzündungserscheinungen an der Impfstelle die Eintrittspforte für das CM-Virus wahrscheinlich machten. Ein weiterer Gesichtspunkt sei das seltene Vorkommen einer CMV-Encephalitis. Erst durch die veränderte Abwehrlage nach Schutzimpfungen sei beim Kläger die Bereitschaft zu dieser schweren Erkrankungsform einer Encephalitis gelegt worden. Auch die relativ kurze Zeit zwischen Grippeschutzimpfung und Ausbruch der Encephalitis machten einen Zusammenhang wahrscheinlich.
Zu den von Dr. G. in einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme aufrecht erhaltenen Einwendungen hat sich Prof. Dr. E. nochmals geäußert und daran festgehalten, dass die 1985 verabreichte Grippeschutzimpfung des Klägers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für die später aufgetretene CMV-Encephalitis als ursächlich anzusehen sei.
Hierzu hat sich für den Beklagten erneut Dr. G. in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme geäußert.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wie auch des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie den der Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 44 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Nach § 44 Abs. 4 SGB X können bei Vorliegen der Voraussetzungen Leistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme oder - bei Rücknahme auf Antrag - vor dem Antrag erbracht werden, d.h. hier ab 01.01.1996.
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG erhält derjenige, der durch eine Impfung, die u.a. von einer zuständigen Behörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen worden ist (Ziff. 3) einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit dieses Gesetz nichts abweichendes bestimmt. Hier war die Grippeschutzimpfung in Baden - Württemberg bereits 1984 empfohlen (Bekanntmachung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung über öffentlich empfohlene Schutzimpfungen vom 13.07.1984) und im Betrieb des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers von der AOK H. durchgeführt worden. Ein Impfschaden ist nach § 52 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG ein über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden. Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Impfung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges (§ 52 Abs. 2 Satz 1 BSeuchG). Der Wortlaut entspricht § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG. Die Wahrscheinlichkeit des erforderlichen ursächlichen Zusammenhangs zwischen Impfung, Impfschaden und festgestelltem Leiden bestimmt sich somit nach der im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung. Nicht nur die Impfung selbst und das anzuerkennende Leiden, sondern auch als Mittelglied ein Impfschaden, also eine unübliche Impfreaktion, müssen erwiesen sein. Eine Erkrankung, die alsbald nach einer Impfung aufgetreten sein muss, ist als ungewöhnliche Impfreaktion und damit als "Impfschaden" anzusehen, falls sie wahrscheinlich durch die Impfung verursacht wurde. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt, d.h. wenn nach sachgerechter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht, also ernsthafte Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden (vgl. BSG SozR 3850 § 51 Nr. 9 BSeuchG und Nr. 10; Urteil vom 03.01.1986 - 9 a RVi 2/85 - unveröffentlicht; Urteil des BSG vom 27.08.1998 - B 9 VJ 2/97 R -; BSGE 32, 203, 209; 60, 58, 59). Ein Impfschaden kann auch vorliegen, wenn durch die Impfwunde (Hautverletzung) Krankheitserreger anderer Art in den Körper eindringen und Gesundheitsschäden hervorriefen (sog. "Zweitinfekt", vgl. BGH NJW 1970, Seite 1230). Ist ein Gesundheitsschaden nicht auf eine vorangegangene Impfung zurückzuführen, kann dennoch ein mittelbarer Impfschaden vorliegen, wenn die Erkrankung wahrscheinlich darauf beruht, dass die Abwehrkräfte des Betreffenden durch die Impfung und Auseinandersetzung des Körpers mit dem Impfstoff geschwächt waren (Resistenzminderung; BSG vom 09.05.1972 - SGb 1972 Seite 314 Nr. 17). Es genügt, wenn die Impfung eine der mitwirkenden Ursachen ist, ohne die der Schaden nicht eingetreten wäre. So kann etwa auch die durch Impfung im Körper entstandene veränderte Abwehrlage i.V.m. starker anderweitiger körperlicher Anstrengung eine Gesundheitsstörung herbeiführen, die als Impfschaden anzusehen ist. Ausschlaggebend ist die medizinische Beurteilung des Einzelfalles (vgl. Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Auflage § 52 BSeuchG RdNr. 5).
In Ansehung dieser rechtlichen Gegebenheiten steht aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger innerhalb der Inkubationszeit von drei Wochen (vgl. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Ausgabe 1996 bzw. 2004 - Nr. 57, Seite 232 bzw. Nr. 57 Seite 196) an einer Virusencephalitis (CMV-Infektion) erkrankte, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Grippeschutzimpfung zurückzuführen ist, und als Residualzustand ein hirnorganisches Psychosyndrom sowie eine spastische Hemiparese links und Hemihypästhesie und Hemihypalgesie rechts verblieben sind. Der Senat stützt sich bei dieser Beurteilung vor allem auf das überzeugende Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. E. nebst ergänzender Stellungnahmen. Prof. Dr. E. hat für den Senat überzeugend und nachvollziehbar aufgezeigt, dass es sich beim Kläger um eine Erstinfektion mit dem Cytomegalievirus handelte. Dies ergibt sich aus dem positiven Nachweis von Cytomegalie-IgM-Antikörpern sowie der CMV-IgG-Antikörper, die nach Erkrankungsbeginn mit ansteigenden Antikörpern festgestellt wurden. Auch die bei der Klinik-Erstuntersuchung festgestellten krankhaften Leberwerte sprechen für das Vorliegen einer Cytomegalie-Virusinfektion. Für einen ursächlichen Zusammenhang mit der Grippeschutzimpfung spricht, dass es beim Kläger am elften Tag nach der Impfung zu einer halbseitigen Lähmung kam. Entscheidend ist insoweit auch, dass die CMV-Infektion erst um den Zeitpunkt der Grippeschutzimpfung erfolgte, sonst wäre im Anschluss an Prof. Dr. E. das CMV-spezifische-IgM kurz nach der Erkrankung nicht nachweisbar gewesen. Bei späterer serologischer Überprüfung konnte diese IgM-Positivität auch nicht mehr nachgewiesen werden. Fest steht für den Senat ferner, dass die Impfung des Klägers mit einer Impfpistole erfolgte. Insoweit misst der Senat den Angaben der Betriebsärztin Dr. R. höheren Beweiswert zu als den Angaben des Klägers im Erörterungstermin 20 Jahre nach der Impfung, zumal wenn das Krankheitsbild des Klägers berücksichtigt wird. Da es sich beim Kläger um eine Erstinfektion handelte, ist von einer Infektion mit Viren infolge Verunreinigungen des Geräts auszugehen. Auch wenn eine Narbenbildung zum Zeitpunkt des Erörterungstermins im April 2005 nicht mehr deutlich erkennbar war, spricht dies nicht gegen eine abgelaufene Entzündung an der Impfstelle (Eintrittspforte für das CM-Virus). Wie Prof. Dr. E. deutlich gemacht hat, können Narben vollkommen verschwinden, zumal eine Alteration der Haut durch eine Jetinjektion von Grippeimpfstoff ein geringeres Trauma verursacht als eine Scarifikation nach Pockenschutzimpfung. Im übrigen hat der Kläger bezüglich Entzündungserscheinungen an der Impfstelle nach der Impfung bereits im Rahmen seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 20.03.1995 auf eine ca. zwei Zentimeter große Narbe an der Einstichstelle hingewiesen. Diesem Hinweis ist man von Seiten des Beklagten nicht nachgegangen. Auch der Heimarzt bestätigte gegenüber Prof. Dr. E. eine Narbenbildung am linken Arm. Hinzu kommt, dass auch ein gleichzeitig geimpfter Betriebskollege über Schwellungen und Fieber nach der Impfung berichtete. Auch dies spricht für über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende Vorgänge. Die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Erkrankung des Klägers in seinem Blut eine Leukozytose festgestellt wurde, welche nicht mit der CMV-Infektion zu erklären ist, da virale Infekte nach den Darlegungen von Prof. Dr. E. zu einer Leukozytendepression führen, kann für eine bakterielle Verunreinigung, wie z.B. Schmierinfektion an der Impfstelle sprechen und untermauert die Beurteilung des erfahrenen Impfsachverständigen bezüglich der Eintrittspforte des CMV-Virus. Gegen den Ursachenzusammenhang spricht schließlich auch nicht, dass für eine klinisch relevante Immunsuppression während oder vor der akuten Erkrankung kein Beweis vorliegt, denn wie Prof. Dr. E. nachvollziehbar begründet hat, ist beim Kläger die CMV-Infektion gleichzeitig mit der Grippeschutzimpfung aufgetreten. Die Influenza-Impfung hat den CMV-Infektionsverlauf negativ beeinflusst und ist als auslösender Faktor anzusehen. Eine Veränderung der Abwehrlage des Impflings zeigt sich - so Prof. Dr. E. - nicht nur durch das Auftreten einer Immunsuppression, vielmehr weist Prof. Dr. E. darauf hin, dass der Erkrankungsbeginn beim Kläger auf eine hyperergische Reaktion vom verzögerten Typ gegenüber dem Grippe-Impfvirus hinweist.
Der Senat verkennt nicht, dass die versorgungsärztlichen Einwendungen teilweise berechtigt sind. Bei einer Abwägung der für und gegen einen Ursachenzusammenhang sprechenden medizinischen Gründe und Gesichtspunkte sprechen jedoch auch nach Auffassung des Senats mehr Gründe für einen Ursachenzusammenhang zwischen der Grippeschutzimpfung und der Virusencephalitis und zwar im Sinne der Entstehung. Entgegen versorgungsärztlicher Beurteilung ist nicht nur von einer Möglichkeit eines Kausalzusammenhanges auszugehen, vielmehr schließt sich auch der Senat nach Abwägung aller Umstände im vorliegenden Fall der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. E. an.
Die MdE beträgt, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, nach den dokumentierten Gesundheitsstörungen und Beeinträchtigungen 100 v.H. Insoweit haben sich auch unter Berücksichtigung der Feststellungen des Beklagten im Schwerbehindertenverfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Abweichung von der erstinstanzlichen Entscheidung begründen könnten.
Nach alledem war die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Rücknahmeverfahrens streitig, ob beim Kläger bestehende Gesundheitsstörungen als Impfschadensfolge nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) anzuerkennen sind und deswegen Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vom Hundert (v.H.) zu gewähren ist.
Der am 13.12.1953 geborene Kläger nahm am 16.09. oder 17.09.1985 im Betrieb seines damaligen Arbeitgebers an einer Grippeschutzimpfung teil. Die Impfung wurde nach der Auskunft der Betriebsärztin Dr. R. mit einer Impfpistole durchgeführt. Am 27.09.1985 suchte der Kläger den Internisten Dr. H. auf, der die sofortige stationäre Einweisung des Klägers bei Verdacht auf Meningitis veranlasste. Im Diakonie-Krankenhaus S.-H. wurde eine Virus-encephalitis (CMV-Infektion) mit teilregredienter armbetonter Hemiparese links, Hemihypästhesie rechts und ein weitgehend rückläufiges organisches Psychosyndrom diagnostiziert und der Kläger bis 21.11.1985 stationär behandelt. Anschließend befand sich der Kläger bis 19.02.1986 in der Nachsorgebehandlung im Diakoniewerk B. W. (Nachsorgekrankenhaus). In der Folgezeit erfolgten stationäre Behandlungen des Klägers in den Kliniken S., G. (vom 26.02. bis 21.05. 1986, 03.12.1986 bis 11.02.1987, 13.04. bis 08.06.1988, 30.06. bis 10.08.1993 und vom 07.06. bis 19.07.1994). Im Entlassungsbericht vom 20.07.1994 schloss Dr. H. einen Kausalzusammenhang zwischen der Grippeimpfung und der CMV-Virusmeningoencephalitis aus.
Den Erstantrag des Klägers vom 14.07.1994 auf Gewährung von Versorgung wegen Impfschäden lehnte das Versorgungsamt H. (VA) gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Medizinaldirektorin Dr. H. mit Bescheid vom 20.03.1995 mit der Begründung ab, die im Anschluss an die Grippeschutzimpfung aufgetretene Virusencephalitis stehe nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Impfung. Dr. H. hatte einen Ursachenzusammenhang verneint und darauf hingewiesen, dass die Virusencephalitis durch das sog. Cytomegalievirus, welches weltweit verbreitet sei, verursacht worden sei. Die Übertragung erfolge durch Schmier- oder Tröpfcheninfektion. Wie der Infektionsweg beim Kläger gewesen sei, könne anhand der Aktenlage nicht näher angegeben werden. Der Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, die Erkrankung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Infektion aufgrund der Impfung zu begründen, wofür die Narbenbildung einer ca. 2 cm großen Narbe an der Einstichstelle spreche, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.1995 zurückgewiesen.
Im April 1998 beantragte der Kläger beim VA eine Überprüfung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) und legte einen Bericht des Dr. M.-W., Chefarzt der Abteilung für Neurologie im Diakonie-Krankenhaus S.-H., vom November 1995 vor, in dem dieser ausführte, alle Fragen des Zusammenhanges dieser 10 Jahre zurückliegenden Infektion seien schwer zu beantworten, zumal auch viele andere Möglichkeiten einer CMV-Infektion in Frage kämen und ein hochtitriger CMV-Antikörper-Spiegel nicht unbedingt ätiologisch richtungweisend sei. Ein Zusammenhang sei in jedem Fall spekulativ. Das VA zog Unterlagen der AOK H. bei und hörte erneut Dr. H ... Diese legte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme dar, beim Kläger habe es sich zum Zeitpunkt der Impfung um einen Patienten gehandelt, bei dem kein Anhalt für eine geschwächte Abwehrlage bestanden habe. Die Inkubationszeit für eine Zytomegalie-Virus-Infektion bei einem immunkompetenten Patienten betrage 20 bis 60 Tage. Wenn angenommen werde, dass die ersten Symptome der Zytomegalie-Virus-Infektion am 27.09.1985 aufgetreten seien, dann müsse der Viruskontakt mindestens 20 Tage vor diesem Datum, also nicht erst zum Zeitpunkt der Grippeschutzimpfung gelegen haben. Mit Bescheid vom 05.06.1998 lehnte das VA hierauf die Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X ab, da bei Erlass des Bescheides vom 20.03.1995 weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Der Widerspruch des Klägers, mit dem er u. a. darauf hinwies, dass weitere Personen nach der Grippeschutzimpfung gesundheitliche Störungen aufgewiesen hätten, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.01.1999).
Am 08.02.2000 stellte der Kläger erneut einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X, der mit Bescheid vom 13.04.2000 abgelehnt wurde.
Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren wandte sich das VA an Arbeitskollegen des Klägers, die im Jahr 1994 bestätigt hatten, dass sie am 16.09.1985 an einer Grippeschutzimpfung bei dem damaligen Arbeitgeber des Klägers teilgenommen hätten. Der noch erreichbare Herr G. bestätigte gesundheitliche Probleme nach der Impfung. Nach ca. 2 Wochen sei er wieder zu sich gekommen. Das Fieber habe nachgelassen und die Schwellungen, die am Anfang erschreckend ausgesehen hätten, seien verschwunden. Er sei damals mit dem Kläger zusammen geimpft worden. Das VA holte daraufhin eine gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. B., Arzt für Labormedizin, ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der zeitliche Verlauf dafür spreche, dass die Influenzaimpfung während der Inkubationszeit der CMV-Infektion erfolgt sei. Obwohl zur Frage einer Immunsuppression durch die Impfung mit einem Gesamtvirusimpfstoff keine systematischen Untersuchungen existierten, könne es als wahrscheinlich gelten, dass es durch die Impfung zu einer Belastung des Immunsystems, möglicherweise sogar zu einer gewissen Immunsuppression komme. Obwohl nur wenig Literatur zu Fragen der Immunsuppression durch Impfungen publiziert sei, fänden sich doch verschiedene Hinweise, dass es auch bei der Verabreichung von Totimpfstoffen zu einer passageren Immunsuppression kommen könne. Wenngleich die durchgeführte Influenzaimpfung mit Sicherheit nicht in erster Linie als Ursache für die später aufgetretene Symptomatik und die Residualzustände des Klägers verantwortlich sei, so sei dennoch davon auszugehen, dass die Influenzaimpfung zu einer Verschlechterung des Krankheitsverlaufes der Zytomegalie-Virus-Infektion beigetragen haben könne. Hierfür spreche auch, dass solch schwere Krankheitsverläufe beim immungesunden Patienten fast nie beobachtet würden. Entsprechend dem körperlichen und geistigen Zustand des Klägers bei Vorstellung zur Untersuchung sei von einer MdE mit annähernd 100 % auszugehen. Da es nicht möglich sei, eine Verschlechterung des CMV-Infektionsverlaufes durch die Influenzaimpfung im Detail zu belegen, andererseits jedoch eine negative Beeinflussung des CMV-Infektionsverlaufs durch die Influenza-Impfung plausibel erscheine, sollte deren Anteil an der MDE pauschal mit einem Drittel angenommen werden. In einer von Dr. H. erbetenen ergänzenden Stellungnahme führte Prof. Dr. B. aus, aufgrund der Unterlagen und Vorgutachten sei wohl unstrittig, dass die damalige Influenzaimpfung innerhalb der Inkubationszeit einer CMV-Infektion erfolgt sei. Ebenso dürfe es insgesamt als wahrscheinlich gelten, dass die beschriebene neurologische Symptomatik des Klägers eben dieser CMV-Infektion zuzuschreiben sei. Allgemeines Literaturverständnis besage, dass eine CMV-Encephalitis weit überwiegend beim immunkompromittierten Patienten vorkomme, beim ansonsten gesunden Patienten jedoch eine Rarität darstelle. Untersuchungen, inwieweit sich bei CMV-Encephalitis Patienten möglicherweise unerkannte Immundefekte nachweisen ließen, existierten nicht. Es könne daher als wahrscheinlich gelten, dass eine entweder vorbestehende oder passagere Immunsuppression zu einem in seiner Schwere ungewöhnlich ausgeprägten Krankheitsbild der CMV-Infektion beigetragen habe. Da Anhaltspunkte für einen vorbestehenden Immundefekt nicht existierten, sei eine passagere Immunsuppression plausibel und eher wahrscheinlich. Hierzu äußerte sich Dr. H. in einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme dahingehend, dass nach dem virologischen Gutachten die Verursachung einer Verschlimmerung der Cytomegalievirusencephalitis durch die Grippeschutzimpfung als möglich, aber nicht als wahrscheinlich zu beurteilen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2001 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) mit der Begründung, nach den Feststellungen des VA sei die CMV-Infektion zum Zeitpunkt der Impfung schon gegeben gewesen, da die Inkubationszeit mindestens 20 Tage betrage. Er habe auch tatsächlich schon an leichten grippalen Symptomen gelitten. Damit sei aber in eine bestehende Krankheit "hineingeimpft" worden. Hersteller von Impfstoffen wiesen selbst darauf hin, dass erst 14 Tage nach Abklingen der letzten Krankheitssymptome geimpft werden dürfe. Damit bestehe die ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass das Immunsystem ohne die nunmehr hinzutretenden Impferreger die bestehende Erkrankung zumindest soweit in den Griff bekommen hätte, dass es nicht zu den letztendlich aufgetretenen schweren Ausfallserscheinungen, die in dieser Vehemenz bei CMV-Infektionen äußert selten seien, gekommen wäre. Die Impfung sei in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt der schweren Ausfallserscheinungen zumindest annähernd gleichwertig gewesen.
Als gerichtlicher Sachverständiger erstattete Prof. Dr. E., ehemaliger Direktor des Instituts für Impfwesen und Virologie H., ein Gutachten nach Aktenlage. Dieser führte zusammenfassend aus, die Grippeschutzimpfung vom 17.09.1985 sei beim Kläger mit einem Jet-Injektor durchgeführt worden. Von dem Arzt des Heimes, in dem sich der Kläger derzeit befinde, habe er erfahren, dass sich am linken Arm des Klägers, an dem die Grippeimpfung durchgeführt worden sei, eine 2 Zentimeter lange Narbe befinde. Dies lasse den Schluss zu, dass seinerzeit an der Impfstelle ein entzündlicher Prozess vorgelegen habe, wodurch über eine Schmierinfektion das Eindringen des Cytomegalievirus in die Blutbahn und später ins Gehirn begünstigt worden sei. Eine CMV-Encephalitis sei nachweislich ein äußerst seltenes und auch ungewöhnliches Ereignis. Mit Wahrscheinlichkeit liege beim Kläger ein Grippeimpfschaden vor. Nach der Beurteilung von Prof. Dr. B. sei aufgrund des Gesundheitszustandes des Klägers eine MdE von 100 v.H. angemessen.
Der Beklagte legte dazu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. S. vor, derzufolge aus den aktenkundigen Unterlagen keinerlei Hinweise zu finden seien, also auch nicht ärztlich bestätigt sei, dass es zu einer entzündlichen Reaktion bzw. einer Ulzeration mit nachfolgender Narbenbildung am linken Oberarm im Zusammenhang mit der Impfung gekommen sei. Allein aus der Tatsache der Benutzung einer Impfpistole und einer 1995 geltend gemachten Narbe am linken Oberarm könne der Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden. Die Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs könne ein Anerkenntnis nicht begründen.
Mit Urteil vom 25.06.2002, dem Beklagten zugestellt am 14.08.2002, hob das SG den Bescheid vom 13.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2001 auf, verpflichtete den Beklagten, den Bescheid vom 20.03.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.1995 zurückzunehmen und verurteilte den Beklagten, dem Kläger ab 01.01.1996 Beschädigtenrente nach einer MdE um 100 v.H. zu gewähren. In den Entscheidungsgründen führte das SG im wesentlichen aus, die heute beim Kläger bestehenden im Zusammenhang mit einer Virusencephalitis entstandenen Gesundheitsstörungen stünden entgegen der Auffassung des Beklagten mit Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit der erlittenen Schädigung. Dass es im Gefolge der Impfung zu einer Gesundheitsschädigung gekommen sei, stehe zur Überzeugung des Gerichts fest durch das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen. Dieser verfüge auf dem hier zu beurteilenden Fachgebiet über besondere Erfahrungen und Kenntnisse. Er habe die aufgetretenen Risiken und möglichen Entstehungsfaktoren eingehend abgegrenzt und gegeneinander abgewogen und sei damit im wesentlichen zu dem auch schon von Prof. Dr. B. gewonnenen Ergebnis gelangt, dass nämlich die heute beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen ursächlich auf die durchgeführte Grippeschutzimpfung zurückzuführen seien. Den entgegenstehenden ärztlichen Äußerungen der S. Klinik und des D.-Krankenhauses S. H. sowie den Auffassungen der Medizinaldirektorin Dr. H. und des Dr. S. vermöge sich das Gericht deshalb nicht anzuschließen. Es sei nicht nachgewiesen, dass anderen Bedingungen gegenüber der erlittenen Impfung mit Wahrscheinlichkeit eine überragende Bedeutung zukomme.
Hiergegen hat der Beklagte am 29.08.2002 Berufung eingelegt und zur Begründung unter Beifügung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vorgetragen, aus versorgungsärztlicher Sicht könne allenfalls die geschützte Impfung am 16.09.1985 sowie eine am 27.09.1985 diagnostizierte CMV-Encephalitis als bewiesen angesehen werden. Unklar und widersprüchlich blieben der Krankheitsverlauf bzw. die Befindlichkeitsstörungen zum Zeitpunkt der Impfung, d. h. eine unübliche Impfreaktion (gesundheitliche Schädigung) sei nicht nachgewiesen. Hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität stütze sich das Gericht in den Entscheidungsgründen auf Möglichkeiten, lasse hierbei aber offen, welche der beiden von den Gutachtern Prof. Dr. B. und Prof. Dr. E. aufgezeigten möglichen Zusammenhänge dem Urteil zugrunde gelegt würden. Wesentliche versorgungsrechtliche Kriterien für die Anerkennung eines Impfschadens seien bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigt worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Juni 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil.
Der Senat hat Dr. H. als sachverständigen Zeugen gehört und eine Auskunft bei Dr. R. eingeholt. Dr. H. hat über Behandlungen des Klägers im August 1985 und am 27.09.1985 berichtet. Arbeitsunfähigkeit habe nur vom 12.08. bis zum 23.08.1985 wegen des Verdachts auf Gastritis und Schulter-Arm-Syndrom bestanden. Zu den Zeiten, an denen er den Kläger gesehen habe, hätten keine grippalen Symptome bestanden. Wann die Grippeschutzimpfung gewesen sei, sei ihm nicht bekannt. Der Kläger habe am 27.09.1985 darüber geklagt, dass er Grippe habe und krank sei. Von Impfung sei damals keine Rede gewesen. Bei Verdacht auf Meningitis und Halbseitensymptomatik sei der Kläger als Notfall in das nächstgelegene geeignete Krankenhaus transportiert worden. Dr. H. fügte Entlassungsberichte der Kliniken S., vertrauensärztliche Gutachten und einen Bericht der betreuenden Nervenärztin C. bei.
Dr. R. hat mitgeteilt, sie habe im Jahre 1985 im Rahmen ihrer betriebsärztlichen Tätigkeit Grippeschutzimpfungen durchgeführt. Im Zusammenhang mit damaligen Impfaktionen seien außergewöhnliche Impfreaktionen nicht bekannt bzw. mitgeteilt worden. Die Grippeschutzimpfungen seien damals nach allgemein gültigen Richtlinien mit einer Impfpistole durchgeführt worden, die ihr von Seiten der Krankenkassen zur Verfügung gestellt worden sei.
In einem Erörterungstermin am 01.04.2005 ist die ehemalige Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen worden. Auf die Niederschrift vom 01.04.2005 wird Bezug genommen.
Nach dem vorgelegten Betreuerausweis ist mit Bestellungsurkunde des Vormundschaftsgerichts E. vom 19.11.2001 ein Betreuer bestellt worden.
Der Senat hat sodann Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-umweltmedizinischen Fachgutachtens bei Prof. Dr. H ... Der Sachverständige ist zu der Beurteilung gekommen, dass aus seiner fachärztlichen Sicht unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen davon auszugehen sei, dass der Kläger im September 1985 an einer Cytomegalievirus (CMV) verursachten Virusencephalitis erkrankt sei. Hierfür spreche der signifikante Virustiter. Die Labordiagnostik (deutliche BSG-Erhöhung, deutliche Leukozytose im Differential-Blutbild) entspreche einem eher bakteriellen Geschehen vor der Impfung. Es bestehe mit Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang der Virusencephalitis mit der Grippeschutzimpfung im Sinne der Verschlimmerung. Es habe beim Kläger vor der Impfung ein "Unwohlsein" bestanden, ferner mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verminderung der Abwehrlage. Die Verminderung der Abwehrlage vor der Impfung sei als Kontra-Indikation zur Durchführung der Grippe-Schutzimpfung zu werten. Als Schädigungsfolgen bestünden eine spastische Hemiparese links, eine Hemihypästhesie und eine Hemihypalgesie rechts. Die schädigungsbedingte MdE sei mit 100 v.H. zu bewerten. Es bestehe Einvernehmen mit Prof. Dr. E. hinsichtlich der Bewertung des entzündlichen Geschehens, des Unwohlseins 2 Wochen vor der Impfung und dass beim Kläger mit Wahrscheinlichkeit ein Impfschaden vorliege.
Zu der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R., wonach abgesehen davon, dass einige Widersprüchlichkeiten bzw. Unklarheiten vorlägen, versorgungsärztlicherseits aus den von den Gutachtern angeführten Möglichkeiten die Wahrscheinlichkeit eines Impfschadens weiterhin nicht abgeleitet werden könne, hat Prof. Dr. H. in einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme dargelegt, an seiner Beurteilung im Gutachten festzuhalten. Hierzu hat sich für den Beklagten Dr. G. geäußert und ausgeführt, dass gegen den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Grippeschutzimpfung und der CMV-Encephalitis im Sinne der Entstehung spreche, dass ein entsprechend ausgeprägtes Impfulkus, welches den (nur) möglichen Eintritt eines CMV-Virus in die Blutbahn hätte begünstigen können, nicht belegt sei. Auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Grippeschutzimpfung und der CMV-Encephalitis im Sinne der Verschlimmerung sei nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit zu bejahen. Für eine relevant gestörte Immunabwehrlage zum Zeitpunkt der Grippeschutzimpfung gebe es keinen Beleg. Die Laborkonstellation zum Zeitpunkt der Aufnahme in das D.-Krankenhaus sei für einen Virusinfekt zwar nicht typisch, belege jedoch keineswegs das Vorliegen eines ärztlich erkennbaren bakteriellen Infektes und einer Abwehrschwäche bereits zum Zeitpunkt der Impfung. Eine häufige oder gar regelhafte Verschlechterung des Infektverlaufes bei CMV-Infektionen durch Grippeschutzimpfungen sei nicht bewiesen.
Der Senat hat eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. E. eingeholt. Darin ist dieser zu dem Ergebnis gelangt, der positive Nachweis von Cytomegalie-IgM-Antikörpern sowie der CMV-IgG-Antikörper, die nach Erkrankungsbeginn mit ansteigendem Antikörpertiter festgestellt worden seien, seien der Beweis, dass es sich um eine Erstinfektion beim Kläger mit diesem Virus gehandelt habe. Auch die bei der Klinik-Erstuntersuchung festgestellten krankhaften Leberwerte sprächen für das Vorliegen einer Cytomegalie-Virusinfektion. Es bestehe mit Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Virusencephalitis und der Grippeschutzimpfung im Sinne der Entstehung. Dafür spreche, dass seinerzeit beim Kläger eine Jetinjektion durchgeführt worden sei und es sich beim Kläger um eine Erstinfektion gehandelt habe, wobei die Entzündungserscheinungen an der Impfstelle die Eintrittspforte für das CM-Virus wahrscheinlich machten. Ein weiterer Gesichtspunkt sei das seltene Vorkommen einer CMV-Encephalitis. Erst durch die veränderte Abwehrlage nach Schutzimpfungen sei beim Kläger die Bereitschaft zu dieser schweren Erkrankungsform einer Encephalitis gelegt worden. Auch die relativ kurze Zeit zwischen Grippeschutzimpfung und Ausbruch der Encephalitis machten einen Zusammenhang wahrscheinlich.
Zu den von Dr. G. in einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme aufrecht erhaltenen Einwendungen hat sich Prof. Dr. E. nochmals geäußert und daran festgehalten, dass die 1985 verabreichte Grippeschutzimpfung des Klägers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für die später aufgetretene CMV-Encephalitis als ursächlich anzusehen sei.
Hierzu hat sich für den Beklagten erneut Dr. G. in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme geäußert.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wie auch des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie den der Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 44 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Nach § 44 Abs. 4 SGB X können bei Vorliegen der Voraussetzungen Leistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme oder - bei Rücknahme auf Antrag - vor dem Antrag erbracht werden, d.h. hier ab 01.01.1996.
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG erhält derjenige, der durch eine Impfung, die u.a. von einer zuständigen Behörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen worden ist (Ziff. 3) einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit dieses Gesetz nichts abweichendes bestimmt. Hier war die Grippeschutzimpfung in Baden - Württemberg bereits 1984 empfohlen (Bekanntmachung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung über öffentlich empfohlene Schutzimpfungen vom 13.07.1984) und im Betrieb des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers von der AOK H. durchgeführt worden. Ein Impfschaden ist nach § 52 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG ein über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden. Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Impfung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges (§ 52 Abs. 2 Satz 1 BSeuchG). Der Wortlaut entspricht § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG. Die Wahrscheinlichkeit des erforderlichen ursächlichen Zusammenhangs zwischen Impfung, Impfschaden und festgestelltem Leiden bestimmt sich somit nach der im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung. Nicht nur die Impfung selbst und das anzuerkennende Leiden, sondern auch als Mittelglied ein Impfschaden, also eine unübliche Impfreaktion, müssen erwiesen sein. Eine Erkrankung, die alsbald nach einer Impfung aufgetreten sein muss, ist als ungewöhnliche Impfreaktion und damit als "Impfschaden" anzusehen, falls sie wahrscheinlich durch die Impfung verursacht wurde. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt, d.h. wenn nach sachgerechter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht, also ernsthafte Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden (vgl. BSG SozR 3850 § 51 Nr. 9 BSeuchG und Nr. 10; Urteil vom 03.01.1986 - 9 a RVi 2/85 - unveröffentlicht; Urteil des BSG vom 27.08.1998 - B 9 VJ 2/97 R -; BSGE 32, 203, 209; 60, 58, 59). Ein Impfschaden kann auch vorliegen, wenn durch die Impfwunde (Hautverletzung) Krankheitserreger anderer Art in den Körper eindringen und Gesundheitsschäden hervorriefen (sog. "Zweitinfekt", vgl. BGH NJW 1970, Seite 1230). Ist ein Gesundheitsschaden nicht auf eine vorangegangene Impfung zurückzuführen, kann dennoch ein mittelbarer Impfschaden vorliegen, wenn die Erkrankung wahrscheinlich darauf beruht, dass die Abwehrkräfte des Betreffenden durch die Impfung und Auseinandersetzung des Körpers mit dem Impfstoff geschwächt waren (Resistenzminderung; BSG vom 09.05.1972 - SGb 1972 Seite 314 Nr. 17). Es genügt, wenn die Impfung eine der mitwirkenden Ursachen ist, ohne die der Schaden nicht eingetreten wäre. So kann etwa auch die durch Impfung im Körper entstandene veränderte Abwehrlage i.V.m. starker anderweitiger körperlicher Anstrengung eine Gesundheitsstörung herbeiführen, die als Impfschaden anzusehen ist. Ausschlaggebend ist die medizinische Beurteilung des Einzelfalles (vgl. Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Auflage § 52 BSeuchG RdNr. 5).
In Ansehung dieser rechtlichen Gegebenheiten steht aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger innerhalb der Inkubationszeit von drei Wochen (vgl. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Ausgabe 1996 bzw. 2004 - Nr. 57, Seite 232 bzw. Nr. 57 Seite 196) an einer Virusencephalitis (CMV-Infektion) erkrankte, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Grippeschutzimpfung zurückzuführen ist, und als Residualzustand ein hirnorganisches Psychosyndrom sowie eine spastische Hemiparese links und Hemihypästhesie und Hemihypalgesie rechts verblieben sind. Der Senat stützt sich bei dieser Beurteilung vor allem auf das überzeugende Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. E. nebst ergänzender Stellungnahmen. Prof. Dr. E. hat für den Senat überzeugend und nachvollziehbar aufgezeigt, dass es sich beim Kläger um eine Erstinfektion mit dem Cytomegalievirus handelte. Dies ergibt sich aus dem positiven Nachweis von Cytomegalie-IgM-Antikörpern sowie der CMV-IgG-Antikörper, die nach Erkrankungsbeginn mit ansteigenden Antikörpern festgestellt wurden. Auch die bei der Klinik-Erstuntersuchung festgestellten krankhaften Leberwerte sprechen für das Vorliegen einer Cytomegalie-Virusinfektion. Für einen ursächlichen Zusammenhang mit der Grippeschutzimpfung spricht, dass es beim Kläger am elften Tag nach der Impfung zu einer halbseitigen Lähmung kam. Entscheidend ist insoweit auch, dass die CMV-Infektion erst um den Zeitpunkt der Grippeschutzimpfung erfolgte, sonst wäre im Anschluss an Prof. Dr. E. das CMV-spezifische-IgM kurz nach der Erkrankung nicht nachweisbar gewesen. Bei späterer serologischer Überprüfung konnte diese IgM-Positivität auch nicht mehr nachgewiesen werden. Fest steht für den Senat ferner, dass die Impfung des Klägers mit einer Impfpistole erfolgte. Insoweit misst der Senat den Angaben der Betriebsärztin Dr. R. höheren Beweiswert zu als den Angaben des Klägers im Erörterungstermin 20 Jahre nach der Impfung, zumal wenn das Krankheitsbild des Klägers berücksichtigt wird. Da es sich beim Kläger um eine Erstinfektion handelte, ist von einer Infektion mit Viren infolge Verunreinigungen des Geräts auszugehen. Auch wenn eine Narbenbildung zum Zeitpunkt des Erörterungstermins im April 2005 nicht mehr deutlich erkennbar war, spricht dies nicht gegen eine abgelaufene Entzündung an der Impfstelle (Eintrittspforte für das CM-Virus). Wie Prof. Dr. E. deutlich gemacht hat, können Narben vollkommen verschwinden, zumal eine Alteration der Haut durch eine Jetinjektion von Grippeimpfstoff ein geringeres Trauma verursacht als eine Scarifikation nach Pockenschutzimpfung. Im übrigen hat der Kläger bezüglich Entzündungserscheinungen an der Impfstelle nach der Impfung bereits im Rahmen seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 20.03.1995 auf eine ca. zwei Zentimeter große Narbe an der Einstichstelle hingewiesen. Diesem Hinweis ist man von Seiten des Beklagten nicht nachgegangen. Auch der Heimarzt bestätigte gegenüber Prof. Dr. E. eine Narbenbildung am linken Arm. Hinzu kommt, dass auch ein gleichzeitig geimpfter Betriebskollege über Schwellungen und Fieber nach der Impfung berichtete. Auch dies spricht für über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende Vorgänge. Die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Erkrankung des Klägers in seinem Blut eine Leukozytose festgestellt wurde, welche nicht mit der CMV-Infektion zu erklären ist, da virale Infekte nach den Darlegungen von Prof. Dr. E. zu einer Leukozytendepression führen, kann für eine bakterielle Verunreinigung, wie z.B. Schmierinfektion an der Impfstelle sprechen und untermauert die Beurteilung des erfahrenen Impfsachverständigen bezüglich der Eintrittspforte des CMV-Virus. Gegen den Ursachenzusammenhang spricht schließlich auch nicht, dass für eine klinisch relevante Immunsuppression während oder vor der akuten Erkrankung kein Beweis vorliegt, denn wie Prof. Dr. E. nachvollziehbar begründet hat, ist beim Kläger die CMV-Infektion gleichzeitig mit der Grippeschutzimpfung aufgetreten. Die Influenza-Impfung hat den CMV-Infektionsverlauf negativ beeinflusst und ist als auslösender Faktor anzusehen. Eine Veränderung der Abwehrlage des Impflings zeigt sich - so Prof. Dr. E. - nicht nur durch das Auftreten einer Immunsuppression, vielmehr weist Prof. Dr. E. darauf hin, dass der Erkrankungsbeginn beim Kläger auf eine hyperergische Reaktion vom verzögerten Typ gegenüber dem Grippe-Impfvirus hinweist.
Der Senat verkennt nicht, dass die versorgungsärztlichen Einwendungen teilweise berechtigt sind. Bei einer Abwägung der für und gegen einen Ursachenzusammenhang sprechenden medizinischen Gründe und Gesichtspunkte sprechen jedoch auch nach Auffassung des Senats mehr Gründe für einen Ursachenzusammenhang zwischen der Grippeschutzimpfung und der Virusencephalitis und zwar im Sinne der Entstehung. Entgegen versorgungsärztlicher Beurteilung ist nicht nur von einer Möglichkeit eines Kausalzusammenhanges auszugehen, vielmehr schließt sich auch der Senat nach Abwägung aller Umstände im vorliegenden Fall der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. E. an.
Die MdE beträgt, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, nach den dokumentierten Gesundheitsstörungen und Beeinträchtigungen 100 v.H. Insoweit haben sich auch unter Berücksichtigung der Feststellungen des Beklagten im Schwerbehindertenverfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Abweichung von der erstinstanzlichen Entscheidung begründen könnten.
Nach alledem war die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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