L 12 R 4151/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 150/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 R 4151/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 06.09.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin ab 07.01.1997 versicherungspflichtig in der Rentenversicherung als selbständige Physiotherapeutin war.

Die am 05.05.1942 geborene Klägerin hat seit 15.05.1964 die Erlaubnis als Krankengymnastin tätig zu sein. Sie beantragte im Januar 1998 die Feststellung von Kindererziehungszeiten. Weiter stellte sie am 05.01.1998 einen Antrag auf Beitragszahlung zur Angestelltenversicherung und gab an, sie sei ab 01.01.1996 als Krankengymnastin auf Hausbesuch tätig. Der erste freiwillige Beitrag solle für Februar 1997 gezahlt werden. Bis Dezember 1996 seien Beiträge entrichtet worden. Die Beklagte fragte daraufhin bei der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) H. mit Schreiben vom 20.01.1998 an, ob die Klägerin versicherungspflichtig zur Rentenversicherung sei. Dies wurde mit Schreiben vom 20.02.1998 der DAK H beantwortet und ausgeführt, die Klägerin sei ab 07.01.1997 nicht zur Rentenversicherung der Angestellten und Arbeiter gemeldet. Auf Anforderung der Beklagten legte die Klägerin einen Bescheid des Finanzamts Freiburg - Stadt vom 30.12.1997 betreffend das Jahr 1996 vor, wonach die Klägerin 43.269,-DM aus nichtselbständiger Arbeit erzielt hat. Mit Schreiben vom 21.08.1998 erklärte die Klägerin, als freiberufliche Krankengymnastin behandele sie ausschließlich auf ärztliche Verordnung. Diese Behandlungen würden von der Zentralstelle abgerechnet. Ihre Bezahlung erfolge auf Honorarbasis. Eine Kassenzulassung als Krankengymnastin sei in Niedersachsen vorhanden. Hier habe sie von 1974 bis 1975 eine eigene Praxis betrieben.

Mit Schreiben vom 27.08.1998 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aufgrund ihrer Tätigkeit als Krankengymnastin unterliege sie ab 01.01.1996 der Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VI. Es werde um Mitteilung gebeten, wie die Pflichtbeiträge gezahlt werden sollten. Eine Zahlung von freiwilligen Beiträgen sei nicht zulässig. Mit Schreiben vom 10.11.1998 wurde mitgeteilt, entgegen dem Schreiben vom 27.08.1998 unterliege die Klägerin erst ab 07.01.1997 der Versicherungspflicht. Die Klägerin wurde um Mitteilung gebeten, in welcher Höhe sie Pflichtbeiträge entrichten wolle.

Mit Bescheid vom 29.03.1999 wurde ausgeführt, die Klägerin sei ab Januar 1997 (Teilmonat) nach § 2 Nr. 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig. Versicherungspflichtige Selbständige zahlten grundsätzlich den Regelbeitrag, der einem Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße entspreche. Die Klägerin habe Monatsbeiträge von DM 859,95 ab Januar 1997 zu entrichten. Dagegen legte der damalige Vertreter der Klägerin mit Schreiben vom 23.04.1999 Widerspruch ein und gab an, die Beklagte hätte die Klägerin auffordern müssen, die Höhe ihrer freiwilligen Versicherungsbeiträge zu bestimmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.1999 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Klägerin unterliege als Krankengymnastin ab 07.01.1997 der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Zu den selbständig tätigen Pflegepersonen, die Krankenpflege im weiteren Sinne ausübten, gehörten auch Angehörige von Heilhilfsberufen, bei denen sich pflegerische und therapeutische Betreuung überschnitten. Dies sei insbesondere bei Masseuren, medizinischen Bademeistern sowie Physiotherapeuten/Krankengymnasten und Ergotherapeuten/Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten der Fall, sofern diese Personenkreise überwiegend aufgrund ärztlicher An- und Verordnung tätig würden.

Dagegen erhob der Klägervertreter mit Schreiben vom 14.01.2000, das am 17.01.2000 bei dem Sozialgericht Freiburg einging, Klage. Es wurde vorgetragen, der Bescheid vom 23.03.1999 sei nichtig, da er nicht handschriftlich unterzeichnet sei. Er sei auch nicht begründet worden. Es läge keine Begründung vor, weshalb die Klägerin versicherungspflichtig sein solle. Zudem verstoße die Versicherungspflicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Grundgesetz (GG), da hier willkürlich Berufsgruppen selbständig Tätiger zur Versicherungspflicht herangezogen und diese somit im Vergleich zu anderen Berufsgruppen benachteiligt würden. Die Klägerin sei in Wirklichkeit bei ihrer Arbeitgeberin, der Krankengymnastin H. M., als Angestellte tätig und werde von dieser schamlos ausgenutzt. Diese habe das Arbeitsverhältnis gekündigt. Das Arbeitsgericht Freiburg habe in einem am 30.01.2001 verkündeten Urteil (Az.: 1 Ca 329/00) festgestellt, dass das freie Mitarbeitsverhältnis der Klägerin durch Kündigung am 30.09.2000 geendet habe. Der Klägervertreter legte ein Schreiben von Frau M. vom 26.08.2000 vor, wonach die Klägerin seit 01.02.1997 bei ihr als freie Mitarbeiterin tätig sei. Weiter legte der Klägervertreter auszugsweise einen Vertrag zwischen der Klägerin und Frau M. vor, wonach die Klägerin dort als freie Mitarbeiterin arbeitete. Die Klägerin vertritt die Ansicht, sie sei als selbständige Physiotherapeutin, nicht als Pflegeperson im Sinne des § 2 Ziff. 2 des SGB VI anzusehen. Bei den ärztlichen Verordnungen teile der Arzt nur generell seine Diagnose, gegebenenfalls wesentliche oder störungsspezifische Befunde und nur das äußerst generell gehaltene Therapieziel mit. Weder die Physiotherapeutin noch die Logopädin seien weisungsabhängig vom Arzt. Die Klägerin habe zudem mehr als einen Auftraggeber gehabt. Die Klägerin habe auch andere Patienten behandelt. Von Januar 1997 bis März 1999 habe sie als selbständige Physiotherapeutin auch privat in ihrem extra eingerichteten Praxisraum in der in F. behandelt. Die Differenzierung zwischen nicht versicherungspflichtigen Logopäden und versicherungspflichtigen Physiotherapeuten sei sachfremd. Daher sei das Sozialgericht nicht an die Auffassung des Bundessozialgerichtes im Urteil vom 11.11.2003 (Az.: B 12 RA 2/03 R) gebunden. Die Beklagte selbst habe der Klägerin angeraten, sich als selbständige Physiotherapeutin freiwillig bei der Beklagten zu versichern. Die Klägerin habe früher eine Praxis in Hannover betrieben. Damals habe man ihr mitgeteilt, sie sei nicht versicherungspflichtig. Der Klägervertreter legte ein Schreiben des J. B., Leitender Physiotherapeut des Universitätsklinikums Freiburg, vom 27.04.2004 vor, wonach ausgebildete Physiotherapeuten völlig selbständig und eigenverantwortlich Anamnese und Befunde erheben, einen Behandlungsplan mit den dazugehörigen Erörterungen und Begründungen aufstellen und die Behandlung der Patienten auf der Basis der jeweils von ihnen erhobenen Anamnese und des von ihnen aufgestellten Behandlungsplanes durchführen könnten. Physiotherapeuten seien wie Logopäden selbständige und eigenverantwortliche Behandler. Ärztliche Verordnungen hätten im wesentlichen kassenärztliche Bedeutung bei der Abrechnung der physiotherapeutischen Leistung mit der jeweiligen Krankenkasse des Patienten.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Klägerin sei selbständig erwerbsmäßig tätig. Die selbständig tätigen Krankenpflegepersonen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes durch die Abhängigkeit von Heilkundigen und deren Weisungen gekennzeichnet, d.h. sie würden grundsätzlich auf ärztliche Anordnung und Verordnung tätig. Diese Personen könnten zwar den Inhalt ihrer Therapie selbst bestimmen und die Auswahl der Therapiemittel in eigener Verantwortung vornehmen, dennoch müsse der Behandlungsplan auf der ärztlichen Diagnose und dem gegebenen Behandlungsziel aufgebaut werden, wobei die Behandlung vom Arzt nicht nur verordnet, sondern auch überwacht werde. Diesen Krankenpflegepersonen obliege ein Teil der Durchführung einer vom Heilkundigen gelenkten Gesamtbehandlung von kranken Menschen. Die Klägerin habe auch am 21.08.1998 mitgeteilt, dass sie als freiberufliche Krankengymnastin ausschließlich auf ärztliche Verordnung behandele. Im Übrigen könnten bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen werde, Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen (§ 33 Abs. 3 SGB X). Dem Vertrag zwischen Frau M.und der Klägerin sei eindeutig zu entnehmen, dass die Klägerin als freie Mitarbeiterin beschäftigt sei. Sie könne ihre Arbeitszeit frei einteilen und sei nicht verpflichtet, den Anweisungen von Frau M. Folge zu leisten. Sie müsse selbst Steuern entrichten und auch selbst Vorsorge tragen. Des weiteren erhalte sie als Bezahlung ein Honorar, hierbei handele es sich um Bruttozahlungen.

Mit Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 06.09.2005 wurde die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht vertrat die Ansicht, die Klägerin sei gemäß § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI als selbständig tätige Pflegeperson in der Kranken- Wochen- Säuglings- oder Kinderpflege tätig und beschäftige im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer. Als Pflegeperson in der Krankenpflege seien auch Krankengymnasten/Physiotherapeuten tätig, sofern sie ihre Patienten überwiegend auf ärztliche Verordnung behandelten (unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG), etwa Urteil vom 30.01.1997, Az.: L 12 RK 31/06; und Urteil vom 11.11.2003, Az.: B 12 RA 2/03 R). Das Bundessozialgericht grenze in seiner ständigen Rechtsprechung den Kreis der versicherungsfreien von den versicherungspflichtigen Heilberufen danach ab, ob sie selbst die Heilkunde ausübten (z.B. Heilpraktiker) oder - wie die Krankengymnasten - bei der Krankenbehandlung auf Verordnung eines Heilkundigen tätig würden. Krankengymnasten/Physiotherapeuten übten nicht selbst die Heilkunde aus. Den dem Beruf des Krankengymnasten/Physiotherapeuten zugrundeliegenden Vorschriften (Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie vom 26.05.1994, BGBl. I. S. 1084, Masseur- und Physiotherapeutengesetz- MPhG) könne nicht entnommen werden, dass Krankengymnasten/Physiotherapeuten, wenn sie nach ärztlicher Verordnung tätig würden, wie Heilkundige Diagnosen stellten, Art und Umfang der Behandlung bestimmten und von Weisungen des Arztes frei seien. Es bestünden keine Zweifel an der selbständigen Tätigkeit der Klägerin als Krankengymnastin/Physiotherapeutin im streitigen Zeitraum. Dies ergebe sich bereits aus dem zwischen der Klägerin und Frau M. am 01.02.1997 geschlossenen Vertrag. Auch habe die Klägerin im späteren Verlauf das Vorliegen der Selbständigkeit nicht mehr bestritten, sondern im Gegenteil selbst Argumente für eine selbständige Tätigkeit vorgetragen. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 6 SGB VI lägen nicht vor, da dies voraussetze, dass der Betreffende glaubhaft mache bis zum 31.12.1998 keine Kenntnis von der bestehenden Versicherungspflicht gehabt zu haben. Die Klägerin sei jedoch bereits mit Schreiben der Beklagten vom 27.08.1998 über die bestehende Versicherungspflicht informiert worden. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1a SGB VI lägen ebenfalls nicht vor, da keine Versicherungspflicht nach der Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI gegeben sei, da bereits Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 vorliege. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Versicherungspflicht der selbständigen Physiotherapeuten bestünden nicht. Insbesondere liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der Klägerbevollmächtigte mache zu Unrecht eine Ungleichbehandlung der Klägerin mit selbständigen Logopäden geltend. Bei diesen handele es sich um einen von den Krankengymnasten/Physiotherapeuten erheblich unterschiedlichen Beruf, der auf einer völlig anderen Rechtsgrundlage beruhe (Gesetz über den Beruf des Logopäden vom 07.05.1980, BGBl. I. S. 529 sowie Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Logopäden vom 01.10.1980 BGBl. I S. 1892). Den Prüfungsvorschriften sei zu entnehmen, dass Logopäden am Patienten die Anamnese und den Befund zu erheben und einen Behandlungsplan mit den dazugehörigen Erörterungen und Begründungen unter Einbeziehung der sozialen, psychischen, beruflichen und familiären Situation aufzustellen hätten. Derartiges gehöre nicht zur Aufgabenstellung der Krankengymnasten/Physiotherapeuten.

Gegen den am 12.09.2005 dem damaligen Klägervertreter zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin mit Schreiben vom 05.10.2005, das am gleichen Tag bei dem Landessozialgericht einging, Berufung eingelegt. Die Klägerin hält die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes für nicht überzeugend. Diese setze die Weisungsabhängigkeit mit dem Erfordernis der ärztlichen Verordnung gleich. Es werde nicht darauf abgestellt, dass in der Krankenpflege Tätige keine eigene Diagnose erstellen und Art und Umfang der Behandlung nicht selbst bestimmen könnten. Dies sei jedoch bei der Krankengymnastin/Physiotherapeutin der Fall. In der Krankenpflege tätige Personen seien weder in der Lage eine Diagnose zu stellen, noch Art und Umfang der Behandlung selbst zu bestimmen, sondern würden auf Verordnung des Heilkundigen tätig und seien von dessen Weisungen abhängig. Hierzu gehörten die Physiotherapeuten gerade nicht, diese seien lediglich von der Verordnung des Arztes abhängig. Dies sei Voraussetzung für eine kassenärztliche Abrechnung. Die Physiotherapeuten könnten bei Privatpatienten vollständig frei die Therapie bestimmen und ebenfalls selbständig den Erfolg der Behandlung beurteilen. Physiotherapeuten und Logopäden könnten eigenverantwortlich eine Anamnese erstellen und Befunde erheben. Sie seien für den Behandlungserfolg selbst verantwortlich. Sie seien nicht weisungsabhängig. Physiotherapeuten dürften nicht anders als Logopäden behandelt werden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 06.09.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.03.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.1999 aufzuheben.

Die Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für überzeugend und legt einen Versicherungsverlauf vor.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Sozialgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 f Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet.

Gegenstand des Rechtstreites ist der Bescheid der Beklagten vom 29.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.1999, worin die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 07.01.1997 festgestellt und Beiträge in Höhe des Regelbeitrages gefordert wurden.

Der angefochtene Bescheid vom 29.03.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.1999 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Entgegen der Ansicht des Klägervertreters ist er nicht deshalb nichtig oder rechtswidrig, weil er nicht unterschrieben ist, denn gemäß § 33 Abs. 3 und 4 SGB X in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung können bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen.

Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sind gemäß § 2 Ziff. 2 SGB VI selbständig tätige Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.

Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Person abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit voraus. Indizien für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sind hingegen die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber und die Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb des Arbeitgebers, einschließlich eines hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Tätigkeit umfassenden Weisungsrechtes des Arbeitgebers (vgl. BSG, Urteil von 19.08.2003 Az. B 2 U 38/02 R und BSG, Urteil vom 12.02.2004 Az.: B 12 KR 26/02 R m. w. N.).

Zu Recht hat die Beklagte somit festgestellt, dass es sich bei der Klägerin um eine selbständig tätige Krankengymnastin/Physiotherapeutin handelt. Diese Tätigkeit kann sowohl als Arbeitnehmerin als auch als Selbständige ausgeübt werden. Die Klägerin und Frau M. haben vereinbart, dass die Klägerin als freie Mitarbeiterin tätig sein soll. Die Klägerin hat ihren ursprünglichen Vortrag, sie sei als Arbeitnehmerin beschäftigt worden, inzwischen aufgegeben. Dass die Klägerin ab Januar 1997 selbständig als Krankengymnastin/Physiotherapeutin in der Praxis der Frau M. tätig war, ergibt sich bereits aus dem mit ihr geschlossenen Vertrag "über die Mitarbeit in der Praxis" vom 01.02.1997. Danach war die Klägerin verpflichtet, sich beim zuständigen Finanzamt eine Steuernummer geben zu lassen und gemäß den gesetzlichen Anforderungen selbst Steuern zu entrichten und Vorsorge für den Fall von Arbeitslosigkeit, Unfall, Invalidität und des Alters zu tragen. Weiter wurde vereinbart, dass die Klägerin 70 % der von ihr erbrachten Leistungen zustehen. Ferner hat Frau M. mit Schreiben vom 26.08.2000 gegenüber der Beklagten bestätigt, dass die Klägerin bei ihr ab 01.02.1997 als freie Mitarbeiterin tätig war. Hinzu kommt, dass das Arbeitsgericht Freiburg (Az.:1 Ca 329/00) mit Urteil vom 01.02.2001 festgestellt hat, dass das freie Mitarbeiterverhältnis zwischen der Klägerin und Frau M. aufgrund ordentlicher Kündigung am 30.09.2000 geendet hat.

Die Klägerin ist als Pflegeperson in der Krankenpflege ab 07.01.1997 versicherungspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung. Versicherungspflichtig sind nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI selbständig tätige Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin. Sie war als selbständige Krankengymnastin/Physiotherapeutin in der Krankenpflege tätig, behandelte ihre Patienten überwiegend auf ärztliche Verordnung und beschäftigte in diesem Zusammenhang keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

Zweck der Versicherungspflicht der selbständigen Pflegepersonen ist es, diesen Personenkreis der als arbeitnehmerähnlich anzusehen ist, unabhängig von der konkreten sozialen Schutzbedürftigkeit, in den Kreis der rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer aufzunehmen (Gürtner in Kasseler Kommentar, § 2 SGB VI, Rd. 2).

Der Begriff der Krankenpflege ist in Abhängigkeit von der Weisungsgebundenheit an (ärztliche) Verordnungen weit zu verstehen und kann in Anlehnung an § 27 SGB V als Tätigwerden zur Heilung einer Krankheit, zur Verhütung ihrer Verschlimmerung oder zur Linderung der Krankheitsbeschwerden definiert werden. Der Bezug zu einer Krankheit schließt eine andere Pflege oder Betreuung, etwa wegen des Alters aus. Die Pflegepersonen müssen im Stande sein, ärztliche Verordnungen in der Krankenpflege eigenständig umzusetzen. So gehören zu den typischen Pflegepersonen, die selbständig tätig sein können, die Krankenschwestern, Krankenpfleger, Altenpfleger, Masseure, medizinische Bademeister, Krankengymnasten/Physiotherapeuten, Ergotherapeuten/Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten und Orthoptisten (Gürtner, a.a.O. Rd. 13).

Die Versicherungspflicht der in der Krankenpflege tätigen Pflegepersonen galt nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) bereits vor Inkrafttreten des SGB VI. Auch für die gesetzliche Krankenversicherung war bis zum Inkrafttreten des SGB V am 01. Januar 1989 in § 166 Abs. 1 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) die Versicherungspflicht dieses Personenkreises geregelt. Bereits damals hat das BSG (BSGE 21, 171, 175) entschieden, dass kein Grund besteht, die in der Krankenpflege tätigen Masseure, medizinischen Bademeister und Krankengymnasten anders zu behandeln, als die übrigen in der Krankenpflege tätigen Personen, deren Berufsausübung gesetzlich geregelt war und die wie die Krankenpfleger und die Krankenschwestern schon nach wortgetreuer Auslegung des § 166 Abs. 1 Nr. 5 RVO darunter fielen.

Hieran hat sich weder durch das Inkrafttreten des SGB VI zum 01. Januar 1992 noch durch das Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie vom 26. Mai 1994 (BGBI I S 1084, Masseur- und Physiotherapeutengesetz (MPhG) etwas geändert. Hierin wurde die Bezeichnung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten abgelöst und durch die Bezeichnung als Physiotherapeuten bzw. Physiotherapeutin ersetzt. Inhaltliche Änderungen im Hinblick auf die hier entscheidungserheblichen Fragen waren hiermit nicht verbunden (vgl. zum ganzen Ausführungen des Bundessozialgerichtes im Urteil vom 11.11.2003, Az.: B 12 RA 2/03 R). In dem Urteil vom 11.11.2003 hat das Bundessozialgericht seine bisherige Rechtsprechung zur Versicherungspflicht der Krankengymnasten/Physiotherapeuten ausdrücklich aufrechterhalten. Bereits im Urteil vom 30.01.1997 (Az.: 12 RK 31/96) hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass kein Grund besteht, die oben genannten Berufe anders zu behandeln als die übrigen in der Krankenpflege tätigen Personen. In der Gesetzesbegründung zu § 2 Nr. 2 SGB VI wurde vom Gesetzgeber Bezug genommen auf den Begriff der Pflegeperson, wie er in der bisherigen Rechtsprechung gesehen wurde. Da diese versicherungspflichtig selbständig Tätigen gerade nicht als Arbeitnehmer beschäftigt sind, kann sich die in der Begründung genannte Weisungsabhängigkeit nur darauf beziehen, dass die Pflegepersonen grundsätzlich auf ärztliche Verordnung tätig werden. Die Weisungsabhängigkeit bei der Verrichtung der Tätigkeiten im Einzelnen ist dabei in den verschiedenen pflegerischen Berufen nicht grundsätzlich unterschiedlich. Auch die Kranken-, Säuglings- oder Kinderschwester, die in der Hauspflege tätig ist, verrichtet ihre Arbeit zwar aufgrund ärztlicher Verordnung, ist aber bei der Durchführung von ärztlichen Weisungen je nach Lage des Gepflegten oder Betreuten unter Umständen weitgehend frei. Das Bundessozialgericht hat schon in der Entscheidung vom 30.06.1964 (BSGE 21, 171, 175) ausgeführt, dass die Versicherungspflicht der Masseure in der gesetzlichen Krankenversicherung dann eintritt, wenn sie in ihrem Betrieb keine Angestellten beschäftigen und sie aufgrund der einschlägigen Vorschriften zur selbständigen Ausübung ihres Berufs berechtigt sind und tatsächlich Massagen aufgrund ärztlicher Anordnung verabfolgen und damit in einem ihrer Berufstätigkeit prägenden Ausmaß in der Krankenpflege tätig sind.

Danach war die Klägerin in der Zeit ihrer selbständigen Tätigkeit als Krankengymnastin/Physiotherapeutin ab Januar 1997 bis zur Aufgabe der Tätigkeit zum 30.09.2000 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Da die Klägerin als Selbständige grundsätzlich nicht weisungsabhängig ist, da sie keinen Arbeitgeber hat und dessen Weisungen somit nicht unterworfen ist, kann die Weisungsabhängigkeit nur in dem Erfordernis der ärztlichen Verordnung gesehen werden.

Im Rahmen der Verordnung war sie in der Lage, Art und Umfang der Behandlung selbst zu bestimmen. Sie musste sich jedoch, auch zur Abrechnung der Leistung, an die ärztliche Verordnung halten. Da die Klägerin selbst angegeben hat, ausschließlich auf ärztliche Verordnung tätig zu sein, ist nicht maßgeblich, ob sie auch Privatpatienten ohne ärztliche Verordnung behandelt hat.

Nicht erheblich ist, ob selbständige Logopäden ebenfalls versicherungspflichtig in der Rentenversicherung sind. Wie bereits oben dargelegt, handelt es sich bei den Krankengymnasten/Physiotherapeuten um Pflegepersonen, die auf ärztliche Weisung (Verordnung) tätig werden und sich innerhalb dieser Verordnung halten müssen. Nach § 5 des Gesetzes über den Beruf des Logopäden, Fassung vom 25.11.2003, in Kraft ab 28.11.2003 i.V.m. der Anlage 1 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Logopäden vom 07.05.1980 (LogAPrO, zuletzt durch Gesetze vom 23. März 2005 - BGBl. 1 Seite 931 - und vom 21. Juni 2005 - BGBl. 1 Seite 1818 - geändert) ist die Erhebung der Vorgeschichte nach logopädischen Kriterien und logopädische Befunderhebung und Therapie Teil des Ausbildungsinhaltes. Dagegen ergibt sich aus Anlage 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten vom 25.11.2003, in Kraft ab 28.11.2003, i.V.m. § 13 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie (Masseur, und Physiotherapeutengesetz - MPhG) vom 26. Mai 1994 in der Fassung von November 2003 lediglich, dass diese physiotherapeutische Befund- und Untersuchungstechniken erlernen. Das Erlernen einer eigenständigen Diagnoseerstellung und die Erstellung eines eigenständigen Behandlungsplanes außerhalb ärztlicher Vorordnung ist darin nicht vorgesehen. Es bestehen daher tatsächlich Unterschiede zur Ausbildung und Tätigkeit des Logopäden, der die logopädische Befunderhebung und Therapie als Ausbildungsinhalt hat. Der Senat kann sich daher nicht der in der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung des Physiotherapeuten B. geäußerten Ansicht anschließen, wonach Physiotherapeuten bei der Erstellung der Diagnose und des Behandlungsplanes völlig frei seien und die ärztliche Verordnung nur der Abrechnung der erbrachten Leistung mit der Krankenkasse diene.

Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten begegnet diese Regelung keinen Bedenken. Der Gesetzgeber darf nicht eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 87, 1 (36); 92, 53 (68 f.); 95, 143 (153 f); 96, 315 (325); 100, 59 (90)). Er kann grundsätzlich entscheiden, welche Merkmale er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nur, dabei Art und Gewicht der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen (vgl. BVerfGE 94, 241 (260), stRspr). Wie oben bereits dargelegt, bestehen zwischen den Physiotherapeuten und den Logopäden jedoch Unterschiede, die eine ungleiche Behandlung dieser Berufsgruppen in Hinblick auf die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung rechtfertigen. Ein Verstoß gegen das in Art. 3 GG verankerte Gebot der Gleichbehandlung ist somit nicht gegeben.

Der von der Beklagten erhobene Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. Gemäß § 165 Abs. 1 Ziff. 1 SGB VI in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung sind beitragspflichtige Einnahmen bei selbständig Tätigen ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigeren oder höheren Arbeitseinkommens jedoch dieses Arbeitseinkommen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift in der bis 31.12.2002 geltenden Fassung sind beitragspflichtige Einnahmen bei selbständig Tätigen abweichend von Satz 2 Nr. 1 bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Arbeitseinkommen in Höhe von 50 v.H. der Bezugsgröße, wenn die Versicherten dies beim Träger der Rentenversicherung beantragen.

Die Klägerin hat weder nachgewiesen, dass sie ein niedrigeres oder höheres Arbeitseinkommen hat, noch einen Antrag gestellt, in den ersten drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Arbeitsaufnahme, der selbständigen Tätigkeit ein Arbeitseinkommen in Höhe von 50 v.H. zugrunde zu legen. Der Antrag kann nur bis zum Ablauf der Dreijahresfrist nach Aufnahme der selbständigen Beschäftigung gestellt werden, (Scholz in Kassler Kommentar, Stand Ergänzungslieferung 22, § 165 SGB IV Anm. 11 und VdR-Kommentar, 37. Ergänzungslieferung, Stand Januar 2002, § 165 SGB VI Anm. 8). Daher hat die Beklagte zu Recht die Beiträge auf der Grundlage eines Arbeitseinkommens in Höhe der Bezugsgröße berechnet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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