Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2044/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4177/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Umstritten ist die Weitergewährung von Verletztenrente.
Der am 1954 geborene Kläger erlitt am 2. August 2001 bei Montagearbeiten einen Arbeitsunfall, als eine Riemenscheibe von 70 cm Durchmesser mit einem Gewicht von "ca. 250 bis 300 kg" aus einer Höhe von 1,45 Meter herabfiel, umkippte und den Kläger am linken Bein verletzte. Dieser zog sich dabei eine schwere Weichteilquetschung mit distaler Unterschenkelfraktur links und Gelenkbeteiligung sowie eine Pilontibialfraktur links zu. Es erfolgten operative Behandlungen in mehrfachen Schritten mit Stabilisierung der Bruchzonen des Schien- und Wadenbeines sowie plastischer Weichteilrekonstruktion und eine konservative Behandlung der Fersenbein- und Außenknöchelfraktur bei überwiegend unkompliziertem Heilungsverlauf. Nach einer Eingliederungsmaßnahme war der Kläger ab 7. Januar 2002 wieder arbeitsfähig.
Gestützt auf das Rentengutachten des Prof. Dr. S. vom 24. Februar 2002 anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 21. März 2002 als Unfallfolgen "nach knöchern fest verheilten Brüchen des Schien- und Wadenbeins mit Gelenkbeteiligung und des Fersenbeines links: Bewegungseinschränkung im oberen und unteren Sprunggelenk. Muskel- und Kraftminderung am Bein. Reizfrei einliegendes Fremdmaterial in den ehemaligen Bruchbereichen. Gefühlsempfindungsstörungen im Bereich der Großzehe und den Bereichen des Innen- und Außenknöchels." und gewährte eine Rente als vorläufige Entschädigung ab 7. Januar 2002 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. sowie ab 1. März 2002 um 20 v. H. Dieser Bescheid wurde bindend.
Nachdem eine erste Überprüfung eine wesentliche Änderung nicht erbracht hatte (Gutachten Prof. Dr. S. vom 18. April 2003) kam Prof. Dr. S. im weiteren Rentengutachten vom 4. März 2004 im Wesentlichen zum Ergebnis, es zeigten sich eine Ausheilung mit knöchern fester Konsolidierung der Frakturzonen in jeweils korrekter Position, reizlos geschlossene Haut- und Weichteilverhältnisse, eine diskret bis endgradig eingeschrägte Fußheber- und -senkerfunktion links, eine mittelgradig eingeschränkte untere Sprunggelenksbeweglichkeit sowie eine mäßiggradige bis deutliche Minderung der Muskelweichteilverhältnisse des linken Ober- und Unterschenkels im Seitenvergleich mit entsprechendem Kraftverlust. Eine wesentliche Einschränkung der alltäglichen Gebrauchsfähigkeit bestehe nicht. Mutmaßlich bestehe grenzgradig eine eingeschränkte Ausdauerfähigkeit und teilweise eine Einschränkung "erschwerter Anwendungen (z. B. Sprungverhalten, Laufschritt, Kniebeuge)". Die MdE sei mit 10 v. H. einzuschätzen, wobei die Einschätzung eher zu 20 v. H. als zu 0 v. H. tendiere.
Nach Anhörung des Klägers entschied die Beklagte mit Bescheid vom 22. April 2004, die als vorläufige Entschädigung gewährte Rente werde letztmalig für den Monat April 2004 geleistet und ein Anspruch auf Rente auf unbestimmte Zeit bestehe nicht. Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, eine Besserung sei nicht eingetreten, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten nach Anhörung von Dr. J. und Eingang eines ausführlichen Krankheitsberichtes des Prof. Dr. W. vom 4. Juni 2004 (aufgrund schwieriger Weichteilsituation Metallentfernung derzeit nicht zu empfehlen) mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2004 zurück.
Deswegen hat der Kläger am 7. Juli 2004 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, es habe sich fast nichts geändert. Er habe keine Kraft im Bein und auch Schmerzen bei geringer Belastung.
Das SG hat ein Sachverständigengutachten des Prof. Dr. B. vom 12. April 2005 eingeholt, der unter anderem eine Dorsal-/Plantarflexion von 5-0-20 links festgestellt und insofern eine Verschlechterung gegenüber dem Gutachten von Prof. Dr. S. vom 4. März 2004 gesehen hat. Es bestünden eine eingeschränkte Fußheber- und -senkerfunktion links mit jeweils endgradigem Bewegungsschmerz, eine Einschränkung der unteren Sprunggelenksbeweglichkeit für Pronation und Supination, eine Minderung der Muskelweichteilmasse des linken Ober- und Unterschenkels im Seitenvergleich sowie Gefühlsstörungen an der Innenseite des Fußrückens, der Fußsohle einschließlich der linken Großzehe und im Bereich der Innen- und Außenseite des distalen Unterschenkels links. Daraus resultiere eine Einschränkung alltäglicher Gebrauchsfunktionen wie Anlaufschmerzen, verminderte Belastbarkeit des linken Sprunggelenkes mit Reduktion der Gehleistung bei schnellem Gehtempo sowie eine schmerzbedingte Vermeidung bzw. Einschränkung sportlicher Aktivitäten wie Lauf- oder Radsport. Er gehe von einer MdE von 20 v. H. aus, die er auf Grund des Gesamteindruckes schätze.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Die beschriebenen Funktionseinschränkungen rechtfertigten keine MdE in rentenberechtigendem Grade.
Mit Urteil vom 21. Juli 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Urteilsgründe wird verwiesen.
Gegen das am 1. September 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. September 2005 Berufung eingelegt. Das SG habe sich ohne hinreichende Begründung über das Gutachten von Prof. Dr. B. hinweggesetzt. Auch sei eine durch dieses Gutachten belegte Verschlimmerung zu berücksichtigen. Hierzu hat er Berichte von Prof. Dr. W. vom 17. November 2005 und Prof. Dr. S. vom 27. Februar 2006 vorgelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Juli 2005 und den Bescheid vom 22. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, die Unfallfolgen bedingten keine MdE im rentenberechtigendem Grade. Hierzu hat sie einen Bericht des Prof. Dr. S. vom 22. September 2005 (keine Änderung der MdE) und dessen Stellungnahme vom Folgetag (MdE 0 v. H.) vorgelegt.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente über den 30. April 2004 hinaus.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der ihm ursprünglich bewilligten vorläufigen Rente und begehrt die Gewährung einer Dauerrente. Hierfür ist die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart, denn mit Aufhebung des angefochtenen Entziehungsbescheides würde die vorläufig gewährte Rente nach Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall schon kraft Gesetzes zur Dauerrente (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, § 62 SGB VII, Rdnr. 10).
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger nach § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII die Verletztenrente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE nach § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Dies bedeutet, dass für die Feststellung der MdE im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung einer Dauerrente die im Zeitpunkt der Feststellung bestehende MdE unabhängig von der Frage einer wesentlichen Besserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes gegenüber der vorläufigen Rentenbewilligung und damit unabhängig von § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) maßgeblich ist.
Ein Anspruch auf Verletztenrente über den 30. April 2004 hinaus besteht nicht, denn die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist ab diesem Zeitpunkt unfallbedingt nicht mehr in Höhe von mindestens 20 v. H. gemindert.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Das SG hat in den Gründen des angefochtenen Urteils mit Hinweis auf einschlägige Literatur in der gesetzlichen Unfallversicherung zutreffend dargelegt, weswegen die unfallbedingte MdE nach dem 30. April 2004 kein rentenberechtigendes Ausmaß mehr erreicht. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insofern weitgehend ab.
Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass die im Gutachten von Prof. Dr. S. wie auch im Gutachten von Prof. Dr. B. sowie in den zuletzt vorgelegten ärztlichen Äußerungen von Prof. Dr. W., Prof. Dr. S. und Prof. Dr. S. beschriebenen Funktionseinschränkungen keine MdE um 20 v. H. bedingen. Der Kläger ist in seiner Bewegungsfähigkeit des linken oberen und unteren Sprunggelenkes nicht vergleichbar einer Versteifung eingeschränkt. Prof. Dr. S. hat bei der Untersuchung zum Gutachten vom 4. März 2004 eine Bewegungsfähigkeit von 20-0-40 erhoben und ein flüssiges Gangbild mit nur angedeuteten Hinken sowie ein zügiges, flüssiges Treppensteigen festgestellt. Soweit Prof. Dr. B. hiervon abweichend eine Bewegungsfähigkeit des linken Sprunggelenks von noch 5-0-20 angegeben hat, hat sich dieses bei späteren Untersuchungen nicht bestätigt. Nach dem Bericht des Prof. Dr. S. vom 22. September 2005 hat sich (wieder) eine Bewegungsfähigkeit von 10-0-40 gezeigt, bei Prof. Dr. W. vom 17. November 2005 eine Bewegungsfähigkeit von 10-0-40 und bei Prof. Dr. S. gemäß dessen Bericht vom 27. Februar 2006 wiederum von 10-0-20. Damit kann von einer einer Versteifung gleichkommenden Funktionseinschränkung nicht ausgegangen werden. Zwar deuten die Umfangmaße der Beine auf eine gewisse Schonung hin, doch spricht die seitengleiche Fußsohlenbeschwielung und die gleichmäßige Abnutzung der vom Kläger getragenen Konfektionsschuhe wiederum eher gegen eine nennenswerte Beeinträchtigung. Auch die Tatsache, dass der Kläger gegenüber Prof. Dr. B. angegeben hat, nur noch 30 Minuten Radfahren zu können, und Prof. Dr. S. gegenüber angab, weiterhin 20 Kilometer Rad zu fahren, was aber nur noch schlechter möglich sei, spricht gegen eine Einschränkung, die eine MdE um 20 v. H. rechtfertigen könnte. Auch Prof. Dr. B. hat ein normales, flüssiges Gangbild und eine testweise zurückgelegte Gehstrecke, zum Teil mit Stufen, über 300 Meter mit angedeutetem Hinken links ohne Pausen beschrieben. Unter Berücksichtigung der sonach festzustellenden Funktionseinschränkungen beträgt die unfallbedingte MdE zur Überzeugung des Senats 10 v. H., jedenfalls aber keine 20 v. H. Dies umso mehr, als auch der Einbeinstand problemlos möglich ist und sämtliche Stand- und Gangvarianten bei der Untersuchungen durch Prof. Dr. B. auch haben ausgeführt werden können. Desweiteren sind die Frakturen in idealer Position fest verheilt und findet sich kein Achsen- oder Drehfehler sowie keine massive Einschränkung der Gehfähigkeit. Im Übrigen hat auch zuletzt Prof. Dr. S. in der Stellungnahme vom 23. September 2005 die MdE mit Null v. H. bewertet.
Da das SG die Klage somit zu Recht abgewiesen hat, ist die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Umstritten ist die Weitergewährung von Verletztenrente.
Der am 1954 geborene Kläger erlitt am 2. August 2001 bei Montagearbeiten einen Arbeitsunfall, als eine Riemenscheibe von 70 cm Durchmesser mit einem Gewicht von "ca. 250 bis 300 kg" aus einer Höhe von 1,45 Meter herabfiel, umkippte und den Kläger am linken Bein verletzte. Dieser zog sich dabei eine schwere Weichteilquetschung mit distaler Unterschenkelfraktur links und Gelenkbeteiligung sowie eine Pilontibialfraktur links zu. Es erfolgten operative Behandlungen in mehrfachen Schritten mit Stabilisierung der Bruchzonen des Schien- und Wadenbeines sowie plastischer Weichteilrekonstruktion und eine konservative Behandlung der Fersenbein- und Außenknöchelfraktur bei überwiegend unkompliziertem Heilungsverlauf. Nach einer Eingliederungsmaßnahme war der Kläger ab 7. Januar 2002 wieder arbeitsfähig.
Gestützt auf das Rentengutachten des Prof. Dr. S. vom 24. Februar 2002 anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 21. März 2002 als Unfallfolgen "nach knöchern fest verheilten Brüchen des Schien- und Wadenbeins mit Gelenkbeteiligung und des Fersenbeines links: Bewegungseinschränkung im oberen und unteren Sprunggelenk. Muskel- und Kraftminderung am Bein. Reizfrei einliegendes Fremdmaterial in den ehemaligen Bruchbereichen. Gefühlsempfindungsstörungen im Bereich der Großzehe und den Bereichen des Innen- und Außenknöchels." und gewährte eine Rente als vorläufige Entschädigung ab 7. Januar 2002 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. sowie ab 1. März 2002 um 20 v. H. Dieser Bescheid wurde bindend.
Nachdem eine erste Überprüfung eine wesentliche Änderung nicht erbracht hatte (Gutachten Prof. Dr. S. vom 18. April 2003) kam Prof. Dr. S. im weiteren Rentengutachten vom 4. März 2004 im Wesentlichen zum Ergebnis, es zeigten sich eine Ausheilung mit knöchern fester Konsolidierung der Frakturzonen in jeweils korrekter Position, reizlos geschlossene Haut- und Weichteilverhältnisse, eine diskret bis endgradig eingeschrägte Fußheber- und -senkerfunktion links, eine mittelgradig eingeschränkte untere Sprunggelenksbeweglichkeit sowie eine mäßiggradige bis deutliche Minderung der Muskelweichteilverhältnisse des linken Ober- und Unterschenkels im Seitenvergleich mit entsprechendem Kraftverlust. Eine wesentliche Einschränkung der alltäglichen Gebrauchsfähigkeit bestehe nicht. Mutmaßlich bestehe grenzgradig eine eingeschränkte Ausdauerfähigkeit und teilweise eine Einschränkung "erschwerter Anwendungen (z. B. Sprungverhalten, Laufschritt, Kniebeuge)". Die MdE sei mit 10 v. H. einzuschätzen, wobei die Einschätzung eher zu 20 v. H. als zu 0 v. H. tendiere.
Nach Anhörung des Klägers entschied die Beklagte mit Bescheid vom 22. April 2004, die als vorläufige Entschädigung gewährte Rente werde letztmalig für den Monat April 2004 geleistet und ein Anspruch auf Rente auf unbestimmte Zeit bestehe nicht. Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, eine Besserung sei nicht eingetreten, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten nach Anhörung von Dr. J. und Eingang eines ausführlichen Krankheitsberichtes des Prof. Dr. W. vom 4. Juni 2004 (aufgrund schwieriger Weichteilsituation Metallentfernung derzeit nicht zu empfehlen) mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2004 zurück.
Deswegen hat der Kläger am 7. Juli 2004 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, es habe sich fast nichts geändert. Er habe keine Kraft im Bein und auch Schmerzen bei geringer Belastung.
Das SG hat ein Sachverständigengutachten des Prof. Dr. B. vom 12. April 2005 eingeholt, der unter anderem eine Dorsal-/Plantarflexion von 5-0-20 links festgestellt und insofern eine Verschlechterung gegenüber dem Gutachten von Prof. Dr. S. vom 4. März 2004 gesehen hat. Es bestünden eine eingeschränkte Fußheber- und -senkerfunktion links mit jeweils endgradigem Bewegungsschmerz, eine Einschränkung der unteren Sprunggelenksbeweglichkeit für Pronation und Supination, eine Minderung der Muskelweichteilmasse des linken Ober- und Unterschenkels im Seitenvergleich sowie Gefühlsstörungen an der Innenseite des Fußrückens, der Fußsohle einschließlich der linken Großzehe und im Bereich der Innen- und Außenseite des distalen Unterschenkels links. Daraus resultiere eine Einschränkung alltäglicher Gebrauchsfunktionen wie Anlaufschmerzen, verminderte Belastbarkeit des linken Sprunggelenkes mit Reduktion der Gehleistung bei schnellem Gehtempo sowie eine schmerzbedingte Vermeidung bzw. Einschränkung sportlicher Aktivitäten wie Lauf- oder Radsport. Er gehe von einer MdE von 20 v. H. aus, die er auf Grund des Gesamteindruckes schätze.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Die beschriebenen Funktionseinschränkungen rechtfertigten keine MdE in rentenberechtigendem Grade.
Mit Urteil vom 21. Juli 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Urteilsgründe wird verwiesen.
Gegen das am 1. September 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. September 2005 Berufung eingelegt. Das SG habe sich ohne hinreichende Begründung über das Gutachten von Prof. Dr. B. hinweggesetzt. Auch sei eine durch dieses Gutachten belegte Verschlimmerung zu berücksichtigen. Hierzu hat er Berichte von Prof. Dr. W. vom 17. November 2005 und Prof. Dr. S. vom 27. Februar 2006 vorgelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Juli 2005 und den Bescheid vom 22. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, die Unfallfolgen bedingten keine MdE im rentenberechtigendem Grade. Hierzu hat sie einen Bericht des Prof. Dr. S. vom 22. September 2005 (keine Änderung der MdE) und dessen Stellungnahme vom Folgetag (MdE 0 v. H.) vorgelegt.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente über den 30. April 2004 hinaus.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der ihm ursprünglich bewilligten vorläufigen Rente und begehrt die Gewährung einer Dauerrente. Hierfür ist die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart, denn mit Aufhebung des angefochtenen Entziehungsbescheides würde die vorläufig gewährte Rente nach Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall schon kraft Gesetzes zur Dauerrente (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, § 62 SGB VII, Rdnr. 10).
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger nach § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII die Verletztenrente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE nach § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Dies bedeutet, dass für die Feststellung der MdE im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung einer Dauerrente die im Zeitpunkt der Feststellung bestehende MdE unabhängig von der Frage einer wesentlichen Besserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes gegenüber der vorläufigen Rentenbewilligung und damit unabhängig von § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) maßgeblich ist.
Ein Anspruch auf Verletztenrente über den 30. April 2004 hinaus besteht nicht, denn die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist ab diesem Zeitpunkt unfallbedingt nicht mehr in Höhe von mindestens 20 v. H. gemindert.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Das SG hat in den Gründen des angefochtenen Urteils mit Hinweis auf einschlägige Literatur in der gesetzlichen Unfallversicherung zutreffend dargelegt, weswegen die unfallbedingte MdE nach dem 30. April 2004 kein rentenberechtigendes Ausmaß mehr erreicht. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insofern weitgehend ab.
Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass die im Gutachten von Prof. Dr. S. wie auch im Gutachten von Prof. Dr. B. sowie in den zuletzt vorgelegten ärztlichen Äußerungen von Prof. Dr. W., Prof. Dr. S. und Prof. Dr. S. beschriebenen Funktionseinschränkungen keine MdE um 20 v. H. bedingen. Der Kläger ist in seiner Bewegungsfähigkeit des linken oberen und unteren Sprunggelenkes nicht vergleichbar einer Versteifung eingeschränkt. Prof. Dr. S. hat bei der Untersuchung zum Gutachten vom 4. März 2004 eine Bewegungsfähigkeit von 20-0-40 erhoben und ein flüssiges Gangbild mit nur angedeuteten Hinken sowie ein zügiges, flüssiges Treppensteigen festgestellt. Soweit Prof. Dr. B. hiervon abweichend eine Bewegungsfähigkeit des linken Sprunggelenks von noch 5-0-20 angegeben hat, hat sich dieses bei späteren Untersuchungen nicht bestätigt. Nach dem Bericht des Prof. Dr. S. vom 22. September 2005 hat sich (wieder) eine Bewegungsfähigkeit von 10-0-40 gezeigt, bei Prof. Dr. W. vom 17. November 2005 eine Bewegungsfähigkeit von 10-0-40 und bei Prof. Dr. S. gemäß dessen Bericht vom 27. Februar 2006 wiederum von 10-0-20. Damit kann von einer einer Versteifung gleichkommenden Funktionseinschränkung nicht ausgegangen werden. Zwar deuten die Umfangmaße der Beine auf eine gewisse Schonung hin, doch spricht die seitengleiche Fußsohlenbeschwielung und die gleichmäßige Abnutzung der vom Kläger getragenen Konfektionsschuhe wiederum eher gegen eine nennenswerte Beeinträchtigung. Auch die Tatsache, dass der Kläger gegenüber Prof. Dr. B. angegeben hat, nur noch 30 Minuten Radfahren zu können, und Prof. Dr. S. gegenüber angab, weiterhin 20 Kilometer Rad zu fahren, was aber nur noch schlechter möglich sei, spricht gegen eine Einschränkung, die eine MdE um 20 v. H. rechtfertigen könnte. Auch Prof. Dr. B. hat ein normales, flüssiges Gangbild und eine testweise zurückgelegte Gehstrecke, zum Teil mit Stufen, über 300 Meter mit angedeutetem Hinken links ohne Pausen beschrieben. Unter Berücksichtigung der sonach festzustellenden Funktionseinschränkungen beträgt die unfallbedingte MdE zur Überzeugung des Senats 10 v. H., jedenfalls aber keine 20 v. H. Dies umso mehr, als auch der Einbeinstand problemlos möglich ist und sämtliche Stand- und Gangvarianten bei der Untersuchungen durch Prof. Dr. B. auch haben ausgeführt werden können. Desweiteren sind die Frakturen in idealer Position fest verheilt und findet sich kein Achsen- oder Drehfehler sowie keine massive Einschränkung der Gehfähigkeit. Im Übrigen hat auch zuletzt Prof. Dr. S. in der Stellungnahme vom 23. September 2005 die MdE mit Null v. H. bewertet.
Da das SG die Klage somit zu Recht abgewiesen hat, ist die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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