Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 3013/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 4564/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1952 geborene Klägerin war nach der 1989 erfolgten Übersiedlung aus Kasachstan, wo sie eine kaufmännische Berufsausbildung absolviert hatte, in der Bundesrepublik bis Juni 1999 als Textilarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Hieran schlossen sich Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit an. Die Klägerin hat keine Fahrerlaubnis zum Führen eines PKW.
Am 26.9.2000 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit.
Die von der Beklagten veranlasste internistische, orthopädische und nervenärztliche Begutachtung (zusammenfassende Würdigung Dr. M. vom 5.2.2001) erbrachte eine erhebliche Wirbelsäulenverkrümmung mit Brustkorbasymmetrie, mäßigen degenerativen Veränderungen und leichten Keilwirbelbildungen nach Brüchen des 12. Brust- und 1. und 2. Lendenwirbelkörpers (Arbeitsunfall 1983), ein deutliches Übergewicht mit Verdacht auf behandlungsbedürftigen Bluthochdruck und beginnender Kniearthrose rechts sowie eine Engpasssymptomatik des rechten Mittelhandnerven. Leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten könnten bei Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig verrichtet werden.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 14.2.2001 ab.
Während des Widerspruchsverfahrens führte die Klägerin vom 6. bis 27.8.2001 eine stationäre Heilbehandlung in der S. Klinik in A. durch, aus der sie mit den Diagnosen therapieresistente Lumboischialgie rechts bei Spinalkanalstenose und Skoliose mit Somatisierungstendenz, Adipositas und Hypercholesterinämie als arbeitsunfähig, aber mit der Leistungsbeurteilung entlassen wurde, leichte Tätigkeiten könnten mit weiteren Einschränkungen vollschichtig verrichtet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2001 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 15.11.2001 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Rentenbegehren weiterverfolgt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Die Internistin und Rheumatologin Dr. H. hat in ihrer Auskunft vom 21.2.2002 auf ein polyarthritisches Syndrom, ein Fibromyalgiesyndrom sowie eine Depression hingewiesen und leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch höchstens halbschichtig für zumutbar erachtet. Der Neurologe und Psychiater Dr. K. hat in seiner Stellungnahme vom 25.2.2002 von einer im Vordergrund stehenden somatoformen Schmerzstörung, einer depressiven Episode und einer Dysthymie berichtet, die die Schmerzverarbeitung weitgehend bestimmten. Eine Besserung sei nicht eingetreten. Selbst eine halbschichtige Tätigkeit sei der Klägerin nicht zuzumuten. In seinem ergänzenden Bericht vom 20.2.2003 hat er an dieser Leistungseinschätzung festgehalten. Der vom SG ebenfalls befragte Psychotherapeut K. hat in seiner Stellungnahme vom 12.6.2002 zusammenfassend die Chance für eine Wiedereingliederung in das Berufsleben als unrealistisch eingeschätzt. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. hat sich unter dem 29.7.2002 dahingehend geäußert, dass die erhebliche psychische Störung für die Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgeblich sei und bei der Klägerin die Erwerbsunfähigkeit bedinge.
Daraufhin hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des sozialmedizinisch/psychotherapeutischen Sachverständigengutachtens von Dr. K.-H. vom 21.12.2002. Sie hat eine depressiv gefärbte Anpassungsstörung sowie eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Leichte körperliche Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne überwiegenden Publikumsverkehr, ohne Akkord- oder Nachtschichtarbeiten und ohne größere Anforderungen an das geistig-seelische Leistungsvermögen und die sozialen Kompetenzen seien vollschichtig möglich. Eine zusätzliche Begutachtung sei nicht erforderlich, da die Beschwerden auf anderen Fachgebieten durch die Vorgutachten ausreichend geklärt seien.
Das SG hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.9.2003 durch Urteil vom selben Tag abgewiesen.
Es hat unter Darstellung der für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften in ihrer bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung sowie unter Darstellung der Grundsätze zum Berufsschutz entschieden, dass die breit verweisbare Klägerin die ihr damit noch zumutbaren leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten könne, ohne dass das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit verpflichte. Gefolgt werde den im Rentenverfahren eingeholten Gutachten sowie dem Sachverständigengutachten von Dr. K.-H ... Der Einschätzung der behandelnden Ärzte könne nicht gefolgt werden. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 17.10.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.11.2003 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Sie beruft sich auf eine von ihr vorgelegte Stellungnahme der Allgemeinmedizinerin Dr. W. vom 16.1.2004 (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 20/26 der LSG-Akte Bezug genommen).
Die Beklagte ist der Berufung unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 12.2.2004 entgegengetreten. Das maßgebliche Leiden liege auf psychiatrischem Fachgebiet und ausschlaggebend für die Leistungsbeurteilung sei die Bewertung eines chronischen Schmerzsyndroms, ohne dass es darauf ankomme, ob ein Fibromyalgiesyndrom oder eine somatoforme Schmerzstörung zu diagnostizieren sei.
Daraufhin hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. B. vom 27.12.2004. Er diagnostiziert eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine depressive Störung mit aktuell mittelgradiger Episode, Essattacken bei psychischer Störung sowie eine Persönlichkeitsstörung mit sensitiven und asthenischen Anteilen. Unter Berücksichtigung der Tagesstruktur der Klägerin und der Freizeit- und Sozialanamnese könne auf eine mittelgradige Einschränkung der Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens geschlossen werden. Die Mobilität sei stark eingeschränkt, die Selbstversorgung leicht bis mittelgradig, die Konzentration leicht bis stark je nach Art der Aufgabe und der Antrieb mittelgradig. Durch die Beeinträchtigung psychischer Qualitäten wie Ausdauer, Belastbarkeit, Aufmerksamkeit/Konzentration und Stimmung/Befindlichkeit ergebe sich eine quantitative und qualitative Leistungseinschränkung. Leichte bis mittelschwere Arbeiten könnten nur noch bis unterhalbschichtig verrichtet werden. Der Arbeitsweg sei eingeschränkt.
Dieser Leistungseinschätzung ist die Beklagte unter Vorlage einer weiteren ärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 14.4.2005 entgegengetreten, worauf der Sachverständige in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 20.8.2005 nochmals begründet dargelegt hat, dass die gewonnenen Ergebnisse für eine eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit in dem Sinne sprächen, dass einfache Dinge (wie z. B. die Bewältigung des Haushalts) leistbar seien, nicht jedoch differenzierte Aufgaben. Er bleibe dabei, dass die Mobilität eingeschränkt sei. Im Zweifel solle die Frage der Mobilität orthopädisch geklärt werden.
In seiner hierzu vorgelegten ärztlichen Stellungnahme vom 14.9.2005 wertet Dr. G. die Ausführungen von Prof. Dr. B. dahingehend, dass mit dessen Charakterisierung, einfache Dinge wie der Haushalt seien noch leistbar, körperlich leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen möglich seien. Dabei werde davon ausgegangen, dass auch die Führung eines durchschnittlichen Haushalts ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung erfordere. Hierzu sei die Klägerin entsprechend der Angaben im Tagesablauf aber noch in der Lage. Die Wegefähigkeit könne ohne zusätzliche fachorthopädische Bewertung als grenzwertig aber noch erhalten eingestuft werden.
Daraufhin hat der Senat noch Beweis erhoben durch Einholung des fachorthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. W. vom 31.1.2006. Dr. W. erhebt eine Adipositas, einen Zustand nach zweimaliger Krampfaderoperationen rechts mit Rezidivvarikosis rechts ohne Ödeme, eine s-förmige Thorakolumbalskoliose mit Skoliosewinkel 40 Grad nach Cobb mit mäßiger Bewegungs- und Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei Zustand nach Frakturen, eine beginnende Kniegelenksarthrose beiderseits mit endgradiger Beugeeinschränkung und geringen Behinderungen beim Treppensteigen sowie eine Fibromyalgie mit derzeit nicht gravierend ausgeprägten Befunden an den pathognomonischen Fibromyalgiepunkten. U. a. leichte körperliche Tätigkeiten könnten überwiegend im Sitzen, ohne Überkopfarbeiten, ohne häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten, ohne häufiges in die Knie gehen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie mit häufigem Treppengehen vollschichtig verrichtet werden. Eine Wegstrecke von viermal 500 Metern seit der Klägerin aus orthopädischer Sicht ohne weiteres zumutbar. Es könne kein Befund erhoben werden, der diese Wegstrecke nicht als in 20 Minuten zurücklegbar erscheinen lasse.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. September 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2001 zu verurteilen, ihr Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, weil sie zur Überzeugung des Senats noch in der Lage ist, die ihr nach nicht aus gesundheitlichen Gründen erfolgter Lösung vom ggf. erlernten Beruf sozial zumutbaren unbenannten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten, und ihre Wegefähigkeit nicht rentenrelevant eingeschränkt ist.
Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung der streitgegenständlichen Bescheide folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens liegt der Schwerpunkt der das berufliche Restleistungsvermögen der Klägerin prägenden Befunde auf psychiatrischem Fachgebiet, wobei die Schmerzverarbeitungsproblematik wiederum im Vordergrund steht.
Diesbezüglich stützt sich der Senat einerseits auf die Angaben der behandelnden Ärzte und andererseits auf die von der Beklagten vorgenommene ärztlich gestützte Einschätzung. Unabhängig von der im Einzelnen zu stellenden Diagnose, auf die es im Gegensatz zu hierdurch bedingten Funktionseinschränkungen nicht ankommt, stehen die entsprechenden Befunde der Annahme einer rentenrelevanten Leistungseinschränkung entgegen.
Der Senat stützt seine diesbezügliche Überzeugung in erster Linie auf das Sachverständigengutachten von Dr. K.-H., aber auch auf die von Prof. Dr. B. anlässlich seiner Untersuchung getroffenen Feststellungen. Danach bedingen die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen lediglich die Beschränkung auf noch leichte Tätigkeiten unter Beachtung der weiteren, in den Sachverständigengutachten im Einzelnen aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen. Insbesondere ist nach den in den Gutachten getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Annahme einer quantitativen (zeitlichen) Leistungseinschränkung medizinisch nicht begründet. Die von Dr. K.-H. vorgenommene Leistungsbeurteilung ist nach den erhobenen Befunden, bei kritischer Würdigung und der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes für den Senat schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er ihr folgt. Die hiervon abweichende Leistungsbeurteilung durch die behandelnden Ärzte bzw. Prof. Dr. B. erachtet der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens als widerlegt.
Die sozialmedizinische Beurteilung bei somatoformen Schmerzstörungen bzw. vergleichbaren psychischen Störungen erfordert eine ausführliche Befragung des Probanden zu den Tagesaktivitäten. Erfragt (und hinterfragt) werden müssen auch Symptome des sozialen Rückzugs. Nur bei einer weitgehenden Einschränkung der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens (im Sinne einer "vita minima") beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse und Aufmerksamkeit ist von einer Minderung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens auszugehen (Empfehlungen für die sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen, DRV-Schriften, Band 30, S. 47).
Hier ergibt die von Prof. Dr. B. erhobene Tagesstruktur der Klägerin (vgl. insbesondere Blatt 69/70 der LSG-Akte) bzw. die von ihm abgearbeitete Indizienliste (vgl. Blatt 73/76 der LSG-Akte) auch nach Auffassung des Senats insbesondere unter Berücksichtigung der zahlreichen Freizeitaktivitäten (wie z. B. Sticken, Backen, Malen, Nähen, Sammeln und Spazierengehen) und des Umstandes, dass die Klägerin - wenn auch teilweise mit fremder Hilfe - den Haushalt versorgt und darüber hinaus noch ihre Enkelin betreut, dass bei ihr keine so weit gehende Einschränkung des täglichen Lebens vorliegt, dass daraus die Annahme einer quantitativen zeitlichen Leistungseinschränkung begründet ableitbar wäre. In diesem Zusammenhang kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass selbst Prof. Dr. B. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme bezüglich der Frage der kognitiven Leistungsfähigkeit angegeben hat, einfache Aufgaben wie die Erledigung des Haushalts seien leistbar. Er hat auch die Einschränkungen des täglichen Lebens als (nur) mittelgradig bezeichnet. Insoweit folgt der Senat im Ergebnis der Einschätzung von Dr. G. in dessen ärztlicher Stellungnahme vom 14.9.2005.
Der Senat verneint nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin.
Zwar gilt der Arbeitsmarkt als verschlossen, wenn der Weg zur Arbeitsstelle nicht zurückgelegt werden kann. Zur Erwerbsfähigkeit gehört nämlich auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (BSG SozR 2200 § 1247 Nrn. 47, 50, 53, 56). Allerdings kann nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 2200 § 1247 Nr. 56) Erwerbsunfähigkeit (und damit entsprechend dem ab 1.1.2001 geltenden Recht volle Erwerbsminderung) in diesem Zusammenhang nur angenommen werden, wenn nur noch eine Gehfähigkeit vorhanden ist, die maximal 500 Meter Wegstrecke zulässt, der Versicherte keinen Arbeitsplatz inne hat und einen solchen auch nicht mit Hilfe eines eigenen Kfz bzw. eines Fahrrads erreichen kann (vgl. hierzu KassKomm-Niesel, Rdnr. 93 zu § 43 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung mwN) und der Rentenversicherungsträger diesbezüglich auch keine beruflichen Reha-Leistungen anbietet. Die Zumutbarkeit der Fußwege richtet sich hierbei nach allgemeinen medizinischen Kriterien. Sie ist zu verneinen, wenn beim Gehen auch unter Verwendung von Hilfsmitteln (z. B. Gehstützen) erhebliche Schmerzen auftreten, übermäßige körperliche Anstrengungen erforderlich sind oder die Gesundheit in besonderer Weise gefährdet ist. Die Zumutbarkeitsgrenze kann auch durch die für die Wegstrecke erforderliche Zeit überschritten werden. Das ist der Fall, wenn für 500 Meter mehr als 20 Minuten benötigt werden. In der Regel ist daher nur erwerbsunfähig (bzw. voll erwerbsgemindert), wer nicht in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Besonderheiten zum Beispiel der individuellen Wohnlage und der Beschaffenheit in Betracht kommender Wegstrecken sind bei der gebotenen generalisierenden Abgrenzung des Versichertenrisikos unbeachtlich (vgl. hierzu BSG vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -).
Wegen der von Prof. Dr. B. und von der Beklagten problematisierten Frage einer Mobilitätseinschränkung hat der Senat das orthopädische Sachverständigengutachten von Dr. W. eingeholt, der unter Berücksichtigung der von ihm erhobenen Befunde schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Klägerin durchaus in der Lage ist, viermal täglich eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Zureichende Anhaltspunkte dafür, warum die Klägerin dann nicht auch in der Lage sein sollte, eine geringfügig längere Strecke als 500 Meter (z. B. 501 Meter) innerhalb zumutbarer Zeit zurückzulegen, sind unter Berücksichtigung der orthopädischerseits erhobenen Befunde und des Umstands, dass die Klägerin im Rahmen der Versorgung des Haushalts (auch mit dem mehrmals täglichen Erfordernis des Treppensteigens), ihrer Freizeitaktivitäten (Spazierengehen) bzw. der Betreuung der Enkelin ausreichende Mobilität zeigt, nicht ersichtlich.
Zwar verneint der Senat im Falle der Klägerin wie schon das SG ebenfalls das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung, verkennt dabei aber nicht, dass ihr Leistungsvermögen in mehrfacher Hinsicht qualitativ eingeschränkt ist. Gleichwohl ist ihr der allgemeine Arbeitsmarkt deshalb nicht verschlossen. Nach den durchgeführten Ermittlungen ist nämlich nicht ersichtlich, warum die Klägerin nicht mehr fähig sein soll, beispielsweise Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- und/oder Etikettierarbeiten vollschichtig zu verrichten. Derartige Tätigkeiten erfordern kein Heben und Tragen von mehr als 5 bis 6 kg, sind in der Regel in überwiegend sitzender Arbeitsposition mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung nach dem individuellen Bedarf, in Normalarbeitszeit, ohne besonderen Zeitdruck und ohne Stressbelastungen ausführbar und werden in geschlossenen, wohltemperierten Räumen ausgeführt (vgl. Urteile des 9. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg [LSG] vom 28.08.2001 - L 9 RJ 2798/00 - und - L 9 RJ 1657/01 - mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1952 geborene Klägerin war nach der 1989 erfolgten Übersiedlung aus Kasachstan, wo sie eine kaufmännische Berufsausbildung absolviert hatte, in der Bundesrepublik bis Juni 1999 als Textilarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Hieran schlossen sich Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit an. Die Klägerin hat keine Fahrerlaubnis zum Führen eines PKW.
Am 26.9.2000 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit.
Die von der Beklagten veranlasste internistische, orthopädische und nervenärztliche Begutachtung (zusammenfassende Würdigung Dr. M. vom 5.2.2001) erbrachte eine erhebliche Wirbelsäulenverkrümmung mit Brustkorbasymmetrie, mäßigen degenerativen Veränderungen und leichten Keilwirbelbildungen nach Brüchen des 12. Brust- und 1. und 2. Lendenwirbelkörpers (Arbeitsunfall 1983), ein deutliches Übergewicht mit Verdacht auf behandlungsbedürftigen Bluthochdruck und beginnender Kniearthrose rechts sowie eine Engpasssymptomatik des rechten Mittelhandnerven. Leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten könnten bei Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig verrichtet werden.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 14.2.2001 ab.
Während des Widerspruchsverfahrens führte die Klägerin vom 6. bis 27.8.2001 eine stationäre Heilbehandlung in der S. Klinik in A. durch, aus der sie mit den Diagnosen therapieresistente Lumboischialgie rechts bei Spinalkanalstenose und Skoliose mit Somatisierungstendenz, Adipositas und Hypercholesterinämie als arbeitsunfähig, aber mit der Leistungsbeurteilung entlassen wurde, leichte Tätigkeiten könnten mit weiteren Einschränkungen vollschichtig verrichtet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2001 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 15.11.2001 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Rentenbegehren weiterverfolgt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Die Internistin und Rheumatologin Dr. H. hat in ihrer Auskunft vom 21.2.2002 auf ein polyarthritisches Syndrom, ein Fibromyalgiesyndrom sowie eine Depression hingewiesen und leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch höchstens halbschichtig für zumutbar erachtet. Der Neurologe und Psychiater Dr. K. hat in seiner Stellungnahme vom 25.2.2002 von einer im Vordergrund stehenden somatoformen Schmerzstörung, einer depressiven Episode und einer Dysthymie berichtet, die die Schmerzverarbeitung weitgehend bestimmten. Eine Besserung sei nicht eingetreten. Selbst eine halbschichtige Tätigkeit sei der Klägerin nicht zuzumuten. In seinem ergänzenden Bericht vom 20.2.2003 hat er an dieser Leistungseinschätzung festgehalten. Der vom SG ebenfalls befragte Psychotherapeut K. hat in seiner Stellungnahme vom 12.6.2002 zusammenfassend die Chance für eine Wiedereingliederung in das Berufsleben als unrealistisch eingeschätzt. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. hat sich unter dem 29.7.2002 dahingehend geäußert, dass die erhebliche psychische Störung für die Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgeblich sei und bei der Klägerin die Erwerbsunfähigkeit bedinge.
Daraufhin hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des sozialmedizinisch/psychotherapeutischen Sachverständigengutachtens von Dr. K.-H. vom 21.12.2002. Sie hat eine depressiv gefärbte Anpassungsstörung sowie eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Leichte körperliche Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne überwiegenden Publikumsverkehr, ohne Akkord- oder Nachtschichtarbeiten und ohne größere Anforderungen an das geistig-seelische Leistungsvermögen und die sozialen Kompetenzen seien vollschichtig möglich. Eine zusätzliche Begutachtung sei nicht erforderlich, da die Beschwerden auf anderen Fachgebieten durch die Vorgutachten ausreichend geklärt seien.
Das SG hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.9.2003 durch Urteil vom selben Tag abgewiesen.
Es hat unter Darstellung der für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften in ihrer bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung sowie unter Darstellung der Grundsätze zum Berufsschutz entschieden, dass die breit verweisbare Klägerin die ihr damit noch zumutbaren leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten könne, ohne dass das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit verpflichte. Gefolgt werde den im Rentenverfahren eingeholten Gutachten sowie dem Sachverständigengutachten von Dr. K.-H ... Der Einschätzung der behandelnden Ärzte könne nicht gefolgt werden. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 17.10.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.11.2003 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Sie beruft sich auf eine von ihr vorgelegte Stellungnahme der Allgemeinmedizinerin Dr. W. vom 16.1.2004 (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 20/26 der LSG-Akte Bezug genommen).
Die Beklagte ist der Berufung unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 12.2.2004 entgegengetreten. Das maßgebliche Leiden liege auf psychiatrischem Fachgebiet und ausschlaggebend für die Leistungsbeurteilung sei die Bewertung eines chronischen Schmerzsyndroms, ohne dass es darauf ankomme, ob ein Fibromyalgiesyndrom oder eine somatoforme Schmerzstörung zu diagnostizieren sei.
Daraufhin hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. B. vom 27.12.2004. Er diagnostiziert eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine depressive Störung mit aktuell mittelgradiger Episode, Essattacken bei psychischer Störung sowie eine Persönlichkeitsstörung mit sensitiven und asthenischen Anteilen. Unter Berücksichtigung der Tagesstruktur der Klägerin und der Freizeit- und Sozialanamnese könne auf eine mittelgradige Einschränkung der Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens geschlossen werden. Die Mobilität sei stark eingeschränkt, die Selbstversorgung leicht bis mittelgradig, die Konzentration leicht bis stark je nach Art der Aufgabe und der Antrieb mittelgradig. Durch die Beeinträchtigung psychischer Qualitäten wie Ausdauer, Belastbarkeit, Aufmerksamkeit/Konzentration und Stimmung/Befindlichkeit ergebe sich eine quantitative und qualitative Leistungseinschränkung. Leichte bis mittelschwere Arbeiten könnten nur noch bis unterhalbschichtig verrichtet werden. Der Arbeitsweg sei eingeschränkt.
Dieser Leistungseinschätzung ist die Beklagte unter Vorlage einer weiteren ärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 14.4.2005 entgegengetreten, worauf der Sachverständige in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 20.8.2005 nochmals begründet dargelegt hat, dass die gewonnenen Ergebnisse für eine eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit in dem Sinne sprächen, dass einfache Dinge (wie z. B. die Bewältigung des Haushalts) leistbar seien, nicht jedoch differenzierte Aufgaben. Er bleibe dabei, dass die Mobilität eingeschränkt sei. Im Zweifel solle die Frage der Mobilität orthopädisch geklärt werden.
In seiner hierzu vorgelegten ärztlichen Stellungnahme vom 14.9.2005 wertet Dr. G. die Ausführungen von Prof. Dr. B. dahingehend, dass mit dessen Charakterisierung, einfache Dinge wie der Haushalt seien noch leistbar, körperlich leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen möglich seien. Dabei werde davon ausgegangen, dass auch die Führung eines durchschnittlichen Haushalts ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung erfordere. Hierzu sei die Klägerin entsprechend der Angaben im Tagesablauf aber noch in der Lage. Die Wegefähigkeit könne ohne zusätzliche fachorthopädische Bewertung als grenzwertig aber noch erhalten eingestuft werden.
Daraufhin hat der Senat noch Beweis erhoben durch Einholung des fachorthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. W. vom 31.1.2006. Dr. W. erhebt eine Adipositas, einen Zustand nach zweimaliger Krampfaderoperationen rechts mit Rezidivvarikosis rechts ohne Ödeme, eine s-förmige Thorakolumbalskoliose mit Skoliosewinkel 40 Grad nach Cobb mit mäßiger Bewegungs- und Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei Zustand nach Frakturen, eine beginnende Kniegelenksarthrose beiderseits mit endgradiger Beugeeinschränkung und geringen Behinderungen beim Treppensteigen sowie eine Fibromyalgie mit derzeit nicht gravierend ausgeprägten Befunden an den pathognomonischen Fibromyalgiepunkten. U. a. leichte körperliche Tätigkeiten könnten überwiegend im Sitzen, ohne Überkopfarbeiten, ohne häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten, ohne häufiges in die Knie gehen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie mit häufigem Treppengehen vollschichtig verrichtet werden. Eine Wegstrecke von viermal 500 Metern seit der Klägerin aus orthopädischer Sicht ohne weiteres zumutbar. Es könne kein Befund erhoben werden, der diese Wegstrecke nicht als in 20 Minuten zurücklegbar erscheinen lasse.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. September 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2001 zu verurteilen, ihr Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, weil sie zur Überzeugung des Senats noch in der Lage ist, die ihr nach nicht aus gesundheitlichen Gründen erfolgter Lösung vom ggf. erlernten Beruf sozial zumutbaren unbenannten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten, und ihre Wegefähigkeit nicht rentenrelevant eingeschränkt ist.
Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung der streitgegenständlichen Bescheide folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens liegt der Schwerpunkt der das berufliche Restleistungsvermögen der Klägerin prägenden Befunde auf psychiatrischem Fachgebiet, wobei die Schmerzverarbeitungsproblematik wiederum im Vordergrund steht.
Diesbezüglich stützt sich der Senat einerseits auf die Angaben der behandelnden Ärzte und andererseits auf die von der Beklagten vorgenommene ärztlich gestützte Einschätzung. Unabhängig von der im Einzelnen zu stellenden Diagnose, auf die es im Gegensatz zu hierdurch bedingten Funktionseinschränkungen nicht ankommt, stehen die entsprechenden Befunde der Annahme einer rentenrelevanten Leistungseinschränkung entgegen.
Der Senat stützt seine diesbezügliche Überzeugung in erster Linie auf das Sachverständigengutachten von Dr. K.-H., aber auch auf die von Prof. Dr. B. anlässlich seiner Untersuchung getroffenen Feststellungen. Danach bedingen die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen lediglich die Beschränkung auf noch leichte Tätigkeiten unter Beachtung der weiteren, in den Sachverständigengutachten im Einzelnen aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen. Insbesondere ist nach den in den Gutachten getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Annahme einer quantitativen (zeitlichen) Leistungseinschränkung medizinisch nicht begründet. Die von Dr. K.-H. vorgenommene Leistungsbeurteilung ist nach den erhobenen Befunden, bei kritischer Würdigung und der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes für den Senat schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er ihr folgt. Die hiervon abweichende Leistungsbeurteilung durch die behandelnden Ärzte bzw. Prof. Dr. B. erachtet der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens als widerlegt.
Die sozialmedizinische Beurteilung bei somatoformen Schmerzstörungen bzw. vergleichbaren psychischen Störungen erfordert eine ausführliche Befragung des Probanden zu den Tagesaktivitäten. Erfragt (und hinterfragt) werden müssen auch Symptome des sozialen Rückzugs. Nur bei einer weitgehenden Einschränkung der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens (im Sinne einer "vita minima") beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse und Aufmerksamkeit ist von einer Minderung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens auszugehen (Empfehlungen für die sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen, DRV-Schriften, Band 30, S. 47).
Hier ergibt die von Prof. Dr. B. erhobene Tagesstruktur der Klägerin (vgl. insbesondere Blatt 69/70 der LSG-Akte) bzw. die von ihm abgearbeitete Indizienliste (vgl. Blatt 73/76 der LSG-Akte) auch nach Auffassung des Senats insbesondere unter Berücksichtigung der zahlreichen Freizeitaktivitäten (wie z. B. Sticken, Backen, Malen, Nähen, Sammeln und Spazierengehen) und des Umstandes, dass die Klägerin - wenn auch teilweise mit fremder Hilfe - den Haushalt versorgt und darüber hinaus noch ihre Enkelin betreut, dass bei ihr keine so weit gehende Einschränkung des täglichen Lebens vorliegt, dass daraus die Annahme einer quantitativen zeitlichen Leistungseinschränkung begründet ableitbar wäre. In diesem Zusammenhang kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass selbst Prof. Dr. B. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme bezüglich der Frage der kognitiven Leistungsfähigkeit angegeben hat, einfache Aufgaben wie die Erledigung des Haushalts seien leistbar. Er hat auch die Einschränkungen des täglichen Lebens als (nur) mittelgradig bezeichnet. Insoweit folgt der Senat im Ergebnis der Einschätzung von Dr. G. in dessen ärztlicher Stellungnahme vom 14.9.2005.
Der Senat verneint nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin.
Zwar gilt der Arbeitsmarkt als verschlossen, wenn der Weg zur Arbeitsstelle nicht zurückgelegt werden kann. Zur Erwerbsfähigkeit gehört nämlich auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (BSG SozR 2200 § 1247 Nrn. 47, 50, 53, 56). Allerdings kann nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 2200 § 1247 Nr. 56) Erwerbsunfähigkeit (und damit entsprechend dem ab 1.1.2001 geltenden Recht volle Erwerbsminderung) in diesem Zusammenhang nur angenommen werden, wenn nur noch eine Gehfähigkeit vorhanden ist, die maximal 500 Meter Wegstrecke zulässt, der Versicherte keinen Arbeitsplatz inne hat und einen solchen auch nicht mit Hilfe eines eigenen Kfz bzw. eines Fahrrads erreichen kann (vgl. hierzu KassKomm-Niesel, Rdnr. 93 zu § 43 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung mwN) und der Rentenversicherungsträger diesbezüglich auch keine beruflichen Reha-Leistungen anbietet. Die Zumutbarkeit der Fußwege richtet sich hierbei nach allgemeinen medizinischen Kriterien. Sie ist zu verneinen, wenn beim Gehen auch unter Verwendung von Hilfsmitteln (z. B. Gehstützen) erhebliche Schmerzen auftreten, übermäßige körperliche Anstrengungen erforderlich sind oder die Gesundheit in besonderer Weise gefährdet ist. Die Zumutbarkeitsgrenze kann auch durch die für die Wegstrecke erforderliche Zeit überschritten werden. Das ist der Fall, wenn für 500 Meter mehr als 20 Minuten benötigt werden. In der Regel ist daher nur erwerbsunfähig (bzw. voll erwerbsgemindert), wer nicht in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Besonderheiten zum Beispiel der individuellen Wohnlage und der Beschaffenheit in Betracht kommender Wegstrecken sind bei der gebotenen generalisierenden Abgrenzung des Versichertenrisikos unbeachtlich (vgl. hierzu BSG vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -).
Wegen der von Prof. Dr. B. und von der Beklagten problematisierten Frage einer Mobilitätseinschränkung hat der Senat das orthopädische Sachverständigengutachten von Dr. W. eingeholt, der unter Berücksichtigung der von ihm erhobenen Befunde schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Klägerin durchaus in der Lage ist, viermal täglich eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Zureichende Anhaltspunkte dafür, warum die Klägerin dann nicht auch in der Lage sein sollte, eine geringfügig längere Strecke als 500 Meter (z. B. 501 Meter) innerhalb zumutbarer Zeit zurückzulegen, sind unter Berücksichtigung der orthopädischerseits erhobenen Befunde und des Umstands, dass die Klägerin im Rahmen der Versorgung des Haushalts (auch mit dem mehrmals täglichen Erfordernis des Treppensteigens), ihrer Freizeitaktivitäten (Spazierengehen) bzw. der Betreuung der Enkelin ausreichende Mobilität zeigt, nicht ersichtlich.
Zwar verneint der Senat im Falle der Klägerin wie schon das SG ebenfalls das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung, verkennt dabei aber nicht, dass ihr Leistungsvermögen in mehrfacher Hinsicht qualitativ eingeschränkt ist. Gleichwohl ist ihr der allgemeine Arbeitsmarkt deshalb nicht verschlossen. Nach den durchgeführten Ermittlungen ist nämlich nicht ersichtlich, warum die Klägerin nicht mehr fähig sein soll, beispielsweise Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- und/oder Etikettierarbeiten vollschichtig zu verrichten. Derartige Tätigkeiten erfordern kein Heben und Tragen von mehr als 5 bis 6 kg, sind in der Regel in überwiegend sitzender Arbeitsposition mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung nach dem individuellen Bedarf, in Normalarbeitszeit, ohne besonderen Zeitdruck und ohne Stressbelastungen ausführbar und werden in geschlossenen, wohltemperierten Räumen ausgeführt (vgl. Urteile des 9. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg [LSG] vom 28.08.2001 - L 9 RJ 2798/00 - und - L 9 RJ 1657/01 - mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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