Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 330/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4808/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. September 2004 und der Bescheid vom 7. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2003 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Unfall vom 3. Januar 2002 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung seines Unfalls vom 3.1.2002 als Arbeitsunfall.
Der im Jahr 1963 geborene Kläger ist als Metallbautechniker tätig und ist der Sohn des im Februar 2002 verstorbenen Jagdpächters E. L. (L.). Der Kläger war Inhaber eines für die Zeit vom 1.4.2001 bis zum 31.3.2002 von den Jagdpächtern L., Sch. und M. ausgestellten Jagderlaubnisscheins.
Bereits seit mehreren Jahren half der Kläger seinem Vater im Winter bei der Rehfütterung, mit der verhindert werden sollte, dass die jungen Tiere die Pflanzungen bzw. Bäume beschädigten. Die Fütterung wurde an festen Futtereinrichtungen zur Notzeit zweimal wöchentlich durchgeführt, was jeweils ca. drei Stunden in Anspruch nahm und wobei sich der Kläger mit seinem Vater abwechselte. Gejagt wurde an diesen Futtereinrichtungen nie. Als der Vater des Klägers erkrankte, übernahm der Kläger diese Aufgabe in vollem Umfang und war seit Dezember 2001 wöchentlich vier bis sechs Stunden mit dieser Fütterung beschäftigt.
Auch am 3.1.2002 begab sich der Kläger zur Rehfütterung in den Wald. Dabei rutschte er aus und erlitt eine Kniegelenksdistorsion mit Hämarthrose und vorderer Kreuzbandruptur rechts. Seine Waffe führte er nicht mit.
Mit Bescheid vom 7.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.1.2003 verneinte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalles mit der Begründung, der Kläger sei im Unfallzeitpunkt Inhaber eines Jagdbegehungsscheines und als solcher versicherungsfreier Jagdgast gewesen. Dass der Unfall sich bei der Rehfütterung ereignet und somit auch Interessen des Jagdpächters gedient habe, sei lediglich Ausfluss der Jagderlaubnis und rechtlich unerheblich.
Dagegen hat der Kläger am 20.2.2003 Klage zum Sozialgericht Konstanz erhoben und vorgebracht, er habe anlässlich seines Unfalles keine Jagd ausgeübt, sondern lediglich die Rehfütterung im Wald durchgeführt. Es könne deshalb keine Rede davon sein, dass er etwa im privaten Eigeninteresse tätig geworden wäre.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.9.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zur Jagdausübung eines versicherungsfreien Jagdgastes könne nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11.11.2003 (B 2 U 41/02 R) die Hege gehören. Die Wildfütterung des Klägers sei eindeutig dem Bereich der Hege zuzuordnen. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 27.3.2003 (L 10 U 4291/02).
Gegen den am 27.9.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.10.2004 Berufung eingelegt. Er bringt ergänzend vor, Motiv für die Fütterung sei unter keinem Gesichtspunkt irgendein Jagdinteresse seinerseits gewesen, sondern alleine das Interesse des Pächters an einer Notfütterung der Tiere und damit der Schutz der Pflanzen. Angesichts des für die Fütterung erforderlichen Zeitaufwandes könne von einer verwandtschaftlichen Gefälligkeitsleistung keine Rede sein.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. September 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2003 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall vom 3. Januar 2002 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die nahe Verwandtschaft zwischen dem Kläger und dem Jagdpächter und die Dauer der Fütterung von drei Stunden spreche nicht für ein beschäftigungsähnliches Verhältnis, sondern vielmehr für eine verwandtschaftliche Gefälligkeitsleistung.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Vortrag der Beteiligten sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, kann der Kläger eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erheben. Dies hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (BSG Urteil vom 7.7.2004 - B 2 U 45/03 R - in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) auch getan. Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des schriftsätzlich gestellten Antrags kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG a. a. O.).
Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Tätigkeit, bei der der Kläger am 3.1.2002 eine Knieverletzung erlitten hat, um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII).
Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 2,3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleidet. Eine versicherte Tätigkeit, die einen Versicherungsschutz des Klägers für den Unfall vom 3. Januar 2002 begründen könnte, kann sich in erster Linie aus § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ergeben, wenn der Kläger im Unfallzeitpunkt wie ein Versicherter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig war (so genannte Wie-Beschäftigte ). Insbesondere sind keine Anhaltspunkte für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zu erkennen.
Eine versicherte Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (für die Auslegung dieser Vorschriften kann auch die zur Vorgängervorschrift § 539 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung -RVO- ergangene Rechtsprechung herangezogen werden) voraus, dass - selbst wenn es sich nur um eine vorübergehende Tätigkeit handelt - eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit vorliegt, die ungeachtet des Beweggrundes des Tätigwerdens ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 41/02 R - m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Kläger war im Interesse seines Vaters, des Jagdpächters und damit des Unternehmers tätig, weil er die diesem obliegenden Aufgaben mit dessen Willen erfüllte. Hätte der Kläger die Fütterungen nicht vorgenommen, hätte sein Vater eine andere Person beauftragen können, die seinen Weisungen gemäß - und damit als Arbeitnehmer und nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherter - diese Arbeiten ausgeführt hätte.
Es handelte sich auch nicht um eine verwandtschaftliche Gefälligkeitsleistung. Eine solche liegt dann vor, wenn die Tätigkeit ihr gesamtes Gepräge, insbesondere nach Art, Umfang und Zeitdauer von den familiären Bindungen zwischen Angehörigen erhalten. Dabei sind die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beachten (BSG, Urteil vom 1.2.1979 - 2 RU 65/78 - in SozR 2200 § 539 Nr. 55). Die Übernahme der Wildfütterung zweimal pro Woche in den Wintermonaten Dezember, Januar und Februar für den erkrankten Vater ist nach Auffassung des Senats auch unter Verwandten eine über die durch die familiären Beziehungen geprägte Gefälligkeit hinausgehende Tätigkeit, die vielmehr nach Art, Umfang und Zeitdauer sonst von einer Person verrichtet würde, die zu dem Unternehmen in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit steht.
Allerdings sind nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII u. a. Personen von der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 frei, die aufgrund einer vom Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Jagdgast jagen. Diese Vorschrift greift hier jedoch nicht ein.
Zum einen bezieht sich diese Regelung ihrem eindeutigen Wortlaut nach nur auf die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5, nicht auf die hier vorliegende Versicherung nach Abs. 2. Diese Frage braucht hier jedoch nicht weiter vertieft zu werden. Denn der Kläger war nicht in der Eigenschaft als Jagdgast tätig.
Dass der Kläger eine Jagderlaubnis des Jagdausübungsberechtigten, hier seines Vaters und weiterer Mitpächter, besaß, führt nicht dazu, dass er zwangsläufig bei jedem Gang im Revier als Jagdgast anzusehen ist. Vielmehr kann auch eine Person, die über eine Jagderlaubnis für ein Revier verfügt, in diesem als "Wie-Beschäftigter" gemäß § 2 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig werden (BSG, Urteil vom 11.11.2003).
Bei der Abgrenzung der versicherungsfreien Tätigkeit als Jagdgast von der versicherten Tätigkeit als "Wie-Beschäftigter" im Jagdunternehmen des Jagdpächters muss neben dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII dessen Funktion innerhalb des Regelungszusammenhangs der §§ 2 ff SGB VII beachtet werden (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, a.a.O.). Zur Bestimmung dessen, was zur Jagdausübung gehört, ist von den einschlägigen Vorschriften des Jagdrechts auszugehen, weil es einen hiervon unterschiedlichen Begriff der Jagdausübung in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gibt. Nach § 1 Bundesjagdgesetz ist das Jagdrecht die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wild lebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen (Wild) zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen. Die Jagdausübung erstreckt sich auf das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild (§ 1 Abs. 4 BJagdG). Demgegenüber hat die Hege die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen zum Ziel (§ 1 Abs. 2 BJagdG). Zwischen Hege und Jagdausübung ist somit zu unterscheiden, wenngleich zur Hege auch das Jagen von Tieren gehören kann, z.B. um den Bestand bestimmter Tierarten zu verringern (BSG, a.a.O.).
Diese Grundsätze verkennen das Sozialgericht und die Beklagte, wenn sie Hegemaßnahmen grundsätzlich der Jagdausübung zuordnen. Im vorliegenden Fall nahm der Kläger ausschließlich Hegemaßnahmen im Interesse seines Vaters vor, die auch nicht annähernd in Zusammenhang mit einer Jagdausübung standen. Wenn somit keine Jagd ausgeübt wurde und der Aufenthalt im Revier wesentlichen Zwecken des Jagdpächters und seines Unternehmens diente, ist die in Rede stehende Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert (in diesem Sinne auch BSG, a.a.O.). Ob sich daneben Versicherungsschutz auch aus § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII ergibt, kann offen bleiben.
Auf das Urteil des Senats vom 27.3.2003 - L 10 U 4291/02 - kann sich die Beklagte nicht berufen. Denn bereits mit weiterem Urteil vom 8.9.2005 - L 10 U 2535/04 - hat der Senat seine früher vertretene Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Rechtsprechung des BSG ausdrücklich aufgegeben.
Im Ergebnis erlitt der Kläger damit am 3.1.2002 einen Arbeitsunfall. Auf die Berufung des Klägers ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts deshalb aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung seines Unfalls vom 3.1.2002 als Arbeitsunfall.
Der im Jahr 1963 geborene Kläger ist als Metallbautechniker tätig und ist der Sohn des im Februar 2002 verstorbenen Jagdpächters E. L. (L.). Der Kläger war Inhaber eines für die Zeit vom 1.4.2001 bis zum 31.3.2002 von den Jagdpächtern L., Sch. und M. ausgestellten Jagderlaubnisscheins.
Bereits seit mehreren Jahren half der Kläger seinem Vater im Winter bei der Rehfütterung, mit der verhindert werden sollte, dass die jungen Tiere die Pflanzungen bzw. Bäume beschädigten. Die Fütterung wurde an festen Futtereinrichtungen zur Notzeit zweimal wöchentlich durchgeführt, was jeweils ca. drei Stunden in Anspruch nahm und wobei sich der Kläger mit seinem Vater abwechselte. Gejagt wurde an diesen Futtereinrichtungen nie. Als der Vater des Klägers erkrankte, übernahm der Kläger diese Aufgabe in vollem Umfang und war seit Dezember 2001 wöchentlich vier bis sechs Stunden mit dieser Fütterung beschäftigt.
Auch am 3.1.2002 begab sich der Kläger zur Rehfütterung in den Wald. Dabei rutschte er aus und erlitt eine Kniegelenksdistorsion mit Hämarthrose und vorderer Kreuzbandruptur rechts. Seine Waffe führte er nicht mit.
Mit Bescheid vom 7.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.1.2003 verneinte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalles mit der Begründung, der Kläger sei im Unfallzeitpunkt Inhaber eines Jagdbegehungsscheines und als solcher versicherungsfreier Jagdgast gewesen. Dass der Unfall sich bei der Rehfütterung ereignet und somit auch Interessen des Jagdpächters gedient habe, sei lediglich Ausfluss der Jagderlaubnis und rechtlich unerheblich.
Dagegen hat der Kläger am 20.2.2003 Klage zum Sozialgericht Konstanz erhoben und vorgebracht, er habe anlässlich seines Unfalles keine Jagd ausgeübt, sondern lediglich die Rehfütterung im Wald durchgeführt. Es könne deshalb keine Rede davon sein, dass er etwa im privaten Eigeninteresse tätig geworden wäre.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.9.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zur Jagdausübung eines versicherungsfreien Jagdgastes könne nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11.11.2003 (B 2 U 41/02 R) die Hege gehören. Die Wildfütterung des Klägers sei eindeutig dem Bereich der Hege zuzuordnen. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 27.3.2003 (L 10 U 4291/02).
Gegen den am 27.9.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.10.2004 Berufung eingelegt. Er bringt ergänzend vor, Motiv für die Fütterung sei unter keinem Gesichtspunkt irgendein Jagdinteresse seinerseits gewesen, sondern alleine das Interesse des Pächters an einer Notfütterung der Tiere und damit der Schutz der Pflanzen. Angesichts des für die Fütterung erforderlichen Zeitaufwandes könne von einer verwandtschaftlichen Gefälligkeitsleistung keine Rede sein.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. September 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2003 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall vom 3. Januar 2002 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die nahe Verwandtschaft zwischen dem Kläger und dem Jagdpächter und die Dauer der Fütterung von drei Stunden spreche nicht für ein beschäftigungsähnliches Verhältnis, sondern vielmehr für eine verwandtschaftliche Gefälligkeitsleistung.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Vortrag der Beteiligten sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, kann der Kläger eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erheben. Dies hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (BSG Urteil vom 7.7.2004 - B 2 U 45/03 R - in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) auch getan. Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des schriftsätzlich gestellten Antrags kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG a. a. O.).
Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Tätigkeit, bei der der Kläger am 3.1.2002 eine Knieverletzung erlitten hat, um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII).
Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 2,3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleidet. Eine versicherte Tätigkeit, die einen Versicherungsschutz des Klägers für den Unfall vom 3. Januar 2002 begründen könnte, kann sich in erster Linie aus § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ergeben, wenn der Kläger im Unfallzeitpunkt wie ein Versicherter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig war (so genannte Wie-Beschäftigte ). Insbesondere sind keine Anhaltspunkte für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zu erkennen.
Eine versicherte Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (für die Auslegung dieser Vorschriften kann auch die zur Vorgängervorschrift § 539 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung -RVO- ergangene Rechtsprechung herangezogen werden) voraus, dass - selbst wenn es sich nur um eine vorübergehende Tätigkeit handelt - eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit vorliegt, die ungeachtet des Beweggrundes des Tätigwerdens ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 41/02 R - m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Kläger war im Interesse seines Vaters, des Jagdpächters und damit des Unternehmers tätig, weil er die diesem obliegenden Aufgaben mit dessen Willen erfüllte. Hätte der Kläger die Fütterungen nicht vorgenommen, hätte sein Vater eine andere Person beauftragen können, die seinen Weisungen gemäß - und damit als Arbeitnehmer und nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherter - diese Arbeiten ausgeführt hätte.
Es handelte sich auch nicht um eine verwandtschaftliche Gefälligkeitsleistung. Eine solche liegt dann vor, wenn die Tätigkeit ihr gesamtes Gepräge, insbesondere nach Art, Umfang und Zeitdauer von den familiären Bindungen zwischen Angehörigen erhalten. Dabei sind die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beachten (BSG, Urteil vom 1.2.1979 - 2 RU 65/78 - in SozR 2200 § 539 Nr. 55). Die Übernahme der Wildfütterung zweimal pro Woche in den Wintermonaten Dezember, Januar und Februar für den erkrankten Vater ist nach Auffassung des Senats auch unter Verwandten eine über die durch die familiären Beziehungen geprägte Gefälligkeit hinausgehende Tätigkeit, die vielmehr nach Art, Umfang und Zeitdauer sonst von einer Person verrichtet würde, die zu dem Unternehmen in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit steht.
Allerdings sind nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII u. a. Personen von der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 frei, die aufgrund einer vom Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Jagdgast jagen. Diese Vorschrift greift hier jedoch nicht ein.
Zum einen bezieht sich diese Regelung ihrem eindeutigen Wortlaut nach nur auf die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5, nicht auf die hier vorliegende Versicherung nach Abs. 2. Diese Frage braucht hier jedoch nicht weiter vertieft zu werden. Denn der Kläger war nicht in der Eigenschaft als Jagdgast tätig.
Dass der Kläger eine Jagderlaubnis des Jagdausübungsberechtigten, hier seines Vaters und weiterer Mitpächter, besaß, führt nicht dazu, dass er zwangsläufig bei jedem Gang im Revier als Jagdgast anzusehen ist. Vielmehr kann auch eine Person, die über eine Jagderlaubnis für ein Revier verfügt, in diesem als "Wie-Beschäftigter" gemäß § 2 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig werden (BSG, Urteil vom 11.11.2003).
Bei der Abgrenzung der versicherungsfreien Tätigkeit als Jagdgast von der versicherten Tätigkeit als "Wie-Beschäftigter" im Jagdunternehmen des Jagdpächters muss neben dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII dessen Funktion innerhalb des Regelungszusammenhangs der §§ 2 ff SGB VII beachtet werden (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, a.a.O.). Zur Bestimmung dessen, was zur Jagdausübung gehört, ist von den einschlägigen Vorschriften des Jagdrechts auszugehen, weil es einen hiervon unterschiedlichen Begriff der Jagdausübung in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gibt. Nach § 1 Bundesjagdgesetz ist das Jagdrecht die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wild lebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen (Wild) zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen. Die Jagdausübung erstreckt sich auf das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild (§ 1 Abs. 4 BJagdG). Demgegenüber hat die Hege die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen zum Ziel (§ 1 Abs. 2 BJagdG). Zwischen Hege und Jagdausübung ist somit zu unterscheiden, wenngleich zur Hege auch das Jagen von Tieren gehören kann, z.B. um den Bestand bestimmter Tierarten zu verringern (BSG, a.a.O.).
Diese Grundsätze verkennen das Sozialgericht und die Beklagte, wenn sie Hegemaßnahmen grundsätzlich der Jagdausübung zuordnen. Im vorliegenden Fall nahm der Kläger ausschließlich Hegemaßnahmen im Interesse seines Vaters vor, die auch nicht annähernd in Zusammenhang mit einer Jagdausübung standen. Wenn somit keine Jagd ausgeübt wurde und der Aufenthalt im Revier wesentlichen Zwecken des Jagdpächters und seines Unternehmens diente, ist die in Rede stehende Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert (in diesem Sinne auch BSG, a.a.O.). Ob sich daneben Versicherungsschutz auch aus § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII ergibt, kann offen bleiben.
Auf das Urteil des Senats vom 27.3.2003 - L 10 U 4291/02 - kann sich die Beklagte nicht berufen. Denn bereits mit weiterem Urteil vom 8.9.2005 - L 10 U 2535/04 - hat der Senat seine früher vertretene Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Rechtsprechung des BSG ausdrücklich aufgegeben.
Im Ergebnis erlitt der Kläger damit am 3.1.2002 einen Arbeitsunfall. Auf die Berufung des Klägers ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts deshalb aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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