L 11 R 1794/06 A

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1794/06 A
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Richterin am Landessozialgericht W. wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung seines Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die hier allein geltend gemachte Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet nach Abs. 2 der Vorschrift statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Eine Besorgnis der Befangenheit liegt nur vor, wenn ein objektiv vernünftiger Grund gegeben ist, der den am Verfahren Beteiligten von seinem Standpunkt aus befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch und sachlich entscheiden. Eine rein subjektive unvernünftige Vorstellung ist unerheblich. Es kommt allerdings nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteiisch oder befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 73, 350, 335; BSGE SozR 3 - 1500 § 60 Nr. 1). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen eines Richters als solche grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund darstellen; etwas anderes kann nur gelten, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (vgl. LSG Celle, Beschluss vom 26.06.2001 - L 3 B 133/01 KA -). Der Ablehnungsgrund ist konkret vorzubringen und gemäß § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist vorliegend die Besorgnis der Befangenheit unbegründet.

Nach Würdigung der vom Kläger geäußerten Befangenheitsbesorgnis haben sich für den Senat keine Umstände ergeben, die bei vernünftiger Betrachtung die Annahme einer unsachlichen Einstellung der abgelehnten Richterin rechtfertigen könnte.

Insbesondere vermag die Frage der Zulassung der Revision, selbst wenn Richterin am Landessozialgericht W. aus ihrer Sicht keinen Zulassungsgrund gesehen hätte, eine derartige Besorgnis nicht zu begründen. Der Kläger war im Erörterungstermin durch einen Rechtsanwalt vertreten, der die alleinige Entscheidungskompetenz des Senats kennt, so dass insoweit auch keine Missverständnisse aufkommen konnten.

Aus der Vorgehensweise der Richterin im Hinblick auf die Erörterung der Rechtsgrundlagen für den streitigen Erstattungsanspruch und die Vergleichsbemühungen lässt sich ebenfalls keine Besorgnis der Befangenheit ableiten. Insoweit sind sachliche Meinungsäußerungen, z.B. über die Aussichten von Klagen oder die Rechtslage nicht ausreichend, sofern dies nicht auf eine Weise geschieht, dass der Beteiligte Grund für die Befürchtung haben muss, der Richter werde Gegenargumenten nicht mehr aufgeschlossen gegenüberstehen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage 2005, § 60 Rd.-Nr. 8 j). Jedes Rechtsgespräch und auch Vergleichsvorschläge der Berichterstatterin in einem Erörterungstermin stehen - bei Nichtübertragung auf den Einzelrichter - letztlich unter dem Vorbehalt der Entscheidungszuständigkeit des Senats. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der/die Berichterstatter/in die Sach- und Rechtslage nicht beleuchten darf und sich insoweit einer Meinungsäußerung enthalten muss. Weder aus der Niederschrift über den Erörterungstermin noch aus dem Vorbringen des Klägers lässt sich danach eine Besorgnis der Befangenheit begründen. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf nochmalige Vergleichsbemühungen der Richterin, nachdem bereits im Dezember 2005 ein - begründeter - schriftlicher Vergleichsvorschlag unterbreitet worden war. Mit dem nochmaligen Aufgreifen des Vergleichsvorschlags gibt die Richterin nicht zu erkennen, dass sie Gegenargumente nicht zur Kenntnis nimmt, vielmehr äußert sie damit lediglich ihre Rechtsauffassung in einem frühen Stadium des Verfahrens. Für eine Nötigung des anwaltlich vertretenen Klägers ergeben sich insoweit keinerlei Anhaltspunkte.

Was den Vorwurf des Klägers angeht, er sei als Verbrecher dargestellt worden, ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwalt B., Richterin am LSG W. habe im Zusammenhang mit einer möglichen strafrechtlichen Verantwortung bei einem Eingehungsbetrug erklärt, dass dieses strafrechtliche Problem für den Kläger noch als außerordentlich gering zu bewerten sei, weil nach der Ermittlungsakte der Kläger damit rechnen müsse, als Mörder wegen Habgier bestraft zu werden. Hierzu hat sich Richterin am LSG W. dienstlich dahingehend geäußert, dass sie dem Kläger zu bedenken gegeben habe, dass er, sofern sich tatsächlich ein Tötungsdelikt bewahrheiten sollte, damit rechnen müsse, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, welches sich bislang allein gegen ihn gerichtet habe, erneut aufgenommen werde und dann möglicherweise sogar ein Mordvorwurf im Raum stehen könnte, nämlich wegen der hier erlangten Vermögensvorteile. Insofern könne sich auch möglicherweise eine Rückzahlung zu seinen Gunsten auswirken. An dem Wahrheitsgehalt dieser dienstlichen Äußerung zu zweifeln bestand kein Anlass. Diese Äußerung enthält keinerlei Wertung des Klägers als Mörder oder Verbrecher, sondern nur den Hinweis auf einen sich möglicherweise bei Eintritt gewisser Tatsachen ergebenden Strafvorwurf. Letztlich ergibt sich auch aus der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwalt B. nichts anderes. Dieses Verhalten von Richterin am LSG W. rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit, zumal es im Lichte der im vorliegenden Verfahren streitigen Rückforderung von Rentenbeträgen im Zusammenhang mit der vermissten früheren Ehefrau des Klägers geht. Für den Senat ergibt sich auch unter Berücksichtigung der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwalt B. kein hinreichender Grund dafür, dass der Kläger Misstrauen in die Unparteilichkeit von Richterin am LSG W. haben darf. Gegen eine nicht objektive Verhandlungsführung spricht letztlich auch, dass die Ablehnung der Besorgnis der Befangenheit nicht unmittelbar im Termin am 22.03.2006 erfolgt ist.

Soweit der Kläger den Vorwurf der Befangenheit schließlich darauf stützt, dass Richterin am LSG W. nach dem Erörterungstermin ein Schreiben an das die früheren Ermittlungen führende Kommissariat gesandt hat, vermag auch dies den Vorwurf der Befangenheit nicht zu begründen. Abgesehen von einer nicht einschlägigen Rechtsgrundlage enthält dieses Schreiben keine Angaben und Wertungen, die auf eine unsachliche Einstellung der Richterin gegenüber dem Kläger schließen ließen.

Das gleiche gilt bezüglich des gerichtlichen Schreibens vom 23.03.2003, welches im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Bereicherungsvorschriften zu sehen ist. Ein eventuell unrichtig wiedergegebener Sachverhalt vermag nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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