L 3 R 4680/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 RA 2516/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 4680/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1961 in Polen geborene Klägerin absolvierte im Herkunftsland ein Hochschulstudium im Fach Musik und war sowohl im Herkunftsland als auch nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik im Oktober 1989 mit Unterbrechungen als Orchestergeigerin (hier nach dem Besuch einer Orchesterschule allerdings nur im Rahmen von von der Arbeitsverwaltung vermittelten Aushilfstätigkeiten) und während der sich an eine zuletzt ausgeübte kurzfristige Beschäftigung als Verkäuferin anschließenden Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit als Musiklehrerin (für Violine) tätig.

Am 26.9.2000 beantragte sie die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit.

Die von der Beklagten u. a. veranlasste nervenärztliche Begutachtung (Gutachten Dr. F. vom 9.1.2001) erbrachte eine histrionische Persönlichkeit sowie eine rezidivierende depressive Anpassungsstörung im Zusammenhang mit einem subjektiv erlebten Scheitern der beruflichen Lebensplanung nach der Übersiedlung. Die Tätigkeit einer Orchestermusikerin könne ebenso vollschichtig ausgeübt werden - was zu einer psychischen Stabilisierung beitragen könnte - wie eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 30.1.2001 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit undatiertem, der Klägerin am 18.7.2001 zugegangenen Widerspruchsbescheid zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 20.7.2001 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Rentenbegehren weiterverfolgt hat.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der praktische Arzt Dr. S. hat in seiner Auskunft vom 17.12.2001 über eine erstmalige Behandlung im Mai 2001 bei im Vordergrund stehendem chronischem Erschöpfungszustand und einer depressiven Verstimmung berichtet und im erlernten Beruf nur noch ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen sowie ein bis sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gesehen. Der Neurologe und Psychiater Dr. Dr. B. hat in seinem Bericht vom 18.12.2001 eine vergleichbare Leistungseinschätzung vorgenommen. Dem SG hat auch ein Entlassungsbericht über die von der Klägerin in der Zeit von August bis November 2002 in der A.-Klinik durchgeführte stationäre Behandlung vorgelegen. Es ist dies die erste stationäre Heilbehandlung der Klägerin gewesen. Sie ist bei voll remittierter Depression hieraus entlassen worden war (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 47/50 der SG-Akte).

Ferner hat das SG schriftliche Auskünfte bei der von der Klägerin besuchten Orchesterschule und bei verschiedenen Orchestern eingeholt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 28/29 und 35/37 der SG-Akte Bezug genommen).

Sodann hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. W. vom 13.3.2003. Dieser hat rezidivierende depressive Störungen bei gegenwärtig mittelgradiger Episode, eine depressiv getönte Anpassungsstörung sowie eine histrionische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert und eine gewisse Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung der Klägerin und dem klinisch erhobenen Befund festgestellt. Die Tätigkeit als Orchestermusikerin könne ebenso vollschichtig verrichtet werden wie eine leichte und teilweise mittelschwere Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, bei Vermeidung von Schicht-, Akkord- und Nachtarbeit). Zusätzliche Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich und die Wegefähigkeit sei nicht rentenrechtlich relevant eingeschränkt.

Unter Berücksichtigung ihm vom SG übermittelter berufskundlicher Unterlagen (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 83/84 der SG-Akte) hat der Sachverständige in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 15.4.2003 im Hinblick auf die bei einer Tätigkeit als Musikerin auftretenden Zwangshaltungen eine solche Tätigkeit nur noch im Umfang bis zu sechs Stunden täglich als zumutbar erachtet.

Ferner hat das SG auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung des weiteren nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. W. vom 15.2.2004, dem berufskundliche Unterlagen zur Verfügung gestanden haben (vgl. Blatt 104/109 der SG-Akte). Dr. W. hat zusammenfassend eine chronisch rezidivierende Psychose (ehemals mit einer floriden Symptomatik und zwischenzeitlich mit dominierenden Defiziten des Antriebs, fehlender Intentionalität, Motivationsverlust und schweren Angstzuständen) erhoben und ein seit 1996 aufgehobenes Leistungsvermögen im erlernten Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angenommen.

Dr. W. hat sich hierzu in einer weiteren ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 14.6.2004 geäußert und an seiner Leistungseinschätzung festgehalten.

Das SG hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.7.2004 durch Urteil vom selben Tag abgewiesen.

Es hat unter Darstellung der für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften sowie unter Darstellung der Grundsätze zum Berufsschutz entschieden, dass die Klägerin nach dem Sachverständigengutachten von Dr. W., dem gefolgt werde, Tätigkeiten im erlernten Beruf nur noch halb- bis untervollschichtig (bzw. nach dem ab dem 1.1.2001 geltenden Recht nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich) verrichten könne, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts aber weiterhin vollschichtig. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die jetzt festgestellte Leistungsminderung im erlernten Beruf bereits vor dem Datum der Rentenantragstellung am 26.9.2000 vorgelegen habe. Selbst wenn man unterstellte, dass bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung im erlernten Beruf nur noch ein halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen vorgelegen habe - wogegen aber das am 9.1.2001 erstattete Gutachten von Dr. F. spreche -, stehe der Klägerin ein Rentenanspruch nicht zu. Denn bei einem halb- bis untervollschichtigen Leistungsvermögen im erlernten Beruf käme - aus Arbeitsmarktgründen - allenfalls die Gewährung einer Zeitrente in Betracht, wobei eine entsprechende Rente nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet werde. Im unterstellten Fall würde damit eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erst am 1.4.2001 beginnen, damit erst zu diesem Zeitpunkt einen zahlbarer Leistungsanspruch bestehen mit der Rechtsfolge, dass damit das ab dem 1.1.2001 geltende Recht anwendbar wäre, unter dessen Geltung die erst am 11.2.1961 geborene Klägerin jedoch auf jeden Fall keinen Berufsschutz mehr habe (wird näher ausgeführt). Damit sei ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu verneinen und wegen des vollschichtigen bzw. mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beziehungsweise wegen voller Erwerbsminderung (auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen).

Gegen das ihr am 20.9.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.9.2004 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Sie ist der Auffassung, dass sie schon mindestens seit Anfang des Jahres 2000 im erlernten Beruf nur noch zeitlich eingeschränkt habe tätig sein können. Nach dem Sachverständigengutachten von Dr. W. sei im Übrigen von einem für jede berufliche Tätigkeit aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen. Insoweit sei für das SG die Einholung eines Obergutachtens geboten gewesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. T. vom 10.2.2006 mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme, im Rahmen dessen der Sachverständige unter ausdrücklichem Hinweis auf die aktenkundigen Anforderungsprofile bezüglich des erlernten Berufs und auf entsprechende ärztliche Äußerungen sowohl zum zeitlichen Leistungsvermögen im erlernten Beruf als auch gegebenenfalls zum Zeitpunkt des Beginns einer zeitlichen Leistungseinschränkung Stellung zu nehmen hatte. Prof. Dr. T. diagnostiziert eine rezidivierende depressive Störung bei gegenwärtig mittelgradiger Episode mit Somatisierung, eine Anpassungsstörung sowie eine histrionische Persönlichkeitsstörung. Im erlernten Beruf bestehe nur noch ein halb- bis untervollschichtiges bzw. drei bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen, während Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Vermeidung von Schicht-, Akkord- und Nachtarbeit sowie von Wirbelsäulenzwangshaltungen noch vollschichtig verrichtet werden könnten. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich und die Wegefähigkeit sei nicht rentenrelevant eingeschränkt. Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine "Berufsunfähigkeit" vor dem Datum der Rentenantragstellung am 26.9.2000.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 2001 in der Gestalt des ihr am 18. Juli 2001 zugegangenen Widerspruchsbescheides zu verurteilen, ihr Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente, weil sie auch zur Überzeugung des Senats leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts noch vollschichtig verrichten kann und eine quantitative Leistungseinschränkung im erlernten Beruf jedenfalls erst für die Zeit nach dem 1.1.2001 als nachgewiesen angesehen werden kann.

Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung der streitgegenständlichen Bescheide folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:

Im Vordergrund der das berufliche Restleistungsvermögen der Klägerin prägenden Befunde stehen diejenigen auf nervenfachärztlichem Gebiet, die nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens - von vorübergehenden und damit rentenrechtlich nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - einer vollschichtigen leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegenstehen.

Der Senat stützt seine diesbezügliche Überzeugung in erster Linie auf die Sachverständigengutachten von Dr. W. und Prof. Dr. T ... Danach bedingen die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen lediglich die Beschränkung auf noch leichte Tätigkeiten unter Beachtung der weiteren, in den Sachverständigengutachten im Einzelnen aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen. Insbesondere ist nach diesen Gutachten die Annahme einer quantitativen (zeitlichen) Leistungseinschränkung medizinisch nicht begründet. Die von Dr. W. und Prof. Dr. T. vorgenommene Leistungsbeurteilung ist nach den erhobenen Befunden, bei kritischer Würdigung und der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes für den Senat schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er ihr folgt. Die hiervon abweichende Leistungsbeurteilung insbesondere durch Dr. W. erachtet der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens als widerlegt.

Die sozialmedizinische Beurteilung psychischer Krankheitsbilder (im Wesentlichen unabhängig von der im Einzelnen zu stellenden Diagnose) erfordert eine ausführliche Befragung des Probanden zu den Tagesaktivitäten. Erfragt (und hinterfragt) werden müssen auch Symptome des sozialen Rückzugs. Nur bei einer weitgehenden Einschränkung der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens (im Sinne einer "vita minima") beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse und Aufmerksamkeit ist von einer Minderung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens auszugehen (Empfehlungen für die sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen, DRV-Schriften, Band 30, S. 47).

Vorliegend ist in diesem Zusammenhang einerseits zu berücksichtigen, dass Dr. W. im Verlauf seiner Untersuchung nicht den Gesamteindruck einer schwer depressiv gestörten Patientin gewonnen hat. Die Reproduktionsfähigkeit der Gedächtnisleistungen, Konzentration, Durchhaltevermögen, Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, Flexibilität und Umstellungsfähigkeit seien nicht erkennbar eingeschränkt gewesen und es hätten keine formalen und inhaltlichen Denkstörungen vorgelegen. Insoweit sei eine Diskrepanz zwischen der Schilderung der depressiven Symptomatik in der Selbsteinschätzung der Klägerin und dem klinischen Eindruck festzustellen. Glaubhaft sei allerdings die Schilderung eines sozialen Rückzugs. Dr. W. hat in diesem Zusammenhang allerdings auch eruiert, dass die Klägerin Arzttermine wahrnehme, einkaufen und zur Bank gehe und lediglich dann den ganzen Tag im Bett bleibe, wenn solche Termine nicht anstünden.

Prof. Dr. T. hat der Schilderung der Klägerin zwar ebenfalls gewisse Rückzugstendenzen und Einschränkungen im täglichen Leben entnommen (vgl. insbesondere Blatt 37/38 der LSG-Akte), die weitestgehend mit den von Dr. W. erhobenen Befunden übereinstimmen (vgl. insoweit insbesondere Blatt 139 der SG-Akte, letzter Absatz), andererseits aber auch festgestellt, dass die Klägerin noch Hobbys pflege (ihre Lieblingsbeschäftigung sei das Violinenspiel, sie sei ein Mozartfan, lese gern und sei naturverbunden). Ferner fand Prof. Dr. T. die Schwingungsfähigkeit als in ausreichendem Maße erhalten und konnte zum Explorationszeitpunkt keine Antriebstörung feststellen. Merkfähigkeit und Gedächtnisfunktionen seien intakt, lediglich Konzentration und Aufmerksamkeit hätten im Gesprächsverlauf nachgelassen. Die Stimmung sei nur leicht gedrückt gewesen.

Die Gesamtwürdigung dieser Befunde und der Angaben der Klägerin, die allerdings nach Auffassung des Senats nur von den Sachverständigen Dr. W. und Prof. Dr. T. auch ausreichend kritisch hinterfragt worden sind, ergibt damit zwar gewisse Einschränkungen auch der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens, diese sind aber zur Überzeugung des Senats insgesamt nicht so weitgehend, dass sie im oben beschriebenen Sinne die Annahme einer vita minima und damit einer zeitlichen Leistungseinschränkung im Rahmen unbenannter leichter Tätigkeiten begründen würden.

Insoweit kommt z.B. die Tätigkeit einer Pförtnerin an einer Nebenpforte in Betracht, im Rahmen derer die bei der Klägerin bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen Berücksichtigung finden.

Der Pförtner an der Nebenpforte hat insbesondere bekannte Fahrzeuge der Firma bzw. Mitarbeiter passieren zu lassen (vgl. BSG vom 22.10.1996 - 13 RJ 35/95 - und Urteil des 2. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.6.1997 - L 2 J 3307/96 -). Die Tätigkeit des Pförtners an der Nebenpforte kann im Wechsel von Sitzen und Stehen ausgeübt werden und ist nicht mit dem Heben und Tragen von Lasten verbunden. Tätigkeiten eines Pförtners an der Nebenpforte erfordern auch keine besonderen sprachlichen Anforderungen an das Kommunikationsvermögen.

Pförtnertätigkeiten kommen darüber hinaus in den unterschiedlichsten Ausprägungen vor. Die Klägerin könnte deshalb in einem Bereich eingesetzt werden, der nicht in erster Linie durch Publikumsverkehr geprägt ist. Pförtnertätigkeiten eignen sich auch für Personen, deren Hebe- und Tragefähigkeit eingeschränkt ist, weil derartige Einschränkungen sich - je nach konkretem Arbeitsplatz - berücksichtigen lassen (vgl. zur Pförtnertätigkeit faktisch Einarmiger und in der Schlüsselverwaltung Urteil des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 17.10.1997 - L 8 J 262/97 -, gestützt auf entsprechende berufskundliche Feststellungen des - damaligen - Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg). Es gibt nach Feststellungen des Berufsverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. sogar Tätigkeiten im Pfortenbereich, die lediglich im Sitzen ausgeführt werden können und bei denen der Pförtner nur auf ein Klingelzeichen hin die Tür öffnen muss.

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nicht über die für die Tätigkeit als Pförtner notwendige Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit verfügt, sind aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht ersichtlich.

Arbeitsplätze als Pförtner sind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in genügender Anzahl vorhanden und sind nicht nur leistungsgeminderten Betriebsangehörigen vorbehalten, sondern werden auch mit Bewerbern vom freien Arbeitsmarkt besetzt (vgl. Urteil des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 17.10.1997 - L 8 J 262/97 -).

Ob Arbeitsplätze als Pförtner an der Nebenpforte frei oder besetzt sind, ist nicht zu ermitteln, denn das Risiko, dass die Klägerin möglicherweise keinen geeigneten Arbeitsplatz finden könnte, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 19; BSG NZS 1993, 403, 404 und vom 21.7.1992 - 3 RA 13/91 -).

Prof. Dr. T. gelangt unter sorgfältiger Auswertung des aktenkundigen medizinischen Sachverhalts zu der für den Senat schlüssigen und nachvollziehbar Feststellung, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klägerin bereits vor dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung im September 2000 im erlernten Beruf nur noch untervollschichtig einsatzfähig gewesen ist und stützt diese Feststellung einerseits auf das Gutachten von Dr. F. im Rentenverfahren und andererseits darauf, dass erst mit dem Besuch der A.-Klinik im Jahre 2002 (erste stationäre Behandlung der Klägerin überhaupt) eine Verschlechterung des Gesundheitszustands dokumentiert sei. Dieser Einschätzung folgt der Senat.

Insbesondere unter Berücksichtigung des im Rentenverfahren erstatteten Gutachtens von Dr. F. vom 9.1.2001, der auch zu diesem Zeitpunkt noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen im bisherigen Beruf festgestellt hat und unter Berücksichtigung der Auskünfte der behandelnden Ärzte muss allerdings des weiteren davon ausgegangen werden, dass ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen im bisherigen Beruf gegebenenfalls erst in der Zeit zwischen der Begutachtung durch Dr. F. und der Begutachtung durch Dr. W. im März 2003 eingetreten ist. Der Versicherungsfall des zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens im bisherigen Beruf wäre dann erst nach dem 1.1.2001 (wahrscheinlich erst nach der stationären Behandlung im Jahr 2002 - Entlassung bei voll remittierter Depression -) eingetreten. Für diesen Fall wäre das ab dem 1.1.2001 geltende Recht anwendbar, unter dessen Geltung die erst am 11.2.1961 geborene Klägerin keinen Berufsschutz mehr hätte.

Dem SG ist in diesem Zusammenhang allerdings entgegenzuhalten, dass auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei untervollschichtigem Leistungsvermögen Anspruch auf Gewährung einer befristeten "Arbeitsmarktrente" besteht, wenn die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen noch unter Geltung alten Rechts erfüllt waren, die Rente wegen der Fälligkeitsbestimmung des § 101 Abs. 1 SGB VI aber erst nach der Gesetzesänderung zu leisten ist (BSG, Urteil vom 8.9.2005 - B 13 RJ 10/04 R -). Wäre hier also der Leistungsfall des zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens im erlernten Beruf bereits am 26.9.2000 (Zeitpunkt der Rentenantragstellung) eingetreten, wäre für die dann in Betracht kommende Zeitrente trotz der hinausgeschobenen Fälligkeit noch das bis zum 31.12.2000 geltende Recht anwendbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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