L 3 R 4682/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 RJ 2350/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 4682/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die teilweise Aufhebung bzw. Rücknahme der Entscheidung über die Gewährung von Witwenrente hinsichtlich des Zeitraums vom 4.9.1995 bis zum 31.12.2000 und die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 4667,90 DM.

Die 1944 geborene Klägerin italienischer Staatsangehörigkeit, die 1963 in die Bundesrepublik kam, beantragte am 23.11.1994 die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung ihres am 20.10.1994 verstorbenen Ehemannes. Sie war zu dieser Zeit als Arbeiterin bei der H. GmbH u. CO. KG (im Folgenden: H. GmbH) gegen Arbeitsentgelt beschäftigt und gab dies in der Anlage zum Antrag auf Hinterbliebenenrente auch entsprechend an (zur näheren Feststellung der Einzelheiten und der Arbeitsentgeltbescheinigung wird auf Blatt 3 und 6 der Rentenakte Bezug genommen).

Mit Rentenbescheid vom 20.12.1994 (Blatt 12 der Rentenakte) gewährte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente beginnend am 1.11.1994 in Höhe von 913,91 DM monatlich unter Anrechnung des bei der H. GmbH erzielten Arbeitsentgelts nach § 97 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Anlage 8 zum Rentenbescheid Bezug genommen. Der Bescheid enthält unter der Überschrift "Mitteilungspflichten" den Hinweis, dass das Hinzutreten oder die Änderung von Erwerbseinkommen unverzüglich mitzuteilen sei, weil Erwerbseinkommen Einfluss auf die Rentenhöhe haben könne (Blatt 4 des Rentenbescheides).

In der Folgezeit ergingen mehrere Änderungsbescheide, z. T. auf den Hinweis der Klägerin über geänderte Einkommensverhältnisse bei der H. GmbH. Die Bescheide enthielten jeweils den Hinweis auf die im Ausgangsbescheid dargestellten Mitteilungspflichten. Im Einzelnen waren dies nach Aktenlage die Bescheide vom 20.3.1995 für die Zeit ab dem 1.5.1995, vom 16.6.1995 für die Zeit ab dem 1.8.1995, vom 27.9.1995 für die Zeit ab dem 1.11.1995. Am 16.10.1996 informierte die Klägerin die Beklagte über eine Änderung ihrer anrechenbaren Einkünfte und beantragte die Neuberechnung der Hinterbliebenenrente (Blatt 29 der Rentenakte), woraufhin die Beklagte mit weiterem Änderungsbescheid vom 30.10.1996 nochmals eine Neuberechnung für die Zeit ab dem 1.1.1996 vornahm (Blatt 30 der Rentenakte). Auf den Änderungsantrag vom 4.6.1997 nahm die Beklagte mit Bescheid vom 27.9.1997 eine weitere Neuberechnung der Rente vor (Blatt 35 der Rentenakte). Weitere Änderungsbescheide ergingen am 3.7. und 27.9.1998 unter anderem im Hinblick auf eine neue Arbeitsentgeltbescheinigung der H. GmbH (Blatt 38/40 der Rentenakte).

Tatsächlich übte die Klägerin neben der Beschäftigung bei der H. GmbH ab dem 4.9.1995 verschiedene geringfügige Beschäftigungen aus, über die sie die Beklagte nicht informierte. Im Einzelnen handelt es sich um folgende, sich teilweise überschneidende Beschäftigungen: vom 4.9.1995 bis zum 29.2.1996, vom 1.1.1996 bis zum 28.2.1997, vom 1.10.1997 bis zum 31.12.1997, vom 1.2.1997 bis 30.9.1997 sowie vom 1.1.1998 bis zum 31.12.1999.

Die Beklagte stellte erst am 23.6.2000 im Rahmen einer kontotechnischen Überprüfung des Versicherungskontos von sich aus fest, dass die Klägerin zusätzlich geringfügige Beschäftigungen ausgeübt haben musste (Blatt 42 und 43 der Rentenakte) und forderte die Klägerin u. a. zur Mitteilung ihrer geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse für die Zeit ab dem 1.11.1994 auf. Dem kam die Klägerin nach (zur näheren Feststellung der Einzelheiten dieser geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse und der dabei erzielten Arbeitsentgelte wird auf Blatt 44/49 und 51 der Rentenakte Bezug genommen).

Die vorzunehmende Einkommensanrechnung nach § 97 SGB VI im Zeitraum vom 4.9.1995 bis zum 31.12.2000 ergab für die Zeit bis zum 29.2.1996 weder eine Nachzahlung noch eine Überzahlung, für die Zeit vom 1.3.1996 bis zum 30.6.1996 eine Nachzahlung und für die Zeit der jährlichen Rentenanpassung ab dem 1.7.1996 eine Überzahlung.

Mit Schreiben vom 5.12.2000, dem keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war und das die Beklagte zunächst intern als Anhörungsschreiben wertete, nahm sie die Neuberechnung der Witwenrente für die Zeit ab dem 1.1.2001 vor, stellte eine Überzahlung für die Zeit vom 4.9.1995 bis zum 31.12.2000 in Höhe von 4667,90 DM wegen Anrechnung der Arbeitsentgelte aus den geringfügigen Beschäftigungen gemäß § 97 SGB VI fest, erklärte wegen der vorzunehmenden Neuberechnung die Aufhebung des Rentenbescheides vom 20.12.1994 für die Zeit ab dem 4.9.1995 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und hörte die Klägerin zur Erstattung der Überzahlung für die Zeit vom 4.9.1995 bis zum 31.12.2000 gemäß § 50 SGB X an (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 55,57 und 59 der Rentenakte und hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung der Einkommensanrechnung auf Anlage 1, Seite 6/8 und Anlage 8 des Schreibens vom 5.12.2000 in Verbindung mit Blatt 64 der Rentenakte Bezug genommen).

Hiergegen erhob die Klägerin am 14.12.2000 "Einspruch", mit welchem sie u. a. auf den Verbrauch der Rentenzahlungen und die Unmöglichkeit der Rückzahlung hinwies, woraufhin die Beklagte mit mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid vom 23.1.2001 die Anrechnung der Arbeitsentgelte aus den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen gemäß § 97 SGB VI und die Neuberechnung der Witwenrente ab dem 4.9.1995 erklärte und gemäß § 50 SGB X die entstandene Überzahlung in Höhe von 4667,90 DM zurückforderte (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 58 der Rentenakte).

Auf entsprechenden Hinweis der Beklagten erhob die Klägerin am 2.2.2001 Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.1.2001, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.4.2001 zurückwies (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 67 der Rentenakte). Die Klägerin habe für die Zeit ab dem 4.9.1995 neben dem Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung bei der H. GmbH zusätzliches Einkommen aus Nebenbeschäftigungen erzielt, welches gemäß § 97 Abs. 2 SGB VI mit der Folge auf die Witwenrente anzurechnen sei, dass sich die Witwenrente ermäßige. Insoweit werde auf den Bescheid vom 5.12.2000 hingewiesen. Die Klägerin habe es trotz der ihr erteilten Hinweise unterlassen, dieses zusätzliche Einkommen anzurechnen. Sie habe die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, weil für sie ohne weiteres zu erkennen gewesen sei, dass sich dieses Einkommen negativ auf die Rentenhöhe auswirke. Aus den seit 1995 jährlich erlassenen Bescheiden habe sich nämlich ergeben, dass bereits die Berücksichtigung des Entgelts aus der Hauptbeschäftigung zu einer Kürzung der Hinterbliebenenrente geführt habe. Ansatzpunkte, die den Rentenversicherungsträger verpflichtet hätten, im Rahmen einer atypischen Fallgestaltung von einer Rückzahlung ganz oder teilweise abzusehen, hätten sich weder nach Aktenlage noch aus dem Vortrag der Klägerin ergeben und seien infolge des Fehlverhaltens der Klägerin auch nicht zu prüfen gewesen.

Dagegen hat die Klägerin am 11.5.2001 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben, mit der sie sich weiterhin gegen die Erstattungsforderung der Beklagten gewendet und zur Begründung wie bereits im Widerspruchsverfahren vorgebracht hat, dass sie die Rentenzahlungen in gutem Glauben auf die Richtigkeit der Berechnung verbraucht habe, ohne sich bewusst gewesen zu sein, dass aus der Nebenbeschäftigung erzielte - geringfügige - Einkünfte eine Veränderung der Rentenzahlung nach sich ziehen würden. Ferner sei sie davon ausgegangen, dass der Beklagten die Nebenbeschäftigungen und die hieraus erzielten Einkünfte bekannt gewesen seien. Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit könne ihr deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden. Hierbei seien auch ihre fortbestehenden sprachlichen Schwierigkeiten zu berücksichtigen. Die Richtigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Einkommensanrechnung werde bestritten, zumal nach § 18 d Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) Einkommensänderungen erst vom Zeitpunkt der nächsten Rentenanpassung an zu berücksichtigen seien.

Das SG hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.10.2003 durch Urteil vom selben Tag abgewiesen. Rechtsgrundlage für die erfolgte Aufhebung und Rückforderung sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, da die Klägerin aus den ab 4.9.1995 ausgeübten Nebenbeschäftigungen Einkommen erzielt habe, das zu einer Minderung der Witwenrente geführt habe. Ab diesem Zeitpunkt sei die Beklagte berechtigt gewesen, in Höhe des Minderungsbetrages zurückzufordern. Auf die Ausführungen der Klägerin zum vorwerfbaren Fehlverhalten komme es ebenso wenig an, wie auf die bestehenden sprachlichen Schwierigkeiten und den Verbrauch der Zahlungen. Fehler bei der Höhe der Rückforderung seien nicht feststellbar. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 22.10.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.11.2003 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren im Wesentlichen mit der bisherigen Begründung weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Oktober 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist nur der Bescheid vom 23.1.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2001. Insbesondere stellt das Schreiben der Beklagten vom 5.12.2000 auch nach dem objektiven Empfängerhorizont keinen Bescheid dar. Zum einen war dem Schreiben keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt und zum anderen ergibt sich aus der Formulierung auf Seite 2 des Bescheides "Sie erhalten hiermit Gelegenheit, sich zu dem hier angeführten Sachverhalt ... zu äußern", dass die Beklagte entgegen der von ihr - insoweit missverständlichen - Formulierung noch keine Neuberechnung und auch noch keine Aufhebung/Rücknahme entsprechender Rentenbescheide vornehmen wollte. Bei dem Schreiben vom 5.12.2000 handelt es sich daher lediglich um ein Anhörungsschreiben.

Der Bescheid vom 23.1.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2001 ist nach dem objektiven Empfängerhorizont und unter Berücksichtigung des vorangegangenen Anhörungsschreibens dahingehend auszulegen, dass die Beklagte mit diesem Bescheid sowohl die (teilweise) Aufhebung der mit Rentenbescheid vom 20.12.1994 erfolgten Rentengewährung im Zeitraum ab dem 4.9.1995 infolge der durch die Neuberechnung und Einkommensanrechnung eingetretenen Rentenminderung erklären als auch die Erstattung der eingetretenen Überzahlung fordern wollte. Konkludent hat die Beklagte damit auch die teilweise Aufhebung/Rücknahme der nach dem Rentenbescheid vom 12.12.1994 für den streitgegenständlichen Zeitraum ergangenen Abänderungsbescheide (vgl. oben) erklärt, die ebenfalls die Rentenhöhe bescheidmäßig regeln. Der Sache nach handelt es sich um eine Aufhebung/Rücknahme erst ab dem 1.7.1996, weil erst ab diesem Zeitpunkt eine Überzahlung eingetreten ist und damit erst ab diesem Zeitpunkt die Rentengewährung unrichtig war.

Die von der Klägerin erzielten Einkünfte aus ihren geringfügigen Nebenbeschäftigungen waren nach § 97 SGB VI auf die Witwenrente anzurechnen und haben im von der Beklagten errechneten Umfang zu einer Minderung dieser Rente und damit zu einer Überzahlung in Höhe von 4667,90 DM geführt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Einkommensanrechnung zu Ungunsten der Klägerin unrichtig vorgenommen hätte, liegen nicht vor. Errechnet wurde eine Überzahlung auch erst für die Zeit der jährlichen Rentenanpassung ab dem 1.7. (hier: 1996). Im Umfang der Rentenminderung erweisen sich die Rentenbescheide der Beklagten als rechtswidrig.

Der Senat kann offenlassen, ob vorliegend Rechtsgrundlage für die Beseitigung § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 SGB X oder § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB X ist.

Dies hängt davon ab, ob die in den jeweiligen Rentenbescheiden getroffenen Regelungen zum Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit (Bekanntgabe) bereits teilweise rechtswidrig waren oder zum Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit noch rechtmäßig waren und erst danach rechtswidrig geworden sind. Soweit die Beklagte z. B. mit weiterem Änderungsbescheid vom 30.10.1996 nochmals eine Neuberechnung für die Zeit ab dem 1.1.1996 vorgenommen hat, war dieser Bescheid wegen der ab dem 1.7.1996 vorliegenden Überzahlung bereits zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtswidrig. Vorliegend sind indes die Voraussetzungen beider Ermächtigungsgrundlagen erfüllt.

Bezüglich einer Rücknahme ist Rechtsgrundlage § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakte), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

Bezüglich einer Aufhebung ist Rechtsgrundlage § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 bis 4 SGB. Danach darf, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden. Der Verwaltungsakt darf mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grobfahrlässig nicht nachgekommen ist (Satz 2 Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, dass zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Satz 2 Nr. 3) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Satz 2 Nr. 4).

Sämtliche dieser Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Der Klägerin war schon aufgrund ihrer eigenen Änderungsanträge durchaus bewusst, dass Änderungen des Einkommens jedweder Art zu Änderungen des Witwenrentenzahlbetrags (bei Erhöhung des Einkommens zu einer Minderung) führen. Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens deshalb davon überzeugt, dass die Klägerin wusste, dass zusätzliches Arbeitsentgelt aus den Nebenbeschäftigungen zu einer Minderung der Witwenrente und damit zur Rechtswidrigkeit der entsprechenden Rentenbescheide führt. Gerade der Änderungsantrag der Klägerin selbst vom 16.10.1996 zeigt augenfällig, dass der Klägerin der Zusammenhang zwischen Arbeitseinkünfte und Höhe der Witwenrente bewusst war und dass insoweit auch keine sprachlichen Schwierigkeiten (der seit 1963 in der Bundesrepublik aufhältlichen Klägerin!) bestanden. Zumindest trifft die Klägerin insoweit der Vorwurf grober Fahrlässigkeit.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Sie liegt nach der Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn der Betroffene mit dem relevanten Umstand lediglich "rechnen musste ". Vorausgesetzt wird vielmehr, dass er ihn "aufgrund einfachster und (ganz) nahe liegender Überlegungen" hätte erkennen können bzw. dass "dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen". Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff, BSGE 62, 103, 107).

Diese Voraussetzungen bejaht der Senat nicht zuletzt auf Grund der entsprechenden Hinweise im Ausgangsrentenbescheid vom 20.12.1994. Die Klägerin hätte aufgrund einfachster und ganz naheliegender Überlegungen insbesondere erkennen können, dass der Beklagten weder die Nebenbeschäftigungen noch die damit erzielten Arbeitsentgelte bekannt gewesen sind, ferner, dass zusätzliche Einkünfte zu einer Minderung der Witwenrente führen.

Die Klägerin war zur Mitteilung geänderter Einkommensverhältnisse verpflichtet (§ 60 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]) und wurde von der Beklagten über ihre Mitteilungspflichten ausdrücklich belehrt und die Klägerin hat auch Einkommen erzielt, dass zu einer Minderung des Anspruchs auf Witwenrente führt (vgl. oben).

Die entsprechenden Handlungsfristen wurden von der Beklagten eingehalten und die Beklagte hat das ihr eingeräumte Ermessen ermessensfehlerfrei ausgeübt.

Dabei hat die Beklagte - dies betrifft § 48 SGB X - das Vorliegen eines sogenannten atypischen Falls geprüft und zu Recht verneint, indem sie insbesondere im Hinblick auf das von der Klägerin neben der Witwenrente erzielte zusätzliche Arbeitseinkommen in Höhe von - damals - ca. 59.000 DM brutto verneint hat, dass die Klägerin durch die Rückzahlungsverpflichtung in besondere Bedrängnis gerät (vgl. die interne Prüfung, Blatt 64 der Rentenakte) und hat deshalb insoweit von einer Ermessensausübung abgesehen, was im Rahmen des in § 48 geregelten "Soll-Ermessens" nicht zu beanstanden ist (vgl. hierzu KassKomm-Steinwedel zu § 48 Rdnr. 36/38).

Zwar handelt es sich im Rahmen des § 45 SGB X nicht lediglich um ein solches, auf Ausnahmefälle beschränktes "Soll-Ermessen", indes ist vorliegend die Frage, ob die Klägerin durch die Rückzahlungsverpflichtung in besondere Bedrängnis gerät, unter Berücksichtigung des entsprechenden Vortrags der Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung der einzig wesentliche Ermessensgesichtspunkt, den die Beklagte aber bereits im Rahmen der Prüfung eines atypischen Falls berücksichtigt hat. Ferner ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die Klägerin bezüglich der Rechtswidrigkeit der Rentengewährung zumindest der Vorwurf grober Fahrlässigkeit trifft. Sie hat damit der Sache nach zu Recht auch Gesichtspunkte herangezogen, die bereits zur Versagung des Vertrauensschutzes führen. Hinzukommt, dass bei Unredlichkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ein Absehen von der Rücknahme im Ermessenswege fern liegt und dass in der höchstrichterlichen Rechtsprechung teilweise eine Ermessensschrumpfung auf Null angenommen wird, wenn alle für das Ermessen relevanten Gesichtspunkte bereits bei der Vertrauensschutzabwägung abgehandelt wurden (vgl. zum Ganzen KassKomm-Steinwedel, Rdnr. 51/53 m. w. N.). Insgesamt verneint der Senat damit einen Ermessensfehler der Beklagten auch im Rahmen von § 45 SGB X.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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