S 14 RJ 245/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 14 RJ 245/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Beteiligte ist nicht verpflichtet, in gerichtlichen Verfahren, in denen sich die (übrigen) Beteiligten durch Bevollmächtigte vertreten lassen, zwei Mehrfertigungen seiner Schriftsätze und Anlagen hierzu für jeden dieser Beteiligten einzureichen.
Der Betrag der zu erstattenden Kosten wird unter Abänderung des Beschlusses vom 15. Februar 2002 auf 1.288,99 DM (entspricht nunmehr: 659,05 EUR) festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Festsetzung der von der Beklagten zu erstattenden (außergerichtlichen) Kosten des Klägers.

Der 1942 geborene Kläger machte am 24. August 1999 bei der Beklagten die Leistung einer der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltend. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, Bescheid vom 8. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2000. Der Kläger sei weder berufs- noch erwerbsunfähig. Er sei auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Die Notwendigkeit sog. betriebsunüblicher Pausen sei nicht gegeben.

Hiergegen richtete sich die Klage vom 24. Mai 2000 (früheres Aktenzeichen: S 2 RJ 245/00). Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und eine Auskunft des Arbeitgebers des Klägers angefordert. Des Weiteren hat es einen Sachverständigen mit der Erstattung eines medizinischen Gutachtens beauftragt. Auf den Inhalt des Gutachtens vom 17. Januar 2001 und die ergänzende Stellungnahme hierzu vom 28. Februar 2001 wird verwiesen (Blatt 101ff und 127f der Gerichtsakte).

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 6. August 2001 verpflichtete sich die Beklagte, "dem Kläger (unter Anerkennung eines Leistungsfalles am 10. Januar 2001) eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren" und "dem Kläger dessen außergerichtliche Verfahrenskosten zu 4/5 zu erstatten".

Mit Bescheid vom 21. August 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger von August 2001 bis Juli 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dagegen begehrte der Kläger ebenso Rechtsschutz. Das entsprechende Verfahren beim erkennenden Gericht (Aktenzeichen: S 24 RJ 16/03) endete am 18. Dezember 2003 durch Klagerücknahme. Mit Bescheid vom 20. August 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger die "Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung ... auf Dauer."

Am 24. August 2001 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers (nachfolgend: Rechtsanwalt) die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anhand folgender Kostenaufstellung (wörtliche Wiedergabe): Bezeichnung DM Netto Ust. gem. § 25 II BRAGO DM Brutto Vertretung in Verfahren vor dem Sozialgericht gem. § 116 I 1 BRAGO 1300,00 16,00 % 1508,00 Entgelte für Post- und Telekom.-Dienste gem. § 26 BRAGO 40,00 16,00 % 46,40 Schreibauslagen (Kopien) 132 Kopien gem. § 27 BRAGO 74,60 16,00 % 86,54 Endsumme 1414,60 16,00 % 86,54 Der Rechnungsbetrag entspricht 839,00 EUR Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf das Schreiben des Rechtsanwalts vom 21. August 2001 nebst Anlage hierzu verwiesen (Blatt Iff der Kostenbeiakte).

Auf Nachfrage teilte der Rechtsanwalt mit Schreiben vom 29. August 2001 mit, der "Nettogebührenansatz in Höhe von 1.300,00 DM" sei "unter Berücksichtigung des § 116 Abs. 3 BRAGO in Ansatz zu bringen".

Die Beklagte ist (war zunächst) bereit, 938,67 DM zu erstatten. Bei der Berechnung dieses Betrages sei von der Mittelgebühr des erhöhten Gebührenrahmens (922,50 DM) auszugehen. Schreibauslagen seien dabei in Höhe von 49,00 DM zu berücksichtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf das Schreiben der Beklagten vom 8. Oktober 2001 verwiesen.

Mit Beschluss vom 15. Februar 2002 setzte die Urkundsbeamtin des Gerichts die zu erstattenden Kosten auf 1.159,07 DM (nunmehr: 592,62 EUR) fest. Der Tatbestand des § 116 Abs. 3 BRAGO sei gegeben. 2/3 der Höchstgebühr seien angemessen und ausreichend. Die Prüfung der sog. Billigkeit scheide aus. Für 49 Kopien seien Kosten zu erstatten. Der festgesetzte Betrag errechne sich daher wie folgt: Gebühr für die Berufstätigkeit des Rechtsanwalts gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 BRAGO 1.160,00 DM Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO 40,00 DM Fotokopiekosten gemäß § 27 BRAGO 49,00 DM Insgesamt 1.249,00 DM 16 % Mehrwertsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO 199,84 DM Gesamtsumme 1.448,84 DM davon 4/5 1.159,07 DM

Dagegen legte der Rechtsanwalt am 18. März 2002 Erinnerung ein. Die beantragten Kosten seien nicht unbillig. Die Kopien seien im angegebenen Umfang erforderlich gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf das Schreiben vom 18. März 2002 verwiesen (Blatt XXf der Kostenbeiakte).

Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab und legte sie zur Entscheidung vor.

II. Die nach § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Erinnerung ist begründet, soweit sie sich gegen die Bestimmung der (Rahmen-) Gebühr richtet. Im übrigen (Auslagen betreffend) ist sie unbegründet.

Nach § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Nach § 193 Abs. 2 SGG sind Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die gesetzlichen Gebühren und die notwendigen Auslagen eines Rechtsanwaltes (§§ 25 bis 30 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte - BRAGO) oder eines Rechtsbeistandes sind nach § 193 Abs. 3 SGG (in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden und hier noch anwendbaren Fassung) stets erstattungsfähig.

Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) des Rechtsanwaltes bemisst sich nach der BRAGO, vgl. § 1 Abs. 1 Satz dieses Gesetzes. Das Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) vom 5. Mai 2004, BGBl. I, 718, 788, gilt hier noch nicht. Denn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG wurde vor dem 1. Juli 2004 erteilt, vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 RVG. Aufgrund des Auftrages zur Erledigung der Angelegenheit im Sinne des § 13 BRAGO (spätestens) am 24. Mai 2000 (Vollmacht, vgl. Blatt 43 der Gerichtsakte) ist die BRAGO in der bis zum 14. (§ 27) bzw. 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden, vgl. § 134 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BRAGO.

Nach § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt im Verfahren vor dem Sozialgericht 100 bis 1300 DM. Dieser Gebührenrahmen ist um 10 vom Hundert zu ermäßigen, vgl. Anlage 1 Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 Buchstabe a Satz 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag (EV) vom 31. August 1990 (BGBl. II, S. 889, 936) in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Anpassung der für die Kostengesetze in dem in Artikel 3 des EV genannten Gebiet geltenden Ermäßigungssätze (BGBl. I, S. 604). Diese Regelung ist hier (noch) anwendbar, vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28. Januar 2003 - 1 BvR 487/01. Damit ergibt sich ein Gebührenrahmen von 90 bis 1170 DM.

Der Höchstbetrag des vorgenannten Gebührenrahmens ist um 50 vom Hundert gemäß § 116 Abs. 3 Satz 2 (in Verbindung mit Satz 1) BRAGO zu erhöhen. Denn der Tatbestand des § 23 BRAGO ist gegeben. Darüber besteht kein Streit. Somit ergibt sich ein Gebührenrahmen von 90 bis 1755 DM.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Billiges Ermessen lässt sich nicht positiv bestimmen, sondern nur negativ abgrenzen, so zutreffend Madert in: Gerold / Schmidt / v. Eicken / Madert, BRAGO, Kommentar, 15. Auflage 2002, § 12 Rn 8. Ohne besondere Umstände soll nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Erreichung einer gleichmäßig praktizierten Handhabung allein die Bestimmung des Mittelwertes der gesetzlichen Rahmengebühr durch den Rechtsanwalt billigem Ermessen entsprechen, vgl. zB Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 22. Februar 1993 - 14b/4 REg 12/91 - SozR 3-1930 § 116 Nr. 4; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. September 2001 - 1 WB 28.01 - Rpfleger 2002, 98 und ausführlich Madert, aaO, Rn 8ff, mwN.

Dieser Mittelwert beträgt hier 922,50 DM. Die Urkundsbeamtin des Gerichts ist im o.g. Beschluss bei der Kostenfestsetzung von einer auf 1.160,00 DM erhöhten Gebühr ausgegangen. Diese Entscheidung ist (zumindest) vertretbar. Sie hat (auch) die Beklagte überzeugt (vgl. Blatt 206 [Rückseite] der Verwaltungsakte).

Zwar rechtfertigt nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Sächsischen (Sächs.) Landessozialgerichts (LSG) selbst der existenzsichernde Charakter einer Rente (zB wegen Erwerbsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung) für sich betrachtet weder ein Unterschreiten der Mittelgebühr noch den Ansatz der Höchstgebühr, vgl. zB Sächs. LSG, Beschluss vom 18. Juni 2004 - L 6 B 92/03 RJ-KO, mwN. Dies gilt jedoch nur, soweit keine besonderen Umstände vorliegen.

Hier lagen besondere Umstände im o.g. Sinne vor. Die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit des Klägers gestaltete sich (etwas) schwieriger als in vergleichbaren Verfahren. Denn es war zunächst zu entscheiden (medizinisch festzustellen und zu bewerten), ob und wenn, inwieweit er als Diabetiker zusätzliche (atypische) Pausen benötigt. Hierfür war eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen erforderlich. Des Weiteren zeichnete sich das Verfahren durch Schwierigkeiten rechtlicher Art aus. Denn das Gericht hatte die durch das (am 1. Januar 2001 in Kraft getretene) Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I, 1827) bewirkten Änderungen zu beachten. Dabei war vor allem (entscheidungs-) erheblich, ob und wenn, inwieweit dabei Leitlinien der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung uneingeschränkt übertragen werden konnten. Dies galt vor allem für die (Tatbestands-) Voraussetzung "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sinne des § 43 Abs. 3 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, vgl. hierzu zB die Entscheidungen der Kammer vom 12. Januar 2004 (S 14 RJ 577/02) und 17. Januar 2005 (S 14 RJ 227/04), jeweils JURIS. Das gerichtliche Verfahren war somit nicht nur durchschnittlich schwierig. Dies spiegelte sich (überwiegend) ebenso in den anwaltlichen Schriftsätzen und der (aktiven) Teilnahme des Rechtsanwalts im Termin zur mündlichen Verhandlung wider.

Die anwaltliche Gebührenbestimmung (1.300,00 DM) weicht von o.g. Gebühr (1.160,00 DM) ab. Dies hat die Urkundsbeamtin des Gerichts zutreffend erkannt. Daraus ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig eine Unbilligkeit im o.g. Sinne. Dies wurde bei der Kostenfestsetzung verkannt. Denn unbillig und damit nicht verbindlich im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ist die anwaltliche Gebührenbestimmung nur, soweit sie erheblich von der nach o.g. Kriterien ermittelten Gebühr abweicht. Die Beurteilungsmaßstäbe hierfür sind in der Rechtsprechung nicht einheitlich, vgl. hierzu zB BSG, Beschluss vom 12. Juni 1996 - 5 RJ 86/95 - SozR 3-1930 § 116 Nr. 9, mwN. Allerdings wird insoweit überwiegend von einem Toleranzrahmen (Abweichung bis zu 20 vom Hundert) ausgegangen, vgl. hierzu zB BSG, Beschluss vom 26. Februar 1992 - 9a RVs 3/90 - JURIS. Dem folgt die Kammer. Unter Würdigung dessen ist die o.g. Gebührenbestimmung nicht unbillig und damit nicht unverbindlich im o.g. Sinne. Denn die (konkrete) Toleranzgrenze beträgt hier 1.392,00 DM. Sie wurde demnach nicht überschritten. Somit ist bei der Kostenfestsetzung von der anwaltlich bestimmten (1.300,00 DM) und nicht von der nach o.g. Kriterien bestimmten Gebühr (1.160,00 DM) auszugehen.

Soweit der Rechtsanwalt (anteiligen) Ersatz der Schreibauslagen für insgesamt 132 Ablichtungen begehrt, ist die Erinnerung unbegründet.

Nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (in der bis zum 14. Dezember 2001 geltenden und hier anwendbaren Fassung) hat der Rechtsanwalt Anspruch auf Ersatz der Schreibauslagen für Abschriften und Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Die Höhe dieses Anspruches ergibt sich aus § 27 Abs. 2 BRAGO in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und Anlage 1 Teil 9 Nr. 9000 des Kostenverzeichnisses (KV) hierzu. Danach erhält der Rechtsanwalt für die ersten 50 Seiten 1,00 DM und für jede weitere Seite 0,30 DM.

Die Beklagte war bereit, dem Rechtsanwalt Schreibauslagen für die Anfertigung von 49 Ablichtungen aus der Verwaltungsakte zu erstatten. Die Urkundsbeamtin des Gerichts folgte ihr insoweit. Dies erscheine "angemessen". Nach Durchsicht der Verwaltungsakten (einschließlich Gutachtenheft) ergibt sich maximal eine Anzahl von 49 Seiten, die zur sachgemäßen Bearbeitung des gerichtlichen Verfahrens erforderlich gewesen sind (Blatt 5 - 7, 45 - 47 der Verwaltungsakte und 3, 5, 6, 9 - 13, 16f, 19 - 38 des Gutachtenheftes, teilweise doppelseitige Originale). Dem Rest dieser Akten entbehrt es insoweit an einer verwertbaren Substanz. Daher ist nicht entscheidungserheblich, ob und wenn, inwieweit dem Rechtsanwalt bei der Beurteilung, was zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten ist, (ein nur eingeschränkt überprüfbares) "Ermessen" einzuräumen ist. Denn jedenfalls darf der Rechtsanwalt "nicht kurzerhand die gesamte Behörden- oder Gerichtsakte (von einer juristisch nicht geschulten Kanzleikraft) ablichten (lassen)", so zB v. Eicken, aaO, § 27 Rn 15, mwN.

Der Rechtsanwalt meint, die Beklagte habe die Kosten für die Anfertigung von Ablichtungen deren Schriftsätze (nebst Anlagen hierzu) im gerichtlichen Verfahren für den Kläger (anteilig) zu erstatten. Denn sie habe ihre Schriftsätze (und die Anlagen hierzu) dreifach (für das Gericht, für ihn und den Kläger) einzureichen.

Selbst unter Würdigung dieser Auffassung erschließt sich zunächst für das Gericht die Anzahl der geltend gemachten (132) Seiten nicht. Sie soll sich "durch eine Gegenrechnung aus der Gerichtsakte" ergeben, so der Rechtsanwalt im Schreiben vom 2. November 2001 (Blatt XIf der Kostenbeiakte). Diese "Gegenrechnung" ergibt genau 17 Seiten. Denn die (170 Seiten umfassende) Gerichtsakte zum Hauptsacheverfahren enthält (nur) 5 (fünf) Schriftsätze der Beklagten, davon 2 (zwei) mit Anlagen, vgl. Blatt 51, 88f, 131, 136, 142ff der Gerichtsakte. Mehrfertigungen der gerichtlichen Schriftsätze an ihn, verlangte der Rechtsanwalt nicht (hierzu sogleich). Somit sind nur o.g. 17 (siebzehn) Seiten, mithin noch weitere 5,80 DM (nunmehr: 2,97 EUR) im Streit.

Ungeachtet des Vorstehenden folgt das Gericht der Auffassung des Rechtsanwalts nicht. Denn die Beklagte ist nicht verpflichtet, in gerichtlichen Verfahren, in denen sich die (übrigen) Beteiligten durch Bevollmächtigte vertreten lassen, zwei Mehrfertigungen ihrer Schriftsätze und Anlagen hierzu für jeden dieser Beteiligten einzureichen.

Nach § 93 Satz 1 SGG sind der Klageschrift, den sonstigen Schriftsätzen und nach Möglichkeit den Unterlagen Abschriften für die Beteiligten beizufügen. Nach allgemeiner Auffassung und geübter Praxis gilt dies nicht nur für den Kläger, sondern ebenso für die übrigen Beteiligten des Verfahrens, vgl. zB Leitherer in: Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG-Kommentar, 8. Auflage 2005, § 93 Rn 3. Beteiligt am Verfahren sind nach § 69 SGG der Kläger, die Beklagte und der Beigeladene. In diesem Verfahren somit zwei Personen (Kläger und Beklagte). Somit haben diese von ihren Unterlagen im o.g. Sinne jeweils zwei Exemplare einzureichen, ein Original (für das Gericht) und eine Mehrfertigung (für den "Gegner"). Diesen Inhalt verlautbarten ebenso die sog. Eingangsverfügungen des Gerichts an die Beteiligten, vgl. hier Schreiben vom 26. Mai 2000 (Blatt 21f der Gerichtsakte). An deren Inhalt (in anderen Verfahren) hat sich im Übrigen bisher nichts geändert.

Die (behördliche) Praxis ist allerdings uneinheitlich, soweit hier beurteilt werden kann. Dies gilt selbst für die der Beklagten. Denn in der Regel reicht diese in entsprechenden Verfahren (zumindest der letzten Jahre) drei Exemplare (zumindest) ihrer Schriftsätze ein. Dies kann "sinnvoll (sein), kann aber nicht verlangt werden", so zB Leitherer, aaO, Rn 2 mwN. Dem folgt das Gericht im Ergebnis ("kann nicht verlangt werden"). Denn bei Vertretung eines Beteiligten durch prozeßfähige Bevollmächtigte sind die Mitteilungen des Gerichts an den Bevollmächtigen zu richten und muß sich der Beteiligte die Prozeßführung seines Bevollmächtigten zurechnen lassen, vgl. § 73 Abs. 3 SGG. Ob und wenn, inwieweit der Bevollmächtigte seinen Auftraggeber über (jegliche) Einzelheiten des übertragenen Geschäfts (Prozeßführung) informiert, mithin seinen Auskunfts- und Rechenschaftspflichten (vgl. hierzu zB § 666 Bürgerliches Gesetzbuch) nachkommt, betrifft ausschließlich deren (Rechts-) Verhältnis. Das Gericht konnte und kann weder von der Beklagten eine weitere Abschrift (nachträglich) anfordern noch ist es zur deren Anfertigung (auf Kosten des Adressaten) befugt, vgl. hierzu § 93 Satz 2f SGG.

Im Ergebnis gilt hier nichts anders für die Rechtsverhältnisse, für die das GKG (hier: Schreibauslagen des Gerichts betreffend) und die BRAGO (hier: Schreibauslagen des Rechtsanwalts betreffend) gelten.

Die Schriftsätze des Gerichts an den Rechtsanwalt (Bevollmächtigten) sind und waren grundsätzlich ebenso nur in einfacher Ausfertigung zu senden. Ausnahmen hiervon galten und gelten nur bei gesetzlich abschließend aufgeführten Unterlagen des Gerichts bestimmter (äußerer) Qualität, vgl. Anlage 1 Teil 9 Nr. 9000 Abs. 3 KV zu § 11 Abs. 1 GKG (in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung) bzw. Anlage 1 Teil 9 Nr. 9000 Abs. 2 zu § 3 Abs. 2 GKG (in der ab dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung).

Schließlich sind auch nach der BRAGO die Kosten des Rechtsanwalts für die Anfertigung von Ablichtungen der Schriftsätze (und Anlagen hierzu) des(r) anderen Beteiligten als allgemeine Geschäftsunkosten grundsätzlich mit der (Rahmen-) Gebühr abgegolten, vgl. § 25 Abs. 1 BRAGO. Denn § 25 Abs. 1 BRAGO (Grundsatz) gilt ebenso für die Schreibauslagen, soweit die Voraussetzungen des § 27 BRAGO nicht gegeben sind, vgl. § 25 Abs. 3 BRAGO (Ausnahme). Nach § 27 BRAGO hat der Rechtsanwalt grundsätzlich keinen Anspruch auf Ersatz seiner Kosten für die Anfertigung o.g. Ablichtungen zur Unterrichtung seines Auftraggebers, vgl. ausführlicher hierzu zB v. Eicken, aaO, § 27 Rn 4, Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 5. Dezember 2002 - I ZB 25/02 - JURIS, mwN und (nunmehr) Anlage 1 Teil 7 Ziffer 7000 Nr. 1 c) zu § 2 Abs. 2 RVG (grundsätzlich, d.h. soweit nicht mehr als 100 Ablichtungen zu fertigen waren). Denn insbesondere die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BRAGO oder § 27 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO (ab 15. Dezember 2001: §§ 6 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2, 27 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) sind (offenkundig) nicht gegeben.

Nichts anderes gilt zu § 27 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO. Denn "Ablichtungen von Schriftsatzanlagen werden zwar üblicherweise nur einmal für den Gegner beigefügt. Lichtet dessen Prozessbevollmächtigter zur Unterrichtung seiner Mandanten die Anlagen noch einmal ab, so kommt er damit lediglich seiner anwaltlichen Pflicht nach, den Mandanten über den Prozeßstoff zu unterrichten. Daß er diese Verpflichtung zur Unterrichtung seines Mandanten auch anders erfüllen könnte als durch die Anfertigung von Fotokopien der gegnerischen Schriftsatzanlagen, ändert nichts daran, daß es zur üblichen Geschäftstätigkeit des Rechtsanwalts gehört, wenn er diesen Weg wählt. Diese Bürotätigkeit wohnt einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Mandats inne. Es kann nicht davon gesprochen werden, daß der Mandant hierzu sein zusätzliches Einverständnis i.S. des § 27 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO erklären müßte, um den Rechtsanwalt zu dieser Tätigkeit zu veranlassen.", so BGH, aaO, Rn 15 bei JURIS. Nach Auffassung des Gerichts gilt zu den entsprechenden Schriftsätzen nichts anderes.

Soweit die Ausführungen von v. Eicken, aaO, § 27 Rn 9, auf Bevorzugung einer anderen Auffassung hierzu hindeuten (sollten), folgt dem das Gericht nicht. Eine (vertiefte) Auseinandersetzung hiermit ist allerdings entbehrlich. Denn selbst danach soll Voraussetzung (wohl) sein, daß der Rechtsanwalt zunächst vom "Gegner" eine weitere Abschrift (nachträglich) anfordert (zur Klarstellung: im Hauptsacheverfahren) und, falls diese nicht mehr vom "Gegner" zu erhalten ist und der Mandant sich nicht damit begnügt, die für den Rechtsanwalt bestimmte Abschrift einzusehen, sie auf Wunsch des Mandanten anfertigt. Anhaltspunkte für derartige Tatsachen sind hier weder andeutungsweise vorgetragen noch erkennbar. Dies gilt sowohl für das Hauptsache- als auch dieses Nebenverfahren.

Somit ist ein Betrag in Höhe von 1.288,99 DM (nunmehr: 659,05 EUR) festzusetzen und der Beschluss vom 15. Februar 2002 entsprechend abzuändern. Dieser Betrag ergibt sich wie folgt: Gebühr gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm Abs. 3 BRAGO 1.300,00 DM Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO 40,00 DM Schreibauslagen gemäß § 27 BRAGO 49,00 DM insgesamt 1.389,00 DM 16 % Mehrwertsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO 222,24 DM Gesamtsumme 1.611,24 DM davon 4/5 von der Beklagten zu erstatten 1.288,99 DM entspricht nunmehr: 659,05 EUR

Die Beklagte hat daher noch weitere 129,92 DM (nunmehr: 66,43 EUR) zu erstatten.

Der Beschluss ist unanfechtbar, vgl. § 197 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved