L 10 B 406/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 288/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 406/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Antragstellers werden auch für das Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (Ast) begehrt von der Antragsgegnerin (Ag) die vollständige Auszahlung der bewilligten Arbeitslosengeld II-Leistungen auch bezüglich eines Zuschlages nach § 24 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 320,00 Euro, den die Ag unter Berufung auf einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts C nicht mehr an den Ast auszahlt.

Die Ag bewilligte dem Ast mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2006 in Höhe von 544,78 Euro monatlich. Ausweislich des dem Bewilligungsbescheid beigefügten Berechnungsblattes ging die Ag dabei davon aus, dass die mit dem Ast in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau des Klägers nicht bedürftig sei. Der für den Ast errechnete Bedarf betrage 463,95 Euro. Unter Berücksichtigung eines Einkommens von 239,17 Euro beim Ast vermindere sich dessen Regelleistung von 298 Euro auf 58,83 Euro. Die anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung wurden mit 165,95 Euro beziffert. Hinzu kam ein befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 SGB II) in Höhe von 320,00 Euro.

Der Ast ist Vater des minderjährigen Kindes P K, geboren am 1989. Mit Urkunde des Jugendamtes der Stadtverwaltung C vom 12. Dezember 2002 hatte sich der Ast verpflichtet, seinem Sohn ab 1. August 2002 Unterhalt in Höhe von monatlich 269,00 Euro zu zahlen.

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 31. August 2005, zugestellt am 5. September 2005, hatte das Amtsgericht C in der Zwangsvollstreckungssache des minderjährigen Sohnes des Ast wegen Unterhaltsrückständen den Zuschlag gepfändet (auch künftig fällig werdende Leistungen, soweit am jeweiligen Zahltag noch Unterhaltsrückstände bestünden, weitere Unterhaltsbeträge fällig geworden seien oder fällig werden würden).

Mit Schreiben vom 3. November 2005 teilte die Ag dem Vertreter des Vollstreckungsschuldners, dem Jugendamt des Kreises N, im Rahmen der Drittschuldnererklärung nach § 840 der Zivilprozessordnung (ZPO) mit, dass die Forderung anerkannt werde, aber keine Bereitschaft zur Zahlung bestehe, da die Höhe der Geldleistungen den unpfändbaren Betrag nicht übersteige.

Auf das Schreiben des Vertreters des Vollstreckungsschuldners vom 13. Februar 2006 teilte der Ag diesem mit Schreiben vom 16. März 2006 mit, dass die Forderung nunmehr doch anerkannt werde und Zahlungsbereitschaft bestehe. Von der laufenden Geldleistung werde ein Betrag von 320,00 Euro monatlich einbehalten und überwiesen. Mit weiterem Schreiben vom 17. März 2006 teilte die Ag mit, dass in der Zeit vom 1. September bis 30. September 2005 und 1. Januar bis 31. März 2006 je 320,00 Euro überwiesen würden. Für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2005 habe kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bestanden.

Die Ag hat erstmals zum 31. März 2006 bezüglich der Leistung für den Monat April 2006 einen Betrag von 320,00 Euro nicht an den Ast ausgezahlt.

Mit beim Sozialgericht (SG) Cottbus am 5. April 2006 eingegangenen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt der Ast die Auszahlung der Leistungen in der bewilligten Höhe. Das SG Cottbus hat den Antrag mit Beschluss vom 3. Mai 2006 abgelehnt. Der zulässige Anordnungsantrag sei nicht begründet. Die Entscheidung der Ag, die dem Ast zustehende Leistung von 320,00 Euro einzubehalten und an das Jugendamt des Kreises N auszuzahlen, sei zutreffend erfolgt. Die Ag habe den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auszuführen, Einwendungen seien im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO vorzubringen. Außerdem gelte bei der Pfändung wegen Unterhaltsforderungen die Vorschrift des § 850 d ZPO, wonach dem Schuldner nur soviel zu belassen ist, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen, die dem Anspruch des Gläubigers vorgehen oder gleichstehen, benötige.

Hiergegen richtet sich die vom Ast erhobene Beschwerde. Die Ag habe bei einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zum Schutz des Schuldners zu prüfen, an wen sie Zahlungen zu erbringen habe. Eine Herabsetzung des Auszahlungsbetrages sei unzulässig, da der Ast nicht auf Leistungen seiner Ehefrau verwiesen werden dürfe, da diese für den Unterhalt des Sohnes des Ast nicht aufkommen müsse.

II.

Die zulässige Beschwerde des Ast ist unbegründet.

Statthafte Verfahrensart ist hier ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Richtige Klageart in der Hauptsache wäre vorliegend eine allgemeine Leistungsklage und nicht eine Anfechtungsklage. Die Schreiben der Ag vom 16. und 17. März 2006 stellen keine Verwaltungsakte i.S.d. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar, da sie keine Regelung mit Außenwirkung enthalten. Das Begehren des Ast ist darauf gerichtet, dass die Ag die ihm zuerkannte Leistung nach dem SGB II in voller Höhe, also ohne Beachtung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts C auszahlt. Da die Ag in einem solchen Falle keine eigene Entscheidung hinsichtlich des einbehaltenen und an den Gläubiger zu überweisenden Betrages trifft (abgesehen von dessen rechnerischen Bestimmung), ist allein die echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zu erheben (vgl. Mrozynski, Sozialgesetzbuch I (Allgemeiner Teil), Kommentar, 3. Aufl. 2003, § 53 Rz. 9; § 54 Rz. 44 mwN; Timme in LPK-SGB I , 2002, § 54 Rz. 19 mwN; BSGE 60, 87 , 89 str.; a.A. z.B. BSGE 53, 260 , 262; BSG SozR 3-1200 § 54 Nr. 1). Die eigentliche Regelung liegt nämlich in der vollstreckungsgerichtlichen Pfändung und Überweisung durch das Vollstreckungsgericht. Mit der Zustellung eines wirksamen Pfändungsbeschlusses wird die Pfändung bereits bewirkt (§ 829 ZPO). Die Pfändung hat eine öffentlich-rechtliche Beschlagnahme der gepfändeten Forderung zur Folge. Die Ausführung einer Pfändung im Vollstreckungsverfahren ist kein Verwaltungsakt (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht vom 29. November 2001 – L 5 RJ 26/01, Breithaupt 2002). Für eine Regelung der Ag, die nur als Drittschulderin beteiligt ist, ist daher kein Raum. Darin unterscheidet sich die Pfändung im Wege der Zwangsvollstreckung von der in § 53 Sozialgesetzbuch – 1. Buch – (SGB I) geregelten Verpfändung von Sozialleistungsansprüche, welche ggf. nach sachlicher Prüfung des Leistungsträgers erfolgt (vgl. KasslerKomm/Seewald § 53 SGB I Rn 24).

Dem Ast steht kein Anordnungsanspruch zu. Ein Anordnungsanspruch würde voraussetzen, dass die Ag einen dem Ast für April 2006 und laufend monatlich zustehenden weiteren Auszahlungsanspruch in Höhe von 320,00 Euro monatlich bislang nicht erfüllt hat. Daran fehlt es hier. Die von der Ag an den Unterhaltsgläubiger unstreitig abgeführten Beträge dienten zur Tilgung der festgestellten Schuld des Ast gegenüber seinem Gläubiger. Die Ag hat damit zugleich Ansprüche des Ast ihr gegenüber erfüllt. Die Ag ist an den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts gebunden. Dies ergibt sich aus Folgendem: Ansprüche auf laufende Geldleistungen, zu denen auch die Leistung nach § 24 SGB II gehört, können nach § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Wirksamkeit, Inhalt und Umfang der Pfändung wegen zivilrechtlicher Forderungen richten sich nach den §§ 828 ff. ZPO, soweit die Pfändung zugelassen ist. Danach ist es Sache des Vollstreckungsgerichts (Amtsgericht), bei Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Pfändungsvoraussetzungen des § 54 SGB I zu prüfen (BSG SozR 3-1200 § 54 Nr. 1; vgl. im Übrigen auch BGHZ 92, 339 , 344 f). Nach § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Vollstreckungsgericht bei Pfändung einer Geldforderung dem Drittschuldner zu verbieten, an den Schuldner zu zahlen. Nach § 835 Abs. 1 ZPO ist gleichzeitig dem Gläubiger die gepfändete Geldforderung nach seiner Wahl u.a. zur Einziehung zu überweisen. § 54 Abs. 4 SGB I nimmt ohne ausdrückliche Nennung auf die Vorschriften der §§ 850 ff. ZPO über die Pfändung von Arbeitseinkommen Bezug (BSG a. a. O.). Dies zwingt das Vollstreckungsgericht zur Beachtung der Pfändungsgrenzen nach den §§ 850 c - f ZPO. Bei der Pfändung wegen anderer Ansprüche muss das Vollstreckungsgericht allerdings nach § 54 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 SGB I zusätzlich prüfen, ob die Pfändung der Billigkeit entspricht und ob der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfsbedürftig wird. Die Entscheidung hierüber trifft das Vollstreckungsgericht, dem insoweit eine umfassende Prüfungspflicht obliegt (BSG a. a. O.; vgl BGHZ 92, 339). Die Ag war demnach nicht befugt, über die in § 54 SGB I genannten Pfändungsvoraussetzungen selbst zu entscheiden. Insofern unterscheidet sich ihre Stellung als Drittschuldnerin nicht von der anderer Drittschuldner. Die Wirkung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bleibt nach § 836 Abs. 2 ZPO ungeachtet seiner möglichen Unzulässigkeit solange bestehen, bis er aufgehoben wird und die Aufhebung zur Kenntnis des Drittschuldners, hier also der Beklagten, gelangt (vgl. BSG, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved