Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 10 KR 30/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 58/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 08. August 2003 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte dem Kläger nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Versorgung mit einer Neuroprothese der Marke "Freehand", die bis 2001 von der Firma N in C hergestellt wurde.
Der im November 1970 geborene Kläger leidet an einer Querschnittslähmung in Höhe des fünften und sechsten Halswirbelkörpers mit vollständiger Lähmung der Funktionen beider Hände. Er arbeitet vier Stunden täglich in einer Behindertenwerkstatt, ist dabei jedoch, wie auch zur Nahrungsaufnahme, auf fremde Hilfe angewiesen.
Am 23. Dezember 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Neuroprothese "Freehand". Er habe aus der Zeitschrift "Paraplegiker" von diesem System erfahren. Dieses Gerät arbeitet nach einem Schreiben des Direktors der Orthopädischen Universitätsklinik H, Prof. Dr. G, und nach Beschreibungen der Schweizer Fachzeitschrift "Paraplegiker", Ausgabe 3/2003, dergestalt, dass elektrische Signale die körpereigenen ersetzen, die wegen der Verletzung der Halswirbelsäule nicht mit vom Großhirn in die Hände weitergeleitet werden können. Nach erfolgreicher Implantation würden zwei Handbewegungen möglich, zum einen ein Handschluss wie der Buchstabe C, mit dem das Trinken aus einem Glas oder das Aufnehmen größerer Gegenstände möglich werde. Mit der zweiten Handbewegung könne der Daumen gegen die Endglieder der Finger gedrückt werden. Dies ermögliche im günstigsten Falle bis zu einem gewissen Grad das Schreiben oder das Zähneputzen. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung im Land Brandenburg MDK ein, der unter dem 17. Januar 2001 mitteilte, die beantragte Behandlungsmethode befinde sich, wie auch die Orthopädische Universitätsklinik H mitteile, noch im Stadium der klinischen Erprobung. Es seien bislang nur wenige Patienten in Deutschland versorgt worden, so dass sie Kosten nicht zu übernehmen seien. Dieser Auffassung schloss sich der MDK Bayern, der um eine weitere Stellungnahme gebeten worden war, am 31. März 2000 an.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. April 2000 eine Übernahme ab. Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte eine neue Stellungnahme des MDK Berlin-Brandenburg bei, der am 07. Januar 2002 die Auffassung vertrat, die bisherigen Beurteilungen des MDK Brandenburg und des MDK Bayern seien weiterhin aufrechtzuerhalten. Es seien in der Zwischenzeit keine weiteren Fortschritte in den wissenschaftlichen Erkenntnissen in Bezug auf das begehrte System erfolgt. Das System sei eine neue Entwicklung, das weltweit bei Einzelfällen angewandt werde und sich noch im Stadium der wissenschaftlichen beziehungsweise klinischen Erprobung befinde.
Gestützt hierauf wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01. März 2002 den Widerspruch des Klägers zurück.
Mit der am 19. März 2002 beim Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. In den USA seien über 120 ähnlich Querschnittsgelähmte erfolgreich mit der Neuroprothese "Freehand" versorgt worden, so dass von einem neuen zu erprobenden System keine Rede sein könne.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13. April 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einer Freehand-Neuroprothese zu versorgen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide berufen, die durch die Ermittlungen des Sozialgerichts bestätigt seien.
Das Sozialgericht hat Auskünfte zum begehrten System "Freehand" eingeholt. Die Universitätsklinik H (Prof. Dr. G) hat mitgeteilt, die Firma E habe im Oktober 2001 den Support für Europa eingestellt, so dass es derzeit weder eine Niederlassung noch einen Vertriebspartner in Deutschland gebe. Das System sei 1999 für den europäischen Markt zertifiziert worden (Schreiben vom 01. Oktober 2002). Die Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B H, Akademisches Lehrkrankenhaus, hat einen Ausschnitt aus der Beschreibung des Systems übermittelt. Der TÜV Rheinland hat mitgeteilt, dass das System aufgrund seiner Überprüfung vertrieben werden dürfe. Prof. Dr. G hat mitgeteilt, das System sei mehr als 200 Mal implantiert worden, habe sich in der medizinischen Praxis bei richtiger Indikation bewährt und befinde sich nicht mehr im Zustand des wissenschaftlichen Experiments am Menschen beziehungsweise eines Heilversuches, sondern sei ein kommerziell betriebenes und zum Gebrauch am Menschen zugelassenes Medizinprodukt. In der EU seien zirka 50 Implantate verwendet worden. In Deutschland seien sieben Implantationen in den W Kliniken B sowie in seiner Klinik in H durchgeführt worden. Dementsprechend hat sich auch die Klinik B geäußert. ‚Allerdings hat diese ergänzend mitgeteilt, die herstellende Firma N habe im Oktober 2001 den gesamten Vertrieb und die Nachbetreuung in Europa aufgelöst und sämtliche Mitarbeiter seien entlassen worden. Dies wisse er von dem Leiter der Europaabteilung Prof. E R persönlich. Die Firma N habe in Europa nie Verkaufszahlen wie in den USA erreicht. Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie Prof. Dr. R hat mitgeteilt, es lägen bisher keine ausreichenden Daten vor, um zu sagen, dass sich die "Freehand" Neuroprothese in der medizinischen Praxis bewährt habe. Seines Erachtens handele es sich um ein wissenschaftliches Experiment am Menschen beziehungsweise um einen Heilversuch. Nach seinem Kenntnisstand seien bis zum 11. September 2001 in Deutschland vier "Freehand" Neuroprothesen implantiert worden. Er wisse nicht, warum die Europaabteilung der Firma N geschlossen worden sei. Dr. M, Chefarzt des Zentrums für Rückenmarkverletzte der W Klinik in B, hat mitgeteilt, die Firma N habe nicht nur in Europa, sondern insgesamt die "Freehand" Prothese nicht mehr vertrieben, sondern die Herstellung insgesamt eingestellt. Seines Erachtens habe sich die Firma insgesamt als unzuverlässig erwiesen. So habe sie nie ihren Kunden mitgeteilt, dass die Herstellung der "Freehand" Neuroprothese eingestellt worden sei. Er habe diese Information vielmehr von amerikanischen Kollegen, die zu den Initiatoren und Entwicklern dieses Systems gehörten. In der Rechnungsstellung sei aufgefallen, dass nach der Implantation der Systeme zirka zehnmal höhere Preise für Ersatzteile als ursprünglich angegeben verlangt worden seien.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 08. August 2003 die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, den Kläger mit einer "Freehand" Neuroprothese zu versorgen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Tatsache, dass das System vom Ausschuss Krankenhaus, Untersuchungs- und Behandlungsmethoden als geeignetes Hilfsmittel anerkannt sei, habe nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum gegenwärtige geltenden Recht keine Bedeutung mehr. Der Bundesausschuss könne lediglich Produkte ausschließen. Dies bedeute aber nicht, dass Krankenhäuser diese dann nicht verwenden dürften. Dies sei nur im entsprechenden Ausschuss für die vertragsärztliche ambulante Versorgung der Fall. Auch die Kriterien des § 138 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch SGB V über die Erprobung neuer Heilmittel träfen nur für die vertragsärztliche Versorgung, nicht jedoch für die hier begehrte Versorgung durch Krankenhäuser zu. Im Falle des Klägers sei, wie sich aus den Angaben des Prof. Dr. G ergebe, die Versorgung mit einer Neuroprothese erforderlich, um die durch die Querschnittslähmung hervorgerufene Aufhebung der Handfunktionen zumindest teilweise zu heilen.
Gegen dieses ihr am 18. September 2003 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom Montag, den 20. Oktober 2003.
Sie ist der Auffassung, dass, nachdem die Betreuung des Produkts in Europa im Oktober 2001 eingestellt worden sei, die Versorgung damit unverantwortlich sei. Wenn die Neuroprothese im Rahmen einer mehrstündigen Operation fest implantiert werden müsse und der Hersteller keine Beratung, Unterstützung und Ersatzteilversorgung mehr zur Verfügung stelle, sei eine Leistungserbringung durch die Gesetzliche Krankenversicherung sowohl mit Blick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot als auch auf das Wohl des Versicherten nicht möglich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 08. August 2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und vertritt die Auffassung, eine in einer H Klinik noch ausfindig gemachte Neuroprothese des Modells "Freehand" werde von der Herstellerfirma auch mit Gewährleistungen versehen.
Prof. Dr. G hat mit Schreiben vom 17. Juni 2004 an die Beklagte mitgeteilt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt und auf absehbare Zeit Implantationen der "Freehand" Neuroprothesen nicht durchgeführt werden können, da seitens des Herstellers die notwendigen Voraussetzungen in Form von neu hergestellten Implantaten nicht mehr gegeben sind. Auf Nachfrage des Senats hat er ergänzend mitgeteilt, der Entwickler des "Freehand" Systems, nicht die herstellende Firma, sei bemüht, das System wieder kommerziell anzubieten. Der Vertrieb durch die Firma N sei ausschließlich aus finanziellen, nicht aus klinischen Gründen eingestellt worden. Ein Zeitpunkt für die Wiederaufnahme sei nicht bekannt. Allerdings befinde sich in einem Querschnittszentrum in Halle noch ein System, welches für eine Implantation vorgesehen, aber nicht zum Einsatz gekommen sei. Er werde den Kläger unverzüglich Mitteilung machen, wenn eine neue Entwicklung eintrete. Er versuche herauszufinden, ob die Voraussetzungen für eine mögliche Implantation wie Vollständigkeit des Systems und Verfügbarkeit der Implantationselektroden gegeben sei.
Mit Schreiben vom 11. August 2005 hat der TÜV Rheinland mitgeteilt, das Richtlinienzertifikat für die NeuroControl sei ausgelaufen, so dass diese das Produkt nicht mehr in den Verkehr bringen dürfe.
Prof. Gerner hat am 21. Dezember 2005 mitgeteilt, das Freehand-System sei weiterhin nicht verfügbar, er gehe davon aus, das bei dem System in Halle die Elektroden fehlten und es werde derzeit durch eine andere Firma ein ähnliches System entwickelt.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten zum Streitgegenstand verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.
Über sie konnte der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die am Rechtsstreit Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben.
Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung mit den Neuroprothesensystem "Freehand" versorgt zu werden.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts unterliegen daher keiner Beanstandung, weshalb das entgegenstehende Urteil des Sozialgerichts keinen Bestand haben kann.
Anspruchsgrundlage für Sachleistungen bei Krankheit durch die Gesetzliche Krankenversicherung ist § 27 Abs. 1 Ziffern 3 und 5 Sozialgesetzbuch Gesetzliche Krankenversicherung SGB V. Danach haben Versicherte unter anderem Anspruch auf Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln und Krankenhausbehandlung, wenn diese notwendig sind, um Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Der Verlust der Motorik der Hände stellt eine Krankheit dar und das begehrte System "Freehand" scheint geeignet, die daraus sich ergebenden Beschwerden zu lindern. Die Neuroprothese "Freehand" stellt ein Gerät dar, das durch eine Operation im Krankenhaus implantiert wird, die begehrte Leistung gehört somit grundsätzlich zum Umfang der von der Gesetzlichen Krankenversicherung geschuldeten Krankenbehandlung gemäß § 27 SGB V. Die "Freehand" Neuroprothese ist auch nicht gemäß § 34 Abs. 4 SGB V von der Versorgung ausgenommen, da durch Rechtsverordnung Heil- oder Hilfsmittel von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis von der Versorgung durch die Krankenkasse ausgenommen werden. Ein derartiger Ausschluss liegt hier nicht vor. Auch eine Festbetragsgrenze gemäß § 36 SGB V ist nicht festgelegt.
Der Senat folgt auch der vom Sozialgericht in seiner Entscheidung zugrunde gelegten Auffassung des Bundessozialgerichts in dessen Urteil vom 19. Februar 2003 (Aktenzeichen B 1 KR 1/02 R), wonach gemäß § 137 c SGB V in der ab 01. Januar 2000 geltenden Fassung der Ausschuss Krankenhaus Untersuchung und Behandlungsmethoden nur Leistungen ausschließen kann, die die Gesetzliche Krankenversicherung für ihre Versicherten zu erbringen hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine ausdrückliche Aufnahme neuer Behandlungsmethoden in ein Leistungsverzeichnis bei Krankenhausleistungen im Gegensatz zu den vertragsärztlichen Leistungen nicht notwendig ist. Auch von daher wäre grundsätzlich die Übernahme der Kosten für die Neuroprothese Freehand möglich, da sie von dem genannten Ausschuss nicht ausgeschlossen wurde.
Der Anspruch des Klägers scheitert jedoch an dem allgemeinen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der von den Krankenkassen zu erbringenden Leistungen. Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sind in dem § 2 SGB V normiert. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 stellen die Krankenkassen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung. Nach Satz 3 dieser Vorschrift haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Nach § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
Für Hilfsmittel gilt nach § 33 Abs. 3 SGB V, dass der Anspruch auf sie auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch umfasst.
Nach diesen Maßgaben ist es weder zweckmäßig, noch notwendig, den Kläger mit einem Prothesensystem zu versorgen, für das nicht sichergestellt ist, dass der Anspruch nach § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB V auf notwendige Änderungen, Instandsetzungen, Ersatzbeschaffung und die Ausbildung gewährleistet ist. Vielmehr wird, selbst wenn noch ein Gerät in Deutschland verfügbar ist, seit 2001 für das Gerät kein so genannter Support mehr geleistet, das heißt, es gibt keinen Ansprechpartner vom Hersteller, der bei Ingebrauchnahme und Einweisung des Geräts beziehungsweise bei Schwierigkeiten, die im Gebrauch entweder durch technische Defekte oder beim Erlernen des Umgangs damit auftreten, zur Verfügung steht. Die Versorgung mit Ersatzteilen bei Defekten an dem Gerät und die Reparatur des Geräts ist nicht gewährleistet. Eine Ersatzbeschaffung für ein vollständig ausfallendes System, etwa durch einen größeren Defekt, wäre nicht möglich oder äußerst schwierig (vgl. Schreiben Prof. Gerner vom 21. Dezember 2005). Eine Gewährleistung im Sinne der entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gegen den Hersteller ist nicht möglich, da nicht der Hersteller, sondern allenfalls die Klinik in Halle dieses zur Verfügung stellt und es ausgeschlossen erscheint, dass diese Gewährleistungen übernimmt. Dies zeigt, dass die Beschaffung des Gerätes nicht wirtschaftlich ist. Denn der Einsatz eines komplizierten technischen Geräts, für das keine Ersatzteile, keine Anleitung und Beratung und keine Gewährleistung gegeben ist, entspricht nicht dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Aus den gleichen Gründen jedoch ist es auch nicht zweckmäßig, dieses Gerät einzusetzen. Eine Zweckmäßigkeit setzt zum einen eine Übereinstimmung von Wirkung des Geräts auf Dauer und dem Behandlungsziel sowie ein Maß an Wirksamkeit und zum anderen voraus, dass die Behandlungsmethode allgemein anerkannt ist. Bereits letzteres ist bei einem außer Gebrauch g gekommenen Gerät nicht der Fall, denn allgemein anerkannt ist nur, was regelmäßig zur Anwendung kommt. Darüber hinaus jedoch ist auch die so genannte Mittelzweckrelation nicht gegeben, denn wenn ein Gerät nicht repariert beziehungsweise bei vollständigem Funktionsausfall ersetzt werden kann, so ist eine Wirksamkeit von einer gewissen Dauer nicht gegeben.
Daher ist die Beklagte nicht nur nicht verpflichtet, dem Kläger das Gerät zur Verfügung zu stellen, es ist ihr nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V durch das Gesetz verboten, die Leistungserbringung zu bewilligen.
Es kommt hinzu, dass das Gerät als Medizinprodukt nach Ablauf der Zulassung nicht mehr in Verkehr gebracht werden darf (§ 6 Medizinproduktgesetz - MPG -). Insoweit dürfte die Klinik in Halle das Gerät nicht mehr an den Kläger weitergeben. Falls die Freehand Prothese beziehungsweise ein anderes Gerät, wie zu Prof. Gerner in Aussicht gestellt, erneut auf den Markt kommt und der Hersteller die Gewähr dafür übernimmt, dass Reparaturen vorgenommen werden, dass Ersatzteile verfügbar sind, dass eine Beratung erfolgt und dass die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche eingehalten werden, bleibt es dem Kläger unbenommen, einen neuen Antrag zu stellen.
Die Berufung der Beklagten musste mit der Kostenfolge aus § 193 SGG Erfolg haben.
Für die Zulassung der Revision ist keiner der in § 160 Abs. 2 SGG dargelegten Gründe gegeben.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Versorgung mit einer Neuroprothese der Marke "Freehand", die bis 2001 von der Firma N in C hergestellt wurde.
Der im November 1970 geborene Kläger leidet an einer Querschnittslähmung in Höhe des fünften und sechsten Halswirbelkörpers mit vollständiger Lähmung der Funktionen beider Hände. Er arbeitet vier Stunden täglich in einer Behindertenwerkstatt, ist dabei jedoch, wie auch zur Nahrungsaufnahme, auf fremde Hilfe angewiesen.
Am 23. Dezember 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Neuroprothese "Freehand". Er habe aus der Zeitschrift "Paraplegiker" von diesem System erfahren. Dieses Gerät arbeitet nach einem Schreiben des Direktors der Orthopädischen Universitätsklinik H, Prof. Dr. G, und nach Beschreibungen der Schweizer Fachzeitschrift "Paraplegiker", Ausgabe 3/2003, dergestalt, dass elektrische Signale die körpereigenen ersetzen, die wegen der Verletzung der Halswirbelsäule nicht mit vom Großhirn in die Hände weitergeleitet werden können. Nach erfolgreicher Implantation würden zwei Handbewegungen möglich, zum einen ein Handschluss wie der Buchstabe C, mit dem das Trinken aus einem Glas oder das Aufnehmen größerer Gegenstände möglich werde. Mit der zweiten Handbewegung könne der Daumen gegen die Endglieder der Finger gedrückt werden. Dies ermögliche im günstigsten Falle bis zu einem gewissen Grad das Schreiben oder das Zähneputzen. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung im Land Brandenburg MDK ein, der unter dem 17. Januar 2001 mitteilte, die beantragte Behandlungsmethode befinde sich, wie auch die Orthopädische Universitätsklinik H mitteile, noch im Stadium der klinischen Erprobung. Es seien bislang nur wenige Patienten in Deutschland versorgt worden, so dass sie Kosten nicht zu übernehmen seien. Dieser Auffassung schloss sich der MDK Bayern, der um eine weitere Stellungnahme gebeten worden war, am 31. März 2000 an.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. April 2000 eine Übernahme ab. Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte eine neue Stellungnahme des MDK Berlin-Brandenburg bei, der am 07. Januar 2002 die Auffassung vertrat, die bisherigen Beurteilungen des MDK Brandenburg und des MDK Bayern seien weiterhin aufrechtzuerhalten. Es seien in der Zwischenzeit keine weiteren Fortschritte in den wissenschaftlichen Erkenntnissen in Bezug auf das begehrte System erfolgt. Das System sei eine neue Entwicklung, das weltweit bei Einzelfällen angewandt werde und sich noch im Stadium der wissenschaftlichen beziehungsweise klinischen Erprobung befinde.
Gestützt hierauf wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01. März 2002 den Widerspruch des Klägers zurück.
Mit der am 19. März 2002 beim Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. In den USA seien über 120 ähnlich Querschnittsgelähmte erfolgreich mit der Neuroprothese "Freehand" versorgt worden, so dass von einem neuen zu erprobenden System keine Rede sein könne.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13. April 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einer Freehand-Neuroprothese zu versorgen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide berufen, die durch die Ermittlungen des Sozialgerichts bestätigt seien.
Das Sozialgericht hat Auskünfte zum begehrten System "Freehand" eingeholt. Die Universitätsklinik H (Prof. Dr. G) hat mitgeteilt, die Firma E habe im Oktober 2001 den Support für Europa eingestellt, so dass es derzeit weder eine Niederlassung noch einen Vertriebspartner in Deutschland gebe. Das System sei 1999 für den europäischen Markt zertifiziert worden (Schreiben vom 01. Oktober 2002). Die Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B H, Akademisches Lehrkrankenhaus, hat einen Ausschnitt aus der Beschreibung des Systems übermittelt. Der TÜV Rheinland hat mitgeteilt, dass das System aufgrund seiner Überprüfung vertrieben werden dürfe. Prof. Dr. G hat mitgeteilt, das System sei mehr als 200 Mal implantiert worden, habe sich in der medizinischen Praxis bei richtiger Indikation bewährt und befinde sich nicht mehr im Zustand des wissenschaftlichen Experiments am Menschen beziehungsweise eines Heilversuches, sondern sei ein kommerziell betriebenes und zum Gebrauch am Menschen zugelassenes Medizinprodukt. In der EU seien zirka 50 Implantate verwendet worden. In Deutschland seien sieben Implantationen in den W Kliniken B sowie in seiner Klinik in H durchgeführt worden. Dementsprechend hat sich auch die Klinik B geäußert. ‚Allerdings hat diese ergänzend mitgeteilt, die herstellende Firma N habe im Oktober 2001 den gesamten Vertrieb und die Nachbetreuung in Europa aufgelöst und sämtliche Mitarbeiter seien entlassen worden. Dies wisse er von dem Leiter der Europaabteilung Prof. E R persönlich. Die Firma N habe in Europa nie Verkaufszahlen wie in den USA erreicht. Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie Prof. Dr. R hat mitgeteilt, es lägen bisher keine ausreichenden Daten vor, um zu sagen, dass sich die "Freehand" Neuroprothese in der medizinischen Praxis bewährt habe. Seines Erachtens handele es sich um ein wissenschaftliches Experiment am Menschen beziehungsweise um einen Heilversuch. Nach seinem Kenntnisstand seien bis zum 11. September 2001 in Deutschland vier "Freehand" Neuroprothesen implantiert worden. Er wisse nicht, warum die Europaabteilung der Firma N geschlossen worden sei. Dr. M, Chefarzt des Zentrums für Rückenmarkverletzte der W Klinik in B, hat mitgeteilt, die Firma N habe nicht nur in Europa, sondern insgesamt die "Freehand" Prothese nicht mehr vertrieben, sondern die Herstellung insgesamt eingestellt. Seines Erachtens habe sich die Firma insgesamt als unzuverlässig erwiesen. So habe sie nie ihren Kunden mitgeteilt, dass die Herstellung der "Freehand" Neuroprothese eingestellt worden sei. Er habe diese Information vielmehr von amerikanischen Kollegen, die zu den Initiatoren und Entwicklern dieses Systems gehörten. In der Rechnungsstellung sei aufgefallen, dass nach der Implantation der Systeme zirka zehnmal höhere Preise für Ersatzteile als ursprünglich angegeben verlangt worden seien.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 08. August 2003 die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, den Kläger mit einer "Freehand" Neuroprothese zu versorgen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Tatsache, dass das System vom Ausschuss Krankenhaus, Untersuchungs- und Behandlungsmethoden als geeignetes Hilfsmittel anerkannt sei, habe nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum gegenwärtige geltenden Recht keine Bedeutung mehr. Der Bundesausschuss könne lediglich Produkte ausschließen. Dies bedeute aber nicht, dass Krankenhäuser diese dann nicht verwenden dürften. Dies sei nur im entsprechenden Ausschuss für die vertragsärztliche ambulante Versorgung der Fall. Auch die Kriterien des § 138 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch SGB V über die Erprobung neuer Heilmittel träfen nur für die vertragsärztliche Versorgung, nicht jedoch für die hier begehrte Versorgung durch Krankenhäuser zu. Im Falle des Klägers sei, wie sich aus den Angaben des Prof. Dr. G ergebe, die Versorgung mit einer Neuroprothese erforderlich, um die durch die Querschnittslähmung hervorgerufene Aufhebung der Handfunktionen zumindest teilweise zu heilen.
Gegen dieses ihr am 18. September 2003 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom Montag, den 20. Oktober 2003.
Sie ist der Auffassung, dass, nachdem die Betreuung des Produkts in Europa im Oktober 2001 eingestellt worden sei, die Versorgung damit unverantwortlich sei. Wenn die Neuroprothese im Rahmen einer mehrstündigen Operation fest implantiert werden müsse und der Hersteller keine Beratung, Unterstützung und Ersatzteilversorgung mehr zur Verfügung stelle, sei eine Leistungserbringung durch die Gesetzliche Krankenversicherung sowohl mit Blick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot als auch auf das Wohl des Versicherten nicht möglich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 08. August 2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und vertritt die Auffassung, eine in einer H Klinik noch ausfindig gemachte Neuroprothese des Modells "Freehand" werde von der Herstellerfirma auch mit Gewährleistungen versehen.
Prof. Dr. G hat mit Schreiben vom 17. Juni 2004 an die Beklagte mitgeteilt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt und auf absehbare Zeit Implantationen der "Freehand" Neuroprothesen nicht durchgeführt werden können, da seitens des Herstellers die notwendigen Voraussetzungen in Form von neu hergestellten Implantaten nicht mehr gegeben sind. Auf Nachfrage des Senats hat er ergänzend mitgeteilt, der Entwickler des "Freehand" Systems, nicht die herstellende Firma, sei bemüht, das System wieder kommerziell anzubieten. Der Vertrieb durch die Firma N sei ausschließlich aus finanziellen, nicht aus klinischen Gründen eingestellt worden. Ein Zeitpunkt für die Wiederaufnahme sei nicht bekannt. Allerdings befinde sich in einem Querschnittszentrum in Halle noch ein System, welches für eine Implantation vorgesehen, aber nicht zum Einsatz gekommen sei. Er werde den Kläger unverzüglich Mitteilung machen, wenn eine neue Entwicklung eintrete. Er versuche herauszufinden, ob die Voraussetzungen für eine mögliche Implantation wie Vollständigkeit des Systems und Verfügbarkeit der Implantationselektroden gegeben sei.
Mit Schreiben vom 11. August 2005 hat der TÜV Rheinland mitgeteilt, das Richtlinienzertifikat für die NeuroControl sei ausgelaufen, so dass diese das Produkt nicht mehr in den Verkehr bringen dürfe.
Prof. Gerner hat am 21. Dezember 2005 mitgeteilt, das Freehand-System sei weiterhin nicht verfügbar, er gehe davon aus, das bei dem System in Halle die Elektroden fehlten und es werde derzeit durch eine andere Firma ein ähnliches System entwickelt.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten zum Streitgegenstand verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.
Über sie konnte der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die am Rechtsstreit Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben.
Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung mit den Neuroprothesensystem "Freehand" versorgt zu werden.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts unterliegen daher keiner Beanstandung, weshalb das entgegenstehende Urteil des Sozialgerichts keinen Bestand haben kann.
Anspruchsgrundlage für Sachleistungen bei Krankheit durch die Gesetzliche Krankenversicherung ist § 27 Abs. 1 Ziffern 3 und 5 Sozialgesetzbuch Gesetzliche Krankenversicherung SGB V. Danach haben Versicherte unter anderem Anspruch auf Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln und Krankenhausbehandlung, wenn diese notwendig sind, um Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Der Verlust der Motorik der Hände stellt eine Krankheit dar und das begehrte System "Freehand" scheint geeignet, die daraus sich ergebenden Beschwerden zu lindern. Die Neuroprothese "Freehand" stellt ein Gerät dar, das durch eine Operation im Krankenhaus implantiert wird, die begehrte Leistung gehört somit grundsätzlich zum Umfang der von der Gesetzlichen Krankenversicherung geschuldeten Krankenbehandlung gemäß § 27 SGB V. Die "Freehand" Neuroprothese ist auch nicht gemäß § 34 Abs. 4 SGB V von der Versorgung ausgenommen, da durch Rechtsverordnung Heil- oder Hilfsmittel von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis von der Versorgung durch die Krankenkasse ausgenommen werden. Ein derartiger Ausschluss liegt hier nicht vor. Auch eine Festbetragsgrenze gemäß § 36 SGB V ist nicht festgelegt.
Der Senat folgt auch der vom Sozialgericht in seiner Entscheidung zugrunde gelegten Auffassung des Bundessozialgerichts in dessen Urteil vom 19. Februar 2003 (Aktenzeichen B 1 KR 1/02 R), wonach gemäß § 137 c SGB V in der ab 01. Januar 2000 geltenden Fassung der Ausschuss Krankenhaus Untersuchung und Behandlungsmethoden nur Leistungen ausschließen kann, die die Gesetzliche Krankenversicherung für ihre Versicherten zu erbringen hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine ausdrückliche Aufnahme neuer Behandlungsmethoden in ein Leistungsverzeichnis bei Krankenhausleistungen im Gegensatz zu den vertragsärztlichen Leistungen nicht notwendig ist. Auch von daher wäre grundsätzlich die Übernahme der Kosten für die Neuroprothese Freehand möglich, da sie von dem genannten Ausschuss nicht ausgeschlossen wurde.
Der Anspruch des Klägers scheitert jedoch an dem allgemeinen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der von den Krankenkassen zu erbringenden Leistungen. Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sind in dem § 2 SGB V normiert. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 stellen die Krankenkassen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung. Nach Satz 3 dieser Vorschrift haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Nach § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
Für Hilfsmittel gilt nach § 33 Abs. 3 SGB V, dass der Anspruch auf sie auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch umfasst.
Nach diesen Maßgaben ist es weder zweckmäßig, noch notwendig, den Kläger mit einem Prothesensystem zu versorgen, für das nicht sichergestellt ist, dass der Anspruch nach § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB V auf notwendige Änderungen, Instandsetzungen, Ersatzbeschaffung und die Ausbildung gewährleistet ist. Vielmehr wird, selbst wenn noch ein Gerät in Deutschland verfügbar ist, seit 2001 für das Gerät kein so genannter Support mehr geleistet, das heißt, es gibt keinen Ansprechpartner vom Hersteller, der bei Ingebrauchnahme und Einweisung des Geräts beziehungsweise bei Schwierigkeiten, die im Gebrauch entweder durch technische Defekte oder beim Erlernen des Umgangs damit auftreten, zur Verfügung steht. Die Versorgung mit Ersatzteilen bei Defekten an dem Gerät und die Reparatur des Geräts ist nicht gewährleistet. Eine Ersatzbeschaffung für ein vollständig ausfallendes System, etwa durch einen größeren Defekt, wäre nicht möglich oder äußerst schwierig (vgl. Schreiben Prof. Gerner vom 21. Dezember 2005). Eine Gewährleistung im Sinne der entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gegen den Hersteller ist nicht möglich, da nicht der Hersteller, sondern allenfalls die Klinik in Halle dieses zur Verfügung stellt und es ausgeschlossen erscheint, dass diese Gewährleistungen übernimmt. Dies zeigt, dass die Beschaffung des Gerätes nicht wirtschaftlich ist. Denn der Einsatz eines komplizierten technischen Geräts, für das keine Ersatzteile, keine Anleitung und Beratung und keine Gewährleistung gegeben ist, entspricht nicht dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Aus den gleichen Gründen jedoch ist es auch nicht zweckmäßig, dieses Gerät einzusetzen. Eine Zweckmäßigkeit setzt zum einen eine Übereinstimmung von Wirkung des Geräts auf Dauer und dem Behandlungsziel sowie ein Maß an Wirksamkeit und zum anderen voraus, dass die Behandlungsmethode allgemein anerkannt ist. Bereits letzteres ist bei einem außer Gebrauch g gekommenen Gerät nicht der Fall, denn allgemein anerkannt ist nur, was regelmäßig zur Anwendung kommt. Darüber hinaus jedoch ist auch die so genannte Mittelzweckrelation nicht gegeben, denn wenn ein Gerät nicht repariert beziehungsweise bei vollständigem Funktionsausfall ersetzt werden kann, so ist eine Wirksamkeit von einer gewissen Dauer nicht gegeben.
Daher ist die Beklagte nicht nur nicht verpflichtet, dem Kläger das Gerät zur Verfügung zu stellen, es ist ihr nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V durch das Gesetz verboten, die Leistungserbringung zu bewilligen.
Es kommt hinzu, dass das Gerät als Medizinprodukt nach Ablauf der Zulassung nicht mehr in Verkehr gebracht werden darf (§ 6 Medizinproduktgesetz - MPG -). Insoweit dürfte die Klinik in Halle das Gerät nicht mehr an den Kläger weitergeben. Falls die Freehand Prothese beziehungsweise ein anderes Gerät, wie zu Prof. Gerner in Aussicht gestellt, erneut auf den Markt kommt und der Hersteller die Gewähr dafür übernimmt, dass Reparaturen vorgenommen werden, dass Ersatzteile verfügbar sind, dass eine Beratung erfolgt und dass die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche eingehalten werden, bleibt es dem Kläger unbenommen, einen neuen Antrag zu stellen.
Die Berufung der Beklagten musste mit der Kostenfolge aus § 193 SGG Erfolg haben.
Für die Zulassung der Revision ist keiner der in § 160 Abs. 2 SGG dargelegten Gründe gegeben.
Rechtskraft
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