L 22 R 280/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RA 182/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 280/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 22. März 2005 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zugehörigkeit ihres verstorbenen Ehemannes zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz – AvtI - für die Zeit vom 06. Mai 1970 bis zum 30. Juni 1990 und Berücksichtigung der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte.

Die Klägerin ist die Witwe des im 1942 geborenen und am 1999 verstorbenen Versicherten K M V ... Dieser erwarb am 06. Mai 1970 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen. Er war dann in seinem Beruf zuletzt bis zum 28. Juni 1990 beim volkseigenen Betrieb VEB PCK S beschäftigt. Am 28. Juni 1990 wurde die Petrolchemie und Kraftstoffe AG S in das Handelsregister beim Amtsgericht Frankfurt (Oder) als Rechtsnachfolgerin des VEB PCK S eingetragen. Ebenfalls an diesem Tage wurde der VEB PCK S aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft gelöscht.

Eine Versorgungszusage über Ansprüche auf Leistungen aus einer Zusatzversorgung erhielt der V. bis zum 30. Juni 1990 nicht.

Den Antrag der Klägerin vom 01. Februar 2003 auf die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. November 2003 mit der Begründung ab, da der V. am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Betrieb, sondern in einer Aktiengesellschaft tätig gewesen sei, gehöre er nicht zum Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten.

Hiergegen legte die Klägerin am 29. Dezember Oktober 2003 Widerspruch ein und führte aus, die Privatisierung sei nach dem Ausscheiden des V. erfolgt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, die Individualumstände der Privatisierung der ehemals volkseigenen Betriebe sei nicht zu berücksichtigen; es komme ausschließlich auf die amtliche Eintragung im Handelsregister und die Löschung im Register der volkseigenen Wirtschaft an.

Hiergegen hat sich die am 08. März 2004 beim Sozialgericht Neuruppin erhobene Klage gerichtet, mit der die Klägerin zusätzlich dargelegt hat, es sei nicht zwischen volkseigenen Betrieben mit dem Statut eines VEB oder dem eines Kombinats oder einer Aktiengesellschaft zu unterscheiden. Ausschlaggebend sei, ob die Betriebe aus materieller Sicht volkseigen waren und als solche behandelt worden seien.

Die Beklagte ist dem unter Hinweis auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegengetreten und hat ergänzend vorgetragen, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts BSG , aus der sich allein ein Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung in ein geschlossenes Zusatzversorgungssystem ergeben könne, komme es darauf an, ob am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen, also auch die Eintragung in das Register der volkseigenen Wirtschaft, vorgelegen hätten.

Der Beklagten und dem Bevollmächtigten der Klägerin ist aus einer Vielzahl von Parallelverfahren (z. B. L 22 R 100/05 und L 22 R 284/05) der Auszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft beim Amtsgerichts Frankfurt (Oder) Altregister zum VEB PCK S und ein Auszug aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt (Oder), HRB 110, bekannt.

Mit Urteil vom 22. März 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der V. habe am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Betrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb, sondern in einer Aktiengesellschaft gearbeitet. Nach der Rechtsprechung des BSG Urteil vom 09. April 2002, Aktenzeichen B 4 RA 03/02 R komme es nicht darauf an, aus welchen Gründen der Beschäftigungsbetrieb VEB oder privatrechtliche Gesellschaft sei.

Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28. April 2005 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 04. Mai 2005, mit der das Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft wird.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 22. März 2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2004 zu verpflichten, die Zeit vom 06. Mai 1970 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und durch die Rechtsprechung des BSG für bestätigt.

Den Beteiligten ist mit Verfügung vom 19. Juli 2005 mitgeteilt worden, dass eine Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz SGG in Betracht kommt. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (), der Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 26. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2004 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Zeit vom 06. Mai 1970 bis zum 30. Juni 1990 in der Versicherung des V. unter Berücksichtigung der erzielten Arbeitsentgelte als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI feststellt, denn der V. hat eine Anwartschaft aufgrund einer Zugehörigkeit zur AVtI nicht erworben.

Nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 AAÜG hat der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehören auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet, die Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben, und insbesondere die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, und die als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung gelten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG).

Solche Zeiten der Zugehörigkeit liegen nach § 4 Abs. 5 AAÜG vor, wenn eine in einem Versorgungssystem erworbene Anwartschaft bestanden hatte (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 AAÜG). Eine solche Anwartschaft setzt die Einbeziehung in das jeweilige Versorgungssystem voraus. Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG genügt es grundsätzlich nicht, dass ein Anspruch auf Einbeziehung bestand, soweit dieser nicht auch verwirklicht wurde. Wie der Wortlaut dieser Vorschrift zeigt, wird allein auf Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem abgestellt. Dies setzt zwingend voraus, dass der Berechtigte tatsächlich in ein Versorgungssystem einbezogen worden war. Von diesem Grundsatz macht lediglich § 5 Abs. 2 AAÜG eine Ausnahme. Danach gelten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem auch Zeiten, die vor Einführung eines Versorgungssystems in der Sozialpflichtversicherung zurückgelegt worden sind, wenn diese Zeiten, hätte das Versorgungssystem bereits bestanden, in dem Versorgungssystem zurückgelegt worden wären.

Eine solche Einbeziehung erfolgte in der AVtI grundsätzlich durch eine Entscheidung des zuständigen Versorgungsträgers der DDR. Lag sie am 30. Juni 1990 vor, hatte der Begünstigte durch diesen nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakt eine Versorgungsanwartschaft. Einbezogen war aber auch derjenige, dem früher einmal eine Versorgungszusage erteilt worden war, wenn diese durch einen weiteren Verwaltungsakt in der DDR wieder aufgehoben worden war und wenn dieser Verwaltungsakt nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EV unbeachtlich geworden ist; denn dann galt die ursprüngliche Versorgungszusage fort. Gleiches gilt für eine Einbeziehung durch eine Rehabilitierungsentscheidung (Art. 17 EV). Schließlich gehörten dem Kreis der Einbezogenen auch diejenigen an, denen durch Individualentscheidung (Einzelentscheidung, zum Beispiel aufgrund eines Einzelvertrages) eine Versorgung in einem bestimmten System zugesagt worden war, obgleich sie von dessen abstrakt-generellen Regelungen nicht erfasst waren. Im Übrigen dies trifft jedoch auf die AVtI nicht zu galten auch ohne Versorgungszusage Personen als einbezogen, wenn in dem einschlägigen System für sie ein besonderer Akt der Einbeziehung nicht vorgesehen war (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 41/01 R).

§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG hat den Kreis der einbezogenen Personen jedoch in begrenztem Umfang erweitert. Er hat damit das Neueinbeziehungsverbot des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe a, wonach die noch nicht geschlossenen Versorgungssysteme bis zum 31. Dezember 1991 zu schließen sind und Neueinbeziehungen vom 03. Oktober 1990 an nicht mehr zulässig sind, sowie den nach EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 zu Bundesrecht gewordenen § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz der DDR, wonach mit Wirkung vom 30. Juni 1990 die bestehenden Zusatzversorgungssysteme geschlossen werden und keine Neueinbeziehungen mehr erfolgen, modifiziert. Danach gilt, soweit die Regelung der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, dieser Verlust als nicht eingetreten. Dies betrifft jedoch nur solche Personen, die auch konkret einbezogen worden waren. Der Betroffene muss damit vor dem 30. Juni 1990 in der DDR nach den damaligen Gegebenheiten in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen sein und aufgrund dessen eine Position wirklich innegehabt haben, dass nur noch der Versorgungsfall hätte eintreten müssen, damit ihm Versorgungsleistungen gewährt worden wären. Derjenige, der in der DDR keinen Versicherungsschein über die Einbeziehung in die AVtI erhalten hatte, hatte nach deren Recht keine gesicherte Aussicht, im Versorgungsfall Versorgungsleistungen zu erhalten (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R in SozR 3 8570 § 1 Nr. 1).

Die AVtI kannte den in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochenen Verlust von Anwartschaften. Nach § 2 Abs. 1, 3 und 4 Zweite Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 - GBl DDR 1951, 487 - (2. DB zur AVtI VO) wurde die zusätzliche Altersversorgung gewährt, wenn sich der Begünstigte im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles in einem Anstellungsverhältnis zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb befand. Erloschene Ansprüche auf Rente lebten wieder auf, wenn spätestens vor Ablauf eines Jahres ein neues Arbeitsverhältnis in der volkseigenen Industrie zustande kam und die Voraussetzungen nach § 1 dieser Durchführungsbestimmung in dem neuen Arbeitsverhältnis gegeben waren. Für die Dauer von Berufungen in öffentliche Ämter oder in demokratische Institutionen (Parteien, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund usw.) erlosch der Anspruch auf Rente nicht.

War der Betroffene in die AVtI einbezogen, endete die zur Einbeziehung führende Beschäftigung jedoch vor dem Eintritt des Versicherungsfalles, ging der Betroffene, vorbehaltlich der oben genannten Ausnahmen, seiner Anwartschaft verlustig.

Das BSG hat wegen der bundesrechtlichen Erweiterung der Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG über die Regelungen der Versorgungssysteme hinaus einen Wertungswiderspruch innerhalb der Vergleichsgruppe der am 30. Juni 1990 Nichteinbezogenen gesehen. Nichteinbezogene, die früher einmal einbezogen gewesen seien, aber ohne rechtswidrigen Akt der DDR nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden gewesen seien, würden anders behandelt als am 30. Juni 1990 Nichteinbezogene, welche nach den Regeln zwar alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hätten, aber aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürften, nicht einbezogen gewesen seien (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R). Wie oben ausgeführt, konnten zwar weder die ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, noch die Betroffenen, die zwar am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatten, tatsächlich aber nicht einbezogen waren, nach den Regelungen der DDR mit einer Versorgung rechnen. Wenn bundesrechtlich jedoch einem Teil dieses Personenkreises, nämlich dem der ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, eine Anwartschaft zugebilligt wird, so muss nach dem BSG § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass eine Anwartschaft auch dann besteht, wenn ein Betroffener aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach den zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen und zwingenden Regelungen eines Versorgungssystems aus bundesrechtlicher Sicht einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte (BSG, Urteile vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 41/01 R). Der aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz GG abgeleitete rechtfertigende sachliche Grund für eine solche Auslegung ist darin zu sehen, dass bundesrechtlich wegen der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Schließung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 angeknüpft wird und es aus bundesrechtlicher Sicht zu diesem Zeitpunkt nicht auf die Erteilung einer Versorgungszusage, sondern ausschließlich darauf ankommt, ob eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war (zu Letzterem Urteile des BSG vom 24. März 1998 B 4 RA 27/97 R und 30. Juni 1998 B 4 RA 11/98 R).

Die oben genannte Rechtsprechung des BSG zum so genannten Stichtag des 30. Juni 1990 hat das BSG mit den weiteren Urteilen vom 18. Dezember 2003 B 4 RA 14/03 R und B 4 RA 20/03 R fortgeführt und eindeutig klargestellt. Im Urteil vom 08. Juni 2004 B 4 RA 56/03 hat das BSG betont, es bestehe kein Anlass, diese Rechtsprechung zu modifizieren. An dieser Rechtsprechung hat das BSG mit Urteil vom 29. Juli 2004 B 4 RA 12/04 R festgehalten. Eine Anwartschaft im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, die eine Zugehörigkeit zum Versorgungssystem begründet, beurteilt sich allein danach, ob zum Zeitpunkt des 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine Einbeziehung vorgelegen haben.

Mit der oben genannten Rechtsprechung befindet sich das BSG nicht im Widerspruch zu seinen Urteilen vom 24. März 1998 B 4 RA 27/97 R und 30. Juni 1998 B 4 RA 11/98 R. In jenen Urteilen wird zwar nicht auf den 30. Juni 1990 abgestellt. Dies rührt ersichtlich daher, dass bereits durch den Zusatzversorgungsträger jeweils Zeiten der Zugehörigkeit bis zum 30. Juni 1990 festgestellt waren und lediglich um einen vor dem Zeitpunkt der Aushändigung beziehungsweise Gültigkeit der ausgehändigten Urkunde gestritten wurde. Diese Entscheidungen betrafen somit tatsächlich Einbezogene. Allerdings haben diese Urteile zu erheblichen Missverständnissen geführt, die unter anderem zur Folge hatten, dass seitens des Versorgungsträgers aber auch durch Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Zeiten der Zugehörigkeit, insbesondere zur AVtI, entgegen der tatsächlichen Rechtslage festgestellt wurden. Insbesondere die Formulierung, die Typisierung solle immer dann Platz greifen, wenn in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt (nicht notwendig noch zum 01. Juli 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden sei, derentwegen ein Zusatz- oder Sonderversorgungssystem errichtet gewesen sei, ist hierfür maßgebend gewesen. Dabei wurde jedoch verkannt, dass das BSG damit ausschließlich Zeiten von tatsächlich einbezogenen Berechtigten hat erfassen wollen. Über sonstige, nicht einbezogene Berechtigte, die also keinen Versicherungsschein erhalten hatten, hat das BSG mit diesen Urteilen überhaupt nicht entschieden.

Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, lagen bei dem V. am 30. Juni 1990 nicht die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVtI vor.

Nach § 1 Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR 1950, 844) - AVtI-VO wurde für die Angehörigen der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben über den Rahmen der Sozialpflichtversicherung hinaus eine Versorgungsversicherung eingeführt.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 2. DB zur AVtI-VO galten als Angehörige der technischen Intelligenz im Sinne des § 1 AVtI-VO Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete, wie Ingenieure und Techniker des Bergbaus, der Metallurgie, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, der Feinmechanik und Optik, der Chemie, des Bauwesens und Statiker. Darunter fallen auch Ingenieurökonomen.

Den volkseigenen Produktionsbetrieben waren gleichgestellt: Wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute; Versuchsstationen; Laboratorien; Konstruktionsbüros; technische Hochschulen; technische Schulen; Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergbauschulen; Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens; Maschinenausleihstationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie); Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien (§ 1 Abs. 2 2. DB AVtI-VO).

Der V. mag zwar am 30. Juni 1990 als Ingenieurökonom eine einem Ingenieur entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Er war jedoch an diesem Tage nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einer gleichgestellten Einrichtung der DDR beschäftigt. Er hatte daher keine Anwartschaft erworben.

Dass es den von der Klägerin angenommenen Begriff eines "inhaltlichen" VEB gebe und nicht darauf abzustellen sei, ob ein Betrieb in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen war oder nicht, sondern darauf, wem der Betrieb gehörte, vermag den erkennenden Senat nicht zu überzeugen. Das BSG hat entschieden, dass die Interflug GmbH kein volkseigener Betrieb im hier maßgeblichen Sinne sei (BSG, Urteil vom 09. April 2002). Auch die Interflug war zu 100 % in Staatseigentum, aus formalen Gründen jedoch nicht als VEB, sondern als GmbH organisiert. Dem folgt der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 08. Februar 2005, im Internet abrufbar; z. B. L 22 RA 158/04).

Der V. wird nicht in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG berührt. Dazu hat das BSG im Urteil vom 09. April 2002 B 4 RA 3/02 R bereits entschieden, dass eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme am 30. Juni 1990 gegebenen (abstrakt-generellen) Regelungen der DDR, auch soweit sie in sich willkürlich seien, durch die vollziehende oder die rechtsprechende Gewalt nicht zulässig sei. Der EV habe grundsätzlich nur die Übernahme zum 03. Oktober 1990 bestehender Versorgungsansprüche und anwartschaften von "Einbezogenen" in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten (vgl. Anlage II zum EV, a. a. O., Nr. 9 Buchstabe a, und Nr. 8 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz der DDR). Eine Erweiterung des einbezogenen Personenkreises durch die vollziehende Gewalt oder die Rechtsprechung wäre im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG, wonach die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind, verfassungswidrig.

Eine weitergehende verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also von bundesdeutschem Recht, ist nicht geboten. Ein Wertungswiderspruch entsteht nicht dadurch, dass für den V. keine Zeiten der Zugehörigkeit zur AVtI festgestellt werden, denn er hatte nie eine Rechtsposition inne, die mit der der beiden oben genannten Personengruppen vergleichbar war. Das Verbot der Neueinbeziehung würde unterlaufen, wenn § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, ohne dass dies von Verfassungs wegen geboten ist, erweiternd ausgelegt würde (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R).

Die Berufung der Klägerin muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved