Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 24/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 39/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 08. März 2005 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 15. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2003 verurteilt, die zukünftig entstehenden Kosten für das Arzneimittel "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) zu übernehmen. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten das Arzneimittel "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone).
Die 1981 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, leidet an Friedreich’scher Ataxie und im Rahmen dieser Erkrankung unter anderem an Kardiomyopathie.
Am 24. Oktober 2001 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für das Medikament "Mnesis". Sie habe am 02. November 2000 nach Rücksprache mit ihrem behandelnden Arzt Dr. G und unter Verlaufskontrolle durch Dr. K selbständig eine Therapie mit diesem Medikament begonnen, welches in verschiedenen Ländern bei der Behandlung der Kardiomyopathie bei Friedreich’scher Ataxie angewandt werde. Die Therapie habe einen objektiv nachweisbaren positiven Effekt bewirkt. Ein Absetzen des Medikaments würde zu einer Verschlechterung führen. Die Klägerin legte die Berichte des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. G unter anderem vom 07. Dezember 2001 sowie des Chefarztes der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin - Kinderkardiologie des Klinikums B Dr. K vom 27. Oktober 2000, 01. März 2001 und 20. September 2001, außerdem weitere Unterlagen zu diesem Medikament vor.
Die Beklagte veranlasste die Stellungnahmen beziehungsweise Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) der Ärzte H vom 18. November 2001, Dr. D vom 14. Dezember 2001 und T vom 22. März 2002.
Mit Bescheid vom 15. April 2002 lehnte die Beklagte die Versorgung mit dem Medikament "Mnesis" ab. Dieses Arzneimittel sei in Deutschland nicht zugelassen. In den Ländern Italien und Portugal bestehe eine Zulassung lediglich für die Indikation zerebrale und vaskuläre Degeneration. Ein Wirksamkeitsnachweis liege nicht vor.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) B 1 KR 37/00 R geltend, sie habe einen Anspruch auf dieses Arzneimittel, denn sie leide an einer schweren Krankheit, für die es keine andere Therapie gebe. Es lägen zuverlässige und wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen über die Wirksamkeit vor und es bestehe in Fachkreisen Konsens über die Anwendung von Idebenone bei Patienten mit der Friedreich’scher Ataxie. Die Klägerin legte den Bericht des Dr. K vom 08. Mai 2002 und verschiedene Auszüge aus Veröffentlichungen vor.
Die Beklagte holte die Stellungnahmen des MDK der Ärzte R vom 11. Juni 2002 und Dr. F vom 11. November 2002 ein und wies mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2003 den Widerspruch zurück: Eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung komme auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R in Betracht, denn die Wirksamkeit des Medikaments "Mnesis" sei nicht ausreichend bewiesen. Der Nutzen von Idebenone werde von der Deutschen Heredo Ataxie-Gesellschaft (DHAG) bei der hier vorliegenden Erkrankung ebenfalls sehr kritisch gesehen. Insbesondere werde auf die mangelnde Studienlage bezüglich Langzeitnebenwirkungen verwiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 27. Februar 2004 beim Sozialgericht Potsdam Klage erhoben.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass nach der Rechtsprechung des BSG zum so genannten Off Label Gebrauch von Medikamenten Anspruch auf Gewährung des begehrten Medikaments bestehe. Bei der Friedreich’schen Ataxie handele es sich um eine Erkrankung des Kleinhirns und Rückenmarks mit Schwund der Nervenbahnen und dadurch verursachten Störungen der Bewegungsabläufe, der Motorik, des Sehens und der Sprache sowie um eine Herzerkrankung (Kardiomyopathie). Diese Krankheit sei selten und trete mit einer Häufigkeit von einer bis zwei Erkrankungen je 100 000 Neugeborene auf. In Kombination mit einer Kardiomyopathie sei die Häufigkeit noch geringer. Die Kardiomyopathie sei hierbei die eigentliche lebensbegrenzende Komplikation der Friedreich’schen Ataxie. Der Wirkstoff Idebenone gehöre zu den so genannten "orphan drugs", die EU weit zur Behandlung seltener Krankheiten anerkannt seien. Die Anerkennung basiere auf der EU Verordnung Nr. 141/2000 vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden. Der Wirkstoff sei danach für die Behandlung der Friedreich’schen Ataxie zugelassen. Bei Medikamenten, die durch die EU als "orphan drugs" legitimiert seien, bedürfe es keiner weiteren sozialgerichtlichen Aufklärung der Schwere der Erkrankung und des Vorliegens von Behandlungsalternativen. Hinsichtlich des vom BSG geforderten Wirksamkeitsnachweises sei für diese Arzneimittel ein abgeschwächter Maßstab zugrunde zu legen. Die Beklagte beziehe sich im Übrigen bezüglich der Wirksamkeitseinschätzung auf einen längst nicht mehr aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion. So verweise die DHAG gerade auf die geringen Nebenwirkungen von Idebenone. Mittlerweile seien weitere Studien durchgeführt und deren Ergebnis veröffentlicht worden. Die Klägerin habe das Medikament bisher aus Italien bezogen, da es in der Internationalen Apotheke doppelt so teuer sei. Sie hat verschiedene Aufsätze zur Friedreich’chen Ataxie und zum Arzneimittel "Mnesis" sowie mehrere Quittungen vorgelegt.
Die Beklagte hat sich auf die Stellungnahme des MDK des Dr. F vom 11. September 2003 bezogen.
Das Sozialgericht hat den Befundbericht des Facharztes für Kinderkrankheiten Dr. G vom 14. April 2004 eingeholt, dem weitere ärztliche Unterlagen beigefügt gewesen sind.
Mit Urteil vom 08. März 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Es liege kein Fall einer zulassungsüberschreitenden Anwendung im Sinne des so genannten Off Label Use vor, da das Medikament "Mnesis" eine Zulassung weder in Deutschland noch nach EU Recht besitze, so dass die Rechtsprechung des BSG vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R nicht einschlägig sei (BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 B 1 KR 21/02 R ). Es könne auch nicht von einem seltenen Krankheitsfall im Sinne der Rechtsprechung des BSG vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R ausgegangen werden. Nach den vorliegenden Unterlagen trete die Erkrankung im Verhältnis 1: 50 000 auf, so dass man in Deutschland von 1 400 bis 1 600 Fällen ausgehen könne. Diese Anzahl sei ausreichend, um das Medikament "Mnesis" in Studien zu prüfen. Nach den vorliegenden Unterlagen werde das Medikament jedoch erst seit zirka drei Jahren getestet. Damit seien die Wirksamkeit und insbesondere der Ausschluss von negativen Nebenwirkungen derzeit noch nicht ausreichend wissenschaftlich belegt, auch wenn im Ergebnis zweier Arbeitsgruppen mit 38 beziehungsweise drei Patienten und unter Berücksichtigung des Einzelfalles der Klägerin nach den Ärzten Dr. G und Dr. K die deutliche Verbesserung der kardialen Funktion mit hoher Sicherheit einzig und allein auf die Idebenone Therapie zurückzuführen sei.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 14. April 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. Mai 2005 eingelegte Berufung der Klägerin.
Sie trägt vor: Es sei unverständlich, wie das Sozialgericht die Zahl von 1 400 bis 1 600 Krankheitsfällen in Deutschland ermittelt habe. Offenbar sei hierbei schlicht die Einwohnerzahl Deutschlands mit der unterstellten Krankheitswahrscheinlichkeit von 1: 50 000 ins Verhältnis gesetzt worden. Eine solche Berechnung sei bereits deshalb unzulässig, weil die an dieser Krankheit leidenden Menschen eine weit geringere Lebenserwartung als Durchschnittsbürger hätten. Es sei vielmehr von einer Seltenheitserkrankung auszugehen. Dazu könne auf die EU Verordnung Nr. 141/2000 abgestellt werden. Danach gelte eine Erkrankung, die mit einer Häufigkeit von nicht mehr als fünf von 10 000 Personen auftrete, als selten. Dass Medikamente für seltene Erkrankungen keine arzneimittelrechtliche Zulassung besäßen, resultiere in erster Linie aus der Tatsache, dass die kostenaufwändigen Zulassungsstudien und verfahren bei einer geringen Zahl möglicher Konsumenten für die Pharmaindustrie unrentabel seien. Der Wirkstoffe Idebenone gehöre zu den so genannten "orphan drugs" auf der Grundlage der genannten EU Verordnung. Im EU Verzeichnis sei dieser Wirkstoff für die Behandlung der Friedreich’schen Ataxie zugelassen. Es dürfe nicht allein auf die arzneimittelrechtliche Zulassung eines Medikaments ankommen, denn ansonsten würde die genannte EU Verordnung völlig ins Leere laufen. Diese gehe gerade davon aus, dass das marktwirtschaftlich orientierte System der Arzneimittelzulassung nicht funktioniere, wenn es sich um seltene Leiden handele, für die wegen der geringen Zahl der Erkrankten weder ein ausreichender Anreiz für die Herstellung von Arzneimitteln bestehe noch die Datenbasis für die im Zulassungsverfahren geforderten Studien vorhanden sei. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts existierten eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die sämtlich den Nutzen dieser Behandlung belegten (so Rustin, August 1999, Studie mit drei Patienten, Schöls, Juni 2001, Studie mit neun Patienten, Rustin, April 2000, Studie mit 38 Patienten, Hausse, April 2002, Studie mit 38 Patienten, Artuch, August 2002, Studie mit neun Patienten, Bunse, 2003, Studie mit elf Patienten, und Mariotti, Mai 2003, randomisierte Studie mit 29 Patienten). Diesen Publikationen sei zu entnehmen, dass in einschlägigen Fachkreisen Konsens über den Nutzen dieser Behandlung bestehe. Zwischenzeitlich sei das Medikament "Mnesis" in der Schweiz mit Wirkung vom 12. Mai 2004 befristet zur Behandlung der nicht dilatativen Kardiomyopathie bei Friedreich’scher Ataxie zugelassen worden, wie dem beigefügten amtlichen Publikationsorgan des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic 5/2004 zu entnehmen sei. Die dauerhafte Verweigerung dieses Arzneimittels, das gegenwärtig von der Klägerin nicht eingenommen werde, weil sie die Kosten dafür nicht aufbringen könne, verletze das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG). Mit diesem Medikament sei es gelungen, das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen. Ohne dieses Medikament werde ihr Leben verkürzt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 08. März 2005 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 15. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2003 zu verurteilen, der Klägerin das Arzneimittel "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) als Sachleistung zu gewähren,
hilfsweise, zukünftig entstehenden Kosten für dieses Medikament zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Auskünfte des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 30. August 2005 und 26. September 2005 eingeholt sowie unter anderem Beweis erhoben durch das schriftliche Sachverständigengutachten nach Aktenlage des Neurologen Prof. Dr. K vom 05. Januar 2006.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird unter anderem auf Bl. 170 bis 182 der Gerichtsakten verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 15. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2003 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat zwar keinen Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) als Sachleistung, denn die Beklagte kann diesen Anspruch derzeit nicht erfüllen, weil dazu erst die leistungserbringungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen. In einem solchen Fall ist die Beklagte jedoch verpflichtet, die zukünftig entstehenden Kosten für dieses Arzneimittel zu übernehmen.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in entsprechender Anwendung in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V.
Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse über einen Leistungsanspruch sind grundsätzlich nur in zwei Konstellationen denkbar. Entweder klagt der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als Sachleistung oder er beschafft sich die Behandlung privat auf eigene Rechnung und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten (BSG, Urteil vom 09. Oktober 2001 B 1 KR 6/01 R, abgedruckt SozR 3 2500 § 13 Nr. 25). Ausnahmsweise kann eine Kostenerstattung bei noch nicht durchgeführter Behandlung auch dann in Betracht kommen, wenn die begehrte Leistung nicht vom EBM erfasst wird (BSG, Urteil vom 03. April 2001 - B 1 KR 40/00 R, abgedruckt in SozR 3 2500 § 27 a Nr. 3).
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).
Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Der Kostenerstattungsanspruch reicht hierbei nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R und vom 18. Mai 2004 B 1 KR 21/02 R ; BSGE 79, 125, 126 = SozR 3 2500 § 13 Nr. 11 m. w. N.).
Die Klägerin hat grundsätzlich Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel "Mnesis" als Sachleistung. § 13 Abs. 3 SGB V ist seinem Wortlaut nach allerdings nicht erfüllt. Ein Kostenerstattungsanspruch setzt nämlich eine tatsächliche Kostenbelastung des Versicherten, mindestens in Gestalt einer entsprechenden Verbindlichkeit, voraus (vgl. BSG, Urteil vom 03. April 2001 B 1 KR 40/00 R , abgedruckt in SozR 3 2500 § 27 a Nr. 3). Diese Voraussetzung liegt notwendigerweise nicht vor, solange wie hier der Versicherte einen entsprechenden Kaufvertrag über das streitige Arzneimittel, aus dem sich eine Zahlungsverpflichtung ergibt, noch nicht geschlossen hat. Kann allerdings der an sich bestehende Sachleistungsanspruch von der Krankenkasse nicht erfüllt werden, weil dazu erst die leistungserbringungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, besteht seitens des Versicherten ein Bedürfnis an einer Kostenübernahme durch die Krankenkasse, denn diese hat dem Versicherten eine zustehende Sachleistung grundsätzlich kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Es ist einem Versicherten, der insbesondere die Kosten für die begehrte Sachleistung nicht aufbringen kann, nicht zuzumuten, vorab einen Vertragspartner zu suchen, der bereit ist, die begehrte Leistung unter gleichzeitiger Stundung der dafür entstehenden Kosten zu erbringen. Vielmehr muss der Versicherte bei einem solchen Sachverhalt verlangen können, dass die Krankenkasse die Kosten vorab übernimmt und unmittelbar mit dem Leistungserbringer abrechnet (BSG, Urteil vom 03. April 2001 B 1 KR 40/00 R ).
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V).
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Die Beklagte kann diese Sachleistung mangels Vorliegens der leistungserbringungsrechtlichen Voraussetzungen derzeit nicht erbringen.
Das Arzneimittel "Mnesis" wird vom Arzneimittelbegriff dieser Vorschrift erfasst.
Nach der Rechtsprechung des BSG sind Präparate, die als Fertigarzneimittel im Sinne von § 4 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) von der Grunddefinition des § 2 Abs. 1 AMG erfasst werden und nach § 21 Abs. 1 AMG der Arzneimittelzulassungspflicht unterliegen, grundsätzlich als Arzneimittel im Sinne der §§ 27, 31 SGB V anzusehen (BSG, Urteil vom 27. September 2005 - B 1 KR 6/04 R m. w. N.).
Nach § 2 Abs. 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper 1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaft Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, 2. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen, 3. vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen, 4. Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder 5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.
Fertigarzneimittel sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AMG Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden.
Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 2 Nr. 1 AMG sind, dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das In Verkehr Bringen gemäß Art. 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel Agentur (ABl EU Nr. L 136 Seite 1) erteilt hat (§ 21 Abs. 1 Satz 1 AMG).
Soweit es um Fertigarzneimittel geht, bestimmt § 21 Abs. 2 Nr. 6 AMG, dass es einer Zulassung nicht für Arzneimittel bedarf, die unter den in Art. 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 genannten Voraussetzungen für eine Anwendung bei Patienten zur Verfügung gestellt werden, die an einer zu einer schweren Behinderung führenden Erkrankung leiden oder deren Krankheit lebensbedrohend ist, und die mit einem zugelassenen Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können.
Art. 83 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl Nr. L 136 vom 30. April 2004 Seite 1) bestimmt insoweit, dass abweichend von Art. 6 der Richtlinie 2001/83/EG die Mitgliedsstaaten ein Humanarzneimittel, das zu den Kategorien im Sinne des Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung gehört, für einen "compassionate Use" zur Verfügung stellen können. "Compassionate Use" bedeutet hierbei, dass ein den Kategorien des Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung zugehöriges Arzneimittel aus humanen Erwägungen einer Gruppe von Patienten zur Verfügung gestellt wird, die an einer zu Invalidität führenden chronischen oder schweren Krankheit leiden oder deren Krankheit als lebensbedrohend gilt und die mit einem genehmigten Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können. Das betreffende Arzneimittel muss entweder Gegenstand eines Antrags auf Erteilung einer Genehmigung für das In Verkehr Bringen nach Art. 6 dieser Verordnung oder Gegenstand einer noch nicht abgeschlossenen klinischen Prüfung sein.
Das Präparat "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) ist danach ein der Arzneimittelzulassungspflicht unterliegendes Fertigarzneimittel.
Nach dem amtlichen Publikationsorgan des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic 5/2004 ist dieses Präparat zur Behandlung der manifesten nicht dilatativen Kardiomyopathie bei Patienten und Patientinnen mit Friedreich Ataxie bestimmt, soll also im menschlichen Körper Krankheiten heilen oder lindern. Es wird in Form von Filmtabletten im Voraus hergestellt und in bestimmten Packungsgrößen in den Verkehr gebracht. In der Schweiz wurde "Mnesis" am 12. Mai 2004 befristet für die genannte Indikation zugelassen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K vom 05. Januar 2006 wurde dieses Arzneimittel zunächst zur Behandlung der Alzheimer Demenz vermarktet. Nachdem eine größere, in den USA durchgeführte Studie jedoch die Wirksamkeit von Idebenone bei Alzheimer Demenz nicht nachweisen konnte, wurde das dortige Zulassungsverfahren von der Firma T nicht weiter verfolgt und die Rechte an dieser Substanz gingen an eine kleinere Firma über. Nach dem MDK Gutachten des Arztes T vom 22. März 2002 war es bis dahin lediglich in Italien und Portugal sowie zwei nicht im Einzelnen genannten Ländern Südamerikas für die Indikation einer Behandlung der zerebralen und vaskulären Degeneration zugelassen.
Das Arzneimittel "Mnesis" ist für keine der genannten Indikationen durch die zuständige Bundesoberbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (§ 77 Abs. 1 AMG) national oder die zuständigen Stellen der europäischen Institutionen für den Bereich der Europäischen Union zugelassen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat in seinen Auskünften vom 30. August 2005 und 26. September 2005 das Vorliegen solcher Zulassungen nicht bestätigen können. Da das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugleich nach § 80 Satz 1 Nr. 3 a AMG zuständige Bundesoberbehörde im Fall des In Verkehr Bringens in Härtefällen nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AMG in Verbindung mit Art. 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 ist, ist zugleich ausgeschlossen, dass das Arzneimittel "Mnesis" im Wege eines "compassionate Use" nach dem AMG verkehrsfähig ist.
Dem steht nicht entgegen, dass in Art. 1 der Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 08. März 2004 K (2004) 815 , welche nach Art. 3 dieser Entscheidung an den Investor Promedipharm GmbH in 64625 Bensheim/Bergstraße, Deutschland gerichtet ist, das Arzneimittel "Idebenone" für das seltene Anwendungsgebiet Therapie der Friedreich’schen Ataxie als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen und unter der Nr. EU/3/04/189 in das Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden eingetragen wird. Diese Entscheidung beruht auf der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl Nr. L 18 vom 22. Januar 2000 Seite 1) und der dazu ergangenen Verordnung (EG) Nr. 847/2000 der Kommission vom 27. April 2000 zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe "ähnliches Arzneimittel" und "klinische Überlegenheit" (ABl Nr. L 103 vom 28. April 2000 Seite 5). Nach Art. 1 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 ist es Ziel dieser Verordnung, ein Gemeinschaftsverfahren für die Ausweisung von Arzneimitteln als Arzneimittel für seltene Leiden festzulegen und Anreize für die Erforschung, Entwicklung und das In Verkehr Bringen von als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimitteln zu schaffen. Nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 wird ein Arzneimittel als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen, wenn der Investor nachweisen kann, dass a) das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines Leidens bestimmt ist, das lebensbedrohend ist oder eine chronische Invalidität nach sich zieht und von dem zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinschaft nicht mehr als fünf von 10 000 Personen betroffen sind, oder das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines lebensbedrohenden Leidens, eines zu schwerer Invalidität führenden oder eines schweren und chronischen Leidens in der Gemeinschaft bestimmt ist und dass das In Verkehr Bringen des Arzneimittels in der Gemeinschaft ohne Anreize vermutlich nicht genügend Gewinn bringen würde, um die notwendigen Investitionen zu rechtfertigen, und b) in der Gemeinschaft noch keine zufrieden stellende Methode für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung des betreffenden Leidens zugelassen wurde oder dass das betreffende Arzneimittel sofern eine solche Methode besteht für diejenigen, die von diesem Leiden betroffen sind, von erheblichem Nutzen sein wird. Nach Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 stellt der Investor bei der Agentur (Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln, Art. 2 Buchstabe d Verordnung [EG] Nr. 141/2000) in einem beliebigen Stadium der Entwicklung eines Arzneimittels einen entsprechenden Antrag, um die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden zu erhalten. Auf der Grundlage des endgültigen Gutachtens des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden bei der Agentur (Art. 4 Abs. 1 Verordnung [EG] Nr. 141/2000) trifft die Kommission die Entscheidung über die Ausweisung. Ergeht die Entscheidung im Sinne des Antragstellers, wird das Arzneimittel in das Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden eingetragen (Art. 5 Abs. 8 und 9 Verordnung [EG] Nr. 141/2000).
Mit der oben genannten Entscheidung der Kommission vom 08. März 2004 ist dies für das Arzneimittel "Idebenone" erfolgt.
Daraus ergibt sich jedoch nicht bereits die Verkehrsfähigkeit und damit die Zulassung dieses Arzneimittels hier mit der Bezeichnung "Mnesis" zur Behandlung der Friedreich schen Ataxie. Vielmehr kann nach Art. 7 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 die für das In Verkehr Bringen eines Arzneimittels für seltene Leiden zuständige Person beantragen, dass die Genehmigung für das In Verkehr Bringen des betreffenden Arzneimittels nach der Verordnung (EG) Nr. 2309/93 (zwischenzeitlich ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 726/2004) von der Gemeinschaft erteilt wird, ohne dass sie nachweisen muss, dass das Arzneimittel den Bedingungen von Teil B des Anhangs jener Verordnung entspricht. Soweit eine Genehmigung für das In Verkehr Bringen erteilt wird, gilt diese ausschließlich für solche therapeutische Anwendungsgebiete, die den Kriterien des Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 entsprechen (Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Verordnung [EG] Nr. 141/2000).
An einer solchen Genehmigung fehlt es jedoch, wie bereits dargelegt.
Wenn ein bestimmtes Arzneimittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese Zulassung nicht besteht, mangelt es aber grundsätzlich an der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Zu Qualität und Wirkungsweise eines Arzneimittels muss es zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Dieser Wirksamkeitsnachweis ist im Rahmen eines Arzneimittelzulassungsverfahrens zu erbringen, so dass aus einer nicht bestehenden Zulassung auf eine nicht vorhandene Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit geschlossen werden kann (BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 B 1 KR 21/02 R; BSG, Urteil vom 27. September 2005 - B 1 KR 6/04 R).
Während nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AMG die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder dem Rat der Europäischen Union gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilte Genehmigung für das In Verkehr Bringen, soweit unter anderem in § 21 Abs. 2 AMG auf eine Zulassung abgestellt wird, einer nach § 25 AMG (von der zuständigen Bundesoberbehörde) erteilten Zulassung gleichsteht, gilt als Zulassung im Sinne des § 21 AMG die von einem anderen Staat für ein Arzneimittel erteilte Zulassung (lediglich), soweit dies durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums bestimmt wird (vgl. insoweit auch das Urteil des BSG vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R).
Eine solche Rechtsverordnung ist insbesondere nicht hinsichtlich der in der Schweiz erfolgten Zulassung des Arzneimittels "Mnesis" ersichtlich.
Das für einen Off Label Use vorgesehene Arzneimittel wurde bereits nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts auf seine pharmakologisch-toxikologischen Eigenschaften in einem entsprechenden Zulassungsverfahren überprüft. Diese klinische Prüfung war zwar nur auf die im Zulassungsantrag genannten Anwendungsgebiete bezogen, so dass unerwünschte Wirkungen bei anderen Indikationen nicht ausgeschlossen werden können und auch eine Wirksamkeitsprüfung für den neuen Anwendungsbereich nicht stattfand. Den schon daraus resultierenden Bedenken hinsichtlich der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit kann jedenfalls dadurch begegnet werden, dass ein Off Label Use auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt und zudem auf andere Art und Weise ein Mindestmaß an therapeutischer Wirksamkeit sichergestellt wird (vgl. zu den einzelnen Kriterien BSG, Urteil vom 19. März 2002 - B 1 KR 37/00 R, abgedruckt in SozR 3 2500 § 31 Nr. 8 = BSGE 89, 184). Bereits in jener Entscheidung hat das BSG betont, dass die Rechtsprechung zum Off Label Use nicht auf die Anwendung eines (nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts) gar nicht zugelassenen Arzneimittels übertragen werden kann. Es hat dies damit begründet, dass der Einsatz eines solchen Arzneimittels auf einem strafbaren Verhalten (§ 96 Nr. 5, § 21 Abs. 1 AMG) aufbaut und die Behandlung wegen des Fehlens jedweder Qualitätskontrolle mit einem unkalkulierbaren Risiko etwaiger Gesundheitsschäden behaftet wäre (so auch BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R).
An dieser Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R grundsätzlich festgehalten. Es hat sie allerdings hinsichtlich so genannter Seltenheitserkrankungen (singulärer Krankheitsfälle) modifiziert. Grund dafür ist, dass sich eine solche Erkrankung wegen ihrer Seltenheit regelmäßig einer systematischen wissenschaftlichen Untersuchung entzieht und für sie daher keine wissenschaftlich auf ihre Wirkung überprüfte Behandlungsmethode zur Verfügung stehen wird. Das Krankenversicherungsrecht, das bei der Arzneimittelversorgung anders als bei den übrigen Leistungen der Krankenbehandlung weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung verzichtet und insoweit an das Arzneimittelrecht anknüpft, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Erteilung vom Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikaments abhängig macht (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R), kann bei einer Seltenheitserkrankung keine befriedigende Lösung bieten, weil die Regeln des Arzneimittelzulassungsverfahrens in einem solchen Fall versagen. Das BSG hat es daher für notwendig erachtet, die Leistungspflicht vom arzneimittelrechtlichen Verkehrsverbot des § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG abzukoppeln. Ist das Arzneimittel in einem anderen Staat als Arzneimittel zugelassen, so besteht nach § 73 Abs. 3 Satz 1 AMG die Möglichkeit, es individuell auf ärztliche Verordnung über eine Apotheke aus dem Ausland legal zu beschaffen. Die darin liegende Lockerung des arzneimittelrechtlichen Verkehrsverbots begründet nach der Rechtsprechung des BSG nicht die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels, denn eine Verwendung in einer unbestimmten Zahl von Fällen ist durch die genannte Vorschrift nicht gedeckt. Dies steht jedoch der Leistungspflicht zur Behandlung einer einzigartigen Krankheit in einer außergewöhnlichen medizinischen Situation nicht entgegen.
Voraussetzung für die Leistungspflicht eines (nach innerstaatlichem Recht) nicht zugelassenen Arzneimittels ist nach dem Urteil des BSG vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R, dass 1. es sich um eine einzigartige Erkrankung handelt, die weltweit nur extrem selten auftritt und die 2. deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann, 3. eine notstandsähnliche Situation vorliegt, also eine schwerwiegende lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung behandelt werden soll, für die keine andere Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung steht, 4. zuverlässige pharmakologisch-toxische Daten und aussagekräftige Studien vorliegen müssen, die Unbedenklichkeit und therapeutische Wirksamkeit des Mittels zumindest für andere Krankheiten belegen, und 5. die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse die Annahme rechtfertigen müssen, dass der voraussichtliche Nutzen des Arzneimittels die möglichen Risiken überwiegen wird, wobei anders als nach den Grundsätzen für einen Off Label Use im Urteil des BSG vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R bei einer unerforschbaren singulären Erkrankung positive Forschungsergebnisse beziehungsweise einem bestimmten Standard entsprechende wissenschaftliche Fachveröffentlichungen nicht vorzuliegen brauchen.
Wird dieser Maßstab herangezogen, kommt allerdings die Versorgung der Klägerin mit dem Arzneimittel "Mnesis" nicht in Betracht.
Der Senat geht davon aus, dass eine Erkrankung zu den Seltenheitserkrankungen rechnet, wenn von ihr nicht mehr als fünf von 10 000 Personen betroffen sind. Das BSG hat zwar in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R offen gelassen, bei welcher Prävalenzrate von einer einzigartigen Krankheit auszugehen ist. Es hat allerdings in seiner Entscheidung auf den bereits oben genannten Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 141/2000 hingewiesen. Die Erwägung (Abs. 5 des Vorspanns der Verordnung [EG] Nr. 141/2000), die für die Festlegung des genannten Schwellenwertes im Rahmen dieser EG Verordnung geführt hat, kann in gleicher Weise für die Bestimmung des Vorliegens einer Seltenheitserkrankung herangezogen werden. Danach wird eine Prävalenz von nicht mehr als fünf von 10 000 Personen allgemein als geeigneter Schwellenwert angesehen.
Die genannte Prävalenzrate wird nach dem Sachverständigen Prof. Dr. K bei der Friedreich’schen Ataxie erreicht. Wie er in seinem Gutachten vom 05. Januar 2006 dargelegt hat, gibt es mehrere bevölkerungsbasierte Studien aus südeuropäischen Ländern. Die dabei gefundenen Valenzraten (unter anderem nach L 1995 1,7: 100 000 im Aostatal in Italien, P 1991 4,7: 100 000 in Kantrabien in Spanien) stimmen alle darin überein, dass die Prävalenz der Friedreich’schen Ataxie deutlich unter 50: 100 000 (5: 10 000) liegt. Dieser Sachverständige hat zwar eingeräumt, dass in Deutschland bisher keine epidemische Studie durchgeführt wurde. Gleichzeitig hat er jedoch darauf hingewiesen, dass es keinen Grund gibt anzunehmen, die Häufigkeit in Deutschland stelle sich grundsätzlich anders dar. Dieser Auffassung vermag sich der Senat auch deswegen anzuschließen, weil die in Studien nachgewiesenen Schwellenwerte offensichtlich zu der oben genannten Entscheidung der Kommission vom 08. März 2004, die Friedreich’sche Ataxie als seltenes Leiden zu bewerten, geführt haben. Davon kann deswegen ausgegangen werden, weil nach Art. 2 Nr. 1 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 847/2000 zum Nachweis der genannten Prävalenz, sofern vorhanden, gesicherte Belege beizufügen sind.
Der Senat erachtet die Friedreich’sche Ataxie als eine schwerwiegende (lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende) Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des BSG. Dieselbe Definition einer schwerwiegenden Erkrankung findet sich in Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 141/2000, auch wenn dort die Begriffe "lebensbedrohend" und "chronische Invalidität" nicht eigens unter diesem Oberbegriff zusammengefasst werden. Ein wesentlicher inhaltlicher Unterschied vermag der Senat in dem Begriff "chronische Invalidität" einerseits und "nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensqualität auf Dauer" andererseits nicht zu erkennen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass das BSG insoweit einen strengeren Maßstab anlegt.
Die Entscheidung der Kommission vom 08. März 2004 ist somit bereits wesentliches Indiz dafür, dass die Friedreich’sche Ataxie auch nach der Rechtsprechung des BSG zu den Erkrankungen gehört, die die Annahme einer notstandsähnlichen Situation zulassen, denn nach Art. 2 Nr. 1 Buchstab b Verordnung (EG) Nr. 847/2000 setzte die Entscheidung der Kommission den anhand von wissenschaftlichen oder medizinischen Verweisen erforderlichen Nachweis voraus, dass diese Erkrankung eine solche im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 141/2000 ist. Solches ergibt sich außerdem aus dem Gutachten des Prof. Dr. K vom 05. Januar 2006. Danach ist die Lebenserwartung von Patienten mit dieser Erkrankung erheblich eingeschränkt. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Klägerin, bei der sich diese Erkrankung bereits im siebten Lebensjahr manifestierte (vgl. Epikrise der Fachklinik H vom 21. Januar 2003). Nach dem Sachverständigen beginnt die Friedreich’sche Ataxie im Durchschnitt um das 14. Lebensjahr. Nach den von ihm genannten Studien ist die verringerte Lebenserwartung hinreichend belegt. Danach besteht nach L (1988) eine 10 Jahres Überlebensrate von 96 v. H., eine 20 Jahres Überlebensrate von 80 v. H. und eine 30 Jahres Überlebensrate von 61 v. H. Eigene Untersuchungen des Sachverständigen haben ergeben, dass ein Viertel aller Patienten mit diesem Leiden innerhalb von 34 Jahren nach Krankheitsbeginn verstorben ist (K 1998).
Die weitere Voraussetzung zur Annahme einer notstandsähnlichen Situation, nämlich das Fehlen einer anderen Behandlungsmöglichkeit, steht ebenfalls fest.
Nach dem Sachverständigen Prof. Dr. K ist diese Gesundheitsstörung eine autosomal-rezessiv vererbte Ataxie Krankheit. Bei der 1996 entdeckten Genmutation handelt es sich um die Verlängerung eines Genabschnitts im Frataxin Gen. Infolgedessen kommt es zu einem Mangel von Frataxin im Organismus. Je ausgeprägter die Genverlängerung ist, desto früher beginnt die Krankheit und desto stärker ist sie ausgeprägt. Neben der neurologischen Symptomatik, die fast immer zu einer Rollstuhlpflicht führt, treten unter anderem eine hypertrophe Kardiomyopathie, die auch bei der Klägerin besteht, auf. Der Sachverständige hat bezogen auf die Klägerin wegen des bereits im siebten Lebensjahr manifest gewordenen Krankheitsbeginns und des Vorliegens sämtlicher nicht neurologischer Krankheitsmanifestationen eine schwere Verlaufsform angenommen. Der Mangel an Frataxin führt nach dem Sachverständigen zu einer gestörten mitochondrialen Zellatmung und einem erhöhten oxidativen Stress.
Trotz der von Prof. Dr. K dargestellten Forschungsaktivitäten haben diese bisher nicht zur Entwicklung einer Therapie geführt, deren Wirksamkeit in randomisierten kontrollierten Studien bewiesen werden konnte. Zur Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie wurden zwar Versuche mit Medikamenten wie Beta Blocker oder Kalzium Antagonisten, die durchaus für andere Formen der hypertrophen Therapie eingesetzt werden, unternommen. Eine systematische Untersuchung in größeren Studien fand jedoch bisher dazu nicht statt. Die Studie von C (1986) konnte einen Einfluss von Verapamil, einem Kalzium Antagonisten, nicht belegen. Lediglich K & Z (2005) haben über eine deutliche Abnahme der Myokardhypertrophie bei einem einzelnen Patienten unter einer Hochdosisbehandlung mit dem Beta Blocker Propranolol, das in Deutschland unter verschiedenen Handelsnamen als Medikament zugelassen ist, berichtet. Diese Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K lassen erkennen, dass es eine andere systematisch angewandte und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nachgewiesene Behandlungsmethode nicht gibt.
Die Nutzen Risiko Abwägung fällt ebenfalls zugunsten der Anwendung des Arzneimittels "Mnesis" mit dem Wirkstoff Idebenone aus.
Wie der Sachverständige Prof. Dr. K dargelegt hat, handelt es sich bei dem Wirkstoff Idebenone um eine Substanz, die die Zellatmung verbessert und antioxidativ wirkt. Aufgrund der durch den Mangel an Frataxin hervorgerufenen gestörten mitochondrialen Zellatmung und des erhöhten oxidativen Stresses wurde Ende der 90 er Jahre von R vorgeschlagen, die Friedreich sche Ataxie mit Idebenone zu behandeln. Dieser Wirkstoff ist ein Kurzketten Derivat des Koenzyms Q10, welches endogen in der Atmungskette vorkommt (vgl. auch die MDK Stellungnahme des Arztes R vom 11. Juni 2002 und den von der Klägerin vorgelegten Aufsatz von R "Die Friedreich’sche Ataxie" in Deutsche Medizinische Wochenschrift 125 [2000], 293 bis 295). Nach den Ausführungen des Sachverständigen wurde die Wirkung von Idebenone in mehreren offenen, also nicht durch Gabe eines Placebo Präparates kontrollierten Studien an Patienten mit Friedreich’scher Ataxie überprüft. Diese Studien (R 1999, H 2002 und B 2003) kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass durch diesen Wirkstoff die echokardiografisch gemessene Dicke der Herzwand und des Septums reduziert wird. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass es bis heute lediglich zwei Placebo kontrollierte Studien gibt. Die Studie von S (2001) konnte hierbei eine Verminderung der Herzwanddicke nicht bestätigen. Die andere Studie von M (2003), die nach dem Sachverständigen wegen der vergleichsweisen großen Anzahl (29) von Patienten am aussagekräftigsten ist, hat hingegen eine signifikante Verminderung der echokardiografisch gemessenen Septumdicke und der linksventrikulären Masse gezeigt, während eine Beeinflussung anderer gemessener Ultraschallparameter des Herzens nicht belegt werden konnte.
In keiner der genannten Studien konnten dagegen nach dem Sachverständigen überzeugende Beweise dafür geliefert werden, dass Idebenone auch die neurologische Funktion verbessert.
Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K rechtfertigt aber die Annahme, dass durch das Arzneimittel "Mnesis" mit dem Wirkstoff Idebenone ein Nutzen bei der Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie erzielt werden kann. Dieser Nutzen überwiegt auch die grundsätzlich immer vorhandenen möglichen Risiken bei der Anwendung eines Arzneimittels ohne eine vorangegangene wissenschaftliche Überprüfung in den dafür vorgesehenen arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, sind nämlich bisher beim Einsatz dieses Medikaments weder im Indikationsbereich zerebrale und vaskuläre Degeneration noch im Indikationsbereich hypertrophe Kardiomyopathie bei Friedreich’scher Ataxie irgendwelche ernsthaften Nebenwirkungen beobachtet worden. Der Sachverständige hat hierbei auf eine Studie von F am National Institute of Health in Bethesda (Washington, USA) hingewiesen, bei der Dosen verwendet wurden, die die sonst übliche Dosis um das 15 Fache überschritten, ohne dass hierbei ernsthafte Nebenwirkungen auftraten.
Diese vorliegenden Studienergebnisse haben offenbar eine Expertengruppe der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zu der von dem Sachverständigen genannten Empfehlung (in Leitlinien für Diagnostik und Therapie der Neurologie, Diener 2005) veranlasst. Darin wird bei einzelnen Patienten mit Kardiomyopathie die Gabe von Idebenone bei der Friedreich’schen Ataxie als zu erwägen dargestellt, obwohl sich aus der echokardiografisch gemessenen reduzierten Myokardhypertrophie keine generelle Empfehlung zur Verordnung dieses Medikaments ableiten lässt. Auch im Hinblick darauf sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine fortschreitende Kardiomyopathie häufige Todesursache bei der Friedreich’schen Ataxie ist (vgl. so das amtliche Publikationsorgan des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic 5/2004) hält der Senat die Annahme für gerechtfertigt, dass der voraussichtliche Nutzen der Anwendung des Arzneimittels "Mnesis" die möglichen Risiken überwiegt.
Der Senat lässt dahingestellt, nachdem dieses Arzneimittel seit 12. Mai 2004 in der Schweiz zur Behandlung der nicht dilatativen Kardiomyopathie bei Friedreich’scher Ataxie zugelassen ist, ob zuverlässige pharmakologisch-toxische Daten und aussagekräftige Studien vorliegen, die die Unbedenklichkeit und therapeutische Wirksamkeit dieses Arzneimittels zumindest für andere Krankheiten, also für die ursprüngliche Indikation, belegen. Daran könnten trotz entsprechender Zulassung in Italien und Portugal durchaus Bedenken bestehen, nachdem in einer in den USA durchgeführten Studie eine Wirksamkeit von Idebenone bei Alzheimer Demenz nicht nachgewiesen werden konnte (T 2003) und die Rechte an dieser Substanz zwischenzeitlich von der Firma T an eine kleinere Firma übergingen (so der Sachverständige Prof. Dr. K).
Die weitere Voraussetzung für die Anwendung eines (nach innerstaatlichem Recht) nicht zugelassenen Arzneimittels nach dem Urteil des BSG vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R, wonach es sich bei der Seltenheitserkrankung um eine systematisch nicht erforschbare (und deswegen systematisch nicht behandelbare) Erkrankung handeln muss, liegt hingegen nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K nicht vor. Das BSG hat in seinem Urteil ausdrücklich betont, dass der krankenversicherungsrechtliche Leistungsausschluss infolge des arzneimittelrechtlichen Verkehrsverbots nicht überwunden werden kann, wenn die Erkrankung zwar als seltene Erkrankung anzusehen, sie gleichwohl mit Rücksicht auf ihre Verbreitung erforschbar ist.
Der Sachverständige Prof. Dr. K hat in seinem Gutachten die Erforschbarkeit der Kardiomyopathie im Rahmen der Friedreich’schen Ataxie, zu deren Behandlung das begehrte Arzneimittel eingesetzt werden soll, gerade bejaht. Dies ergibt sich daraus, dass unabhängig von den bereits in der Vergangenheit unternommenen Versuchen einer systematischen Erforschung und Behandlung zurzeit zwei große, randomisierte und kontrollierte Studien, nämliche eine europäische und eine amerikanische, zur Wirksamkeit von Idebenone bei diesem Leiden mit jeweils deutlich mehr als 100 Patienten vorbereitet werden, mit deren Beginn in den ersten Monaten des Jahres 2006 zu rechnen ist. Damit wird hinreichend belegt, dass zumindest die hypertrophe Kardiomyopathie bei der Friedreich’schen Ataxie eine erforschbare Krankheit darstellt. Etwas anderes gilt zwar grundsätzlich für die Friedreich’sche Ataxie als Grunderkrankung. Zur Behandlung dieser Grunderkrankung kommt das Arzneimittel "Mnesis" jedoch schon deswegen nicht in Betracht, weil bisher keinerlei Studien belegt haben, dass damit eine Verbesserung der neurologischen Funktion einhergeht. Damit muss es aber, wie das BSG im Urteil vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R dargelegt hat, bei den strengeren Maßstäben hinsichtlich der Wirksamkeit eines Arzneimittels auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R verbleiben, wonach entweder ein entsprechendes Zulassungsverfahren (nach innerstaatlichem Recht) bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Vielmehr sollen durch die beiden geplanten randomisierten und kontrollierten Studien erst zuverlässige und wissenschaftlich nachprüfbare Tatsachen festgestellt werden, um hinreichende Aussagen über die Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) zu ermöglichen.
Gleichwohl steht der Klägerin das begehrte Arzneimittel nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu, denn diese Vorschrift bedarf einer am Maßstab des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip orientierten verfassungskonformen Auslegung. Veranlassung dazu gibt der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 1 BvR 347/98.
Zwar folgt aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat, regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Dieses Grundrecht gewährt dem Versicherten die freie Selbstbestimmung über ärztliche Heileingriffe und belässt ihm die Entscheidung über die in seinem Fall anzuwendende Therapie. Die aus dieser Grundrechtsnorm resultierende objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor dieses Rechtsgut zu stellen, beschränkt sich darauf, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutz des Grundrechts trifft, die nicht völlig ungeeignet oder völlig unzulänglich sind (vgl. auch BVerfGE 88, 203, 294; 46, 160, 164; 39, 1, 36/42/44). Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt. Es steht somit auch mit dem Grundgesetz in Einklang, wenn das Gesetz bestimmt, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu sein haben und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung darf zudem von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein. Schließlich ist es von Verfassungs wegen nicht verwehrt, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzung sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden zu Lasten der Krankenkassen auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen (so Beschluss des BVerfG vom 06. Dezember 2005, a. a. O.). In gleicher Weise ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Wirtschaftlichkeit einer Leistung mit den Anforderungen des Arzneimittelrechts zu verknüpfen und sie deshalb zu verneinen, weil das Arzneimittel nicht oder noch nicht zugelassen ist. Zwar dienen das Arzneimittelrecht einerseits und die Regelungen des Krankenversicherungsrechts andererseits nicht denselben Zwecken und machen demgemäß die Zulassung von Arzneimitteln zum Verkehr und die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung von verschiedenen Voraussetzungen abhängig. Gleichwohl erscheint es sachlich gerechtfertigt, die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung zu verknüpfen, denn das Zulassungsverfahren nach dem Arzneimittelrecht gewährleistet neben der Unbedenklichkeit auch die Prüfung der Qualität und der Wirksamkeit des jeweiligen Arzneimittels, so dass die Krankenkassen mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung über ein eindeutiges und zugängliches Kriterium bei der Entscheidung über die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels verfügen (so Beschluss des BVerfG vom 05. März 1997 - 1 BvR 1071/95, abgedruckt in NJW 1997, 3085 und SGb 1997, 325).
Allerdings können die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Dies gilt insbesondere in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, denn das Leben stellt einen Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung dar. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Anordnung einer Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht in einem öffentlich-rechtlichen Verband der Sozialversicherung wie hier der Krankenversicherung die allgemeine Betätigungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht unerheblich einengt. Dadurch wird das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG berührt, denn die Freiheit zur Auswahl unter insbesondere Arzneimitteln, die dem Versicherten als Sachleistung zur Verfügung gestellt werden, wird eingeschränkt. In der gesetzlichen Krankenversicherung sind abhängig Beschäftigte mit mittleren und niedrigen Einkommen sowie Rentner pflichtversichert. Sie erfasst mithin Personengruppen, die wegen ihrer niedrigen Einkünfte eines Schutzes für den Fall der Krankheit bedürfen, der durch Zwang zur Eigenvorsorge erreicht werden soll. Das Gesetz geht hierbei davon aus, dass diesen Versicherten regelmäßig erhebliche finanzielle Mittel für eine zusätzliche selbständige Vorsorge im Krankheitsfall und insbesondere für die Beschaffung von notwendigen Leistungen der Krankenbehandlung außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zur Verfügung stehen. Es bedarf daher einer besonderen Rechtfertigung vor Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, wenn diesen Versicherten Leistungen für die Behandlung insbesondere einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung durch gesetzliche Bestimmungen oder durch deren fachgerichtliche Auslegung und Anwendung vorenthalten werden. An einer solchen fehlt es jedoch in den Fällen einer lebensbedrohlichen oder vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheit, für die eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht existiert, der behandelnde Arzt jedoch eine Methode zur Anwendung bringt, die nach seiner Einschätzung im Einzelfall den Krankheitsverlauf positiv zugunsten des Versicherten beeinflusst. Dabei muss es allerdings für die vom Versicherten gewählte Behandlungsmethode ernsthafte Hinweise auf eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf allgemein und im konkreten Einzelfall geben (so Beschluss des BVerfG vom 06. Dezember 2005, a. a. O.).
Der Senat verkennt nicht, dass die genannte Entscheidung des BVerfG im Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 135 Abs. 1 SGB V) ergangen ist und das BVerfG mit Beschluss vom 05. März 1997 (a. a. O.) den Ausschluss eines nicht zugelassenen Arzneimittels von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Behandlung einer Krebserkrankung noch als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen hat. In jener Entscheidung ist allerdings die hier aufgezeigte verfassungsrechtliche Problematik möglicherweise deswegen nicht näher untersucht worden, weil jener Kläger nach den Gründen dieser Entscheidung das verwandte Arzneimittel wohl im vollen Umfang ohne Bezahlung erhalten hatte. Der Beschluss des BVerfG vom 06. Dezember 2005 gibt Anlass anzunehmen, dass das BVerfG zwischenzeitlich von jener früheren Entscheidung abgerückt ist. Das BVerfG verweist nämlich darauf, dass es auch dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht grundsätzlich fremd ist, auf die Wirksamkeit einer Behandlungsmethode im Einzelfall jedenfalls bei seltenen Krankheiten abzustellen. So führt es aus: "Nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V kann der Vertragsarzt Arzneimittel, die aufgrund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise dennoch in medizinisch begründeten Einzelfällen verordnen. Auch das BSG hat sich in seiner jüngeren Rechtsprechung bei einer Krankenbehandlung mit Arzneimitteln einer Einzelfallbetrachtung unter bestimmten Voraussetzungen nicht verschlossen." Mit dieser jüngeren Rechtsprechung ist das Urteil des BSG vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R gemeint, wie der weitere Zusammenhang ergibt.
Die vom BVerfG genannten Voraussetzungen für die gebotene verfassungskonforme Auslegung des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V liegen im Fall der Klägerin vor.
Es gibt ernsthafte Hinweise sowohl allgemein als auch im konkreten Einzelfall der Klägerin, dass mit dem Arzneimittel "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf der hypertrophen Kardiomyopathie bei der Friedreich’schen Ataxie eintritt.
Zum allgemeinen Wirkungszusammenhang hat sich der Sachverständige Prof. Dr. K in seinem Gutachten vom 05. Januar 2006, wie bereits dargelegt, geäußert. Im Hinblick darauf ist es nahe liegend, dass die bei der Klägerin eingetretene Veränderung auf die Behandlung mit dem begehrten Arzneimittel zurückzuführen ist.
Mit der medikamentösen Therapie wurde im November 2000 begonnen (vgl. Bericht des Dr. K vom 01. März 2001). Bei der am 26. Oktober 2000 erfolgten Untersuchung zeigte sich echokardiografisch eine globale Hypertrophie des Myokard und des Septums. Die Muskeldicke und die Septumdicke betrugen zirka 20 mm (Normwerte: Hinterwand bis 10,5 mm und Septum 12 mm - so Bericht des Dr. K vom 27. Oktober 2000). Bei der am 27. Februar 2001 erfolgten Wiedervorstellung war die Hypertrophie rückläufig. Die Größe der Hinterwand betrug 13 bis 16 mm, die des Septums 15 bis 18 mm (Bericht des Dr. K vom 01. März 2001). Bei der weiteren Vorstellung am 19. September 2001 fand sich eine weitgehend normalisierte Herzgröße. Es wurde ebenfalls eine erstaunliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit und der psychischen Situation vorgefunden. Nach dem Bericht des Dr. K vom 20. September 2001 ist dies einzig und allein auf die medikamentöse Therapie zurückzuführen, da bei der Kardiomyopathie bei Friedreich’scher Ataxie ein solcher Verlauf nicht vorkommt. In der Epikrise der Fachklinik H vom 21. Januar 2003 über eine stationäre Behandlung vom 15. Juli 2002 bis 31. Oktober 2002 zeigte das EKG vom 23. Juli 2002 zwar Zeichen der Ischämie bei Kardiomyopathie. Es wird dort jedoch festgestellt, dass sich unter der Medikation mit dem Arzneimittel "Mnesis" die konzentrisch-symmetrische hypertrophe Kardiomyopathie deutlich normalisierte. Nach dem Sachverständigen Prof. Dr. K werden in dieser Epikrise Hinweise auf eine Herzinsuffizienz nicht benannt. Wenn, wie auch von dem Facharzt für Kinderkrankheiten Dr. G in seinem Befundbericht vom 14. April 2004 dargelegt, am Ende der Friedreich’schen Ataxie eine schwere Herzinsuffizienz steht, in deren Folge der Tod eintritt, ist es medizinisch geboten, diesem Zustand durch medizinische Maßnahmen zur Bekämpfung der hypertrophen Kardiomyopathie entgegenzutreten. Dass dies mit dem Arzneimittel "Mnesis" ernsthaft gelingen kann, ist durch die aufgezeigten Indizien nicht ganz fern liegend.
Das Arzneimittel "Mnesis" ist schließlich nicht nach § 34 SGB V ausgeschlossen. Es gehört weder zu den nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V) noch zu denjenigen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht (§ 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V). Es wird ebenfalls nicht in Rechtsverordnungen über unwirtschaftliche Arzneimittel nach § 34 Abs. 2 und 3 SGB V oder von den Arzneimittelrichtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V in der Fassung vom 31. August 1993 (Bundesanzeiger 1993 Nr. 246, Seite 11 155), zuletzt geändert am 20. Dezember 2005 (Bundesanzeiger 2006 Nr. 40, Seite 1 155), als ausgeschlossenes Arzneimittel erfasst.
Damit sind alle Voraussetzungen erfüllt, um von der Beklagten das Arzneimittel "Mnesis (Wirkstoff Idebenone) als Sachleistung beanspruchen zu können. Diesen Sachleistungsanspruch kann die Beklagte derzeit jedoch nicht erfüllen, weil dieses Arzneimittel wegen der fehlenden Zulassung nicht zu den verkehrsfähigen Arzneimitteln zählt und deswegen von den Vertragsärzten nicht auf Kassenrezept verordnet werden darf.
Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Er soll nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V insbesondere Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln beschließen.
Dem ist der Gemeinsame Bundesausschuss (seinerzeit noch Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen) mit den Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittelrichtlinien) nachgekommen. Nach A Ziffer 1 gelten diese Richtlinien für die Verordnung von Arzneimitteln durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte (Vertragsärzte). Die Richtlinien sind von Vertragsärzten, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen zu beachten. Nach A Ziffer 3 hat der Versicherte grundsätzlich einen Anspruch auf die Versorgung mit allen nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) verkehrsfähigen Arzneimitteln.
Das Arzneimittel "Mnesis" ist, wie ausgeführt, jedoch nicht nach dem AMG verkehrsfähig, so dass der Vertragsarzt nicht berechtigt ist, dieses Arzneimittel auf Kassenrezept zu verordnen.
Ein Sachleistungsanspruch auf Arzneimittel kann jedoch grundsätzlich nur dadurch begründet werden, dass ein Vertragsarzt dieses auf Kassenrezept verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernimmt. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V, des § 31 SGB V, der die Anspruchsgrundlage für die Versorgung mit Arzneimitteln bildet, und des § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V. Danach wird ärztliche oder zahnärztliche Behandlung von Ärzten oder Zahnärzten erbracht. Dabei umfasst die vertragsärztliche Versorgung auch die Verordnung von Arzneimitteln. Die vertragsärztliche Verordnung bildet daher die Grundlage der Versorgung des Versicherten mit dem entsprechenden Arzneimittel. Der Versicherte kann es erst beanspruchen, wenn es ihm in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts des § 31 SGB V vom Vertragsarzt als ärztliche Behandlungsmaßnahme verschrieben wird (vgl. BSG, Urteil vom 19. November 1996 1 RK 15/96 , abgedruckt in SozR 3 2500 § 13 Nr. 13 = BSGE 79, 257).
Kommt demnach derzeit kein Sachleistungsanspruch auf Verschaffung des Arzneimittels "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) in Betracht, ist die Beklagte jedenfalls verpflichtet, die der Klägerin zukünftig entstehenden Kosten für dieses Arzneimittel zu übernehmen.
Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass die Klägerin von den Beschränkungen des krankenversicherungsrechtlichen Leistungsrechts allerdings nur insoweit befreit wird, als dies zur Überwindung des vorliegenden Systemmangels erforderlich ist. Die sonstigen Voraussetzungen bleiben für die Klägerin weiterhin maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 03. April 2001 B 1 KR 40/00 R ). Dies gilt insbesondere für den genannten Arztvorbehalt. Sollte sich die Klägerin daher das Arzneimittel "Mnesis" nunmehr privat auf eigene Rechnung beschaffen, wird sie zu beachten haben, dass die ärztliche Verordnung auch im Rahmen des § 13 Abs. 3 SGB V erforderlich ist, wobei diese allerdings auf Privatrezept erfolgen darf. Es gibt auch im Falle eines Systemversagens keinen sachlichen Grund, die Behandlung des Versicherten mit Arzneimitteln von der ärztlichen Verantwortung freizustellen, also eine Selbstmedikation zu erlauben, und somit den Grundsatz des Arztvorbehaltes zu durchbrechen (so BSG, Urteil vom 19. November 1996 1 RK 15/96 ; BSG, Urteil vom 13. Juli 2004 B 1 KR 33/02 R , abgedruckt in SozR 4 2500 § 13 Nr. 3 zur Beschaffung ärztlich zu verantwortender Leistungen im Ausland, und BSG, Urteil vom 22. März 2005 B 1 KR 11/03 R ).
Die Berufung der Klägerin hat daher im genannten Umfang Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), denn es fehlt eine höchstrichterliche Rechtsprechung über die Versorgung mit nicht zugelassenen Arzneimitteln, die die neueste Rechtsprechung des BVerfG berücksichtigt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten das Arzneimittel "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone).
Die 1981 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, leidet an Friedreich’scher Ataxie und im Rahmen dieser Erkrankung unter anderem an Kardiomyopathie.
Am 24. Oktober 2001 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für das Medikament "Mnesis". Sie habe am 02. November 2000 nach Rücksprache mit ihrem behandelnden Arzt Dr. G und unter Verlaufskontrolle durch Dr. K selbständig eine Therapie mit diesem Medikament begonnen, welches in verschiedenen Ländern bei der Behandlung der Kardiomyopathie bei Friedreich’scher Ataxie angewandt werde. Die Therapie habe einen objektiv nachweisbaren positiven Effekt bewirkt. Ein Absetzen des Medikaments würde zu einer Verschlechterung führen. Die Klägerin legte die Berichte des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. G unter anderem vom 07. Dezember 2001 sowie des Chefarztes der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin - Kinderkardiologie des Klinikums B Dr. K vom 27. Oktober 2000, 01. März 2001 und 20. September 2001, außerdem weitere Unterlagen zu diesem Medikament vor.
Die Beklagte veranlasste die Stellungnahmen beziehungsweise Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) der Ärzte H vom 18. November 2001, Dr. D vom 14. Dezember 2001 und T vom 22. März 2002.
Mit Bescheid vom 15. April 2002 lehnte die Beklagte die Versorgung mit dem Medikament "Mnesis" ab. Dieses Arzneimittel sei in Deutschland nicht zugelassen. In den Ländern Italien und Portugal bestehe eine Zulassung lediglich für die Indikation zerebrale und vaskuläre Degeneration. Ein Wirksamkeitsnachweis liege nicht vor.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) B 1 KR 37/00 R geltend, sie habe einen Anspruch auf dieses Arzneimittel, denn sie leide an einer schweren Krankheit, für die es keine andere Therapie gebe. Es lägen zuverlässige und wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen über die Wirksamkeit vor und es bestehe in Fachkreisen Konsens über die Anwendung von Idebenone bei Patienten mit der Friedreich’scher Ataxie. Die Klägerin legte den Bericht des Dr. K vom 08. Mai 2002 und verschiedene Auszüge aus Veröffentlichungen vor.
Die Beklagte holte die Stellungnahmen des MDK der Ärzte R vom 11. Juni 2002 und Dr. F vom 11. November 2002 ein und wies mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2003 den Widerspruch zurück: Eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung komme auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R in Betracht, denn die Wirksamkeit des Medikaments "Mnesis" sei nicht ausreichend bewiesen. Der Nutzen von Idebenone werde von der Deutschen Heredo Ataxie-Gesellschaft (DHAG) bei der hier vorliegenden Erkrankung ebenfalls sehr kritisch gesehen. Insbesondere werde auf die mangelnde Studienlage bezüglich Langzeitnebenwirkungen verwiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 27. Februar 2004 beim Sozialgericht Potsdam Klage erhoben.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass nach der Rechtsprechung des BSG zum so genannten Off Label Gebrauch von Medikamenten Anspruch auf Gewährung des begehrten Medikaments bestehe. Bei der Friedreich’schen Ataxie handele es sich um eine Erkrankung des Kleinhirns und Rückenmarks mit Schwund der Nervenbahnen und dadurch verursachten Störungen der Bewegungsabläufe, der Motorik, des Sehens und der Sprache sowie um eine Herzerkrankung (Kardiomyopathie). Diese Krankheit sei selten und trete mit einer Häufigkeit von einer bis zwei Erkrankungen je 100 000 Neugeborene auf. In Kombination mit einer Kardiomyopathie sei die Häufigkeit noch geringer. Die Kardiomyopathie sei hierbei die eigentliche lebensbegrenzende Komplikation der Friedreich’schen Ataxie. Der Wirkstoff Idebenone gehöre zu den so genannten "orphan drugs", die EU weit zur Behandlung seltener Krankheiten anerkannt seien. Die Anerkennung basiere auf der EU Verordnung Nr. 141/2000 vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden. Der Wirkstoff sei danach für die Behandlung der Friedreich’schen Ataxie zugelassen. Bei Medikamenten, die durch die EU als "orphan drugs" legitimiert seien, bedürfe es keiner weiteren sozialgerichtlichen Aufklärung der Schwere der Erkrankung und des Vorliegens von Behandlungsalternativen. Hinsichtlich des vom BSG geforderten Wirksamkeitsnachweises sei für diese Arzneimittel ein abgeschwächter Maßstab zugrunde zu legen. Die Beklagte beziehe sich im Übrigen bezüglich der Wirksamkeitseinschätzung auf einen längst nicht mehr aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion. So verweise die DHAG gerade auf die geringen Nebenwirkungen von Idebenone. Mittlerweile seien weitere Studien durchgeführt und deren Ergebnis veröffentlicht worden. Die Klägerin habe das Medikament bisher aus Italien bezogen, da es in der Internationalen Apotheke doppelt so teuer sei. Sie hat verschiedene Aufsätze zur Friedreich’chen Ataxie und zum Arzneimittel "Mnesis" sowie mehrere Quittungen vorgelegt.
Die Beklagte hat sich auf die Stellungnahme des MDK des Dr. F vom 11. September 2003 bezogen.
Das Sozialgericht hat den Befundbericht des Facharztes für Kinderkrankheiten Dr. G vom 14. April 2004 eingeholt, dem weitere ärztliche Unterlagen beigefügt gewesen sind.
Mit Urteil vom 08. März 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Es liege kein Fall einer zulassungsüberschreitenden Anwendung im Sinne des so genannten Off Label Use vor, da das Medikament "Mnesis" eine Zulassung weder in Deutschland noch nach EU Recht besitze, so dass die Rechtsprechung des BSG vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R nicht einschlägig sei (BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 B 1 KR 21/02 R ). Es könne auch nicht von einem seltenen Krankheitsfall im Sinne der Rechtsprechung des BSG vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R ausgegangen werden. Nach den vorliegenden Unterlagen trete die Erkrankung im Verhältnis 1: 50 000 auf, so dass man in Deutschland von 1 400 bis 1 600 Fällen ausgehen könne. Diese Anzahl sei ausreichend, um das Medikament "Mnesis" in Studien zu prüfen. Nach den vorliegenden Unterlagen werde das Medikament jedoch erst seit zirka drei Jahren getestet. Damit seien die Wirksamkeit und insbesondere der Ausschluss von negativen Nebenwirkungen derzeit noch nicht ausreichend wissenschaftlich belegt, auch wenn im Ergebnis zweier Arbeitsgruppen mit 38 beziehungsweise drei Patienten und unter Berücksichtigung des Einzelfalles der Klägerin nach den Ärzten Dr. G und Dr. K die deutliche Verbesserung der kardialen Funktion mit hoher Sicherheit einzig und allein auf die Idebenone Therapie zurückzuführen sei.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 14. April 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. Mai 2005 eingelegte Berufung der Klägerin.
Sie trägt vor: Es sei unverständlich, wie das Sozialgericht die Zahl von 1 400 bis 1 600 Krankheitsfällen in Deutschland ermittelt habe. Offenbar sei hierbei schlicht die Einwohnerzahl Deutschlands mit der unterstellten Krankheitswahrscheinlichkeit von 1: 50 000 ins Verhältnis gesetzt worden. Eine solche Berechnung sei bereits deshalb unzulässig, weil die an dieser Krankheit leidenden Menschen eine weit geringere Lebenserwartung als Durchschnittsbürger hätten. Es sei vielmehr von einer Seltenheitserkrankung auszugehen. Dazu könne auf die EU Verordnung Nr. 141/2000 abgestellt werden. Danach gelte eine Erkrankung, die mit einer Häufigkeit von nicht mehr als fünf von 10 000 Personen auftrete, als selten. Dass Medikamente für seltene Erkrankungen keine arzneimittelrechtliche Zulassung besäßen, resultiere in erster Linie aus der Tatsache, dass die kostenaufwändigen Zulassungsstudien und verfahren bei einer geringen Zahl möglicher Konsumenten für die Pharmaindustrie unrentabel seien. Der Wirkstoffe Idebenone gehöre zu den so genannten "orphan drugs" auf der Grundlage der genannten EU Verordnung. Im EU Verzeichnis sei dieser Wirkstoff für die Behandlung der Friedreich’schen Ataxie zugelassen. Es dürfe nicht allein auf die arzneimittelrechtliche Zulassung eines Medikaments ankommen, denn ansonsten würde die genannte EU Verordnung völlig ins Leere laufen. Diese gehe gerade davon aus, dass das marktwirtschaftlich orientierte System der Arzneimittelzulassung nicht funktioniere, wenn es sich um seltene Leiden handele, für die wegen der geringen Zahl der Erkrankten weder ein ausreichender Anreiz für die Herstellung von Arzneimitteln bestehe noch die Datenbasis für die im Zulassungsverfahren geforderten Studien vorhanden sei. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts existierten eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die sämtlich den Nutzen dieser Behandlung belegten (so Rustin, August 1999, Studie mit drei Patienten, Schöls, Juni 2001, Studie mit neun Patienten, Rustin, April 2000, Studie mit 38 Patienten, Hausse, April 2002, Studie mit 38 Patienten, Artuch, August 2002, Studie mit neun Patienten, Bunse, 2003, Studie mit elf Patienten, und Mariotti, Mai 2003, randomisierte Studie mit 29 Patienten). Diesen Publikationen sei zu entnehmen, dass in einschlägigen Fachkreisen Konsens über den Nutzen dieser Behandlung bestehe. Zwischenzeitlich sei das Medikament "Mnesis" in der Schweiz mit Wirkung vom 12. Mai 2004 befristet zur Behandlung der nicht dilatativen Kardiomyopathie bei Friedreich’scher Ataxie zugelassen worden, wie dem beigefügten amtlichen Publikationsorgan des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic 5/2004 zu entnehmen sei. Die dauerhafte Verweigerung dieses Arzneimittels, das gegenwärtig von der Klägerin nicht eingenommen werde, weil sie die Kosten dafür nicht aufbringen könne, verletze das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG). Mit diesem Medikament sei es gelungen, das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen. Ohne dieses Medikament werde ihr Leben verkürzt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 08. März 2005 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 15. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2003 zu verurteilen, der Klägerin das Arzneimittel "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) als Sachleistung zu gewähren,
hilfsweise, zukünftig entstehenden Kosten für dieses Medikament zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Auskünfte des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 30. August 2005 und 26. September 2005 eingeholt sowie unter anderem Beweis erhoben durch das schriftliche Sachverständigengutachten nach Aktenlage des Neurologen Prof. Dr. K vom 05. Januar 2006.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird unter anderem auf Bl. 170 bis 182 der Gerichtsakten verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 15. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2003 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat zwar keinen Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) als Sachleistung, denn die Beklagte kann diesen Anspruch derzeit nicht erfüllen, weil dazu erst die leistungserbringungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen. In einem solchen Fall ist die Beklagte jedoch verpflichtet, die zukünftig entstehenden Kosten für dieses Arzneimittel zu übernehmen.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in entsprechender Anwendung in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V.
Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse über einen Leistungsanspruch sind grundsätzlich nur in zwei Konstellationen denkbar. Entweder klagt der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als Sachleistung oder er beschafft sich die Behandlung privat auf eigene Rechnung und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten (BSG, Urteil vom 09. Oktober 2001 B 1 KR 6/01 R, abgedruckt SozR 3 2500 § 13 Nr. 25). Ausnahmsweise kann eine Kostenerstattung bei noch nicht durchgeführter Behandlung auch dann in Betracht kommen, wenn die begehrte Leistung nicht vom EBM erfasst wird (BSG, Urteil vom 03. April 2001 - B 1 KR 40/00 R, abgedruckt in SozR 3 2500 § 27 a Nr. 3).
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).
Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Der Kostenerstattungsanspruch reicht hierbei nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R und vom 18. Mai 2004 B 1 KR 21/02 R ; BSGE 79, 125, 126 = SozR 3 2500 § 13 Nr. 11 m. w. N.).
Die Klägerin hat grundsätzlich Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel "Mnesis" als Sachleistung. § 13 Abs. 3 SGB V ist seinem Wortlaut nach allerdings nicht erfüllt. Ein Kostenerstattungsanspruch setzt nämlich eine tatsächliche Kostenbelastung des Versicherten, mindestens in Gestalt einer entsprechenden Verbindlichkeit, voraus (vgl. BSG, Urteil vom 03. April 2001 B 1 KR 40/00 R , abgedruckt in SozR 3 2500 § 27 a Nr. 3). Diese Voraussetzung liegt notwendigerweise nicht vor, solange wie hier der Versicherte einen entsprechenden Kaufvertrag über das streitige Arzneimittel, aus dem sich eine Zahlungsverpflichtung ergibt, noch nicht geschlossen hat. Kann allerdings der an sich bestehende Sachleistungsanspruch von der Krankenkasse nicht erfüllt werden, weil dazu erst die leistungserbringungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, besteht seitens des Versicherten ein Bedürfnis an einer Kostenübernahme durch die Krankenkasse, denn diese hat dem Versicherten eine zustehende Sachleistung grundsätzlich kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Es ist einem Versicherten, der insbesondere die Kosten für die begehrte Sachleistung nicht aufbringen kann, nicht zuzumuten, vorab einen Vertragspartner zu suchen, der bereit ist, die begehrte Leistung unter gleichzeitiger Stundung der dafür entstehenden Kosten zu erbringen. Vielmehr muss der Versicherte bei einem solchen Sachverhalt verlangen können, dass die Krankenkasse die Kosten vorab übernimmt und unmittelbar mit dem Leistungserbringer abrechnet (BSG, Urteil vom 03. April 2001 B 1 KR 40/00 R ).
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V).
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Die Beklagte kann diese Sachleistung mangels Vorliegens der leistungserbringungsrechtlichen Voraussetzungen derzeit nicht erbringen.
Das Arzneimittel "Mnesis" wird vom Arzneimittelbegriff dieser Vorschrift erfasst.
Nach der Rechtsprechung des BSG sind Präparate, die als Fertigarzneimittel im Sinne von § 4 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) von der Grunddefinition des § 2 Abs. 1 AMG erfasst werden und nach § 21 Abs. 1 AMG der Arzneimittelzulassungspflicht unterliegen, grundsätzlich als Arzneimittel im Sinne der §§ 27, 31 SGB V anzusehen (BSG, Urteil vom 27. September 2005 - B 1 KR 6/04 R m. w. N.).
Nach § 2 Abs. 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper 1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaft Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, 2. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen, 3. vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen, 4. Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder 5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.
Fertigarzneimittel sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AMG Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden.
Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 2 Nr. 1 AMG sind, dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das In Verkehr Bringen gemäß Art. 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel Agentur (ABl EU Nr. L 136 Seite 1) erteilt hat (§ 21 Abs. 1 Satz 1 AMG).
Soweit es um Fertigarzneimittel geht, bestimmt § 21 Abs. 2 Nr. 6 AMG, dass es einer Zulassung nicht für Arzneimittel bedarf, die unter den in Art. 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 genannten Voraussetzungen für eine Anwendung bei Patienten zur Verfügung gestellt werden, die an einer zu einer schweren Behinderung führenden Erkrankung leiden oder deren Krankheit lebensbedrohend ist, und die mit einem zugelassenen Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können.
Art. 83 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl Nr. L 136 vom 30. April 2004 Seite 1) bestimmt insoweit, dass abweichend von Art. 6 der Richtlinie 2001/83/EG die Mitgliedsstaaten ein Humanarzneimittel, das zu den Kategorien im Sinne des Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung gehört, für einen "compassionate Use" zur Verfügung stellen können. "Compassionate Use" bedeutet hierbei, dass ein den Kategorien des Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung zugehöriges Arzneimittel aus humanen Erwägungen einer Gruppe von Patienten zur Verfügung gestellt wird, die an einer zu Invalidität führenden chronischen oder schweren Krankheit leiden oder deren Krankheit als lebensbedrohend gilt und die mit einem genehmigten Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können. Das betreffende Arzneimittel muss entweder Gegenstand eines Antrags auf Erteilung einer Genehmigung für das In Verkehr Bringen nach Art. 6 dieser Verordnung oder Gegenstand einer noch nicht abgeschlossenen klinischen Prüfung sein.
Das Präparat "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) ist danach ein der Arzneimittelzulassungspflicht unterliegendes Fertigarzneimittel.
Nach dem amtlichen Publikationsorgan des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic 5/2004 ist dieses Präparat zur Behandlung der manifesten nicht dilatativen Kardiomyopathie bei Patienten und Patientinnen mit Friedreich Ataxie bestimmt, soll also im menschlichen Körper Krankheiten heilen oder lindern. Es wird in Form von Filmtabletten im Voraus hergestellt und in bestimmten Packungsgrößen in den Verkehr gebracht. In der Schweiz wurde "Mnesis" am 12. Mai 2004 befristet für die genannte Indikation zugelassen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K vom 05. Januar 2006 wurde dieses Arzneimittel zunächst zur Behandlung der Alzheimer Demenz vermarktet. Nachdem eine größere, in den USA durchgeführte Studie jedoch die Wirksamkeit von Idebenone bei Alzheimer Demenz nicht nachweisen konnte, wurde das dortige Zulassungsverfahren von der Firma T nicht weiter verfolgt und die Rechte an dieser Substanz gingen an eine kleinere Firma über. Nach dem MDK Gutachten des Arztes T vom 22. März 2002 war es bis dahin lediglich in Italien und Portugal sowie zwei nicht im Einzelnen genannten Ländern Südamerikas für die Indikation einer Behandlung der zerebralen und vaskulären Degeneration zugelassen.
Das Arzneimittel "Mnesis" ist für keine der genannten Indikationen durch die zuständige Bundesoberbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (§ 77 Abs. 1 AMG) national oder die zuständigen Stellen der europäischen Institutionen für den Bereich der Europäischen Union zugelassen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat in seinen Auskünften vom 30. August 2005 und 26. September 2005 das Vorliegen solcher Zulassungen nicht bestätigen können. Da das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugleich nach § 80 Satz 1 Nr. 3 a AMG zuständige Bundesoberbehörde im Fall des In Verkehr Bringens in Härtefällen nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AMG in Verbindung mit Art. 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 ist, ist zugleich ausgeschlossen, dass das Arzneimittel "Mnesis" im Wege eines "compassionate Use" nach dem AMG verkehrsfähig ist.
Dem steht nicht entgegen, dass in Art. 1 der Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 08. März 2004 K (2004) 815 , welche nach Art. 3 dieser Entscheidung an den Investor Promedipharm GmbH in 64625 Bensheim/Bergstraße, Deutschland gerichtet ist, das Arzneimittel "Idebenone" für das seltene Anwendungsgebiet Therapie der Friedreich’schen Ataxie als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen und unter der Nr. EU/3/04/189 in das Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden eingetragen wird. Diese Entscheidung beruht auf der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl Nr. L 18 vom 22. Januar 2000 Seite 1) und der dazu ergangenen Verordnung (EG) Nr. 847/2000 der Kommission vom 27. April 2000 zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe "ähnliches Arzneimittel" und "klinische Überlegenheit" (ABl Nr. L 103 vom 28. April 2000 Seite 5). Nach Art. 1 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 ist es Ziel dieser Verordnung, ein Gemeinschaftsverfahren für die Ausweisung von Arzneimitteln als Arzneimittel für seltene Leiden festzulegen und Anreize für die Erforschung, Entwicklung und das In Verkehr Bringen von als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimitteln zu schaffen. Nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 wird ein Arzneimittel als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen, wenn der Investor nachweisen kann, dass a) das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines Leidens bestimmt ist, das lebensbedrohend ist oder eine chronische Invalidität nach sich zieht und von dem zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinschaft nicht mehr als fünf von 10 000 Personen betroffen sind, oder das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines lebensbedrohenden Leidens, eines zu schwerer Invalidität führenden oder eines schweren und chronischen Leidens in der Gemeinschaft bestimmt ist und dass das In Verkehr Bringen des Arzneimittels in der Gemeinschaft ohne Anreize vermutlich nicht genügend Gewinn bringen würde, um die notwendigen Investitionen zu rechtfertigen, und b) in der Gemeinschaft noch keine zufrieden stellende Methode für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung des betreffenden Leidens zugelassen wurde oder dass das betreffende Arzneimittel sofern eine solche Methode besteht für diejenigen, die von diesem Leiden betroffen sind, von erheblichem Nutzen sein wird. Nach Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 stellt der Investor bei der Agentur (Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln, Art. 2 Buchstabe d Verordnung [EG] Nr. 141/2000) in einem beliebigen Stadium der Entwicklung eines Arzneimittels einen entsprechenden Antrag, um die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden zu erhalten. Auf der Grundlage des endgültigen Gutachtens des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden bei der Agentur (Art. 4 Abs. 1 Verordnung [EG] Nr. 141/2000) trifft die Kommission die Entscheidung über die Ausweisung. Ergeht die Entscheidung im Sinne des Antragstellers, wird das Arzneimittel in das Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden eingetragen (Art. 5 Abs. 8 und 9 Verordnung [EG] Nr. 141/2000).
Mit der oben genannten Entscheidung der Kommission vom 08. März 2004 ist dies für das Arzneimittel "Idebenone" erfolgt.
Daraus ergibt sich jedoch nicht bereits die Verkehrsfähigkeit und damit die Zulassung dieses Arzneimittels hier mit der Bezeichnung "Mnesis" zur Behandlung der Friedreich schen Ataxie. Vielmehr kann nach Art. 7 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 die für das In Verkehr Bringen eines Arzneimittels für seltene Leiden zuständige Person beantragen, dass die Genehmigung für das In Verkehr Bringen des betreffenden Arzneimittels nach der Verordnung (EG) Nr. 2309/93 (zwischenzeitlich ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 726/2004) von der Gemeinschaft erteilt wird, ohne dass sie nachweisen muss, dass das Arzneimittel den Bedingungen von Teil B des Anhangs jener Verordnung entspricht. Soweit eine Genehmigung für das In Verkehr Bringen erteilt wird, gilt diese ausschließlich für solche therapeutische Anwendungsgebiete, die den Kriterien des Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 entsprechen (Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Verordnung [EG] Nr. 141/2000).
An einer solchen Genehmigung fehlt es jedoch, wie bereits dargelegt.
Wenn ein bestimmtes Arzneimittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese Zulassung nicht besteht, mangelt es aber grundsätzlich an der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Zu Qualität und Wirkungsweise eines Arzneimittels muss es zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Dieser Wirksamkeitsnachweis ist im Rahmen eines Arzneimittelzulassungsverfahrens zu erbringen, so dass aus einer nicht bestehenden Zulassung auf eine nicht vorhandene Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit geschlossen werden kann (BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 B 1 KR 21/02 R; BSG, Urteil vom 27. September 2005 - B 1 KR 6/04 R).
Während nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AMG die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder dem Rat der Europäischen Union gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilte Genehmigung für das In Verkehr Bringen, soweit unter anderem in § 21 Abs. 2 AMG auf eine Zulassung abgestellt wird, einer nach § 25 AMG (von der zuständigen Bundesoberbehörde) erteilten Zulassung gleichsteht, gilt als Zulassung im Sinne des § 21 AMG die von einem anderen Staat für ein Arzneimittel erteilte Zulassung (lediglich), soweit dies durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums bestimmt wird (vgl. insoweit auch das Urteil des BSG vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R).
Eine solche Rechtsverordnung ist insbesondere nicht hinsichtlich der in der Schweiz erfolgten Zulassung des Arzneimittels "Mnesis" ersichtlich.
Das für einen Off Label Use vorgesehene Arzneimittel wurde bereits nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts auf seine pharmakologisch-toxikologischen Eigenschaften in einem entsprechenden Zulassungsverfahren überprüft. Diese klinische Prüfung war zwar nur auf die im Zulassungsantrag genannten Anwendungsgebiete bezogen, so dass unerwünschte Wirkungen bei anderen Indikationen nicht ausgeschlossen werden können und auch eine Wirksamkeitsprüfung für den neuen Anwendungsbereich nicht stattfand. Den schon daraus resultierenden Bedenken hinsichtlich der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit kann jedenfalls dadurch begegnet werden, dass ein Off Label Use auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt und zudem auf andere Art und Weise ein Mindestmaß an therapeutischer Wirksamkeit sichergestellt wird (vgl. zu den einzelnen Kriterien BSG, Urteil vom 19. März 2002 - B 1 KR 37/00 R, abgedruckt in SozR 3 2500 § 31 Nr. 8 = BSGE 89, 184). Bereits in jener Entscheidung hat das BSG betont, dass die Rechtsprechung zum Off Label Use nicht auf die Anwendung eines (nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts) gar nicht zugelassenen Arzneimittels übertragen werden kann. Es hat dies damit begründet, dass der Einsatz eines solchen Arzneimittels auf einem strafbaren Verhalten (§ 96 Nr. 5, § 21 Abs. 1 AMG) aufbaut und die Behandlung wegen des Fehlens jedweder Qualitätskontrolle mit einem unkalkulierbaren Risiko etwaiger Gesundheitsschäden behaftet wäre (so auch BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R).
An dieser Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R grundsätzlich festgehalten. Es hat sie allerdings hinsichtlich so genannter Seltenheitserkrankungen (singulärer Krankheitsfälle) modifiziert. Grund dafür ist, dass sich eine solche Erkrankung wegen ihrer Seltenheit regelmäßig einer systematischen wissenschaftlichen Untersuchung entzieht und für sie daher keine wissenschaftlich auf ihre Wirkung überprüfte Behandlungsmethode zur Verfügung stehen wird. Das Krankenversicherungsrecht, das bei der Arzneimittelversorgung anders als bei den übrigen Leistungen der Krankenbehandlung weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung verzichtet und insoweit an das Arzneimittelrecht anknüpft, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Erteilung vom Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikaments abhängig macht (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R), kann bei einer Seltenheitserkrankung keine befriedigende Lösung bieten, weil die Regeln des Arzneimittelzulassungsverfahrens in einem solchen Fall versagen. Das BSG hat es daher für notwendig erachtet, die Leistungspflicht vom arzneimittelrechtlichen Verkehrsverbot des § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG abzukoppeln. Ist das Arzneimittel in einem anderen Staat als Arzneimittel zugelassen, so besteht nach § 73 Abs. 3 Satz 1 AMG die Möglichkeit, es individuell auf ärztliche Verordnung über eine Apotheke aus dem Ausland legal zu beschaffen. Die darin liegende Lockerung des arzneimittelrechtlichen Verkehrsverbots begründet nach der Rechtsprechung des BSG nicht die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels, denn eine Verwendung in einer unbestimmten Zahl von Fällen ist durch die genannte Vorschrift nicht gedeckt. Dies steht jedoch der Leistungspflicht zur Behandlung einer einzigartigen Krankheit in einer außergewöhnlichen medizinischen Situation nicht entgegen.
Voraussetzung für die Leistungspflicht eines (nach innerstaatlichem Recht) nicht zugelassenen Arzneimittels ist nach dem Urteil des BSG vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R, dass 1. es sich um eine einzigartige Erkrankung handelt, die weltweit nur extrem selten auftritt und die 2. deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann, 3. eine notstandsähnliche Situation vorliegt, also eine schwerwiegende lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung behandelt werden soll, für die keine andere Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung steht, 4. zuverlässige pharmakologisch-toxische Daten und aussagekräftige Studien vorliegen müssen, die Unbedenklichkeit und therapeutische Wirksamkeit des Mittels zumindest für andere Krankheiten belegen, und 5. die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse die Annahme rechtfertigen müssen, dass der voraussichtliche Nutzen des Arzneimittels die möglichen Risiken überwiegen wird, wobei anders als nach den Grundsätzen für einen Off Label Use im Urteil des BSG vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R bei einer unerforschbaren singulären Erkrankung positive Forschungsergebnisse beziehungsweise einem bestimmten Standard entsprechende wissenschaftliche Fachveröffentlichungen nicht vorzuliegen brauchen.
Wird dieser Maßstab herangezogen, kommt allerdings die Versorgung der Klägerin mit dem Arzneimittel "Mnesis" nicht in Betracht.
Der Senat geht davon aus, dass eine Erkrankung zu den Seltenheitserkrankungen rechnet, wenn von ihr nicht mehr als fünf von 10 000 Personen betroffen sind. Das BSG hat zwar in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R offen gelassen, bei welcher Prävalenzrate von einer einzigartigen Krankheit auszugehen ist. Es hat allerdings in seiner Entscheidung auf den bereits oben genannten Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 141/2000 hingewiesen. Die Erwägung (Abs. 5 des Vorspanns der Verordnung [EG] Nr. 141/2000), die für die Festlegung des genannten Schwellenwertes im Rahmen dieser EG Verordnung geführt hat, kann in gleicher Weise für die Bestimmung des Vorliegens einer Seltenheitserkrankung herangezogen werden. Danach wird eine Prävalenz von nicht mehr als fünf von 10 000 Personen allgemein als geeigneter Schwellenwert angesehen.
Die genannte Prävalenzrate wird nach dem Sachverständigen Prof. Dr. K bei der Friedreich’schen Ataxie erreicht. Wie er in seinem Gutachten vom 05. Januar 2006 dargelegt hat, gibt es mehrere bevölkerungsbasierte Studien aus südeuropäischen Ländern. Die dabei gefundenen Valenzraten (unter anderem nach L 1995 1,7: 100 000 im Aostatal in Italien, P 1991 4,7: 100 000 in Kantrabien in Spanien) stimmen alle darin überein, dass die Prävalenz der Friedreich’schen Ataxie deutlich unter 50: 100 000 (5: 10 000) liegt. Dieser Sachverständige hat zwar eingeräumt, dass in Deutschland bisher keine epidemische Studie durchgeführt wurde. Gleichzeitig hat er jedoch darauf hingewiesen, dass es keinen Grund gibt anzunehmen, die Häufigkeit in Deutschland stelle sich grundsätzlich anders dar. Dieser Auffassung vermag sich der Senat auch deswegen anzuschließen, weil die in Studien nachgewiesenen Schwellenwerte offensichtlich zu der oben genannten Entscheidung der Kommission vom 08. März 2004, die Friedreich’sche Ataxie als seltenes Leiden zu bewerten, geführt haben. Davon kann deswegen ausgegangen werden, weil nach Art. 2 Nr. 1 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 847/2000 zum Nachweis der genannten Prävalenz, sofern vorhanden, gesicherte Belege beizufügen sind.
Der Senat erachtet die Friedreich’sche Ataxie als eine schwerwiegende (lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende) Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des BSG. Dieselbe Definition einer schwerwiegenden Erkrankung findet sich in Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 141/2000, auch wenn dort die Begriffe "lebensbedrohend" und "chronische Invalidität" nicht eigens unter diesem Oberbegriff zusammengefasst werden. Ein wesentlicher inhaltlicher Unterschied vermag der Senat in dem Begriff "chronische Invalidität" einerseits und "nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensqualität auf Dauer" andererseits nicht zu erkennen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass das BSG insoweit einen strengeren Maßstab anlegt.
Die Entscheidung der Kommission vom 08. März 2004 ist somit bereits wesentliches Indiz dafür, dass die Friedreich’sche Ataxie auch nach der Rechtsprechung des BSG zu den Erkrankungen gehört, die die Annahme einer notstandsähnlichen Situation zulassen, denn nach Art. 2 Nr. 1 Buchstab b Verordnung (EG) Nr. 847/2000 setzte die Entscheidung der Kommission den anhand von wissenschaftlichen oder medizinischen Verweisen erforderlichen Nachweis voraus, dass diese Erkrankung eine solche im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 141/2000 ist. Solches ergibt sich außerdem aus dem Gutachten des Prof. Dr. K vom 05. Januar 2006. Danach ist die Lebenserwartung von Patienten mit dieser Erkrankung erheblich eingeschränkt. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Klägerin, bei der sich diese Erkrankung bereits im siebten Lebensjahr manifestierte (vgl. Epikrise der Fachklinik H vom 21. Januar 2003). Nach dem Sachverständigen beginnt die Friedreich’sche Ataxie im Durchschnitt um das 14. Lebensjahr. Nach den von ihm genannten Studien ist die verringerte Lebenserwartung hinreichend belegt. Danach besteht nach L (1988) eine 10 Jahres Überlebensrate von 96 v. H., eine 20 Jahres Überlebensrate von 80 v. H. und eine 30 Jahres Überlebensrate von 61 v. H. Eigene Untersuchungen des Sachverständigen haben ergeben, dass ein Viertel aller Patienten mit diesem Leiden innerhalb von 34 Jahren nach Krankheitsbeginn verstorben ist (K 1998).
Die weitere Voraussetzung zur Annahme einer notstandsähnlichen Situation, nämlich das Fehlen einer anderen Behandlungsmöglichkeit, steht ebenfalls fest.
Nach dem Sachverständigen Prof. Dr. K ist diese Gesundheitsstörung eine autosomal-rezessiv vererbte Ataxie Krankheit. Bei der 1996 entdeckten Genmutation handelt es sich um die Verlängerung eines Genabschnitts im Frataxin Gen. Infolgedessen kommt es zu einem Mangel von Frataxin im Organismus. Je ausgeprägter die Genverlängerung ist, desto früher beginnt die Krankheit und desto stärker ist sie ausgeprägt. Neben der neurologischen Symptomatik, die fast immer zu einer Rollstuhlpflicht führt, treten unter anderem eine hypertrophe Kardiomyopathie, die auch bei der Klägerin besteht, auf. Der Sachverständige hat bezogen auf die Klägerin wegen des bereits im siebten Lebensjahr manifest gewordenen Krankheitsbeginns und des Vorliegens sämtlicher nicht neurologischer Krankheitsmanifestationen eine schwere Verlaufsform angenommen. Der Mangel an Frataxin führt nach dem Sachverständigen zu einer gestörten mitochondrialen Zellatmung und einem erhöhten oxidativen Stress.
Trotz der von Prof. Dr. K dargestellten Forschungsaktivitäten haben diese bisher nicht zur Entwicklung einer Therapie geführt, deren Wirksamkeit in randomisierten kontrollierten Studien bewiesen werden konnte. Zur Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie wurden zwar Versuche mit Medikamenten wie Beta Blocker oder Kalzium Antagonisten, die durchaus für andere Formen der hypertrophen Therapie eingesetzt werden, unternommen. Eine systematische Untersuchung in größeren Studien fand jedoch bisher dazu nicht statt. Die Studie von C (1986) konnte einen Einfluss von Verapamil, einem Kalzium Antagonisten, nicht belegen. Lediglich K & Z (2005) haben über eine deutliche Abnahme der Myokardhypertrophie bei einem einzelnen Patienten unter einer Hochdosisbehandlung mit dem Beta Blocker Propranolol, das in Deutschland unter verschiedenen Handelsnamen als Medikament zugelassen ist, berichtet. Diese Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K lassen erkennen, dass es eine andere systematisch angewandte und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nachgewiesene Behandlungsmethode nicht gibt.
Die Nutzen Risiko Abwägung fällt ebenfalls zugunsten der Anwendung des Arzneimittels "Mnesis" mit dem Wirkstoff Idebenone aus.
Wie der Sachverständige Prof. Dr. K dargelegt hat, handelt es sich bei dem Wirkstoff Idebenone um eine Substanz, die die Zellatmung verbessert und antioxidativ wirkt. Aufgrund der durch den Mangel an Frataxin hervorgerufenen gestörten mitochondrialen Zellatmung und des erhöhten oxidativen Stresses wurde Ende der 90 er Jahre von R vorgeschlagen, die Friedreich sche Ataxie mit Idebenone zu behandeln. Dieser Wirkstoff ist ein Kurzketten Derivat des Koenzyms Q10, welches endogen in der Atmungskette vorkommt (vgl. auch die MDK Stellungnahme des Arztes R vom 11. Juni 2002 und den von der Klägerin vorgelegten Aufsatz von R "Die Friedreich’sche Ataxie" in Deutsche Medizinische Wochenschrift 125 [2000], 293 bis 295). Nach den Ausführungen des Sachverständigen wurde die Wirkung von Idebenone in mehreren offenen, also nicht durch Gabe eines Placebo Präparates kontrollierten Studien an Patienten mit Friedreich’scher Ataxie überprüft. Diese Studien (R 1999, H 2002 und B 2003) kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass durch diesen Wirkstoff die echokardiografisch gemessene Dicke der Herzwand und des Septums reduziert wird. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass es bis heute lediglich zwei Placebo kontrollierte Studien gibt. Die Studie von S (2001) konnte hierbei eine Verminderung der Herzwanddicke nicht bestätigen. Die andere Studie von M (2003), die nach dem Sachverständigen wegen der vergleichsweisen großen Anzahl (29) von Patienten am aussagekräftigsten ist, hat hingegen eine signifikante Verminderung der echokardiografisch gemessenen Septumdicke und der linksventrikulären Masse gezeigt, während eine Beeinflussung anderer gemessener Ultraschallparameter des Herzens nicht belegt werden konnte.
In keiner der genannten Studien konnten dagegen nach dem Sachverständigen überzeugende Beweise dafür geliefert werden, dass Idebenone auch die neurologische Funktion verbessert.
Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K rechtfertigt aber die Annahme, dass durch das Arzneimittel "Mnesis" mit dem Wirkstoff Idebenone ein Nutzen bei der Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie erzielt werden kann. Dieser Nutzen überwiegt auch die grundsätzlich immer vorhandenen möglichen Risiken bei der Anwendung eines Arzneimittels ohne eine vorangegangene wissenschaftliche Überprüfung in den dafür vorgesehenen arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, sind nämlich bisher beim Einsatz dieses Medikaments weder im Indikationsbereich zerebrale und vaskuläre Degeneration noch im Indikationsbereich hypertrophe Kardiomyopathie bei Friedreich’scher Ataxie irgendwelche ernsthaften Nebenwirkungen beobachtet worden. Der Sachverständige hat hierbei auf eine Studie von F am National Institute of Health in Bethesda (Washington, USA) hingewiesen, bei der Dosen verwendet wurden, die die sonst übliche Dosis um das 15 Fache überschritten, ohne dass hierbei ernsthafte Nebenwirkungen auftraten.
Diese vorliegenden Studienergebnisse haben offenbar eine Expertengruppe der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zu der von dem Sachverständigen genannten Empfehlung (in Leitlinien für Diagnostik und Therapie der Neurologie, Diener 2005) veranlasst. Darin wird bei einzelnen Patienten mit Kardiomyopathie die Gabe von Idebenone bei der Friedreich’schen Ataxie als zu erwägen dargestellt, obwohl sich aus der echokardiografisch gemessenen reduzierten Myokardhypertrophie keine generelle Empfehlung zur Verordnung dieses Medikaments ableiten lässt. Auch im Hinblick darauf sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine fortschreitende Kardiomyopathie häufige Todesursache bei der Friedreich’schen Ataxie ist (vgl. so das amtliche Publikationsorgan des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic 5/2004) hält der Senat die Annahme für gerechtfertigt, dass der voraussichtliche Nutzen der Anwendung des Arzneimittels "Mnesis" die möglichen Risiken überwiegt.
Der Senat lässt dahingestellt, nachdem dieses Arzneimittel seit 12. Mai 2004 in der Schweiz zur Behandlung der nicht dilatativen Kardiomyopathie bei Friedreich’scher Ataxie zugelassen ist, ob zuverlässige pharmakologisch-toxische Daten und aussagekräftige Studien vorliegen, die die Unbedenklichkeit und therapeutische Wirksamkeit dieses Arzneimittels zumindest für andere Krankheiten, also für die ursprüngliche Indikation, belegen. Daran könnten trotz entsprechender Zulassung in Italien und Portugal durchaus Bedenken bestehen, nachdem in einer in den USA durchgeführten Studie eine Wirksamkeit von Idebenone bei Alzheimer Demenz nicht nachgewiesen werden konnte (T 2003) und die Rechte an dieser Substanz zwischenzeitlich von der Firma T an eine kleinere Firma übergingen (so der Sachverständige Prof. Dr. K).
Die weitere Voraussetzung für die Anwendung eines (nach innerstaatlichem Recht) nicht zugelassenen Arzneimittels nach dem Urteil des BSG vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R, wonach es sich bei der Seltenheitserkrankung um eine systematisch nicht erforschbare (und deswegen systematisch nicht behandelbare) Erkrankung handeln muss, liegt hingegen nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K nicht vor. Das BSG hat in seinem Urteil ausdrücklich betont, dass der krankenversicherungsrechtliche Leistungsausschluss infolge des arzneimittelrechtlichen Verkehrsverbots nicht überwunden werden kann, wenn die Erkrankung zwar als seltene Erkrankung anzusehen, sie gleichwohl mit Rücksicht auf ihre Verbreitung erforschbar ist.
Der Sachverständige Prof. Dr. K hat in seinem Gutachten die Erforschbarkeit der Kardiomyopathie im Rahmen der Friedreich’schen Ataxie, zu deren Behandlung das begehrte Arzneimittel eingesetzt werden soll, gerade bejaht. Dies ergibt sich daraus, dass unabhängig von den bereits in der Vergangenheit unternommenen Versuchen einer systematischen Erforschung und Behandlung zurzeit zwei große, randomisierte und kontrollierte Studien, nämliche eine europäische und eine amerikanische, zur Wirksamkeit von Idebenone bei diesem Leiden mit jeweils deutlich mehr als 100 Patienten vorbereitet werden, mit deren Beginn in den ersten Monaten des Jahres 2006 zu rechnen ist. Damit wird hinreichend belegt, dass zumindest die hypertrophe Kardiomyopathie bei der Friedreich’schen Ataxie eine erforschbare Krankheit darstellt. Etwas anderes gilt zwar grundsätzlich für die Friedreich’sche Ataxie als Grunderkrankung. Zur Behandlung dieser Grunderkrankung kommt das Arzneimittel "Mnesis" jedoch schon deswegen nicht in Betracht, weil bisher keinerlei Studien belegt haben, dass damit eine Verbesserung der neurologischen Funktion einhergeht. Damit muss es aber, wie das BSG im Urteil vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R dargelegt hat, bei den strengeren Maßstäben hinsichtlich der Wirksamkeit eines Arzneimittels auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 19. März 2002 B 1 KR 37/00 R verbleiben, wonach entweder ein entsprechendes Zulassungsverfahren (nach innerstaatlichem Recht) bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Vielmehr sollen durch die beiden geplanten randomisierten und kontrollierten Studien erst zuverlässige und wissenschaftlich nachprüfbare Tatsachen festgestellt werden, um hinreichende Aussagen über die Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) zu ermöglichen.
Gleichwohl steht der Klägerin das begehrte Arzneimittel nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu, denn diese Vorschrift bedarf einer am Maßstab des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip orientierten verfassungskonformen Auslegung. Veranlassung dazu gibt der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 1 BvR 347/98.
Zwar folgt aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat, regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Dieses Grundrecht gewährt dem Versicherten die freie Selbstbestimmung über ärztliche Heileingriffe und belässt ihm die Entscheidung über die in seinem Fall anzuwendende Therapie. Die aus dieser Grundrechtsnorm resultierende objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor dieses Rechtsgut zu stellen, beschränkt sich darauf, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutz des Grundrechts trifft, die nicht völlig ungeeignet oder völlig unzulänglich sind (vgl. auch BVerfGE 88, 203, 294; 46, 160, 164; 39, 1, 36/42/44). Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt. Es steht somit auch mit dem Grundgesetz in Einklang, wenn das Gesetz bestimmt, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu sein haben und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung darf zudem von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein. Schließlich ist es von Verfassungs wegen nicht verwehrt, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzung sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden zu Lasten der Krankenkassen auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen (so Beschluss des BVerfG vom 06. Dezember 2005, a. a. O.). In gleicher Weise ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Wirtschaftlichkeit einer Leistung mit den Anforderungen des Arzneimittelrechts zu verknüpfen und sie deshalb zu verneinen, weil das Arzneimittel nicht oder noch nicht zugelassen ist. Zwar dienen das Arzneimittelrecht einerseits und die Regelungen des Krankenversicherungsrechts andererseits nicht denselben Zwecken und machen demgemäß die Zulassung von Arzneimitteln zum Verkehr und die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung von verschiedenen Voraussetzungen abhängig. Gleichwohl erscheint es sachlich gerechtfertigt, die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung zu verknüpfen, denn das Zulassungsverfahren nach dem Arzneimittelrecht gewährleistet neben der Unbedenklichkeit auch die Prüfung der Qualität und der Wirksamkeit des jeweiligen Arzneimittels, so dass die Krankenkassen mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung über ein eindeutiges und zugängliches Kriterium bei der Entscheidung über die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels verfügen (so Beschluss des BVerfG vom 05. März 1997 - 1 BvR 1071/95, abgedruckt in NJW 1997, 3085 und SGb 1997, 325).
Allerdings können die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Dies gilt insbesondere in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, denn das Leben stellt einen Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung dar. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Anordnung einer Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht in einem öffentlich-rechtlichen Verband der Sozialversicherung wie hier der Krankenversicherung die allgemeine Betätigungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht unerheblich einengt. Dadurch wird das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG berührt, denn die Freiheit zur Auswahl unter insbesondere Arzneimitteln, die dem Versicherten als Sachleistung zur Verfügung gestellt werden, wird eingeschränkt. In der gesetzlichen Krankenversicherung sind abhängig Beschäftigte mit mittleren und niedrigen Einkommen sowie Rentner pflichtversichert. Sie erfasst mithin Personengruppen, die wegen ihrer niedrigen Einkünfte eines Schutzes für den Fall der Krankheit bedürfen, der durch Zwang zur Eigenvorsorge erreicht werden soll. Das Gesetz geht hierbei davon aus, dass diesen Versicherten regelmäßig erhebliche finanzielle Mittel für eine zusätzliche selbständige Vorsorge im Krankheitsfall und insbesondere für die Beschaffung von notwendigen Leistungen der Krankenbehandlung außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zur Verfügung stehen. Es bedarf daher einer besonderen Rechtfertigung vor Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, wenn diesen Versicherten Leistungen für die Behandlung insbesondere einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung durch gesetzliche Bestimmungen oder durch deren fachgerichtliche Auslegung und Anwendung vorenthalten werden. An einer solchen fehlt es jedoch in den Fällen einer lebensbedrohlichen oder vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheit, für die eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht existiert, der behandelnde Arzt jedoch eine Methode zur Anwendung bringt, die nach seiner Einschätzung im Einzelfall den Krankheitsverlauf positiv zugunsten des Versicherten beeinflusst. Dabei muss es allerdings für die vom Versicherten gewählte Behandlungsmethode ernsthafte Hinweise auf eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf allgemein und im konkreten Einzelfall geben (so Beschluss des BVerfG vom 06. Dezember 2005, a. a. O.).
Der Senat verkennt nicht, dass die genannte Entscheidung des BVerfG im Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 135 Abs. 1 SGB V) ergangen ist und das BVerfG mit Beschluss vom 05. März 1997 (a. a. O.) den Ausschluss eines nicht zugelassenen Arzneimittels von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Behandlung einer Krebserkrankung noch als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen hat. In jener Entscheidung ist allerdings die hier aufgezeigte verfassungsrechtliche Problematik möglicherweise deswegen nicht näher untersucht worden, weil jener Kläger nach den Gründen dieser Entscheidung das verwandte Arzneimittel wohl im vollen Umfang ohne Bezahlung erhalten hatte. Der Beschluss des BVerfG vom 06. Dezember 2005 gibt Anlass anzunehmen, dass das BVerfG zwischenzeitlich von jener früheren Entscheidung abgerückt ist. Das BVerfG verweist nämlich darauf, dass es auch dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht grundsätzlich fremd ist, auf die Wirksamkeit einer Behandlungsmethode im Einzelfall jedenfalls bei seltenen Krankheiten abzustellen. So führt es aus: "Nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V kann der Vertragsarzt Arzneimittel, die aufgrund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise dennoch in medizinisch begründeten Einzelfällen verordnen. Auch das BSG hat sich in seiner jüngeren Rechtsprechung bei einer Krankenbehandlung mit Arzneimitteln einer Einzelfallbetrachtung unter bestimmten Voraussetzungen nicht verschlossen." Mit dieser jüngeren Rechtsprechung ist das Urteil des BSG vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R gemeint, wie der weitere Zusammenhang ergibt.
Die vom BVerfG genannten Voraussetzungen für die gebotene verfassungskonforme Auslegung des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V liegen im Fall der Klägerin vor.
Es gibt ernsthafte Hinweise sowohl allgemein als auch im konkreten Einzelfall der Klägerin, dass mit dem Arzneimittel "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf der hypertrophen Kardiomyopathie bei der Friedreich’schen Ataxie eintritt.
Zum allgemeinen Wirkungszusammenhang hat sich der Sachverständige Prof. Dr. K in seinem Gutachten vom 05. Januar 2006, wie bereits dargelegt, geäußert. Im Hinblick darauf ist es nahe liegend, dass die bei der Klägerin eingetretene Veränderung auf die Behandlung mit dem begehrten Arzneimittel zurückzuführen ist.
Mit der medikamentösen Therapie wurde im November 2000 begonnen (vgl. Bericht des Dr. K vom 01. März 2001). Bei der am 26. Oktober 2000 erfolgten Untersuchung zeigte sich echokardiografisch eine globale Hypertrophie des Myokard und des Septums. Die Muskeldicke und die Septumdicke betrugen zirka 20 mm (Normwerte: Hinterwand bis 10,5 mm und Septum 12 mm - so Bericht des Dr. K vom 27. Oktober 2000). Bei der am 27. Februar 2001 erfolgten Wiedervorstellung war die Hypertrophie rückläufig. Die Größe der Hinterwand betrug 13 bis 16 mm, die des Septums 15 bis 18 mm (Bericht des Dr. K vom 01. März 2001). Bei der weiteren Vorstellung am 19. September 2001 fand sich eine weitgehend normalisierte Herzgröße. Es wurde ebenfalls eine erstaunliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit und der psychischen Situation vorgefunden. Nach dem Bericht des Dr. K vom 20. September 2001 ist dies einzig und allein auf die medikamentöse Therapie zurückzuführen, da bei der Kardiomyopathie bei Friedreich’scher Ataxie ein solcher Verlauf nicht vorkommt. In der Epikrise der Fachklinik H vom 21. Januar 2003 über eine stationäre Behandlung vom 15. Juli 2002 bis 31. Oktober 2002 zeigte das EKG vom 23. Juli 2002 zwar Zeichen der Ischämie bei Kardiomyopathie. Es wird dort jedoch festgestellt, dass sich unter der Medikation mit dem Arzneimittel "Mnesis" die konzentrisch-symmetrische hypertrophe Kardiomyopathie deutlich normalisierte. Nach dem Sachverständigen Prof. Dr. K werden in dieser Epikrise Hinweise auf eine Herzinsuffizienz nicht benannt. Wenn, wie auch von dem Facharzt für Kinderkrankheiten Dr. G in seinem Befundbericht vom 14. April 2004 dargelegt, am Ende der Friedreich’schen Ataxie eine schwere Herzinsuffizienz steht, in deren Folge der Tod eintritt, ist es medizinisch geboten, diesem Zustand durch medizinische Maßnahmen zur Bekämpfung der hypertrophen Kardiomyopathie entgegenzutreten. Dass dies mit dem Arzneimittel "Mnesis" ernsthaft gelingen kann, ist durch die aufgezeigten Indizien nicht ganz fern liegend.
Das Arzneimittel "Mnesis" ist schließlich nicht nach § 34 SGB V ausgeschlossen. Es gehört weder zu den nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V) noch zu denjenigen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht (§ 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V). Es wird ebenfalls nicht in Rechtsverordnungen über unwirtschaftliche Arzneimittel nach § 34 Abs. 2 und 3 SGB V oder von den Arzneimittelrichtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V in der Fassung vom 31. August 1993 (Bundesanzeiger 1993 Nr. 246, Seite 11 155), zuletzt geändert am 20. Dezember 2005 (Bundesanzeiger 2006 Nr. 40, Seite 1 155), als ausgeschlossenes Arzneimittel erfasst.
Damit sind alle Voraussetzungen erfüllt, um von der Beklagten das Arzneimittel "Mnesis (Wirkstoff Idebenone) als Sachleistung beanspruchen zu können. Diesen Sachleistungsanspruch kann die Beklagte derzeit jedoch nicht erfüllen, weil dieses Arzneimittel wegen der fehlenden Zulassung nicht zu den verkehrsfähigen Arzneimitteln zählt und deswegen von den Vertragsärzten nicht auf Kassenrezept verordnet werden darf.
Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Er soll nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V insbesondere Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln beschließen.
Dem ist der Gemeinsame Bundesausschuss (seinerzeit noch Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen) mit den Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittelrichtlinien) nachgekommen. Nach A Ziffer 1 gelten diese Richtlinien für die Verordnung von Arzneimitteln durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte (Vertragsärzte). Die Richtlinien sind von Vertragsärzten, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen zu beachten. Nach A Ziffer 3 hat der Versicherte grundsätzlich einen Anspruch auf die Versorgung mit allen nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) verkehrsfähigen Arzneimitteln.
Das Arzneimittel "Mnesis" ist, wie ausgeführt, jedoch nicht nach dem AMG verkehrsfähig, so dass der Vertragsarzt nicht berechtigt ist, dieses Arzneimittel auf Kassenrezept zu verordnen.
Ein Sachleistungsanspruch auf Arzneimittel kann jedoch grundsätzlich nur dadurch begründet werden, dass ein Vertragsarzt dieses auf Kassenrezept verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernimmt. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V, des § 31 SGB V, der die Anspruchsgrundlage für die Versorgung mit Arzneimitteln bildet, und des § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V. Danach wird ärztliche oder zahnärztliche Behandlung von Ärzten oder Zahnärzten erbracht. Dabei umfasst die vertragsärztliche Versorgung auch die Verordnung von Arzneimitteln. Die vertragsärztliche Verordnung bildet daher die Grundlage der Versorgung des Versicherten mit dem entsprechenden Arzneimittel. Der Versicherte kann es erst beanspruchen, wenn es ihm in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts des § 31 SGB V vom Vertragsarzt als ärztliche Behandlungsmaßnahme verschrieben wird (vgl. BSG, Urteil vom 19. November 1996 1 RK 15/96 , abgedruckt in SozR 3 2500 § 13 Nr. 13 = BSGE 79, 257).
Kommt demnach derzeit kein Sachleistungsanspruch auf Verschaffung des Arzneimittels "Mnesis" (Wirkstoff Idebenone) in Betracht, ist die Beklagte jedenfalls verpflichtet, die der Klägerin zukünftig entstehenden Kosten für dieses Arzneimittel zu übernehmen.
Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass die Klägerin von den Beschränkungen des krankenversicherungsrechtlichen Leistungsrechts allerdings nur insoweit befreit wird, als dies zur Überwindung des vorliegenden Systemmangels erforderlich ist. Die sonstigen Voraussetzungen bleiben für die Klägerin weiterhin maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 03. April 2001 B 1 KR 40/00 R ). Dies gilt insbesondere für den genannten Arztvorbehalt. Sollte sich die Klägerin daher das Arzneimittel "Mnesis" nunmehr privat auf eigene Rechnung beschaffen, wird sie zu beachten haben, dass die ärztliche Verordnung auch im Rahmen des § 13 Abs. 3 SGB V erforderlich ist, wobei diese allerdings auf Privatrezept erfolgen darf. Es gibt auch im Falle eines Systemversagens keinen sachlichen Grund, die Behandlung des Versicherten mit Arzneimitteln von der ärztlichen Verantwortung freizustellen, also eine Selbstmedikation zu erlauben, und somit den Grundsatz des Arztvorbehaltes zu durchbrechen (so BSG, Urteil vom 19. November 1996 1 RK 15/96 ; BSG, Urteil vom 13. Juli 2004 B 1 KR 33/02 R , abgedruckt in SozR 4 2500 § 13 Nr. 3 zur Beschaffung ärztlich zu verantwortender Leistungen im Ausland, und BSG, Urteil vom 22. März 2005 B 1 KR 11/03 R ).
Die Berufung der Klägerin hat daher im genannten Umfang Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), denn es fehlt eine höchstrichterliche Rechtsprechung über die Versorgung mit nicht zugelassenen Arzneimitteln, die die neueste Rechtsprechung des BVerfG berücksichtigt.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved