L 16 (2) KR 133/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 9 (19) KR 381/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 (2) KR 133/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13. September 2005 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Säumniszuschlägen für geleistete Abschlagszahlungen im Rahmen des Risikostrukturausgleichs (RSA), die in zwei Fällen nicht am 15. des Monats, sondern erst am 16. des Monats dem Empfängerkonto gutgeschrieben wurden.

Für die Klägerin bestand im Jahre 2003 eine Verpflichtung zur monatlichen Leistung von RSA-Ausgleichszahlungen gemäß § 266 Abs. 1, 6, 7 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i. V. m. § 17 der Verordnung über das Verfahren zum Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung (Risikostruktur-Ausgleichsverordnung, RSAV) in der bis zum 30.09.2005 gültigen Fassung (a. F.). Der Betrag ist gemäß § 17 Abs. 5 S. 3 RSAV a. F. bis zum 15. des jeweiligen Ausgleichsmonats an die gemäß § 14 RSAV a. F. für die zahlungstechnische Abwicklung des RSA zuständige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, heute: Deutsche Rentenversicherung Bund) zu zahlen. Am 28.01.2003 traf die Klägerin mit ihrer Hausbank, der L Sparkasse, eine Vereinbarung zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Danach werden im Rahmen des elektronischen Zahlungsverkehrs eilige Überweisungen mit taggleicher Valuta auf dem Empfängerkonto gutgeschrieben, sofern sie als sog. DTE-Zahlung gekennzeichnet sind und die Klägerin die Überweisungsaufträge bis 13.00 Uhr an die L Sparkasse übermittelt. Am 15.05.2003 und 15.10.2003 veranlasste die Klägerin die Überweisung der jeweiligen Abschlagszahlung in Höhe von 3.169,482,13 EUR bzw. 3.230.832,96 EUR auf das Konto der BfA bei der T-Bank, kennzeichnete allerdings im Mai die Zahlung nicht als DTE-eilig; am 15.10.2003 ging der elektronische Überweisungsauftrag erst um 16.06 Uhr bei der L Sparkasse ein. In beiden Fällen erfolgte - bei negativer Wertstellung auf dem Konto der Klägerin am 15.05. bzw. 15.10.2003 - eine Gutschrift der Beträge auf dem Konto der BfA erst am 16.5. bzw. 16.10.2003.

Die BfA wies die Klägerin mit zwei Schreiben vom 08.01.2004 darauf hin, dass nach § 266 Abs. 8 SGV V i. V. m. § 14 Abs. 3 S. 1 RSAV a. F. für Ausgleichszahlungen, die bis zum Ablauf des Fälligkeitstages nicht geleistet würden, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 v. H. des rückständigen Betrages zu zahlen sei. Daraus errechne sich wegen des verspäteten Eingangs der Ausgleichszahlungen im Mai und Oktober 2003 ein Säumniszuschlag in Höhe von 31.694,50 EUR bzw. 32.308,00 EUR. Der Gutschriftverzug sei offensichtlich durch einen Bankringwechsel vom Konto der Klägerin bei der L Sparkasse auf das Konto der BfA bei der T-Bank bewirkt worden. Bei einer Überweisung innerhalb eines Bankenringes, zum Beispiel von Sparkassen untereinander, sei eine taggleiche Wertstellung auf dem Empfängerkonto sichergestellt. Auf diesen Sachverhalt hatte der Sachbearbeiter der BfA die Klägerin bereits im Anschluss an die Überweisung im Mai 2003 hingewiesen. Die Klägerin veranlasste allerdings erst im Januar 2004 auf erneuten Hinweis der BfA eine Umstellung der RSA-Zahlungen auf das Konto der BfA bei der Hamburger Sparkasse, so wie sie dies bereits bei den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen praktizierte (vgl. dazu den Vermerk der Beklagten vom 08.04.2004 in der Verwaltungsakte der Beklagten sowie den Telefonvermerk vom 06.01.2004 in der Akte der Klägerin, Bl. 3).

Da die Klägerin die geltend gemachten Säumniszuschläge nicht leistete, setzte die Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 16.04.2004 Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 64.002,50 EUR für die Monate Mai und Oktober 2003 fest. Die Ausgleichzahlungen seien nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages geleistet worden. Gemäß § 14 Abs. 3 S. 4 RSAV a. F. könne die BfA bei einer unverschuldeten Gutschriftverzögerung im Einzelfall bestimmen, dass von der Höhe nach S.1 der Vorschrift abgewichen werde. Eine Reduzierung der - oder ein Verzicht auf die - Säumniszuschläge komme jedoch nur in Betracht, wenn der Säumnis eine unverschuldete Gutschriftverzögerung zugrunde liege. Daran fehle es vorliegend. In Rundschreiben vom 27.02.1998 und 16.09.2003 an alle Einzugsstellen habe die BfA darauf hingewiesen, dass sie verschiedene Konten bei verschiedenen Kreditinstituten eingerichtet habe, damit bei der Ausführung der Überweisungen eine gleichtägige Buchung und Valutierung gewährleistet sei. Per Datenfernübertragung veranlasste Zahlungen seien nur innerhalb eines Bankenringes taggleich gesichert. Wenn eine Nutzung über andere Bankverbindungen erfolge, empfehle die BfA, eine entsprechende Absicherung vom beauftragten Kreditinstitut einzuholen. Die Klägerin habe jedoch keine Überweisung innerhalb eines Bankenringes veranlasst. Sie habe damit nicht alle Maßnahmen getroffen, um eine Gutschriftverzögerung auf dem RSA-Konto der BfA auszuschließen.

Mit der am 03.05.2004 zum Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat die Klägerin die Erstattung der geleisteten Säumniszuschläge geltend gemacht und vorgetragen, sie habe die fälligen Ausgleichsbeträge pünktlich geleistet. Nach § 14 Abs. 2 S. 4 RSAV a. F. gelte die Zahlung mit der belastenden Wertstellung und Ausführung vor Bankannahmeschluss am jeweiligen Fälligkeitstag als erfüllt. Sie aber habe die Buchungen nachweislich am 15.05. und 15.10.2003 veranlasst.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.04.2004 zu verurteilen, an sie 64.002,50 EUR zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf den ihrer Auffassung nach rechtmäßigen angefochtenen Bescheid Bezug genommen.

Parallel zur Klageerhebung hat die Klägerin die Erstattungsansprüche im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes in dem unter dem Aktenzeichen S 19 KR 523/04 ER bei dem Sozialgericht Köln geführten Rechtsstreit verfolgt. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 21.06.2004 wegen Fehlens eines Anordnungsgrundes abgelehnt.

Mit Urteil vom 13.09.2005 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.04.2004 verurteilt, an die Klägerin 64.002,50 EUR zu erstatten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass seitens der Klägerin eine fristgerechte Zahlung der Abschlagsbeträge für Mai und Oktober 2003 erfolgt sei. Die Klägerin habe die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 S. 4 RSAV a. F. erfüllt. Aus der Formulierung "Ausführung vor Bankannahmeschluss" der Vorschrift könne nicht abgeleitet werden, dass die Wertstellung auf dem Empfängerkonto am Fälligkeitstag erfolgt sein müsse. Es müsse lediglich das Bankinstitut des Zahlungsverpflichteten tätig geworden sein. Dies sei der Fall gewesen. Die von der Beklagten zitierten Rundschreiben der BfA stellten lediglich Empfehlungen dar. Auch bei Zahlungen über 250.000 EUR, für die § 14 Abs. 2 S. 2 RSAV a. F. ein beschleunigtes Überweisungsverfahren vorschreibe, sei S. 4 der Vorschrift anwendbar.

Gegen das ihr am 26.10.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.11.2005 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt sie ergänzend vor, der Klägerin hätten offenbar die Rundschreiben der damaligen BfA vom 27.02.1998 und 16.09.2003 über die korrekte Wertstellung nicht vorgelegen und seien deshalb von ihr (erst) mit Schreiben vom 26.04.2004 an die BfA angefordert worden. Es sei davon auszugehen, dass Ursache für die verspäteten Überweisungen Unkenntnis der Mitarbeiter der Klägerin gewesen sei, die sich die Klägerin zurechnen lassen müsse.

Zwar verlange § 14 Abs. 2 S. 4 RSAV a. F. nur die belastende Wertstellung und Ausführung vor Bankannahmeschluss am jeweiligen Fälligkeitstag, also auf dem Konto der zur Zahlung verpflichteten Krankenkasse. Die vom Sozialgericht vorgenommene ausschließliche Orientierung am Wortlaut sei jedoch unzureichend. Unter Einbeziehung von Sinn und Zweck des monatlich durchzuführenden Abschlagverfahrens sowie des Willens des Gesetzgebers, der in der Gesetzesbegründung seinen Ausdruck gefunden habe, ergebe sich, dass die Gutschrift am Fälligkeitstag auf dem Konto der BfA eingehen müsse. Nach § 14 Abs. 2 S. 1 RSVA a. F. sei die BfA ermächtigt, die maßgeblichen Konten zu bestimmen, auf die die Zahlungen im Rahmen des monatlichen Abschlagsverfahrens zu leisten seien, sowie die Art der Überweisung festzulegen. Dies ergebe sich auch aus der Verordnungsbegründung zu § 14 Abs. 2 RSAV a. F., nach der sich die Art der Überweisung und Bestimmung der Empfängerverbindung wie bisher nach § 3 Abs. 2 Beitragszahlungsverordnung (BZVO) a. F. (jetzt: § 5 Abs. 2 BZVO) richte (BR-Drs 686/97, S. 20). Die o. g. Rundschreiben enthielten Anweisungen dahingehend, dass die Zahlungen am 15. des jeweiligen Monats bereits auf dem Konto der BfA eingegangen sein müssten. Auf dieser Grundlage habe die BfA bestimmt, dass spezielle, von ihr vorgegebene Empfängerverbindungen innerhalb der entsprechenden Bankenringe auszuwählen seien. Unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 2 BZVO a. F. bzw. § 5 Abs. 2 BZVO n. F. sei die Anweisung mittels der o. g. Rundschreiben allen Einzugsstellen mitgeteilt worden. Dass es sich dabei um Weisungen und nicht nur um unverbindliche Empfehlungen handele, ergebe sich bereits aus der Betreffzeile ("Verlangen nach § 3 Abs. 2 BZVO"). Auf diese Weise habe sichergestellt werden sollen, dass die gleichtägige Buchung und Valutierung am jeweils 15. eines Monats erfolge. Auch wenn die Rundschreiben nur die Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten ausdrücklich nenne, mache die Bezugnahme auf die Beitragszahlungsverordnung deutlich, dass die Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom Regelungsbereich umfasst seien. Gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 RSAV a. F. aber seien Zahlungen an die BfA auf die für die Weiterleitung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge maßgebenden Konten zu leisten, sofern die BfA nichts anderes bestimme.

Auch aus § 14 Abs. 3 S. 2 a. F. i. V. m. § 17 Abs. 5 S. 3 a. F. RSAV folge, dass Zahlungseingang bei der BfA der 15. des jeweiligen Monats sein solle. § 14 Abs. 2 S. 4 RSAV a. F. sei im Zusammenhang mit S. 1 bis 3 der Norm zu sehen. Die Zahlung gelte danach mit der belastenden Wertstellung und Ausführung vor Bankannahmeschluss am jeweiligen Fälligkeitstag nur dann als erfüllt, wenn die Kasse die Vorgaben der BfA beachtet habe. Die Klägerin habe aber die Vorgaben der BfA gerade nicht beachtet. Sie habe die Überweisung nicht innerhalb des Bankenrings getätigt. Der Eingang der Gelder an dem jeweils 15. eines Monats sei von nicht zu unterschätzender Bedeutung für das gesamte Risikostrukturausgleichsverfahren. § 14 Abs. 3 S. 1 RSAV a. F. solle gewährleisten, dass alle am RSA beteiligten Krankenkassen ihren Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachkommen. Die Zahlungen an die ausgleichsberechtigten Kassen müssten gemäß § 266 Abs. 8 SGB V zeitgleich mit den Zahlungen der ausgleichsverpflichteten Kassen erfolgen. Verspätete Ausgleichszahlungen könnten zu erheblichen Störungen im Ausgleichsverfahren und zu unvertretbaren Liquiditätsbelastungen bei der BfA führen, die den Zahlungsverkehr im RSA abwickle (BT Drs. 13/6087 S. 30). Bei der Auslegung des § 14 RSAV a. F. sei daher neben der Steuerungsfunktion der Säumniszuschläge zur Einhaltung der Zahlungsdisziplin auch die damit verbundene Funktion, eingetretene Liquiditätsbelastungen auszugleichen, besonders zu beachten. § 266 Abs. 8 SGB V und damit auch § 14 RSAV a. F. seien, wie sich der Gesetzesbegründung (BT Drs. 13/6087 S. 30) entnehmen lasse, § 24 Abs. 1 SGB IV und damit auch der BZVO nachgebildet. Nach § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BZVO gelte als Tag der Zahlung bei Überweisung der Tag der Wertstellung zugunsten der Einzugsstelle. Der Zahlungspflichtige habe dafür Sorge zu tragen, dass die Einzugsstelle spätestens am Fälligkeitstag im Besitz der geschuldeten Beträge sei. § 14 Abs. 2 S. 4 RSAV a. F. solle dagegen lediglich gewährleisten, dass keine rückwirkende belastende Wertstellung erfolge. Im Übrigen sei die Klägerin auch nicht ihrer Verpflichtung zur Zahlung im beschleunigten Überweisungsverfahren nachgekommen, obwohl der Grenzwert von 250.000 EUR bei Überweisungen von mehr als 3 Millionen EUR deutlich überschritten sei.

Da der Bankannahmeschluss durch jede Bank/Sparkasse individuell selbst bestimmt werde und keinem erkennbaren Muster unterliege, unterfalle es dem Pflichtbereich der Klägerin, sich bei ihrem Geldinstitut kundig zu machen, auf welchen Zeitpunkt der (individuelle) Bankannahmeschluss falle, damit eine belastende Wertstellung noch am selben Tag ergehen könne. Aus ihrer Sicht sei der Begriff des Bankannahmeschlusses in § 14 Abs. 2 S. 4 RSAV a. F. so zu verstehen, dass eine Ausführung durch das Bankinstitut der zahlungsverpflichteten Krankenkasse so rechtzeitig erfolgen müsse, dass eine Gutschrift des Überweisungsbetrages auf dem Empfängerkonto am selben Tag ermöglicht werde. Auch im Hinblick darauf sei die Klägerin verpflichtet, die Zahlungsströme zu überwachen. Bei einer Einschaltung des Bankenkreises, der sich aus den genannten Rundschreiben der BfA ergebe, sei die Sicherheit der taggleichen Gutschrift auf dem Empfängerkonto gegeben, ebenso bei einer Überweisung im beschleunigten Verfahren, und zwar Letzteres auch außerhalb des vorgegebenen Bankenringes.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.09.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.09.2005 zurückzuweisen.

Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, die Orientierung am Wortlaut des § 14 RSAV a. F. sei allein relevant. Wenn der Gesetzgeber eine andere Regelung hätte treffen wollen, so hätte er diese bei Formulierung des Wortlautes berücksichtigen müssen. Die von der BfA erlassenen Rundschreiben bezögen sich im Übrigen auf Weiterleitung der Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten. Aus ihnen sei nicht ersichtlich, dass sie auch für den RSA gelten sollten. Im Übrigen teile sie, die Klägerin, die Auffassung des Sozialgerichts, dass es sich dabei um bloße Empfehlungen, nicht aber um Weisungen handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozessakte, der Verwaltungsakte der Beklagten und der BfA sowie der Prozessakte S 19 KR 523/04 ER des Sozialgerichts Köln Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 13.09.2005 ist begründet. Das Sozialgericht hat mit o. g. Urteil zu Unrecht der Klage stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16.04.2004 ist rechtmäßig. Diese hat dem Grunde und der Höhe nach zu Recht Säumniszuschläge von der Klägerin für die verspätet gutgeschriebenen RSA-Ausgleichszahlungen am 15.05. und 15.10.2003 festgesetzt; die Beklagte ist dementsprechend nicht zur Erstattung der bereits von der Klägerin geleisteten Säumniszuschläge verpflichtet.

Gemäß § 266 Abs. 8 SGB V i. V. m. § 14 Abs. 3 RSAV a. F. ist für verspätete Ausgleichszahlungen für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 Prozent des rückständigen Betrages zu zahlen. Für die Erhebung der Säumniszuschläge im monatlichen Ausgleich gilt der Zeitpunkt nach § 17 Abs. 5 S. 3 RSAV a. F., vgl. § 14 Abs. 3. S. 2 RSAV a. F.; nach § 17 Abs. 5 S. 3 RSAV a. F. hat die Krankenkasse den übersteigenden Betrag an die BfA bis zum 15. des jeweiligen Ausgleichsmonats zu zahlen. Sofern die BfA nichts anderes bestimmt, sind die Zahlungen gemäß § 14 Abs. 2 RSAV a. F. an sie auf die für die Weiterleitung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge maßgebenden Konten zu leisten. Bei Beiträgen ab 250.000 EUR sind beschleunigte Überweisungsverfahren vorzunehmen. Die Zahlung durch Scheck ist nicht zulässig. Die Zahlung gilt nach § 14 Abs. 2 S. 4 RSAV a. F. mit der belastenden Wertstellung und Ausführung vor Bankannahmeschluss am jeweiligen Fälligkeitstag als erfüllt.

Die Erhebung von Säumniszuschlägen ist zu Recht erfolgt; denn die Klägerin hat die Ausgleichsbeträge für Mai und Oktober 2003 nicht bis zum 15. des jeweiligen Ausgleichsmonats gezahlt, vgl. § 17 Abs. 5 S. 3 RSAV; es liegt eine verspätete Ausgleichszahlung im Sinne von § 266 Abs. 8 SGB V i. V. m. § 14 Abs. 3 RSAV a. F. vor. Dass mit dem Begriff "Zahlung" die Wertstellung auf dem Empfängerkonto der BfA gemeint ist, stellt auch die Klägerin nicht in Frage. Sowohl im Mai als auch im Oktober 2003 sind jedoch die RSA-Zahlungen nicht bis zum jeweils 15. des Monats, sondern jeweils erst einen Tag später erfolgt. Von der Verhängung von Säumniszuschlägen ist auch nicht im Hinblick auf die Fiktion (" ...gilt als erfüllt ...") des § 14 Abs. 2 S. 4 RSAV abzusehen; denn die Voraussetzungen der Norm sind nicht erfüllt. Zwar ist, wie die von der Klägerin vorgelegten Buchungsunterlagen deutlich machen, am jeweiligen Fälligkeitstag, also am 15.05. und 15.10.2003, eine belastende Wertstellung auf dem Konto der Klägerin bei der L Sparkasse erfolgt. Es fehlt jedoch an einer Ausführung vor Bankannahmeschluss.

Der Senat geht mit den Beteiligten davon aus, dass es sich bei dem gesetzlich nicht definierten Begriff des Bankannahmeschlusses nicht um eine exakt bestimmbare Größe handelt, die für alle Bankinstitute Geltung hätte, sondern vielmehr um einen individuell von jeder Bank/Sparkasse festgelegten Zeitpunkt. Dies geht auch aus der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung der L Sparkasse vom 30.03.2006 hervor. Vom Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung kann der Begriff des Bankannahmeschlusses nach Auffassung des Senates nur als der Zeitpunkt verstanden werden, bis zu dem das vom Zahlungspflichtigen beauftragte Geldinstitut sicherstellt, dass Überweisungsaufträge in der Weise ausgeführt werden, dass das Geldinstitut des Zahlungsempfängers, hier der BfA, auf die Überweisung ohne Weiteres Zugriff nehmen kann. Hat der Zahlungspflichtige alles in seiner Macht Stehende veranlasst, um eine rechtzeitige Zahlung, das heißt Wertstellung auf dem Empfängerkonto, sicherzustellen, so soll der Zahlungsverpflichtige so gestellt werden, als sei die Zahlung rechtzeitig erfolgt, obwohl dies nicht der Fall ist. Ausnahmsweise soll es nach dem Willen des Verordnungsgebers dann nicht zur Verhängung von Säumniszuschlägen kommen.

Unabhängig von der Frage, ob § 14 Abs. 2 S. 4 RSAV a. F. trotz des eindeutigen Verstoßes der Klägerin gegen das Gebot der Überweisung im sog. beschleunigten, die taggleiche Wertstellung garantierenden Überweisungsverfahren im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 2 RSAV a. F. - es ging um den Transfer weit höherer Beträge als 250.000 EUR - überhaupt noch anwendbar ist, liegt in beiden Fällen eine Ausführung der Überweisungen vor Bankannahmeschluss durch die L Sparkasse jedenfalls nicht vor. Dass die Wertstellung auf dem Empfängerkonto nicht zeitgerecht erfolgt ist, hat seine Ursache allein darin, dass am jeweils 15. des Monats außer der negativen Wertstellung auf dem Konto der Klägerin keine weitere Ausführung seitens der L Sparkasse erfolgte. Dies hat sich die Klägerin zurechnen zu lassen; denn sie hat jedenfalls nicht alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen, um eine Ausführung der Überweisungen vor Bankannahmeschluss herbeizuführen. Insoweit war der Klägerin bekannt - sie hat dies selbst mit der L Sparkasse vereinbart -, dass Überweisungen im elektronischen Zahlungsverkehr als sog. DTE-Zahlung (= eilig) gekennzeichnet sein und der Hausbank bis 13.00 Uhr vorliegen mussten, um eine taggleiche Wertstellung zu gewährleisten. Die Klägerin hat jedoch weder das beschleunigte Überweisungsverfahren gewählt noch - entsprechend der vertraglichen Vereinbarung mit ihrer Hausbank - den jeweiligen Datensatz als DTE-eilig gekennzeichnet und bis 13.00 Uhr an die Sparkasse übermittelt. Der Klägerin ist insoweit entgegenzuhalten, dass es der Gesetzgeber bei der einen Voraussetzung - belastende Wertstellung - hätte belassen müssen, wenn dies allein - trotz verspäteter Zahlung - vor der Verhängung von Säumniszuschlägen schützen sollte. Die kumulative Verknüpfung mit der Ausführung vor Bankannahmeschluss zeigt deutlich, dass noch ein weiterer Bearbeitungsschritt der Hausbank hinzukommen muss, und zwar vor dem individuellen Bankannahmeschluss.

Der Beklagten ist lediglich insoweit entgegenzutreten, dass es nach Auffassung des Senates keiner Auslegung über den Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 4 RSAV a. F. hinaus bedarf, um das von der Beklagten favorisierte Ergebnis zu erzielen, wobei der Senat ansonsten der Argumentation der Beklagten beitritt. Nach dem Verständnis des erkennenden Senates ist der Wortlaut jedoch insoweit eindeutig.

Der Klägerin ist im Übrigen ebenfalls vorzuwerfen, dass sie die Überweisung nicht zumindest innerhalb eines Bankenringes getätigt hat, wie sie dies bei der Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge seit langem praktiziert. Auch dieses Verfahren sichert die taggleiche Wertstellung auf dem Empfängerkonto, wie der Klägerin bekannt gewesen sein dürfte. Auch insoweit trifft § 14 Abs. 2 S. 1 RSAV a. F. eine eindeutige Regelung. Ob der Klägerin die o. g. Rundschreiben der BfA bekannt waren, spielt insoweit keine Rolle, denn diese enthalten gerade keine andere Bestimmung als S. 1 der Norm.

Zurecht war von der BfA schließlich auch keine von § 14 Abs. 3 S. 1 RSAV a. F. abweichende Bestimmung zu treffen. Dabei kann offen bleiben, ob der Hinweis auf die Überweisung außerhalb eines Bankenringes den Anforderungen an eine von § 14 Abs. 3 S. 4 RSAV a. F. geforderte Entscheidung genügt. Nach der genannten Vorschrift kann die BfA bei einer unverschuldeten Gutschriftverzögerung im Einzelfall bestimmen, dass von der Höhe nach S. 1 abgewichen wird. Es fehlt zumindest an dem - als unbestimmter Rechtsbegriff in vollem Umfang gerichtlich überprüfbaren - vorausgesetzten Verschulden der Klägerin. Auch insoweit kann ihr nicht einmal möglicherweise fehlende Kenntnis vom Inhalt der o. g. Rundschreiben zugute gehalten werden, wie der Senat bereits ausgeführt hat. Die Klägerin hat im Gegenteil trotz eines telefonischen Hinweises der BfA nach der zu spät eingegangenen Überweisung im Mai 2003 über die Zusammenhänge zwischen Bankenring und taggleicher Wertstellung eine Umstellung des Verfahrens erst nach einer weiteren zu spät erfolgten Zahlung im Oktober 2004 veranlasst. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch der Klägerin bekannt gewesen sein dürfte, dass der Gesetzgeber von der zunächst normierten Erhebung von Verzugszinsen auf die Erhebung von Säumniszuschlägen umgestellt hat, um die Zahlungsmoral und -disziplin der abgabepflichtigen Kassen zur Vermeidung von Liquiditätsschwierigkeiten der BfA (heute: DRB) zu stärken (s. BT Drs 13/6087 S. 30; L Kommentar-Peters, Sozialversicherungsrecht, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2006, § 266 SGB V RdNr. 18).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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