Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 RJ 694/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 RJ 59/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Beklagte.
Der 1966 in Kroatien geborene Kläger durchlief in der Zeit von 1982 bis 1985 erfolgreich eine Ausbildung zum Zentralheizungs- und Lüftungsbauer und war bis 1997 bei verschiedenen Arbeitgebern in diesem Beruf tätig. Ab Juni 1997 war er arbeitslos und bezog Leistungen vom Arbeitsamt.
In der Zeit vom 18. Juni 2002 bis 17. September 2002 befand er sich wegen Cannabis-Abhängigkeit in stationärer Kurzzeittherapie im Drogentherapiezentrum B e.V. Laut Reha-Entlassungsbericht vom 16. Oktober 2002 erfolgte seine Entlassung als sofort arbeitsfähig. Das Leistungsvermögen in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei unter der Voraussetzung der Drogenabstinenz nicht eingeschränkt. In der Zeit vom 18. September 2002 bis 17. September 2003 erfolgte eine ambulante Weiterbehandlung im Drogentherapiezentrum B e.V. Diese Maßnahmen wurden von der Beklagten im Rahmen der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gefördert.
Den Antrag auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation vom 07. Oktober 2002, der vom Arbeitsamt Berlin Nord zuständigkeitshalber an die Beklagte weitergeleitet wurde, begründete der Kläger u.a. mit dem Hinweis, dass bei der Arbeit auf Baustellen viel Alkohol sowie von der jüngeren Generation auch Haschisch und zur Leistungssteigerung Kokain konsumiert werde. Dadurch sei eine ständige Selbstgefährdung gegeben, da sein Suchtgedächtnis durch zwanzigjährigen Drogenkonsum gut geschult sei. In seiner prüfärztlichen Stellungnahme vom 29. Oktober 2002 führte Dr. R. R, Arzt für innere Medizin und Sozialmedizin, zu dem Antragsgrund aus, dieser sei im Sinne der Rückfallgefahr auf Baustellen nicht akzeptabel, weil es genügend Arbeitsstellen am Bau ohne Alkohol- und Drogengefährdung gebe.
Mit Bescheid vom 07. November 2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab, weil nach ihren Feststellungen die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht erheblich gefährdet oder gemindert sei, da er in der Lage sei, eine Beschäftigung als Heizungsmonteur weiterhin auszuüben.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, um den Erfolg der Behandlung gewährleisten zu können, sei es für seine weitere Zukunft dringend erforderlich, sich beruflich neu zu orientieren. Die Drogenabhängigkeit sei auch im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Heizungsmonteur – insbesondere durch die Arbeit auf Baustellen – zu sehen. Um diese Art der Gefährdung zukünftig ausschließen zu können, sei es unbedingt notwendig, an einer entsprechenden Weiterbildungs- bzw. Umschulungsmaßnahme teilzunehmen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2003 als unbegründet zurück, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfüllt seien.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und vorgetragen, seine bisherige Tätigkeit sei durch häufiges Arbeiten im Akkord gekennzeichnet gewesen. Um den hohen Anforderungen genügen zu können, habe er Amphetamine und Kokain während der Arbeit und danach Alkohol und Cannabis zur Entspannung genommen. Im Rahmen der ambulanten Therapie im Drogentherapiezentrum sei der Zusammenhang von beruflichen Anforderungen und Suchtmittelkonsum intensiv bearbeitet worden. Ausweislich der vorgelegten Stellungnahme des Drogentherapiezentrums vom 23. Mai 2003 gingen seine betreuenden Therapeuten und Fachärzte übereinstimmend davon aus, dass seine Rückkehr in den alten Beruf mit einem hohen Rückfallrisiko verbunden sei. Insofern seien eben gesundheitliche Einschränkungen, die zu einer Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit führten, gegeben. Sie lägen im psychischen Bereich und nicht – wie von der Beklagten vorgetragen – allein in seinem physischen Leistungsvermögen. Eine berufliche Neuorientierung sei in den Bereichen EDV / Büroberufe bzw. Ergotherapie beabsichtigt, in denen eine geringe Wahrscheinlichkeit bestehe, mit Drogen in Kontakt zu kommen.
Das Sozialgericht hat eine Arbeitgeberauskunft der Firma H, H S GmbH vom 31. Oktober 2003 eingeholt, wonach der Kläger als Gas-, Wasserinstallateur überwiegend auf Baustellen eingesetzt gewesen sei, sich jedoch auch als Kundendienstmonteur geeignet hätte.
Mit Urteil vom 16. Februar 2004 hat das Sozialgericht die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt, für die Gefährdung und Minderung der Erwerbsfähigkeit sei nur auf die bisherige Tätigkeit abzustellen, es genüge eine Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit in diesem Beruf. Nicht erforderlich sei, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten bezüglich aller Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprächen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden könnten, gefährdet oder gemindert sei. Nach den überzeugenden Ausführungen des Klägers liege durch den im Baugewerbe bestehenden gesteigerten Suchtmittelmissbrauch bei erforderlicher suchtmittelfreier Arbeitsumgebung eine Rückfallgefährdung des Klägers vor, wobei die Kammer das Risiko einer Alkoholrückfälligkeit mit der Folge einer weitergehenden Destabilisierung als vorrangiges Gefährdungspotential ansehe. Der Kläger sei zwar im Rahmen seines uneingeschränkten Leistungsvermögens in seinem erlernten und ausgeübten Beruf, nicht jedoch im Baustellenbereich einsetzbar. Unter Berücksichtigung der zuletzt ausgeübten und für die Frage der Leistungsgewährung maßgebenden beruflichen Tätigkeit, die nach Auskunft des letzten Arbeitgebers im Baustellenbereich erfolgt sei, sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers erheblich gefährdet. Für eine baustellenferne Kundendiensttätigkeit (Reparatur/Wartung) komme der Kläger nicht in Betracht, da er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sei.
Gegen das am 10. Juni 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. Juni 2004 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie macht geltend, die Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen für die beantragte Förderung setze eine medizinisch begründete, erhebliche Gefährdung und Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten voraus. Diese Voraussetzungen seien bei dem Kläger in dem Beruf des Zentralheizungs- und Lüftungsbauers nicht erfüllt. Ausweislich des Reha-Entlassungsberichtes vom 16. Oktober 2002 sei der Kläger noch in der Lage, selbst schwere körperliche Arbeiten uneingeschränkt in allen Haltungsarten zu verrichten. Zu vermeiden seien lediglich Früh-, bzw. Spät- und Nachtschicht. Unter Berücksichtigung dieses Leistungsvermögens sei der Kläger in seinem erlernten Beruf als Heizungsbauer uneingeschränkt einsetzbar. Der in dem angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung, es bestehe eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit durch die Drogen- und Alkoholproblematik, werde nicht gefolgt. Das arbeitsrechtlich pflichtwidrige Verhalten von Kollegen in Form von Suchtmittelkonsum als Begründung für die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit im ausgeübten Beruf könne nicht als anspruchsbegründendes Kriterium im Sinne des § 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) anerkannt werden.
Der Senat hat vom Arbeitsmedizinischen Dienst der Bau-Berufsgenossenschaft den Artikel über die Studie "Konsum illegaler Drogen in der Bauwirtschaft" aus der Zeitschrift "Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin 37, 7, 2002" beigezogen. Laut dieser Studie wurden bei 30 von 494 (6%) Beschäftigten der Bauwirtschaft und des Gebäudereinigerhandwerks immunchemisch positive Drogenbefunde im Urin (Test 1) nachgewiesen. Bestätigt wurde der Nachweis verschiedener psychotroper Substanzen (Test 2) bei 24 Versicherten (5%). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des genannten Aufsatzes verwiesen.
Der Senat hat weiterhin eine Auskunft von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, der Parlamentarischen Staatssekretärin Marion Caspers-Merk, vom 08. September 2005 eingeholt. Laut dieser Auskunft liegen in der Bundesrepublik keine Studien vor, die sich mit der Prävalenz des Drogenkonsums, bezogen auf unterschiedliche Berufsgruppen oder Tätigkeitsbereiche, befassen. Erwiesen sei jedoch, dass der Cannabiskonsum generell in den letzten Jahren in der Bevölkerung – vor allem unter jungen Leuten – gestiegen sei. Der Kläger werde mithin auch durch eine Änderung seines beruflichen Umfeldes nicht sicherstellen können, künftig nicht mehr mit Cannabiskonsumenten in Berührung zu kommen, da das Phänomen in der gesamten Gesellschaft zum Tragen komme.
Die Beklagte macht geltend, der Rentenversicherungsträger habe keine realistische Möglichkeit, dem Kläger eine Eingliederung in eine suchtmittelfreie Arbeitsumgebung zu garantieren. Die beschriebene (Rückfall-)Gefährdung durch Rauschmittel konsumierende Kollegen dürfte in keinem Berufszweig auszuschließen sein. So gesehen könne der Kläger in jedem Beruf einer Versuchung durch "schlechte Vorbilder" ausgesetzt sein. Maßgebendes Zugangskriterium für die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben könne deshalb nur das tatsächlich feststellbare Leistungsvermögen des Klägers sein. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen sei der Kläger nach wie vor zur Ausübung seines Lehrberufes fähig.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, der in der Bauwirtschaft vorherrschende verstärkte Drogenkonsum ergebe sich auch aus der vom Gericht übersandten Studie aus dem Jahre 2002. Die Studie erlaube den Schluss auf einen relevanten Drogenkonsum unter Beschäftigten der Bauwirtschaft, von dem auch er betroffen gewesen sei. Die Beklagte verkenne, dass die Gefahr eines Rückfalls nicht von den "Rauschmittel konsumierenden Kollegen" ausgehe, sondern von seiner Rückkehr in den alten Beruf und dem damit verbundenen Rückfall in alte Verhaltensmuster. Entgegen der Auskunft der Drogenbeauftragten der Bundesregierung zeige sich anhand einer Bibliotheksanfrage, dass Veröffentlichungen über Zusammenhänge zwischen einem erhöhten Drogenkonsum und bestimmten Berufen vorlägen. Maßgebend sei, dass er im privaten Bereich in der Lage sei, dem drogenkonsumierenden Umfeld auszuweichen, während ihm dies bei der Berufsausübung nicht möglich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht entschieden, dass der Kläger die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung der von ihm beantragten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erfüllt.
Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den im Zuge des Inkrafttretens des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) zum 01. Juli 2001 geänderten Normen des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI). Inhaltlich ergibt sich keine Änderung, weil die Normen über die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Artikel 6 SGB IX vom 19. Juni 2001 (BGBl. 1 2001 Seite 1046) nur redaktionell an die Regelungen des SGB IX angepasst worden sind. Nach den §§ 9, 10 SGB VI hat derjenige Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und bei dem die geminderte Erwerbsfähigkeit durch die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden kann bzw. bei dem eine wesentliche Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit durch die Leistungen abgewendet werden kann.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegen bei dem Kläger die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI, die die Verpflichtung der Beklagten auslösen würden, über seinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nach pflichtgemäßem Ermessen erneut zu entscheiden, nicht vor. Leistungen zur Teilhabe (d.h. medizinische und berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation) können nur bewilligt werden, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten krankheits- oder behinderungsbedingt erheblich gefährdet oder gemindert ist. Erwerbsfähigkeit in diesem Sinne ist die Fähigkeit zur möglichst dauernden Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit in normalem Umfang. Dazu ist der Kläger weiterhin in der Lage.
Eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Klägers in seinem bisherigen Beruf als Zentralheizungs- und Lüftungsbauer bzw. als Gas- bzw. Wasserinstallateur ist nicht gegeben. Eine solche liegt vor, wenn nach ärztlichen Feststellungen wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen und Funktionseinschränkungen in absehbarer Zeit damit zu rechnen ist, dass ohne Leistungen zur Teilhabe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit eintreten wird. Die zu befürchtende Erwerbsminderung darf nicht nur möglich sein, sondern es muss der begründete Verdacht bestehen, dass sie in absehbarer Zeit eintritt (vgl. Niesel in KassKomm. § 10 SGB VI RdNr. 5).
Ausweislich des Reha-Entlassungsberichtes vom 16. Oktober 2002 wurde der Kläger nach erfolgter medizinischer Rehabilitationsmaßnahme jedoch als arbeitsfähig für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gas- und Wasserinstallateur entlassen. Außer der Einweisungsdiagnose "Cannabisabhängigkeit" lagen bei dem Kläger keine Krankheiten oder Behinderungen vor, die sein körperliches oder geistiges Leistungsvermögen einschränken konnten. Der Kläger selbst stellt nicht in Abrede, dass er nach seinem körperlichen und geistigen Leistungsvermögen in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit weiter auszuüben.
Er sieht die "Gefährdung" seiner Erwerbsfähigkeit in der Befürchtung, auf Grund des auf den Baustellen herrschenden Alkohol- und Drogenmissbrauchs wieder in alte Verhaltensweisen zurückzufallen und drogenabhängig zu werden. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt diese Art der Gefährdung keinen "Leistungsfall" dar, für den der Rentenversicherungsträger einzutreten hätte. Denn das versicherte Risiko ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers, die im vorliegenden Fall aufgrund der erfolgreichen medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen in vollem Umfang wiederhergestellt worden ist. Der Kläger ist nach seinen körperlichen und geistigen Kräften in der Lage, seinen bisherigen Beruf wieder in vollem Umfang ausüben zu können.
Im Übrigen sind die Angaben des Klägers, dass im Baubereich eine Gefährdung durch Alkohol- und Drogenmissbrauch gegeben sei, durch die Studie "Konsum illegaler Drogen in der Bauwirtschaft", die im Sommer und Herbst 2000 in den zwölf betriebsärztlichen Zentren des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Bau-Berufsgenossenschaft Frankfurt am Main durchgeführt worden ist, nur bedingt bestätigt worden. Angesichts der dort genannten Prozentzahlen von 5 bis 6 % der Befragten ist der Schluss auf eine so genannte "Zwangsläufigkeit" des Kontaktes mit Drogen auf Baustellen nicht zwingend. Aufgabe und Ziel der Studie war es im Übrigen, für die Bauberufsgenossenschaften im Rahmen ihrer Präventionsaufgaben auf Grund der vielen Arbeitsbereiche mit gefahrgeneigten und absturzgefährdeten Tätigkeiten in der Bauwirtschaft und im Gebäudereinigerhandwerk die Inzidenz des Konsums illegaler Drogen zu ermitteln, um durch entsprechende Schulungsveranstaltungen zur Aufklärung über Sicherheitsrisiken durch illegale Drogen steuernd und verhindernd eingreifen zu können.
Weder die Studie noch die vom Senat eingeholte Auskunft der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom 08. September 2005 belegen einen erhöhten Drogenkonsum im Baubereich. Nach den Angaben der Drogenbeauftragten der Bundesregierung liegen keine Studien vor, die sich mit der Prävalenz des Drogenkonsums bezogen auf unterschiedliche Berufsgruppen oder Tätigkeitsbereiche befassen.
Bei dieser Sachlage besteht allenfalls die Möglichkeit, nicht jedoch eine für die Erfüllung des Merkmals der erheblichen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) zu fordernde hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass bei Wiederaufnahme der zuvor ausgeübten Tätigkeiten in dem erlernten Beruf durch erneuten Drogen- oder Suchtmittelmissbrauch eine Erwerbsminderung eintreten könnte. Eine solche konkrete Gefahr ist auch deshalb zu verneinen, weil der Kläger einen Rückfall in den Drogenkonsum mit zumutbarer Anstrengung vermeiden kann, es also von ihm selbst abhängt, ob er rückfällig wird oder nicht. Diese Fähigkeit zu vermitteln diente die von der Beklagten geförderte Behandlung im Drogentherapiezentrum Berlin e.V ...
Auch die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a SGB VI geregelte Voraussetzung, dass bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die Teilhabe am Arbeitsleben voraussichtlich abgewendet werden kann, ist nicht erfüllt. Nach der dem Senat erteilten Auskunft der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom 08. September 2005 ist der Cannabiskonsum generell in den letzten Jahren in der Bevölkerung - vor allem unter jungen Leuten - gestiegen. Der Kläger wird mithin auch durch eine Änderung seines beruflichen Umfeldes nicht sicherstellen können, künftig nicht mehr mit Cannabiskonsumenten in Berührung zu kommen, da das Phänomen in der gesamten Gesellschaft zum Tragen kommt.
Hiernach ist auch bei Tätigkeiten des Klägers in einem anderen Beruf nicht gesichert, dass er nicht mehr mit Cannabiskonsumenten in Berührung kommt. Damit ist eine ausreichende Erfolgswahrscheinlichkeit einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht gewährleistet.
Die Beklagten hat ihre Verpflichtung durch Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation, nämlich durch die Förderung einer dreimonatigen stationären und einer zwölfmonatigen ambulanten Behandlung, erfüllt und dadurch die Voraussetzung geschaffen, dass der Kläger sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht über die erforderliche Leistungsfähigkeit für eine Tätigkeit in seinem bisherigen Beruf verfügt.
Durch die von der Beklagten geförderte Maßnahme ist der Kläger in den Stand gesetzt worden, einen Rückfall in den Drogenkonsum mit zumutbarer Willensanstrengung zu vermeiden. Der Erfolg der ihm zuteil gewordenen (medizinischen) Rehabilitation hängt ausschließlich von ihm selbst, insbesondere seiner Willensstärke, ab. Eine weitere Förderung - durch Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - kann er aus den dargelegten Gründen von der Beklagten nicht beanspruchen.
Auf die Berufung der Beklagten war daher das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Beklagte.
Der 1966 in Kroatien geborene Kläger durchlief in der Zeit von 1982 bis 1985 erfolgreich eine Ausbildung zum Zentralheizungs- und Lüftungsbauer und war bis 1997 bei verschiedenen Arbeitgebern in diesem Beruf tätig. Ab Juni 1997 war er arbeitslos und bezog Leistungen vom Arbeitsamt.
In der Zeit vom 18. Juni 2002 bis 17. September 2002 befand er sich wegen Cannabis-Abhängigkeit in stationärer Kurzzeittherapie im Drogentherapiezentrum B e.V. Laut Reha-Entlassungsbericht vom 16. Oktober 2002 erfolgte seine Entlassung als sofort arbeitsfähig. Das Leistungsvermögen in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei unter der Voraussetzung der Drogenabstinenz nicht eingeschränkt. In der Zeit vom 18. September 2002 bis 17. September 2003 erfolgte eine ambulante Weiterbehandlung im Drogentherapiezentrum B e.V. Diese Maßnahmen wurden von der Beklagten im Rahmen der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gefördert.
Den Antrag auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation vom 07. Oktober 2002, der vom Arbeitsamt Berlin Nord zuständigkeitshalber an die Beklagte weitergeleitet wurde, begründete der Kläger u.a. mit dem Hinweis, dass bei der Arbeit auf Baustellen viel Alkohol sowie von der jüngeren Generation auch Haschisch und zur Leistungssteigerung Kokain konsumiert werde. Dadurch sei eine ständige Selbstgefährdung gegeben, da sein Suchtgedächtnis durch zwanzigjährigen Drogenkonsum gut geschult sei. In seiner prüfärztlichen Stellungnahme vom 29. Oktober 2002 führte Dr. R. R, Arzt für innere Medizin und Sozialmedizin, zu dem Antragsgrund aus, dieser sei im Sinne der Rückfallgefahr auf Baustellen nicht akzeptabel, weil es genügend Arbeitsstellen am Bau ohne Alkohol- und Drogengefährdung gebe.
Mit Bescheid vom 07. November 2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab, weil nach ihren Feststellungen die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht erheblich gefährdet oder gemindert sei, da er in der Lage sei, eine Beschäftigung als Heizungsmonteur weiterhin auszuüben.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, um den Erfolg der Behandlung gewährleisten zu können, sei es für seine weitere Zukunft dringend erforderlich, sich beruflich neu zu orientieren. Die Drogenabhängigkeit sei auch im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Heizungsmonteur – insbesondere durch die Arbeit auf Baustellen – zu sehen. Um diese Art der Gefährdung zukünftig ausschließen zu können, sei es unbedingt notwendig, an einer entsprechenden Weiterbildungs- bzw. Umschulungsmaßnahme teilzunehmen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2003 als unbegründet zurück, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfüllt seien.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und vorgetragen, seine bisherige Tätigkeit sei durch häufiges Arbeiten im Akkord gekennzeichnet gewesen. Um den hohen Anforderungen genügen zu können, habe er Amphetamine und Kokain während der Arbeit und danach Alkohol und Cannabis zur Entspannung genommen. Im Rahmen der ambulanten Therapie im Drogentherapiezentrum sei der Zusammenhang von beruflichen Anforderungen und Suchtmittelkonsum intensiv bearbeitet worden. Ausweislich der vorgelegten Stellungnahme des Drogentherapiezentrums vom 23. Mai 2003 gingen seine betreuenden Therapeuten und Fachärzte übereinstimmend davon aus, dass seine Rückkehr in den alten Beruf mit einem hohen Rückfallrisiko verbunden sei. Insofern seien eben gesundheitliche Einschränkungen, die zu einer Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit führten, gegeben. Sie lägen im psychischen Bereich und nicht – wie von der Beklagten vorgetragen – allein in seinem physischen Leistungsvermögen. Eine berufliche Neuorientierung sei in den Bereichen EDV / Büroberufe bzw. Ergotherapie beabsichtigt, in denen eine geringe Wahrscheinlichkeit bestehe, mit Drogen in Kontakt zu kommen.
Das Sozialgericht hat eine Arbeitgeberauskunft der Firma H, H S GmbH vom 31. Oktober 2003 eingeholt, wonach der Kläger als Gas-, Wasserinstallateur überwiegend auf Baustellen eingesetzt gewesen sei, sich jedoch auch als Kundendienstmonteur geeignet hätte.
Mit Urteil vom 16. Februar 2004 hat das Sozialgericht die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt, für die Gefährdung und Minderung der Erwerbsfähigkeit sei nur auf die bisherige Tätigkeit abzustellen, es genüge eine Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit in diesem Beruf. Nicht erforderlich sei, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten bezüglich aller Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprächen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden könnten, gefährdet oder gemindert sei. Nach den überzeugenden Ausführungen des Klägers liege durch den im Baugewerbe bestehenden gesteigerten Suchtmittelmissbrauch bei erforderlicher suchtmittelfreier Arbeitsumgebung eine Rückfallgefährdung des Klägers vor, wobei die Kammer das Risiko einer Alkoholrückfälligkeit mit der Folge einer weitergehenden Destabilisierung als vorrangiges Gefährdungspotential ansehe. Der Kläger sei zwar im Rahmen seines uneingeschränkten Leistungsvermögens in seinem erlernten und ausgeübten Beruf, nicht jedoch im Baustellenbereich einsetzbar. Unter Berücksichtigung der zuletzt ausgeübten und für die Frage der Leistungsgewährung maßgebenden beruflichen Tätigkeit, die nach Auskunft des letzten Arbeitgebers im Baustellenbereich erfolgt sei, sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers erheblich gefährdet. Für eine baustellenferne Kundendiensttätigkeit (Reparatur/Wartung) komme der Kläger nicht in Betracht, da er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sei.
Gegen das am 10. Juni 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. Juni 2004 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie macht geltend, die Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen für die beantragte Förderung setze eine medizinisch begründete, erhebliche Gefährdung und Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten voraus. Diese Voraussetzungen seien bei dem Kläger in dem Beruf des Zentralheizungs- und Lüftungsbauers nicht erfüllt. Ausweislich des Reha-Entlassungsberichtes vom 16. Oktober 2002 sei der Kläger noch in der Lage, selbst schwere körperliche Arbeiten uneingeschränkt in allen Haltungsarten zu verrichten. Zu vermeiden seien lediglich Früh-, bzw. Spät- und Nachtschicht. Unter Berücksichtigung dieses Leistungsvermögens sei der Kläger in seinem erlernten Beruf als Heizungsbauer uneingeschränkt einsetzbar. Der in dem angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung, es bestehe eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit durch die Drogen- und Alkoholproblematik, werde nicht gefolgt. Das arbeitsrechtlich pflichtwidrige Verhalten von Kollegen in Form von Suchtmittelkonsum als Begründung für die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit im ausgeübten Beruf könne nicht als anspruchsbegründendes Kriterium im Sinne des § 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) anerkannt werden.
Der Senat hat vom Arbeitsmedizinischen Dienst der Bau-Berufsgenossenschaft den Artikel über die Studie "Konsum illegaler Drogen in der Bauwirtschaft" aus der Zeitschrift "Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin 37, 7, 2002" beigezogen. Laut dieser Studie wurden bei 30 von 494 (6%) Beschäftigten der Bauwirtschaft und des Gebäudereinigerhandwerks immunchemisch positive Drogenbefunde im Urin (Test 1) nachgewiesen. Bestätigt wurde der Nachweis verschiedener psychotroper Substanzen (Test 2) bei 24 Versicherten (5%). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des genannten Aufsatzes verwiesen.
Der Senat hat weiterhin eine Auskunft von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, der Parlamentarischen Staatssekretärin Marion Caspers-Merk, vom 08. September 2005 eingeholt. Laut dieser Auskunft liegen in der Bundesrepublik keine Studien vor, die sich mit der Prävalenz des Drogenkonsums, bezogen auf unterschiedliche Berufsgruppen oder Tätigkeitsbereiche, befassen. Erwiesen sei jedoch, dass der Cannabiskonsum generell in den letzten Jahren in der Bevölkerung – vor allem unter jungen Leuten – gestiegen sei. Der Kläger werde mithin auch durch eine Änderung seines beruflichen Umfeldes nicht sicherstellen können, künftig nicht mehr mit Cannabiskonsumenten in Berührung zu kommen, da das Phänomen in der gesamten Gesellschaft zum Tragen komme.
Die Beklagte macht geltend, der Rentenversicherungsträger habe keine realistische Möglichkeit, dem Kläger eine Eingliederung in eine suchtmittelfreie Arbeitsumgebung zu garantieren. Die beschriebene (Rückfall-)Gefährdung durch Rauschmittel konsumierende Kollegen dürfte in keinem Berufszweig auszuschließen sein. So gesehen könne der Kläger in jedem Beruf einer Versuchung durch "schlechte Vorbilder" ausgesetzt sein. Maßgebendes Zugangskriterium für die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben könne deshalb nur das tatsächlich feststellbare Leistungsvermögen des Klägers sein. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen sei der Kläger nach wie vor zur Ausübung seines Lehrberufes fähig.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, der in der Bauwirtschaft vorherrschende verstärkte Drogenkonsum ergebe sich auch aus der vom Gericht übersandten Studie aus dem Jahre 2002. Die Studie erlaube den Schluss auf einen relevanten Drogenkonsum unter Beschäftigten der Bauwirtschaft, von dem auch er betroffen gewesen sei. Die Beklagte verkenne, dass die Gefahr eines Rückfalls nicht von den "Rauschmittel konsumierenden Kollegen" ausgehe, sondern von seiner Rückkehr in den alten Beruf und dem damit verbundenen Rückfall in alte Verhaltensmuster. Entgegen der Auskunft der Drogenbeauftragten der Bundesregierung zeige sich anhand einer Bibliotheksanfrage, dass Veröffentlichungen über Zusammenhänge zwischen einem erhöhten Drogenkonsum und bestimmten Berufen vorlägen. Maßgebend sei, dass er im privaten Bereich in der Lage sei, dem drogenkonsumierenden Umfeld auszuweichen, während ihm dies bei der Berufsausübung nicht möglich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht entschieden, dass der Kläger die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung der von ihm beantragten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erfüllt.
Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den im Zuge des Inkrafttretens des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) zum 01. Juli 2001 geänderten Normen des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI). Inhaltlich ergibt sich keine Änderung, weil die Normen über die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Artikel 6 SGB IX vom 19. Juni 2001 (BGBl. 1 2001 Seite 1046) nur redaktionell an die Regelungen des SGB IX angepasst worden sind. Nach den §§ 9, 10 SGB VI hat derjenige Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und bei dem die geminderte Erwerbsfähigkeit durch die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden kann bzw. bei dem eine wesentliche Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit durch die Leistungen abgewendet werden kann.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegen bei dem Kläger die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI, die die Verpflichtung der Beklagten auslösen würden, über seinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nach pflichtgemäßem Ermessen erneut zu entscheiden, nicht vor. Leistungen zur Teilhabe (d.h. medizinische und berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation) können nur bewilligt werden, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten krankheits- oder behinderungsbedingt erheblich gefährdet oder gemindert ist. Erwerbsfähigkeit in diesem Sinne ist die Fähigkeit zur möglichst dauernden Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit in normalem Umfang. Dazu ist der Kläger weiterhin in der Lage.
Eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Klägers in seinem bisherigen Beruf als Zentralheizungs- und Lüftungsbauer bzw. als Gas- bzw. Wasserinstallateur ist nicht gegeben. Eine solche liegt vor, wenn nach ärztlichen Feststellungen wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen und Funktionseinschränkungen in absehbarer Zeit damit zu rechnen ist, dass ohne Leistungen zur Teilhabe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit eintreten wird. Die zu befürchtende Erwerbsminderung darf nicht nur möglich sein, sondern es muss der begründete Verdacht bestehen, dass sie in absehbarer Zeit eintritt (vgl. Niesel in KassKomm. § 10 SGB VI RdNr. 5).
Ausweislich des Reha-Entlassungsberichtes vom 16. Oktober 2002 wurde der Kläger nach erfolgter medizinischer Rehabilitationsmaßnahme jedoch als arbeitsfähig für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gas- und Wasserinstallateur entlassen. Außer der Einweisungsdiagnose "Cannabisabhängigkeit" lagen bei dem Kläger keine Krankheiten oder Behinderungen vor, die sein körperliches oder geistiges Leistungsvermögen einschränken konnten. Der Kläger selbst stellt nicht in Abrede, dass er nach seinem körperlichen und geistigen Leistungsvermögen in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit weiter auszuüben.
Er sieht die "Gefährdung" seiner Erwerbsfähigkeit in der Befürchtung, auf Grund des auf den Baustellen herrschenden Alkohol- und Drogenmissbrauchs wieder in alte Verhaltensweisen zurückzufallen und drogenabhängig zu werden. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt diese Art der Gefährdung keinen "Leistungsfall" dar, für den der Rentenversicherungsträger einzutreten hätte. Denn das versicherte Risiko ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers, die im vorliegenden Fall aufgrund der erfolgreichen medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen in vollem Umfang wiederhergestellt worden ist. Der Kläger ist nach seinen körperlichen und geistigen Kräften in der Lage, seinen bisherigen Beruf wieder in vollem Umfang ausüben zu können.
Im Übrigen sind die Angaben des Klägers, dass im Baubereich eine Gefährdung durch Alkohol- und Drogenmissbrauch gegeben sei, durch die Studie "Konsum illegaler Drogen in der Bauwirtschaft", die im Sommer und Herbst 2000 in den zwölf betriebsärztlichen Zentren des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Bau-Berufsgenossenschaft Frankfurt am Main durchgeführt worden ist, nur bedingt bestätigt worden. Angesichts der dort genannten Prozentzahlen von 5 bis 6 % der Befragten ist der Schluss auf eine so genannte "Zwangsläufigkeit" des Kontaktes mit Drogen auf Baustellen nicht zwingend. Aufgabe und Ziel der Studie war es im Übrigen, für die Bauberufsgenossenschaften im Rahmen ihrer Präventionsaufgaben auf Grund der vielen Arbeitsbereiche mit gefahrgeneigten und absturzgefährdeten Tätigkeiten in der Bauwirtschaft und im Gebäudereinigerhandwerk die Inzidenz des Konsums illegaler Drogen zu ermitteln, um durch entsprechende Schulungsveranstaltungen zur Aufklärung über Sicherheitsrisiken durch illegale Drogen steuernd und verhindernd eingreifen zu können.
Weder die Studie noch die vom Senat eingeholte Auskunft der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom 08. September 2005 belegen einen erhöhten Drogenkonsum im Baubereich. Nach den Angaben der Drogenbeauftragten der Bundesregierung liegen keine Studien vor, die sich mit der Prävalenz des Drogenkonsums bezogen auf unterschiedliche Berufsgruppen oder Tätigkeitsbereiche befassen.
Bei dieser Sachlage besteht allenfalls die Möglichkeit, nicht jedoch eine für die Erfüllung des Merkmals der erheblichen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) zu fordernde hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass bei Wiederaufnahme der zuvor ausgeübten Tätigkeiten in dem erlernten Beruf durch erneuten Drogen- oder Suchtmittelmissbrauch eine Erwerbsminderung eintreten könnte. Eine solche konkrete Gefahr ist auch deshalb zu verneinen, weil der Kläger einen Rückfall in den Drogenkonsum mit zumutbarer Anstrengung vermeiden kann, es also von ihm selbst abhängt, ob er rückfällig wird oder nicht. Diese Fähigkeit zu vermitteln diente die von der Beklagten geförderte Behandlung im Drogentherapiezentrum Berlin e.V ...
Auch die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a SGB VI geregelte Voraussetzung, dass bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die Teilhabe am Arbeitsleben voraussichtlich abgewendet werden kann, ist nicht erfüllt. Nach der dem Senat erteilten Auskunft der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom 08. September 2005 ist der Cannabiskonsum generell in den letzten Jahren in der Bevölkerung - vor allem unter jungen Leuten - gestiegen. Der Kläger wird mithin auch durch eine Änderung seines beruflichen Umfeldes nicht sicherstellen können, künftig nicht mehr mit Cannabiskonsumenten in Berührung zu kommen, da das Phänomen in der gesamten Gesellschaft zum Tragen kommt.
Hiernach ist auch bei Tätigkeiten des Klägers in einem anderen Beruf nicht gesichert, dass er nicht mehr mit Cannabiskonsumenten in Berührung kommt. Damit ist eine ausreichende Erfolgswahrscheinlichkeit einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht gewährleistet.
Die Beklagten hat ihre Verpflichtung durch Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation, nämlich durch die Förderung einer dreimonatigen stationären und einer zwölfmonatigen ambulanten Behandlung, erfüllt und dadurch die Voraussetzung geschaffen, dass der Kläger sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht über die erforderliche Leistungsfähigkeit für eine Tätigkeit in seinem bisherigen Beruf verfügt.
Durch die von der Beklagten geförderte Maßnahme ist der Kläger in den Stand gesetzt worden, einen Rückfall in den Drogenkonsum mit zumutbarer Willensanstrengung zu vermeiden. Der Erfolg der ihm zuteil gewordenen (medizinischen) Rehabilitation hängt ausschließlich von ihm selbst, insbesondere seiner Willensstärke, ab. Eine weitere Förderung - durch Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - kann er aus den dargelegten Gründen von der Beklagten nicht beanspruchen.
Auf die Berufung der Beklagten war daher das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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