L 8 R 176/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 23 RJ 1575/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 176/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger ist 1971 geboren worden. Zuletzt arbeitete er seit 1992 beim Ordnungsdienst der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) als Ordner. Seit Februar 2002 war er arbeitsunfähig krankgeschrieben. Seit 1995 ist bei ihm ein Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz/ Sozialgesetzbuch Neuntes Buch von 30 und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit anerkannt (Bescheid des Versorgungsamtes II Berlin vom 8. November 1995; Funktionsbeeinträchtigung: chronisch wiederkehrende Entzündungen beider Kniegelenke, beginnender Verschleiß des rechten Kniegelenks, Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks). Ein Antrag des Klägers auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung wurde 1998 bestandskräftig abgelehnt. Rente wegen Erwerbsminderung beantragte der Kläger im März 2003. Die Beklagte zog Unterlagen über ärztliche Behandlungen bei und ließ ihn durch den Facharzt für Chirurgie Dipl.-Med. P begutachten. In seinem Gutachten vom 28. April 2003 kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch täglich sechs Stunden und mehr mittelschwere körperliche Arbeiten jeder Art in allen Haltungsarten verrichten könne (es wurden keine Krankheitsdiagnosen angeführt). In der Folge lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 7. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2003 ab. Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass sein Gesundheitszustand nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Er habe Gelenkprobleme und Rheuma, außerdem sei er öfters operiert worden. An der rechten Hand habe er eine Verbrennung und Beschränkung. Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. L vom 24. Oktober 1995 beigezogen, welches für das Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach dem Schwerbehindertengesetz erstattet worden war, und Befundberichte des Arztes E vom 5. Februar 2004 und des Facharztes für Orthopädie B vom 19. März 2004 (mit zahlreichen Drittbefunden) eingeholt. Der Kläger selbst hat Atteste des Arztes E vom 2. Juni 2003 und des Arztes B vom 24. Juni 2003 sowie einen Entlassungs-Kurzbericht der Unfallchirurgischen Klinik des V Klinikums N vom 31. Juli 2004 über einen eintägigen stationären Aufenthalt eingereicht.

Durch Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei nicht in rentenberechtigendem Maß gemindert. Aus dem überzeugenden Verwaltungsgutachten des Dipl.-Med. P ergebe sich, dass der Kläger zwar an einem Zustand nach Synovektomie an beiden Kniegelenken wegen einer Synovialitis unklarer Genese, rechts bei zuvor abgelaufenem Kniegelenksempyem, und an einem Zustand nach mehrfachen Incisionen und Abszessausräumungen bei Furunkulose leide. All dies schließe aber lediglich schwere Arbeiten aus. Der Inhalt der Atteste der behandelnden Ärzte sei nicht geeignet, das Gutachten in Frage zu stellen, da sich der Kläger bei dem Gutachter beschwerdefrei in Bezug auf die Kniegelenke vorgestellt habe. Die Höhe des Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht besage nichts darüber, ob eine Erwerbsminderung im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung vorliege. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich das Leistungsvermögen seit der Begutachtung entscheidend verschlechtert haben könne, da sich der Kläger derzeit offenbar nicht in ärztlicher Behandlung befinde. Mit seiner Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, dass er nicht gesund sei. Er leide unter Gelenkschmerzen und Abszessen, sei mehr als ein Dutzend mal operiert worden und müsse Medikamente gegen die Schmerzen nehmen. Er könne nicht einmal seinen Haushalt richtig besorgen. Der Kläger beantragt der Sache nach, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. März 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Senat hat einen Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. K vom 1. Juni 2005 eingeholt, dem ein Entlassungsbericht des J Krankenhauses B vom 8. Februar 2005 beigefügt war (stationäre Behandlung vom 16. bis zum 21. Dezember 2004; Diagnosen: Alkoholentzug bei Alkoholabhängigkeit – Entlassung vorzeitig gegen ärztlichen Rat). Im Auftrag des Senats hat der Arzt für Orthopädie, Rheumatologie, Handchirurgie und physikalische Medizin Prof. Dr. S am 9. Dezember 2005 ein schriftliches Gutachten über den Kläger erstattet. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger noch leichte körperliche Arbeiten ohne einseitige Belastungen, Zwangshaltungen, Akkord oder Wechselschichten verrichten kann (Diagnosen: abortive oder blande Verlaufsform einer rheumatioden Arthritis; Fehlform des Achsenorgans, Senk-Spreizfuß-Leiden). Es liege ein deutliches Aggravationsverhalten vor. Die Leistungsminderung könne binnen eines Jahres sicherlich vermindert werden, wenn eine gezielte rheumatische Medikation erfolge. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen einer Minderung seiner Erwerbsfähigkeit. Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der hier anwendbaren, seit 1. Januar 2001 geltenden Fassung, setzt neben den sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 4 bis 6) voraus, dass der Versicherte entweder voll oder teilweise erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1). Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Denn nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen kann er noch 6 Stunden und mehr leichte körperliche Tätigkeiten mit wenigen weiteren Einschränkungen verrichten. Das ist das Ergebnis der Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. Ihm folgt der Senat, da er seine Einschätzung des Leistungsvermögens widerspruchsfrei und damit überzeugend aus den Ergebnissen seiner eigenen Untersuchung und der Würdigung der bei den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen – vor allem auch der Atteste und Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers - abgeleitet hat. Der Sachverständige hat zwar bestätigen können, dass der Kläger an einer behandlungsbedürftigen rheumatischen Erkrankung leidet und weicht mit dieser Feststellung von dem Gutachter Dipl.-Med. P ab, der von der Beklagten beauftragt worden war. Auch Prof. Dr. S hat aber keine Beeinträchtigungen des Leistungsvermögens feststellen können, die ein rentenberechtigendes Maß erreichen. Der Senat hatte keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen. Zwar meint der Kläger, dass der Sachverständige nicht berücksichtigt habe, dass er von Medikamenten "lebe" und dass er nicht einmal allein seinen Haushalt verrichten könne. Das hatte der Sachverständige aber schon in sein Gutachten aufgenommen (auf Seite 4 unter "Jetzige Beschwerden"). Dass er daraus keine Minderung des Leistungsvermögens in rentenberechtigendem Maß abgeleitet hat, ist ohne weiteres nachvollziehbar. Er hat deutlich darauf hingewiesen, dass die rheumatische Krankheit nicht angemessen behandelt wird und der Kläger durch eine bessere Behandlung eine deutlich verringerte Entzündungsbereitschaft in den Gelenken und damit eine Verbesserung seines Gesundheitszustands erreichen könnte. Ebenso konnte der Sachverständige feststellen, dass etliche vom Kläger beschriebene Einschränkungen nicht durch objektive Befunde bestätigt werden konnten. Ein – seit dem 2. Januar 2001 nur noch übergangsweise vorgesehener - Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI ist schließlich bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nach dem 1. Januar 1961 geboren ist. Damit kommt er gemäß § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht mehr in den Genuss der Übergangsvorschrift. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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