L 22 RJ 8/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 392/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 RJ 8/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 04. November 2003 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung von Dezember 2003 bis November 2005.

Die 1957 geborene Klägerin hat keine Berufsausbildung durchlaufen. Sie hat als Transportarbeiterin, landwirtschaftliche Arbeiterin und zuletzt bis 1991 als Arbeiterin in einem Sägewerk gearbeitet. Am 01. September 1992 bis zum 31. Juli 1996 bezog sie Erziehungsrente von der Beklagten. Am 24. März 1992 beantragte sie erstmals Rente wegen Erwerbsminderung und begründete dies damit, dass sie wegen eines seit 1991 bestehenden Wirbelsäulenleidens nur noch leichte Tätigkeiten verrichten könne, diese aber nach Möglichkeit ganztags. Den Antrag lehnte die Beklagte nach Einholung eines medizinischen Gutachtens ab und wies den Widerspruch der Klägerin hiergegen bestandskräftig zurück.

Am 11. Januar 1995 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung: Wegen ihres Rückenleidens könne sie seit Februar 1992 nur noch leichte Arbeiten verrichten. Auch diesen Rentenantrag wies die Beklagte nach Einholung medizinischer Unterlagen ab und wies den Widerspruch hiergegen mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 1997 zurück. Auch dieser erwuchs in Bestandskraft.

Am 06. Oktober 2000 stellte die Klägerin den hier streitigen weiteren Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Zur Begründung trug sie vor, wegen Leiden der Wirbelsäule, der Knie, der Hüfte, der Schulter und eines Hörsturzes sei sie seit 1991 nicht mehr in der Lage, irgendwelche Arbeiten zu verrichten.

Die Beklagte ließ sie von dem Orthopäden Dr. A begutachten, der bei der Klägerin degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule und beginnend der Kniegelenke feststellte. Daneben bestünden Hüftgelenksbeschwerden, ohne dass wesentliche Funktions¬einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und der Extremitätengelenke nachzuweisen seien. Die Belastungsfähigkeit des Achsenorganes und der Extremitätengelenke sei jedoch gemindert, so dass die Klägerin nur noch leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung verrichten könne.

Gestützt hierauf lehnte sie den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 20. März 2001 ab. Den Widerspruch der Klägerin hiergegen wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2001 zurück.

Mit der am 04. September 2001 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und dies damit begründet, wegen der ständigen Schmerzen sei sie weder wegefähig noch könne sie auch die leichteste körperliche Tätigkeit noch ausüben.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

der Bescheid der Beklagten vom 20. März 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2001, der Klägerin zugegangen am 04. August 2001, wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit gemäß der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung, hilfsweise wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI in der ab dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung, zu gewähren.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den Inhalt ihrer angefochtenen Bescheide berufen.

Das Sozialgericht hat zunächst einen Befundbericht des behandelnden Orthopäden Dr. G beigezogen und sodann mit Beweisanordnung vom 27. Februar 2002 den Orthopäden Dr. R zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens über das der Klägerin verbliebenen Leistungsvermögen beauftragt. In dem am 22. Juli 2002 erstatteten Gutachten hat Dr. R die Diagnosen gestellt:

1. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen bei statisch muskulärer Fehlhaltung mit wiederkehrender pseudoradikulärer Schmerz-ausstrahlung HWS, BWS, LWS 2. Sehnenscheidenentzündung 1. Strecksehnenfach rechts 3. Anlagebedingte Steilstellung Hüftgelenke mit belastungsabhängiger Schmerzsymptomatik und beginnendem Hüftgelenksverschleiß beidseits 4. Senk-Spreiz-Fußfehlbildung ohne statische Auswirkung 5. Kniegelenksabnutzung beidseits mit Betonung Kniescheibengleitlager/ Kniescheibengleitrinne ohne Einschränkung der Bewegungsfunktion

Daraus leitete er eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit dahingehend ab, dass die Klägerin keine Lasten von mehr als 5 kg heben und tragen könne, nicht überwiegend im Stehen und Gehen, nicht in Zwangshaltungen, nicht unter Exposition von starken Rüttelungen und Stauchungen oder Vibrationen arbeiten dürfe. Auch extreme Rumpfbeugevorhaltung und Armvorhaltetätigkeiten von mehr als 2 kg seien ebenso wie Arbeiten im Knien, Kriechen und Hocken sowie auf Leitern und Gerüsten nicht mehr zumutbar. Außerhalb seines Fachgebietes sei ein Asthma bronchiale mit belastungsabhängiger Verschlimmerung und migräneartigen Kopfschmerzen festzustellen, die dazu führten, dass erhöht Staubbelastung und Stressbelastung wie Akkord- oder Fließbandtätigkeit zu vermeiden seien. Insgesamt könne die Klägerin leichte körperliche Arbeiten vollschichtig und mittelschwere Arbeiten bis zur Hälfte der üblichen Arbeitszeit täglich verrichten und sie könne Wegstrecken von 501 m viermal täglich in weniger als 20 Minuten zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen.

Auf den Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz SGG hin das Sozialgericht Prof. Dr. B, Rheumatologe Universitätsklinikum C B, zum weiteren Sachverständigen ernannt. Dieser hat sein Gutachten am 29. Mai 2003 erstattet und folgende Diagnosen gestellt:

1. Hochgradiger Verdacht auf das Vorliegen einer Kollagenose, am ehesten eines systemischen Lupus erythematodes (oligosymptomatisch bei serologisch eindeutigem Befund) 2. Verdacht auf sekundäres Fibromyalgiesyndrom (14/18 spezifischen Druckpunkten, Depression, Schlafstörung) 3. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit pseudoradikulären Symptomen a. HWS mit Spondylosis deformans bei C5 C7 mit muskulärer Dysfunktion und brennend, stechenden Schulter/Nacken/Arm-Schmerzen b. BWS mit Wirbelkörperasymmetrien der Wirbelkörper Th2 und Th3 (in erster Linie einer Fehlbildung mit seitlichem Halswirbel entsprechend Spondylosis deformans geringen Grades bei Th4 Th 12 c. LWS mit Spondyloosteochondrosis interbertebralis mittleren Grades im Segment L5/S1 mit partiellem Vakuumphänomen, Spondylosis deformans geringen Grades bei L2 L4 Spondylarthrose deformans L5/S1 Zeichen einer Arthrosis deformans am rechten Sakroiliakal-gelenk mit muskulärer Dysfunktion und brennend, stechenden Schmerzen im Bereich der Beine sowie Taubheitsgefühl im Bereich der Fußsohlen und Zehen (Dermatom L4 S1) 4. Verdacht auf beginnende Hüftgelenks- und Kniegelenksarthrose 5. Senk-Spreiz-Fußfehlstellung ohne statische Auswirkung 6. Mittelgradige Depression (unter Medikation) 7. Asthma bronchiale (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) mit Verdacht auf akute Exazerbation (Hustenattacke, Entzündungszeichen) 8. Mykose im Bereich der Brust und an den Füßen 9. Latente Hyperthyreose 10. Hyperlipoproteinämie

Er hält, insbesondere zur Bewertung des Fibromyalgiesyndroms, ein psychiatrisches Zusatzgutachten erforderlich. Nach seinen Feststellungen könne die Klägerin eine leichte bis maximal drei Stunden dauernde Arbeitsbelastung tragen, da jedoch nicht einzuschätzen sei, wie sich die gesundheitliche Situation weiter entwickle, sei eine vorübergehende Berentung sinnvoller. In Bezug auf die Wegefähigkeit hat sich der Sachverständige dem orthopädischen Gutachter angeschlossen. In Bezug auf die sekundäre Fibromyalgie sei eine weiterführende Diagnostik und Behandlung ebenso wie rehabilitative Maßnahmen angezeigt.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat dargelegt, Vorgeschichte und Untersuchungsbefund seien mit großer Sorgfalt erhoben, die sozialmedizinischen Schlussfolgerungen jedoch seien nicht nachvollziehbar. Die vom Sachverständige Prof. Dr. B getroffenen Verdachtsdiagnosen könnten nicht zu einer Berentung führen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 04. November 2003 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01. Dezember 2003 bis zum 30. November 2005 zu gewähren, und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, Zeitpunkt der Aufhebung des Leistungsvermögens sei der Tag der Begutachtung durch Prof. Dr. B, der 26. Mai 2003, so dass das Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung anzuwenden sei. Nach den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. B, denen die Kammer sich anschließe, sei seit Mai 2003 das Leistungsvermögen der Klägerin so eingeschränkt, dass sie nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten könne, somit vollständig erwerbsgemindert sei, und ihr die entsprechende Rente gewährt werden müsse. Gemäß neuem Recht sei die Rente auf drei Jahre zu befristen (§ 101 Abs. 1 SGB VI), was auch den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. B entspreche.

Gegen dieses der Beklagten am 15. Dezember 2003 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 13. Januar 2004, mit der sie im Wesentlichen rügt, dass das Sozialgericht weder die von Prof. Dr. B angeregte Zusatzbegutachtung vorgenommen habe noch einen Handlungsbedarf hinsichtlich der Sicherung der vom Sachverständigen Prof. Dr. B gestellten Verdachtsdiagnosen gesehen habe. Mithin sei nicht nachgewiesen, dass die Klägerin die Voraussetzungen für den Bezug einer Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung erfülle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 04. November 2003 zu ändern und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat zunächst Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte beigezogen und sodann den Chefarzt der Orthopädisch-Rheumatologischen Abteilung des I-Krankenhauses B, Prof. Dr. M S, zum Sachverständigen ernannt. Prof. Dr. S hat sein Gutachten am 01. November 2004 erstattet und folgende Diagnosen gestellt:

- Kollagenose - Sekundäre Fibromyalgie - Fehlform des Achsorganes - Degenerative Veränderungen - Überlastungssyndrom der unteren Extremitäten - Senk-Spreiz-Knickfuß - Mittelgradige Depression - Asthma bronchiale - Latente Hyperthyreose - Fettstoffwechselstörung

Diese krankhaften Veränderungen bestünden bereits seit Antragstellung im Oktober 2000, ohne dass eine wesentliche Änderung erkennbar sei und diese Veränderungen würden auf Dauer bestehen, da im Wesentlichen degenerative Veränderungen vorlägen, die einer kausalen Behandlung nicht zugänglich seien. Die Vorstellung der Klägerin, nicht mehr erwerbstätig sein zu können, werde durch objektivierbare Befunde nicht bestätigt und die Klägerin könne sich von dieser Vorstellung ohne fremde Hilfe lösen. Sie könne allerdings nur noch körperlich leichte Arbeiten verrichten. Wegen der Fibromyalgie seien schwere und mittelschwere Arbeiten nicht mehr zumutbar. Geistige Tätigkeiten könnten entsprechend des Bildungsniveaus verrichtet werden. Die Klägerin könne überwiegend sitzen, stehen oder gehen, ein freier Wechsel der Haltungsarten sei nicht erforderlich; eine abwechslungsreiche Tätigkeit sei allerdings anzustreben. Der prozentuale Anteil von Gehen, Stehen und Sitzen könne jeweils ein Drittel der Arbeitszeit umfassen, wobei ein Wechsel der Haltungsarten alle 20 Minuten sinnvoll sei. Die Klägerin könne nicht mehr einseitig körperlich belastet werden, nicht überkopf und nicht auf Leitern und Gerüsten arbeiten. Die Tätigkeiten könnten nur in geschlossenen Räumen und nicht in Wechsel- und Nachtschicht, auch nicht unter besonderem Zeitdruck, allerdings mit häufigem Publikumsverkehr, verrichtet werden. Die Grobkraft der Hände sei herabgesetzt, die Greif- und Fingerfertigkeit nicht. Das Hörvermögen sei erhalten. Derartig beschriebene Tätigkeiten könne die Klägerin vollschichtig verrichten. Ihre Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt, sie könne viermal täglich Wegstrecken von mehr als 500 m in weniger als 20 Minuten zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel oder einen Pkw benutzen. Er stimme mit den Ausführungen des orthopädischen Sachverständige Dr. R überein, nicht mit denen des Sachverständigen Prof. Dr. B, weil die von diesem getroffenen objektiven Befunde nicht ausreichten, eine quantitative Leistungseinschränkung anzunehmen. Ein weiteres Gutachten sei nicht erforderlich, insbesondere führe das geklagte Asthma bronchiale nur zu qualitativen, jedoch nicht zu quantitativen Leistungseinschränkungen.

Auf Einwendungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hiergegen hat der Sachverständige Prof. Dr. S am 15. März 2005 Stellung genommen. Wenn die Prozessbevollmächtigten der Klägerin darlegten, eine Untersuchung des Rückens, insbesondere der Wirbelsäule, habe nicht stattgefunden, so sei diese Behauptung unrichtig. Das Ergebnis dieser Untersuchung sei auf den Seiten 6 bis 8 des Gutachtens ausführlich dokumentiert. Auf einen Belastungstest, den die Prozessbevollmächtigten forderten, habe er bewusst verzichtet, da dieser immer einen kooperationsabhängigen Untersuchungsablauf wiedergebe und daher zu zweifelhaften Ergebnissen führe. Als Orthopäde habe er eine berufliche Ausbildung und Qualifikation, um krankhafte Änderungen am Stütz- und Bewegungsapparat festzustellen, so dass die Analyse dieser Störungen wesentlich aufschlussreicher als die Durchführung eines so genannten Belastungstests sei. Zutreffend sei, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Untersuchung unter Schmerzmedikation gestanden habe, dies sei jedoch im Gutachten berücksichtigt. Seine Leistungseinschätzung bleibe aufrechterhalten.

Nachdem die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt haben, die Klägerin hätte einen Rippenbruch erlitten, hat der Senat einen weiteren Befundbericht, nämlich der Allgemeinmedizinerin DM M, beigezogen und dem Sachverständigen Prof. Dr. S zugeleitet. Dieser hat am 30. Juni 2005 dargelegt, dass die Röntgenuntersuchung eine Fraktur der dritten Rippe rechts und Frakturen zweier Rippen links zeige. Diese seien im April 2005 nach einer Umarmung des Bruders aufgetreten. Sie heilten in einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen folgenlos aus, so dass er bei seiner Leistungseinschätzung verbleibe. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben dargelegt, es bestünde der Verdacht auf Glasknochenbildung und die Rippenbrüche seien nicht durch eine Umarmung des Bruders ausgelöst worden. Die Beklagte hat demgegenüber dargelegt, dies stünde im Gegensatz zum Befundbericht. Dazu hat Prof. Dr. S am 14. September 2005 nochmals Stellung genommen: In dem Befundbericht der DM M vom 24. Mai 2005 werde festgestellt, dass die letztmalige Behandlung dort vier Wochen vor Erstellung des Befundberichtes erfolgt sei, so dass von einer Ausheilung auszugehen sei. Letztlich jedoch könne dies nur DM M mitteilen. Diese hat am 08. November 2005 mitgeteilt, in Bezug auf die Rippenfrakturen sei eine vollständige Konsolidierung in günstiger Stellung erfolgt. Auf erneuten Einwand der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, das Gutachten des Prof. Dr. S könne nicht Entscheidungsgrundlage sein, da dieser sich nicht mit den Darlegungen des Prof. Dr. B auseinandergesetzt habe, hat Prof. Dr. S am 20. Dezember 2005 nochmals Stellung genommen und erläutert, dass aufgrund der unterschiedlichen Befunde in Bezug auf eine Kollagenose über eine Verdachtsdiagnose hinaus keine weitere Aussage mehr gemacht werden könne. Dieser Sachverhalt sei ganz eindeutig. Da Verdachtsdiagnosen in Gutachten wenig Sinn machten, sondern eine Diagnose entweder bestätigt oder abgelehnt werden müsse, habe er, um die Interessen der Klägerin zu berücksichtigen, die Diagnose einer Kollagenose sogar gestellt, da es eine akademische Auseinandersetzung sei, ob diese in letzter Wahrheit tatsächlich vorliege oder nicht. Vielmehr sei auf die Leistungsbeurteilung abzustellen.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Leistungsakte der Beklagten zur Versicherungsnummer verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Sie ist auch begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder auch nur teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit von Dezember 2003 bis November 2005, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten unterliegen daher keiner Beanstandung und das Urteil des Sozialgerichts war entsprechend zu ändern.

Streitgegenstand ist, da lediglich die Beklagte das Urteil angefochten hat, nur die Gewährung einer Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung von Dezember 2003 bis zum 30. November 2005. Auf diesen Anspruch ist § 43 Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung anwendbar.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind und die allgemeinen und besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die hier nicht streitig sind, erfüllen. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Wenn der Sachverständige Prof. Dr. B unter Ziffer 2. seines Gutachtens ausführt, aus rein funktioneller Sicht sei eine leichte, bis maximal drei Stunden dauernde Arbeitsbelastung möglich gewesen und auch jetzt möglich, wobei ein genauer Zeitraum nicht abschätzbar war, wobei im Gesamteindruck derzeit eine zumindest vorübergehende Berentung sinnvoller sei, belegt dies die erforderliche Leistungsminderung nicht. Darauf, was dem Sachverständigen sinnvoll erscheint oder nicht, kann eine Rentengewährung nicht gestützt werden, sondern nur auf die sich aus dem von ihm festgestellten Krankheitsbild ergebende Leistungseinschränkung.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 SGB III). Auch dieser Anspruch scheitert an § 43 Abs. 3 SGB VI. Danach ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Sachverständige Prof. Dr. B hat in der Begründung seiner Diagnose zu 1. die Verdachtsdiagnose eines systematischen Lupus erythematodes gestellt und ausgeführt, da der kontrollierte Autoantikörperbefund hochspezifisch für eine Kollagenose sei, bestehe der begründete Verdacht, eine Sicherung der Diagnose gelinge erst im weiteren Krankheitsverlauf. Allerdings führte er auch aus, dass zum Zeitpunkt seiner Untersuchung selbst unter der nicht gesicherten Annahme, dass die Hautveränderungen des Gesichts Lupus indiziert seien, lediglich vier Kriterien erfüllt seien. Dies bedeutet, dass in Bezug auf die Leistungsbeurteilung dieser Befund keine wesentliche Einschränkung bedeutet. Insoweit ist dem Sachverständigen Prof. Dr. S zu folgen, der darlegt, dass es letztlich nicht erheblich sei, welche Diagnose hier gestellt wird, sondern dass auf die Leistungseinschränkungen abzustellen ist, die sich aus den Erkrankungen, insbesondere in großen Gelenken und Muskelschmerzen, ergäben. In Bezug auf das von Prof. Dr. B wiederum als Verdachtsdiagnose festgestellte Fibromyalgiesyndrom überzeugt ebenfalls Prof. Dr. S, wenn dieser eine sekundäre Fibromyalgie als gesichert annimmt, daraus jedoch lediglich qualitative und keine quantitativen Leistungseinschränkungen ableitet. Es ist nachvollziehbar, wenn Prof. Dr. S darlegt, dass die Begutachtung durch Prof. Dr. B nicht ausreiche, um eine quantitative Leistungseinschränkung darzulegen. Prof. Dr. S ist Orthopäde und Rheumatologe, kann also die sich im Wesentlichen aus den Erkrankungen des Achsorgans und des Bewegungsapparates ergebenden Erkrankungen der Klägerin sachkundig beurteilen. Seine Darlegung, dass die Klägerin mit seitengleichen Schrittlängen und Belastungsphasen ohne einen behinderten Abrollvorgang gehe, dass die Halswirbelsäule lediglich gering über die Altersnorm hinaus in ihrer Vor- und Rückneigung eingeschränkt sei, belegt schlüssig, dass insoweit keine die täglich mögliche Arbeitszeit einschränkenden Erkrankungen bestehen. Der Sachverständige hat sowohl die Funktion des Bewegungsapparates der Klägerin untersucht und bewertet als auch die Fibromyalgie gesichert und die Belastbarkeit der einzelnen Abschnitte des Bewegungsapparates untersucht und bewertet. Demgegenüber haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin – als medizinische Laien – lediglich eigene, abweichende Beurteilungen vorgetragen, die der Sachverständige Prof. Dr. S jeweils ärztlich begründet entkräftet hat.

Auf die Berufung der Beklagten hin, war das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.

Für die Zulassung der Revision liegt keiner der in § 160 SGG dargelegten Gründe vor.
Rechtskraft
Aus
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