L 15 B 42/06 SO ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 38 SO 1208/05 ER 06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 42/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Landessozialgericht wird abgelehnt. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom30. Januar 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Angefochten ist der Beschluss des Sozialgerichts nach dem in der Beschwerdeschrift formulierten Antrag, bei dem die Antragstellerin auch nach dem richterlichen Hinweis vom 8. März 2006 geblieben ist, lediglich insoweit, als dadurch der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt worden ist. Da die Antragstellerin die Veränderung eines bisher "leistungslosen" Zustands erstrebt, kommt einstweiliger Rechtsschutz nur unter der Voraussetzung des § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Begründet ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach dieser Vorschrift, wenn sich bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Anspruch nach materiellem Recht besteht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 916 Zivilprozessordnung [ZPO]; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund; zusammenfassend zu den Voraussetzungen Binder in Handkommentar SGG, 2. Auflage 2006, § 86 b Randnummer 33 ff.). Seit dem 1. April 2006 fehlt bereits dem Grunde nach eine gesetzliche Anspruchsgrundlage für das gegen den Antragsgegner gerichtete Begehren der Antragstellerin. Die Antragstellerin ist erwerbsfähige Hilfebedürftige und damit Anspruchsberechtigte für Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Nach § 5 Abs. 2 SGB II und § 21 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), beide in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I S. 558) ist angesichts dessen die Anwendung des § 34 SGB XII, der allein die Grundlage eines Anordnungsanspruchs bilden könnte, ausgeschlossen. Die seit 1. April 2006 geltende Fassung ist zur Beurteilung des Begehrens der Antragstellerin maßgeblich (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. April 2006 – L 23 SO 36/06 –). Nach den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts ist bei Leistungsbegehren, die sich nicht auf einen in der Vergangenheit liegenden Leistungszeitraum beziehen (s. dazu etwa BSG SozR 3-1500 § 51 Nr. 21) grundsätzlich das Recht anzuwenden, welches im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gilt, es sei denn, ein abweichender zeitlicher Geltungswille ist verfassungskonform aus dem Gesetz zu bestimmen (s. etwa BSG SozR 3-4100 § 141 e Nr. 3). Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Neuregelung bezweckt ausweislich der Gesetzesmaterialien "einen praktikablen Gesetzesvollzug im Rahmen des SGB II. Die Leistungen werden aus einer Hand gewährt und Doppelzuständigkeiten vermieden" (BT-Drs 16/688 S. 14 zu Art. 1 Nr. 6 Buchstabe c), was den Willen zu einer sofortigen Geltung auch für "laufende" Verfahren indiziert. Die materiellrechtliche Position der Betroffenen wird durch die Gesetzesänderung auch nicht verschlechtert, entspricht doch die per 1. April 2006 neu in § 22 Abs. 5 SGB II aufgenommene Vorschrift über die Mietschulden praktisch wortgleich dem § 34 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB XII. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe konnte ungeachtet der zum 1. April 2006 erfolgten Gesetzesänderung keinen Erfolg haben, da die Beschwerde selbst nach der im Zeitpunkt der Antragstellung am 01. März 2006 bestehenden Sach- und Rechtslage keine hinreichende Erfolgsaussicht bot (§ 73 a SGG i. V. mit § 114 Zivilprozessordnung). Die Übernahme von Mietschulden nach § 34 Abs. 1 SGB XII steht im Ermessen des Antragsgegners. Umstände, die nach Aktenlage bereits nach summarischer Prüfung eine Reduzierung des Ermessens "auf Null" begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Da die Antragstellerin laufende Leistungen nach dem SGB II erhält, muss sie beim Verlust ihrer jetzigen Wohnung nicht mit Wohnungslosigkeit rechnen, so dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Sollvorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auch bis zur Rechtsänderung am 1. April 2006 nicht vorgelegen haben. Im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII war die Übernahme der Schulden nicht zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt. Mit 7.800,- EUR sind außerordentlich hohe Mietschulden entstanden. Demgegenüber ist kein schützenswertes Interesse der Antragstellerin daran erkennbar, dass sie gerade in ihrer jetzt bewohnten Wohnung verbleibt. Angesichts dessen hätte auch eine Beschwerde, die gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht erhoben worden wäre, keinen Erfolg gehabt. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 193 SGG. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved