Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 RJ 1565/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 RJ 7/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. Dezember 2002 sowie der Bescheid der Beklagten vom 05. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2001 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab dem 01. Oktober 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten für das gesamte Verfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1960 geborene Klägerin begann im April 1975 eine Ausbildung zur Fleischereigehilfin, schloss diese jedoch nicht erfolgreich ab. Im Folgenden war sie als Montiererin beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis wurde zum 01. Oktober 2000 aufgelöst. Ab dem 10. Juli 2000 war sie arbeitsunfähig und erhielt vom 01. Oktober 2000 bis zu ihrer Aussteuerung am 25. August 2001 Krankengeld. Bereits am 10. Juli 2001 beantragte die Klägerin bei der Bundesagentur für Arbeit die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Gewährung von Leistungen wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Klägerin erklärt habe, arbeitsunfähig zu sein, sodass sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe. Die Klägerin bezog daraufhin Sozialhilfe. Sie ist anerkannte Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50.
Am 11. Oktober 2000 beantragte die Klägerin die Zahlung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da sie sich seit dem 10. Juli 2000 aufgrund einer Agoraphobie, eines Bandscheibenvorfalles und einer schweren Endometriose für erwerbsunfähig hielt. Die Beklagte ließ sie daraufhin im Dezember 2000 durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie – Sozialmedizin - Dr. T untersuchen. Dieser stellte bei ihr eine Angststörung, eine Tendenz zum Medikamentengebrauch, einen Zustand nach Nucleotomie L5/S1 links mit Restsymptomatik sowie anamnestisch eine Endometriose fest. Trotz dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen hielt er die Klägerin für fähig, körperlich mittelschwere Arbeiten uneingeschränkt in allen Haltungsarten unter Vermeidung von Leiter- und Gerüstarbeit sowie ohne Einsatz in Nachtschicht, an laufenden Maschinen oder unter besonderem Zeitdruck z.B. im Akkord oder am Fließband vollschichtig zu verrichten. Die zweifelsohne bestehende Angstsymptomatik werde zum Teil zur Lebensführung eingesetzt; die Behandlungsmöglichkeiten seien bisher nicht ausgeschöpft. Auf der Grundlage dieses Gutachtens lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2001 die Zahlung einer Rente ab. Die Klägerin sei weder erwerbs- noch berufsunfähig, da sie mit dem vorhandenen Leistungsvermögen ihr zumutbare Beschäftigungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig ausüben könne. Darüber hinaus bestehe auch keine Erwerbsminderung im Sinne der ab dem 01. Januar 2001 geltenden Vorschriften.
Am 09. Juli 2001 hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, dass abgesehen von dem Gutachter der Beklagten alle Ärzte – auch die des Versorgungsamtes - sie für erwerbsunfähig hielten. Die Diagnose "Angststörung" verharmlose ihren Zustand; tatsächlich leide sie an einer Angstneurose mit Panikattacken, aufgrund derer sie fast nichts ohne Begleitung unternehmen und auch keine öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen könne. Ihre Krankenkasse würde ihr inzwischen keine Therapiemaßnahmen mehr gewähren, da keine Heilungschancen bestünden.
Das Sozialgericht hat Befundberichte bei dem Gynäkologen Dr. M. M-W, der Nervenärztin F-K sowie dem Facharzt für Neurochirurgie Dr. U eingeholt. Sodann hat es den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H.-J. B mit der Erstattung eines Fachgutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 10. Mai 2002 bei der Klägerin eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung differentialtypologisch vom Borderline Typus, einen schädlichen Gebrauch von Alkohol, eine sich symptomatisch unter Behandlung in Remission befindliche Endometriose sowie degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Teildefekt im Segment der Nervenwurzel S 1 links diagnostiziert. Er ist davon ausgegangen, dass die Klägerin trotz dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen über ein zwar qualitativ, nicht aber quantitativ eingeschänktes Leistungsvermögen für körperlich leichte bis vereinzelt mittelschwere Arbeiten verfüge.
Mit Urteil vom 06. Dezember 2002 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, dass die Klägerin nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen noch in der Lage sei, acht Stunden täglich unter Beachtung näher dargestellter Einschränkungen hinsichtlich der körperlichen Anforderungen zu arbeiten, sodass bei Verweisbarkeit der Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt die gesetzlichen Anforderungen für einen Rentenanspruch weder nach den bis Dezember 2000 noch nach den ab Januar 2001 geltenden Bestimmungen gegeben seien.
Gegen dieses ihr am 24. Januar 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. Februar 2003 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. B sei nicht geeignet, die Einschätzung ihrer behandelnden Ärztin zu widerlegen.
Der Senat hat einen Befundbericht bei der Nervenärztin F-K eingeholt. Sodann hat er die Ärztin für Nervenheilkunde Dr. T-K mit der Erstattung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 18. April 2005 bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung bei gegenwärtig mittelgradiger bis schwerer Episode, phobische Störungen im Sinne von Agoraphobie und sozialen Phobien, Panikstörungen, Angst und depressive Störung gemischt, nichtorganische Schlafstörungen, eine emotional-instabile Persönlichkeit, einen operierten Bandscheibenvorfall L4/L5 links sowie eine Schmerzsymptomatik im Sinne von Lumboischialgien und eine Endometriose festgestellt. Aufgrund dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei das Leistungsvermögen der Klägerin seit der dauerhaften Krankschreibung durch die Nervenärztin im Jahre 1999 aufgehoben. Nachdem der Senat sodann die Akten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, und insoweit insbesondere eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. S vom 12. März 1999, beigezogen hatte, hat er ein weiteres psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben. Die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie – Psychotherapie - Dr. S S hat in ihrem Gutachten vom 30. März 2006 bei der Klägerin eine Agoraphobie mit Panikattacken, eine Benzodiazepin-Abhängigkeit, eine chronifizierte komplexe posttraumatische Belastungsstörung, eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, Zwangshandlungen, eine Somatisierungsstörung, eine dissoziative Sensibilitätsstörung, einen Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls L5/S1 mit Post¬diskektomie-Syndrom sowie anamnestisch eine Endometriose festgestellt. Die Klägerin sei nicht in der Lage, die Fehlhaltung bei zumutbarer Willensanstrengung zu überwinden. Ohne auf Kosten ihrer Gesundheit zu arbeiten, könne sie keine regelmäßigen Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Auch sei ihre Wegefähigkeit erheblich eingeschränkt. Die Leistungseinschränkungen bestünden mindestens seit Antragstellung in wesentlich konstanter Weise.
Die Klägerin meint, mit Blick auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. T-K und Dr. S stehe fest, dass sie zu einer vollschichtigen Tätigkeit nicht in der Lage sei. Auch ihre behandelnde Ärztin habe bereits mit Attest vom 20. November 2000 angegeben, dass sie nicht mehr in der Lage sei, einer Berufstätigkeit nachzugehen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. Dezember 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 01. Oktober 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, ein Leistungsfall vor Oktober 2003 sei nicht zu begründen. Die von der Sachverständigen Dr. S unterstellte zu günstige Beurteilung des Leistungsvermögens durch Dr. B bleibe eine unbewiesene Behauptung. Es könne allenfalls vom Eintritt voller Erwerbsminderung am 13. August 2004 (Befundbericht der Nervenärztin F-K) ausgegangen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der jeweiligen Befundberichte und Gutachten, die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht Berlin bewertet die Sach- und Rechtslage in seinem angegriffenen Urteil nicht zutreffend.
Der Bescheid der Beklagten vom 05. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2001 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01. Oktober 2000.
Bei der Prüfung eines Rentenanspruchs der Klägerin ist im Hinblick auf ihren im Oktober 2000 gestellten Antrag gemäß § 300 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) von § 44 Abs. 1 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung auszugehen. Nach dieser Vorschrift hat derjenige einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalls drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat und erwerbsunfähig ist. Als erwerbsunfähig gelten nach § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Dies ist bei der Klägerin der Fall. Sie ist nicht mehr in der Lage, regelmäßig Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten. Mit der dahingehenden Einschätzung schließt sich das Gericht insbesondere der Beurteilung der Sachverständigen Dr. S an. Die Sachverständige, die dem Senat als erfahrene und sehr gewissenhafte Gutachterin bekannt ist und die als Oberärztin einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie über besondere Kenntnisse und Erfahrungen hinsichtlich der hier maßgeblichen Erkrankungen verfügt, hat unter sorgfältiger Auswertung der Vorbefunde und nach gründlicher Untersuchung der Klägerin die bei ihr bestehenden, im Tatbestand wiedergegebenen Gesundheitsstörungen sowie die daraus resultierenden Leistungseinschränkungen dargestellt. Anschaulich hat sie insoweit ausgeführt, dass die chronisch multimorbide Klägerin auf dem Hintergrund nicht nur vernachlässigender, sondern gewalttätiger Sozialisationsbedingungen eine schwere Entwicklungsstörung ihrer Persönlichkeit erlitten habe. Es hätten sich vielfältige neurotische Symptombildungen auf sowohl körperlicher wie auch seelischer Erlebnisebene herausgebildet. Die Auswirkungen der Erkrankungen schränkten die Klägerin nicht nur in ihrem Bewegungsradius hochgradig ein, da sie angstbedingt – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auf eine Begleitperson angewiesen sei, sondern führten durch das posttraumatisch dauerhaft erhöhte Stressniveau, das durch situationsunabhängige Panikattacken intermittierend krisenhaft zunehme, zu einer anhaltenden psycho-vegetativen Erschöpfung, diese ihrerseits zu depressiv gefärbtem Überforderungserleben mit Antriebsverlust und kognitiven Störungen, wie schuldhaftem Grübeln und Konzentrationsstörungen. Die schwere Angsterkrankung mit Panikattacken und Meidungsverhalten sowie die Antriebsmängel, Konzentrations- und mnestischen sowie kognitiven Störungen führten dazu, dass die Klägerin keine täglich regelmäßigen Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten könne. Die mit der Angsterkrankung einhergehende Erschöpfung, die auch zwischen den Angstattacken vorherrsche, verstärke die durch jene begründete Leistungsunfähigkeit. Auch sei die Klägerin nicht in der Lage, regelmäßig viermal täglich einen Fußweg von mehr als 500 Metern in jeweils höchstens 20 Minuten zurückzulegen. Zur regelmäßigen Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel benötige sie eine Begleitperson. Das vielgestaltige Krankheitsbild, das auf dem Boden erhaltener Entwicklungsschäden fuße und intensiven therapeutischen Bemühungen getrotzt habe, sei angesichts der jahrelangen Chronizität nicht nur willkürlich unüberwindbar. Vielmehr sei es nach aller ärztlichen Erfahrung auch durch weitere therapeutische Bemühungen nur noch mit sehr vorsichtiger Prognose beeinflussbar. Schließlich hat die Sachverständige angegeben, dass die qualitativen und quantitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens mindestens seit Antragstellung in konstanter Weise bestünden.
Dies deckt sich im Wesentlichen mit der Einschätzung, zu der auch die Sachverständige Dr. T-K gelangt ist. Denn auch sie ist – wenn auch bei leicht abweichender Diagnosestellung – davon ausgegangen, dass die Klägerin seit der dauerhaften Krankschreibung durch die behandelnde Nervenärztin im Jahre 1999 nicht mehr in der Lage gewesen sei, einer Arbeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen. Der Senat hatte zwar nicht vermocht, eine Rentengewährung allein auf dieses Gutachten zu stützen, da dieses einer Überprüfung der Einhaltung der formalen und inhaltlichen Anforderungen sowie insbesondere der Nachvollziehbarkeit der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung nicht standgehalten hatte. Der Eindruck zum Restleistungsvermögen der Klägerin, zu dem die Sachverständige gelangt ist, vermag jedoch durchaus die diesbezügliche Einschätzung der Sachverständigen Dr. S zu stützen.
Soweit der Sachverständige Dr. B in seinem Gutachten vom 10. Mai 2002 noch davon ausgegangen ist, dass die Klägerin über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge, führt dies zur Überzeugung des Senats und entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dazu, dass bis zu diesem Zeitpunkt von einem entsprechenden Leistungsvermögen auszugehen ist. Die Sachverständige Dr. S hat anschaulich dargestellt, dass Dr. B einige bereits damals zu stellende Diagnosen - die Agoraphobie mit Panikattacken sowie die Benzodiazepin-Abhängig¬keit - übersehen und daraufhin das Leistungsvermögen der Klägerin zu günstig beurteilt habe. Auch habe er die posttraumatische Belastungsstörung, die Zwangserkrankung und die psychosomatischen Störungsbereiche der Somatisierungsstörung und der dissoziativen Sensibilitätsstörung nicht erkannt. Soweit die Beklagte diesbezüglich von unbewiesenen Behauptungen der Sachverständigen spricht, vermag der Senat sich ihr nicht anzuschließen. Er hat vielmehr keine Zweifel, dass die Sachverständige Dr. S angesichts ihrer langjährigen Erfahrung durchaus in der Lage ist, aufgrund des jetzigen Krankheitsbildes auch eine retrospektive Betrachtung vorzunehmen. Dies umso mehr, als sich ihre Einschätzung in vollem Umfange mit der der Vorgutachterin Dr. T-K und der der behandelnden Nervenärztin F-K deckt. Soweit die Beklagte weiter daran festhält, dass erst im August 2004 aufgrund eines Befundberichtes der behandelnden Nervenärztin F-K vom Eintritt des Versicherungsfalls ausgegangen werden könne, erscheint dies willkürlich. Diese Ärztin hat bereits deutlich zuvor klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die Klägerin für erwerbsunfähig hält. Nachvollziehbar hat sie diesbezüglich in ihrem nicht datierten, mit Schriftsatz der Klägervertreterin vom 01. August 2005 zu den Akten gereichtem Attest angegeben, dass sich die Symptomatik bei der Klägerin seit der Trennung vom Ehemann 1998/1999 verschlechtert habe und sie sie seit damals für erwerbsunfähig halte. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin maßgeblich im August 2004 verschlechtert haben könnte, sind hingegen weder den Attesten der behandelnden Ärztin noch deren Befundberichten zu entnehmen.
Der Senat hat nach alledem keine Zweifel, dass das Ausmaß der Erkrankung der Klägerin bei der Begutachtung sowohl durch Dr. T im Dezember 2000 als auch durch Dr. Bim Mai 2002 verkannt worden ist und die Klägerin bereits vor Antragstellung nicht mehr in der Lage war, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Da zu diesem Zeitpunkt – insoweit unstreitig – sowohl die so genannten besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorlagen als auch die allgemeine Wartezeit erfüllt war, ist der Klägerin gemäß § 99 Abs. 1 SGB VI ab dem 01. Oktober 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1960 geborene Klägerin begann im April 1975 eine Ausbildung zur Fleischereigehilfin, schloss diese jedoch nicht erfolgreich ab. Im Folgenden war sie als Montiererin beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis wurde zum 01. Oktober 2000 aufgelöst. Ab dem 10. Juli 2000 war sie arbeitsunfähig und erhielt vom 01. Oktober 2000 bis zu ihrer Aussteuerung am 25. August 2001 Krankengeld. Bereits am 10. Juli 2001 beantragte die Klägerin bei der Bundesagentur für Arbeit die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Gewährung von Leistungen wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Klägerin erklärt habe, arbeitsunfähig zu sein, sodass sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe. Die Klägerin bezog daraufhin Sozialhilfe. Sie ist anerkannte Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50.
Am 11. Oktober 2000 beantragte die Klägerin die Zahlung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da sie sich seit dem 10. Juli 2000 aufgrund einer Agoraphobie, eines Bandscheibenvorfalles und einer schweren Endometriose für erwerbsunfähig hielt. Die Beklagte ließ sie daraufhin im Dezember 2000 durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie – Sozialmedizin - Dr. T untersuchen. Dieser stellte bei ihr eine Angststörung, eine Tendenz zum Medikamentengebrauch, einen Zustand nach Nucleotomie L5/S1 links mit Restsymptomatik sowie anamnestisch eine Endometriose fest. Trotz dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen hielt er die Klägerin für fähig, körperlich mittelschwere Arbeiten uneingeschränkt in allen Haltungsarten unter Vermeidung von Leiter- und Gerüstarbeit sowie ohne Einsatz in Nachtschicht, an laufenden Maschinen oder unter besonderem Zeitdruck z.B. im Akkord oder am Fließband vollschichtig zu verrichten. Die zweifelsohne bestehende Angstsymptomatik werde zum Teil zur Lebensführung eingesetzt; die Behandlungsmöglichkeiten seien bisher nicht ausgeschöpft. Auf der Grundlage dieses Gutachtens lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2001 die Zahlung einer Rente ab. Die Klägerin sei weder erwerbs- noch berufsunfähig, da sie mit dem vorhandenen Leistungsvermögen ihr zumutbare Beschäftigungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig ausüben könne. Darüber hinaus bestehe auch keine Erwerbsminderung im Sinne der ab dem 01. Januar 2001 geltenden Vorschriften.
Am 09. Juli 2001 hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, dass abgesehen von dem Gutachter der Beklagten alle Ärzte – auch die des Versorgungsamtes - sie für erwerbsunfähig hielten. Die Diagnose "Angststörung" verharmlose ihren Zustand; tatsächlich leide sie an einer Angstneurose mit Panikattacken, aufgrund derer sie fast nichts ohne Begleitung unternehmen und auch keine öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen könne. Ihre Krankenkasse würde ihr inzwischen keine Therapiemaßnahmen mehr gewähren, da keine Heilungschancen bestünden.
Das Sozialgericht hat Befundberichte bei dem Gynäkologen Dr. M. M-W, der Nervenärztin F-K sowie dem Facharzt für Neurochirurgie Dr. U eingeholt. Sodann hat es den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H.-J. B mit der Erstattung eines Fachgutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 10. Mai 2002 bei der Klägerin eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung differentialtypologisch vom Borderline Typus, einen schädlichen Gebrauch von Alkohol, eine sich symptomatisch unter Behandlung in Remission befindliche Endometriose sowie degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Teildefekt im Segment der Nervenwurzel S 1 links diagnostiziert. Er ist davon ausgegangen, dass die Klägerin trotz dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen über ein zwar qualitativ, nicht aber quantitativ eingeschänktes Leistungsvermögen für körperlich leichte bis vereinzelt mittelschwere Arbeiten verfüge.
Mit Urteil vom 06. Dezember 2002 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, dass die Klägerin nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen noch in der Lage sei, acht Stunden täglich unter Beachtung näher dargestellter Einschränkungen hinsichtlich der körperlichen Anforderungen zu arbeiten, sodass bei Verweisbarkeit der Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt die gesetzlichen Anforderungen für einen Rentenanspruch weder nach den bis Dezember 2000 noch nach den ab Januar 2001 geltenden Bestimmungen gegeben seien.
Gegen dieses ihr am 24. Januar 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. Februar 2003 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. B sei nicht geeignet, die Einschätzung ihrer behandelnden Ärztin zu widerlegen.
Der Senat hat einen Befundbericht bei der Nervenärztin F-K eingeholt. Sodann hat er die Ärztin für Nervenheilkunde Dr. T-K mit der Erstattung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 18. April 2005 bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung bei gegenwärtig mittelgradiger bis schwerer Episode, phobische Störungen im Sinne von Agoraphobie und sozialen Phobien, Panikstörungen, Angst und depressive Störung gemischt, nichtorganische Schlafstörungen, eine emotional-instabile Persönlichkeit, einen operierten Bandscheibenvorfall L4/L5 links sowie eine Schmerzsymptomatik im Sinne von Lumboischialgien und eine Endometriose festgestellt. Aufgrund dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei das Leistungsvermögen der Klägerin seit der dauerhaften Krankschreibung durch die Nervenärztin im Jahre 1999 aufgehoben. Nachdem der Senat sodann die Akten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, und insoweit insbesondere eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. S vom 12. März 1999, beigezogen hatte, hat er ein weiteres psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben. Die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie – Psychotherapie - Dr. S S hat in ihrem Gutachten vom 30. März 2006 bei der Klägerin eine Agoraphobie mit Panikattacken, eine Benzodiazepin-Abhängigkeit, eine chronifizierte komplexe posttraumatische Belastungsstörung, eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, Zwangshandlungen, eine Somatisierungsstörung, eine dissoziative Sensibilitätsstörung, einen Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls L5/S1 mit Post¬diskektomie-Syndrom sowie anamnestisch eine Endometriose festgestellt. Die Klägerin sei nicht in der Lage, die Fehlhaltung bei zumutbarer Willensanstrengung zu überwinden. Ohne auf Kosten ihrer Gesundheit zu arbeiten, könne sie keine regelmäßigen Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Auch sei ihre Wegefähigkeit erheblich eingeschränkt. Die Leistungseinschränkungen bestünden mindestens seit Antragstellung in wesentlich konstanter Weise.
Die Klägerin meint, mit Blick auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. T-K und Dr. S stehe fest, dass sie zu einer vollschichtigen Tätigkeit nicht in der Lage sei. Auch ihre behandelnde Ärztin habe bereits mit Attest vom 20. November 2000 angegeben, dass sie nicht mehr in der Lage sei, einer Berufstätigkeit nachzugehen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. Dezember 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 01. Oktober 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, ein Leistungsfall vor Oktober 2003 sei nicht zu begründen. Die von der Sachverständigen Dr. S unterstellte zu günstige Beurteilung des Leistungsvermögens durch Dr. B bleibe eine unbewiesene Behauptung. Es könne allenfalls vom Eintritt voller Erwerbsminderung am 13. August 2004 (Befundbericht der Nervenärztin F-K) ausgegangen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der jeweiligen Befundberichte und Gutachten, die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht Berlin bewertet die Sach- und Rechtslage in seinem angegriffenen Urteil nicht zutreffend.
Der Bescheid der Beklagten vom 05. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2001 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01. Oktober 2000.
Bei der Prüfung eines Rentenanspruchs der Klägerin ist im Hinblick auf ihren im Oktober 2000 gestellten Antrag gemäß § 300 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) von § 44 Abs. 1 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung auszugehen. Nach dieser Vorschrift hat derjenige einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalls drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat und erwerbsunfähig ist. Als erwerbsunfähig gelten nach § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Dies ist bei der Klägerin der Fall. Sie ist nicht mehr in der Lage, regelmäßig Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten. Mit der dahingehenden Einschätzung schließt sich das Gericht insbesondere der Beurteilung der Sachverständigen Dr. S an. Die Sachverständige, die dem Senat als erfahrene und sehr gewissenhafte Gutachterin bekannt ist und die als Oberärztin einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie über besondere Kenntnisse und Erfahrungen hinsichtlich der hier maßgeblichen Erkrankungen verfügt, hat unter sorgfältiger Auswertung der Vorbefunde und nach gründlicher Untersuchung der Klägerin die bei ihr bestehenden, im Tatbestand wiedergegebenen Gesundheitsstörungen sowie die daraus resultierenden Leistungseinschränkungen dargestellt. Anschaulich hat sie insoweit ausgeführt, dass die chronisch multimorbide Klägerin auf dem Hintergrund nicht nur vernachlässigender, sondern gewalttätiger Sozialisationsbedingungen eine schwere Entwicklungsstörung ihrer Persönlichkeit erlitten habe. Es hätten sich vielfältige neurotische Symptombildungen auf sowohl körperlicher wie auch seelischer Erlebnisebene herausgebildet. Die Auswirkungen der Erkrankungen schränkten die Klägerin nicht nur in ihrem Bewegungsradius hochgradig ein, da sie angstbedingt – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auf eine Begleitperson angewiesen sei, sondern führten durch das posttraumatisch dauerhaft erhöhte Stressniveau, das durch situationsunabhängige Panikattacken intermittierend krisenhaft zunehme, zu einer anhaltenden psycho-vegetativen Erschöpfung, diese ihrerseits zu depressiv gefärbtem Überforderungserleben mit Antriebsverlust und kognitiven Störungen, wie schuldhaftem Grübeln und Konzentrationsstörungen. Die schwere Angsterkrankung mit Panikattacken und Meidungsverhalten sowie die Antriebsmängel, Konzentrations- und mnestischen sowie kognitiven Störungen führten dazu, dass die Klägerin keine täglich regelmäßigen Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten könne. Die mit der Angsterkrankung einhergehende Erschöpfung, die auch zwischen den Angstattacken vorherrsche, verstärke die durch jene begründete Leistungsunfähigkeit. Auch sei die Klägerin nicht in der Lage, regelmäßig viermal täglich einen Fußweg von mehr als 500 Metern in jeweils höchstens 20 Minuten zurückzulegen. Zur regelmäßigen Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel benötige sie eine Begleitperson. Das vielgestaltige Krankheitsbild, das auf dem Boden erhaltener Entwicklungsschäden fuße und intensiven therapeutischen Bemühungen getrotzt habe, sei angesichts der jahrelangen Chronizität nicht nur willkürlich unüberwindbar. Vielmehr sei es nach aller ärztlichen Erfahrung auch durch weitere therapeutische Bemühungen nur noch mit sehr vorsichtiger Prognose beeinflussbar. Schließlich hat die Sachverständige angegeben, dass die qualitativen und quantitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens mindestens seit Antragstellung in konstanter Weise bestünden.
Dies deckt sich im Wesentlichen mit der Einschätzung, zu der auch die Sachverständige Dr. T-K gelangt ist. Denn auch sie ist – wenn auch bei leicht abweichender Diagnosestellung – davon ausgegangen, dass die Klägerin seit der dauerhaften Krankschreibung durch die behandelnde Nervenärztin im Jahre 1999 nicht mehr in der Lage gewesen sei, einer Arbeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen. Der Senat hatte zwar nicht vermocht, eine Rentengewährung allein auf dieses Gutachten zu stützen, da dieses einer Überprüfung der Einhaltung der formalen und inhaltlichen Anforderungen sowie insbesondere der Nachvollziehbarkeit der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung nicht standgehalten hatte. Der Eindruck zum Restleistungsvermögen der Klägerin, zu dem die Sachverständige gelangt ist, vermag jedoch durchaus die diesbezügliche Einschätzung der Sachverständigen Dr. S zu stützen.
Soweit der Sachverständige Dr. B in seinem Gutachten vom 10. Mai 2002 noch davon ausgegangen ist, dass die Klägerin über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge, führt dies zur Überzeugung des Senats und entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dazu, dass bis zu diesem Zeitpunkt von einem entsprechenden Leistungsvermögen auszugehen ist. Die Sachverständige Dr. S hat anschaulich dargestellt, dass Dr. B einige bereits damals zu stellende Diagnosen - die Agoraphobie mit Panikattacken sowie die Benzodiazepin-Abhängig¬keit - übersehen und daraufhin das Leistungsvermögen der Klägerin zu günstig beurteilt habe. Auch habe er die posttraumatische Belastungsstörung, die Zwangserkrankung und die psychosomatischen Störungsbereiche der Somatisierungsstörung und der dissoziativen Sensibilitätsstörung nicht erkannt. Soweit die Beklagte diesbezüglich von unbewiesenen Behauptungen der Sachverständigen spricht, vermag der Senat sich ihr nicht anzuschließen. Er hat vielmehr keine Zweifel, dass die Sachverständige Dr. S angesichts ihrer langjährigen Erfahrung durchaus in der Lage ist, aufgrund des jetzigen Krankheitsbildes auch eine retrospektive Betrachtung vorzunehmen. Dies umso mehr, als sich ihre Einschätzung in vollem Umfange mit der der Vorgutachterin Dr. T-K und der der behandelnden Nervenärztin F-K deckt. Soweit die Beklagte weiter daran festhält, dass erst im August 2004 aufgrund eines Befundberichtes der behandelnden Nervenärztin F-K vom Eintritt des Versicherungsfalls ausgegangen werden könne, erscheint dies willkürlich. Diese Ärztin hat bereits deutlich zuvor klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die Klägerin für erwerbsunfähig hält. Nachvollziehbar hat sie diesbezüglich in ihrem nicht datierten, mit Schriftsatz der Klägervertreterin vom 01. August 2005 zu den Akten gereichtem Attest angegeben, dass sich die Symptomatik bei der Klägerin seit der Trennung vom Ehemann 1998/1999 verschlechtert habe und sie sie seit damals für erwerbsunfähig halte. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin maßgeblich im August 2004 verschlechtert haben könnte, sind hingegen weder den Attesten der behandelnden Ärztin noch deren Befundberichten zu entnehmen.
Der Senat hat nach alledem keine Zweifel, dass das Ausmaß der Erkrankung der Klägerin bei der Begutachtung sowohl durch Dr. T im Dezember 2000 als auch durch Dr. Bim Mai 2002 verkannt worden ist und die Klägerin bereits vor Antragstellung nicht mehr in der Lage war, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Da zu diesem Zeitpunkt – insoweit unstreitig – sowohl die so genannten besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorlagen als auch die allgemeine Wartezeit erfüllt war, ist der Klägerin gemäß § 99 Abs. 1 SGB VI ab dem 01. Oktober 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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