Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 SO 5033/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 6/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Schulgeld, Fahrgeld und von Kosten für weiteren Ausbildungsbedarf sowie Lebenshaltungskosten für die Antragstellerin im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Die 1980 geborene Antragstellerin absolviert seit dem 01. September 2003 eine dreijährige kostenpflichtige Vollzeitausbildung zur Modedesignerin in der Berufsfachschule für Design der BEST-Sabel-Bildungszentrum GmbH mit 36 Wochenstunden (vgl. www.best-sabel.de) und erhält Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), sog. Schüler-BAföG. Das Schulgeld für die Ausbildung beträgt monatlich 390,00 EUR, die Materialkosten in einem Schulhalbjahr belaufen sich auf ca. 600,00 EUR.
Der Klägerin wurde vom Landesamt für Gesundheit und Soziales aufgrund einer seelischen Störung, chronischer venöser Insuffizienz bei Krampfaderleiden sowie Migräne ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt.
Bereits in den Jahren 2003/2004 ist es zwischen den Beteiligten zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Gewährung von Eingliederungshilfe im Zusammenhang mit der Ausbildung der Antragstellerin gekommen. Am 30. April 2004 schlossen die Beteiligten dabei vor dem Oberverwaltungsgericht OVG Berlin (Az.: 6 S 430.03) einen Vergleich, in dem sich der Antragsgegner zur Gewährung von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt unter Annahme eines besonderen Härtefalles verpflichtete und die Antragstellerin im Gegenzug einen Antrag auf Eingliederungshilfe in Form der Übernahme des Schulgeldes zurücknahm.
Am 28. Mai 2004 stellte die Antragstellerin erneut einen Antrag auf Eingliederungshilfe in Form der Übernahme des Schulgeldes. Ferner hielt sie Anträge auf Gewährung eines Mehrbedarfs für Behinderte und auf Übernahme des Fahrgeldes sowie Kostenübernahme für Ausbildungsmittel aufrecht.
Die Antragstellerin verfolgt diese Begehren mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin (Az.: 6 a 660/04). Am 04. Oktober 2005 hat sie bei dem Sozialgericht Berlin den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Mit diesem begehrt sie, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr im Rahmen der Eingliederungshilfe monatliche Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs einschließlich des Mehrbedarfszuschlags für Behinderte zu gewähren sowie Schulgeld, Fahrgeld und Kosten für Ausbildungsbedarf zu übernehmen. Sie trägt vor, auf die Leistungen der Eingliederungshilfe angewiesen zu sein. Die von ihr bezogenen BAföG Leistungen reichten zur Deckung des Lebensunterhaltes nicht aus. Die ihr seit Januar 2005 vom Job-Center ergänzend zum BAföG gewährten ALG II - Leistungen habe das Job Center zum Ende September 2005 eingestellt. Sie zähle sich ausdrücklich zu dem von § 53 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) erfassten Personenkreis. Sie leide an Varikosis, Migräne, einer Essstörung und einem Reizdarmsyndrom. Bei seelischer Anspannung leide sie an Durchfällen und könne ihre Wohnung nur nach vorheriger Planung verlassen. Zudem sei ihr Blutdruck zu niedrig und sie sei bereits dreimal auf der Straße umgefallen. Im Zusammenhang mit ihrer Ausbildung entstünden ihr monatliche Kosten in Höhe von 390,00 EUR Schulgeld, 100,00 EUR für Arbeitsmaterialien und 48,50 EUR für Fahrgeld. Ferner habe sie eine Nähmaschine für ca. 700,00 EUR angeschafft.
Der Antragsgegner hat hiergegen eingewandt, im Rahmen der Eingliederungshilfe könnten keine laufenden Leistungen gewährt werden. Der ausbildungsgeprägte Bedarf werde durch die BAföG Leistungen abgedeckt. Zudem habe der Antragstellerin eine Ausbildung zur Modedesignerin beim Lette-Verein zu 360,00 EUR halbjährig offen gestanden.
Nachdem ein vom Sozialgericht vorgeschlagener Vergleich, der im Wesentlichen dem vor dem OVG geschlossenen Vergleich unter Berücksichtigung der durch das Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) geschaffenen neuen rechtlichen Rahmenbedingungen entsprach, nicht zustande gekommen war, hat das Sozialgericht Berlin den Antrag mit Beschluss vom 19. Dezember 2005 abgelehnt. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, die von der Antragstellerin geltend gemachten Unkosten seien nicht behinderungsspezifisch und die absolvierte Berufsausbildung sei nicht besonders geeignet und daher auch nicht erforderlich für die Integration der Antragstellerin in das Erwerbsleben.
Mit ihrer Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, verfolgt die Antragstellerin ihre Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Gesetzgeber an keiner Stelle eine kausale Verknüpfung zwischen Ausbildungskosten und den Behinderungen fordere. Im Übrigen bestehe in ihrem Fall eine solche Verbindung. Denn aufgrund ihrer Behinderung sei es ihr nicht möglich, so wie ihre nicht behinderten Kommilitoninnen, neben der Ausbildung einen Job auszuüben. In einem vergleichbaren Fall habe das OVG Lüneburg mit Beschluss vom 24. Mai 2000 (Az. 15 b 3426/99, JURIS) den Sozialhilfeträger zur Übernahme von Kosten für den Lebensunterhalt und die Ausbildung im Rahmen der Eingliederungshilfe verpflichtet. Es sei nicht ersichtlich, dass eine andere als die von ihr durchgeführte Ausbildung zu einem für sie angemessenereren Beruf führen würde. Aufgrund der bei ihr vorliegenden Neigungen und Fähigkeiten stelle sich die Ausbildung zur Modedesignerin als angemessene Berufsausbildung dar. Im Übrigen habe sie das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Angemessenheit der Ausbildung werde zudem durch die ärztliche Stellungnahme der Fürsorgeärztin vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Antragsgegners DM H vom 30. Dezember 2003 bestätigt, in der die Kostenübernahme für die Ausbildung aus den Mitteln der Eingliederungshilfe befürwortet werde.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2005 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig im Rahmen der Eingliederungshilfe monatliche Leistungen zur Deckung ihres sozialhilferechtlichen Bedarfs zu gewähren, sowie Schulgeld, Fahrgeld und Kosten für Ausbildungsbedarf zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit in der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ).
Die Antragstellerin hat einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Sicherstellung ihres Lebensunterhaltes für die Dauer der Ausbildung und Übernahme der allgemeinen Ausbildungskosten im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe nicht glaubhaft gemacht.
Es kann offen bleiben, ob die Antragstellerin zu dem in § 53 Abs. 1 SGB XII beschriebenen Personenkreis gehört, denn die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII liegen nicht vor.
Gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere "Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule". Die von der Antragstellerin angestrebte Hilfe wird jedoch nicht vom Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe erfasst. Die Eingliederungshilfe in der Form einer Hilfe zur Ausbildung soll allein behinderungsbedingte Hindernisse und Erschwernisse ausräumen, die der Aufnahme und dem Betrieb der Ausbildung entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 5 C 28/95 -, FEVS 46, 366). Die Eingliederungshilfe bezweckt aber nicht, den Behinderten besser zu stellen als den Nichtbehinderten. Bezogen auf den hier in Rede stehenden Besuch der Berufsfachschule für Design würde die Eingliederungshilfe bezwecken, einem Behinderten die Teilhabe an dem Angebot der Ausbildungsstätte zu ermöglichen und zu gewährleisten, dass ein Behinderter wie ein Nichtbehinderter die Einrichtung der Ausbildungsstätte in Anspruch nehmen und eine entsprechende Schulausbildung erhalten kann. Aufgabe der Hilfe zu einer Schulausbildung ist es dagegen nicht, dem Behinderten die Ausbildung dadurch zu finanzieren, dass die allgemeinen Ausbildungskosten übernommen werden, die auch ein Nichtbehinderter zu tragen hätte (OVG NRW, Urteil vom 24. November 1992 24 a 1713/90 , FEVS 43, 341). Eine Übernahme des streitgegenständlichen Schulgelds sowie weiterer Ausbildungskosten käme allenfalls dann in Betracht, wenn sich diese Kosten als notwendige Folge einer Behinderung der Antragstellerin darstellten. Dass die Ausbildungskosten der Antragstellerin notwendigerweise durch die besonderen Verhältnisse einer bei ihr vorliegenden Behinderung entstehen, d. h. ihr anders als einem Nichtbehinderten durch eine Behinderung gleichsam aufgezwungen werden, hat die Antragstellerin jedoch nicht vorgetragen geschweige denn mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Dies könnte allenfalls dann der Fall sein, wenn es sich bei der von der Antragstellerin wahrgenommenen Ausbildung um die einzig denkbare Ausbildung und Ausbildungsstätte handeln würde. Dass die Antragstellerin nur mit der von ihr gewählten Ausbildung den für sie allein angemessenen Beruf ausüben könne, trägt sie jedoch selbst nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass dies der Fall sein könnte, bestehen schon deswegen nicht, weil der angestrebte Beruf der Modedesignerin nach den von der Antragstellerin unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Antragsgegners gleichfalls mit einer Ausbildung beim Lette- Verein erheblich kostengünstiger erreicht werden kann.
Der Antragstellerin geht es im vorliegenden Fall auch nicht darum, behinderungsbedingte Hindernisse oder Erschwernisse auszuräumen, die der Durchführung ihrer Ausbildung entgegenstehen. Sie macht Schulgeld in Höhe von 390,00 EUR monatlich sowie Materialkosten geltend, die von jedem zu zahlen sind, der diese Ausbildungsstätte besucht, unabhängig davon, ob er behindert ist oder nicht. Es handelt sich mithin nicht um behinderungsbedingten Bedarf, so dass die Bewilligung von Eingliederungshilfe nicht in Betracht kommt.
Der Senat folgt nicht der Auffassung des OVG Lüneburg im Beschluss vom 24. Mai 2000 (FEVS 52, 262 f.), wonach ausnahmsweise Eingliederungshilfe durch Übernahme von Kosten für den Lebensunterhalt und die Ausbildung gewährt werden kann, wenn der Bedarf durch Leistungen nach dem BAföG nicht gedeckt und der Betroffene behinderungsbedingt nicht in der Lage ist, den ungedeckten Teil des Bedarfs an Lebensunterhalt durch Teilzeitarbeit zu decken. Denn derartige Sachverhalte sind durch die jeweiligen Sonderregelungen für Auszubildende in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII und § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II gesetzlich abschließend geregelt. Nach diesen Vorschriften kann in besonderen Härtefällen Hilfe zum Lebensunterhalt als Beihilfe oder als Darlehen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) beziehungsweise ausschließlich als Darlehen (§ 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II) geleistet werden. Hilfe zur Ausbildung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII ist aber jedenfalls dann nicht geboten, wenn der Bedarf an Lebensunterhalt und Ausbildungskosten durch eine andere Sozialleistung gedeckt werden kann (vgl. § 2 Abs. 1 SGB XII). Im Fall der Antragstellerin wären dies Leistungen gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II. Eine vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners auf Gewährung von Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Auslegung des Begehrens der Antragstellerin (§ 123 SGG) kam nicht in Frage. Denn insoweit fehlt es bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Prüfung an der Feststellung einer fehlenden Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin gemäß § 8 Abs. 1 SGB II. Erwerbsfähig gemäß § 8 Abs. 1 SGB II ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dass diese Voraussetzungen bei der Antragstellerin, die eine Vollzeitausbildung mit 36 Wochenstunden absolviert, nicht gegeben sind, ist nicht glaubhaft gemacht. Solange aber die Erwerbsfähigkeit bzw. volle Erwerbsminderung nicht feststeht, sind nicht Leistungen nach dem SGB XII, sondern Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zu erbringen (vgl. § 44 a Satz 3 SGB II). Insoweit wäre der Antragsgegner jedoch nicht passiv legitimiert. Denn für derartige Leistungen ist das Jobcenter zuständig.
Darüber hinaus hat die Antragstellerin, soweit das Schulgeld und Unterrichtsmaterialien betroffen sind, auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht. Dieser Ausbildungsbedarf wird von ihr seit Beginn der Ausbildung im September 2003 aus welchen Quellen auch immer gezahlt, ohne dass sie hierfür bisher Ersatz bekommen hätte. Warum ihr dies nunmehr bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mehr möglich sein soll, hat sie nicht dargelegt.
Nach alledem war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Schulgeld, Fahrgeld und von Kosten für weiteren Ausbildungsbedarf sowie Lebenshaltungskosten für die Antragstellerin im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Die 1980 geborene Antragstellerin absolviert seit dem 01. September 2003 eine dreijährige kostenpflichtige Vollzeitausbildung zur Modedesignerin in der Berufsfachschule für Design der BEST-Sabel-Bildungszentrum GmbH mit 36 Wochenstunden (vgl. www.best-sabel.de) und erhält Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), sog. Schüler-BAföG. Das Schulgeld für die Ausbildung beträgt monatlich 390,00 EUR, die Materialkosten in einem Schulhalbjahr belaufen sich auf ca. 600,00 EUR.
Der Klägerin wurde vom Landesamt für Gesundheit und Soziales aufgrund einer seelischen Störung, chronischer venöser Insuffizienz bei Krampfaderleiden sowie Migräne ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt.
Bereits in den Jahren 2003/2004 ist es zwischen den Beteiligten zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Gewährung von Eingliederungshilfe im Zusammenhang mit der Ausbildung der Antragstellerin gekommen. Am 30. April 2004 schlossen die Beteiligten dabei vor dem Oberverwaltungsgericht OVG Berlin (Az.: 6 S 430.03) einen Vergleich, in dem sich der Antragsgegner zur Gewährung von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt unter Annahme eines besonderen Härtefalles verpflichtete und die Antragstellerin im Gegenzug einen Antrag auf Eingliederungshilfe in Form der Übernahme des Schulgeldes zurücknahm.
Am 28. Mai 2004 stellte die Antragstellerin erneut einen Antrag auf Eingliederungshilfe in Form der Übernahme des Schulgeldes. Ferner hielt sie Anträge auf Gewährung eines Mehrbedarfs für Behinderte und auf Übernahme des Fahrgeldes sowie Kostenübernahme für Ausbildungsmittel aufrecht.
Die Antragstellerin verfolgt diese Begehren mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin (Az.: 6 a 660/04). Am 04. Oktober 2005 hat sie bei dem Sozialgericht Berlin den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Mit diesem begehrt sie, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr im Rahmen der Eingliederungshilfe monatliche Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs einschließlich des Mehrbedarfszuschlags für Behinderte zu gewähren sowie Schulgeld, Fahrgeld und Kosten für Ausbildungsbedarf zu übernehmen. Sie trägt vor, auf die Leistungen der Eingliederungshilfe angewiesen zu sein. Die von ihr bezogenen BAföG Leistungen reichten zur Deckung des Lebensunterhaltes nicht aus. Die ihr seit Januar 2005 vom Job-Center ergänzend zum BAföG gewährten ALG II - Leistungen habe das Job Center zum Ende September 2005 eingestellt. Sie zähle sich ausdrücklich zu dem von § 53 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) erfassten Personenkreis. Sie leide an Varikosis, Migräne, einer Essstörung und einem Reizdarmsyndrom. Bei seelischer Anspannung leide sie an Durchfällen und könne ihre Wohnung nur nach vorheriger Planung verlassen. Zudem sei ihr Blutdruck zu niedrig und sie sei bereits dreimal auf der Straße umgefallen. Im Zusammenhang mit ihrer Ausbildung entstünden ihr monatliche Kosten in Höhe von 390,00 EUR Schulgeld, 100,00 EUR für Arbeitsmaterialien und 48,50 EUR für Fahrgeld. Ferner habe sie eine Nähmaschine für ca. 700,00 EUR angeschafft.
Der Antragsgegner hat hiergegen eingewandt, im Rahmen der Eingliederungshilfe könnten keine laufenden Leistungen gewährt werden. Der ausbildungsgeprägte Bedarf werde durch die BAföG Leistungen abgedeckt. Zudem habe der Antragstellerin eine Ausbildung zur Modedesignerin beim Lette-Verein zu 360,00 EUR halbjährig offen gestanden.
Nachdem ein vom Sozialgericht vorgeschlagener Vergleich, der im Wesentlichen dem vor dem OVG geschlossenen Vergleich unter Berücksichtigung der durch das Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) geschaffenen neuen rechtlichen Rahmenbedingungen entsprach, nicht zustande gekommen war, hat das Sozialgericht Berlin den Antrag mit Beschluss vom 19. Dezember 2005 abgelehnt. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, die von der Antragstellerin geltend gemachten Unkosten seien nicht behinderungsspezifisch und die absolvierte Berufsausbildung sei nicht besonders geeignet und daher auch nicht erforderlich für die Integration der Antragstellerin in das Erwerbsleben.
Mit ihrer Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, verfolgt die Antragstellerin ihre Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Gesetzgeber an keiner Stelle eine kausale Verknüpfung zwischen Ausbildungskosten und den Behinderungen fordere. Im Übrigen bestehe in ihrem Fall eine solche Verbindung. Denn aufgrund ihrer Behinderung sei es ihr nicht möglich, so wie ihre nicht behinderten Kommilitoninnen, neben der Ausbildung einen Job auszuüben. In einem vergleichbaren Fall habe das OVG Lüneburg mit Beschluss vom 24. Mai 2000 (Az. 15 b 3426/99, JURIS) den Sozialhilfeträger zur Übernahme von Kosten für den Lebensunterhalt und die Ausbildung im Rahmen der Eingliederungshilfe verpflichtet. Es sei nicht ersichtlich, dass eine andere als die von ihr durchgeführte Ausbildung zu einem für sie angemessenereren Beruf führen würde. Aufgrund der bei ihr vorliegenden Neigungen und Fähigkeiten stelle sich die Ausbildung zur Modedesignerin als angemessene Berufsausbildung dar. Im Übrigen habe sie das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Angemessenheit der Ausbildung werde zudem durch die ärztliche Stellungnahme der Fürsorgeärztin vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Antragsgegners DM H vom 30. Dezember 2003 bestätigt, in der die Kostenübernahme für die Ausbildung aus den Mitteln der Eingliederungshilfe befürwortet werde.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2005 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig im Rahmen der Eingliederungshilfe monatliche Leistungen zur Deckung ihres sozialhilferechtlichen Bedarfs zu gewähren, sowie Schulgeld, Fahrgeld und Kosten für Ausbildungsbedarf zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit in der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ).
Die Antragstellerin hat einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Sicherstellung ihres Lebensunterhaltes für die Dauer der Ausbildung und Übernahme der allgemeinen Ausbildungskosten im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe nicht glaubhaft gemacht.
Es kann offen bleiben, ob die Antragstellerin zu dem in § 53 Abs. 1 SGB XII beschriebenen Personenkreis gehört, denn die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII liegen nicht vor.
Gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere "Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule". Die von der Antragstellerin angestrebte Hilfe wird jedoch nicht vom Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe erfasst. Die Eingliederungshilfe in der Form einer Hilfe zur Ausbildung soll allein behinderungsbedingte Hindernisse und Erschwernisse ausräumen, die der Aufnahme und dem Betrieb der Ausbildung entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 5 C 28/95 -, FEVS 46, 366). Die Eingliederungshilfe bezweckt aber nicht, den Behinderten besser zu stellen als den Nichtbehinderten. Bezogen auf den hier in Rede stehenden Besuch der Berufsfachschule für Design würde die Eingliederungshilfe bezwecken, einem Behinderten die Teilhabe an dem Angebot der Ausbildungsstätte zu ermöglichen und zu gewährleisten, dass ein Behinderter wie ein Nichtbehinderter die Einrichtung der Ausbildungsstätte in Anspruch nehmen und eine entsprechende Schulausbildung erhalten kann. Aufgabe der Hilfe zu einer Schulausbildung ist es dagegen nicht, dem Behinderten die Ausbildung dadurch zu finanzieren, dass die allgemeinen Ausbildungskosten übernommen werden, die auch ein Nichtbehinderter zu tragen hätte (OVG NRW, Urteil vom 24. November 1992 24 a 1713/90 , FEVS 43, 341). Eine Übernahme des streitgegenständlichen Schulgelds sowie weiterer Ausbildungskosten käme allenfalls dann in Betracht, wenn sich diese Kosten als notwendige Folge einer Behinderung der Antragstellerin darstellten. Dass die Ausbildungskosten der Antragstellerin notwendigerweise durch die besonderen Verhältnisse einer bei ihr vorliegenden Behinderung entstehen, d. h. ihr anders als einem Nichtbehinderten durch eine Behinderung gleichsam aufgezwungen werden, hat die Antragstellerin jedoch nicht vorgetragen geschweige denn mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Dies könnte allenfalls dann der Fall sein, wenn es sich bei der von der Antragstellerin wahrgenommenen Ausbildung um die einzig denkbare Ausbildung und Ausbildungsstätte handeln würde. Dass die Antragstellerin nur mit der von ihr gewählten Ausbildung den für sie allein angemessenen Beruf ausüben könne, trägt sie jedoch selbst nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass dies der Fall sein könnte, bestehen schon deswegen nicht, weil der angestrebte Beruf der Modedesignerin nach den von der Antragstellerin unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Antragsgegners gleichfalls mit einer Ausbildung beim Lette- Verein erheblich kostengünstiger erreicht werden kann.
Der Antragstellerin geht es im vorliegenden Fall auch nicht darum, behinderungsbedingte Hindernisse oder Erschwernisse auszuräumen, die der Durchführung ihrer Ausbildung entgegenstehen. Sie macht Schulgeld in Höhe von 390,00 EUR monatlich sowie Materialkosten geltend, die von jedem zu zahlen sind, der diese Ausbildungsstätte besucht, unabhängig davon, ob er behindert ist oder nicht. Es handelt sich mithin nicht um behinderungsbedingten Bedarf, so dass die Bewilligung von Eingliederungshilfe nicht in Betracht kommt.
Der Senat folgt nicht der Auffassung des OVG Lüneburg im Beschluss vom 24. Mai 2000 (FEVS 52, 262 f.), wonach ausnahmsweise Eingliederungshilfe durch Übernahme von Kosten für den Lebensunterhalt und die Ausbildung gewährt werden kann, wenn der Bedarf durch Leistungen nach dem BAföG nicht gedeckt und der Betroffene behinderungsbedingt nicht in der Lage ist, den ungedeckten Teil des Bedarfs an Lebensunterhalt durch Teilzeitarbeit zu decken. Denn derartige Sachverhalte sind durch die jeweiligen Sonderregelungen für Auszubildende in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII und § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II gesetzlich abschließend geregelt. Nach diesen Vorschriften kann in besonderen Härtefällen Hilfe zum Lebensunterhalt als Beihilfe oder als Darlehen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) beziehungsweise ausschließlich als Darlehen (§ 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II) geleistet werden. Hilfe zur Ausbildung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII ist aber jedenfalls dann nicht geboten, wenn der Bedarf an Lebensunterhalt und Ausbildungskosten durch eine andere Sozialleistung gedeckt werden kann (vgl. § 2 Abs. 1 SGB XII). Im Fall der Antragstellerin wären dies Leistungen gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II. Eine vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners auf Gewährung von Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Auslegung des Begehrens der Antragstellerin (§ 123 SGG) kam nicht in Frage. Denn insoweit fehlt es bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Prüfung an der Feststellung einer fehlenden Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin gemäß § 8 Abs. 1 SGB II. Erwerbsfähig gemäß § 8 Abs. 1 SGB II ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dass diese Voraussetzungen bei der Antragstellerin, die eine Vollzeitausbildung mit 36 Wochenstunden absolviert, nicht gegeben sind, ist nicht glaubhaft gemacht. Solange aber die Erwerbsfähigkeit bzw. volle Erwerbsminderung nicht feststeht, sind nicht Leistungen nach dem SGB XII, sondern Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zu erbringen (vgl. § 44 a Satz 3 SGB II). Insoweit wäre der Antragsgegner jedoch nicht passiv legitimiert. Denn für derartige Leistungen ist das Jobcenter zuständig.
Darüber hinaus hat die Antragstellerin, soweit das Schulgeld und Unterrichtsmaterialien betroffen sind, auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht. Dieser Ausbildungsbedarf wird von ihr seit Beginn der Ausbildung im September 2003 aus welchen Quellen auch immer gezahlt, ohne dass sie hierfür bisher Ersatz bekommen hätte. Warum ihr dies nunmehr bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mehr möglich sein soll, hat sie nicht dargelegt.
Nach alledem war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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