L 1 B 1003/05 RH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 17 RH 53/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 B 1003/05 RH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Cottbus vom 4. Mai 2005, mit dem das SG gegen ihn wegen seines unentschuldigten Nichterscheinens im Termin zur Beweisaufnahme am 4. Mai 2005 um 13.20 Uhr ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 Euro festgesetzt hat. Er macht geltend, er habe die Geschäftsstelle des Sozialgerichts davon unterrichtet, dass er sich wegen eines Defekts seines Wagens verspäten werde. Auf ein öffentliches Verkehrsmittel habe er nicht zurückgreifen können, da er aus beruflichen Gründen darauf angewiesen gewesen sei, dass sein PKW noch am selben Tag wieder einsatzbereit gewesen wäre. Er habe nicht voraussehen können, dass sich die Reparatur vier Stunden (von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr) hinziehen würde und er anschließend wegen widriger Verkehrsverhältnisse nahezu zwei Stunden Zeit für den Weg (von üblicherweise einer Stunde) brauchen würde. Zu dem Termin sei von den Beteiligten des Verwaltungsverfahrens ohnehin niemand erschienen, so dass ihm unverständlich sei, weshalb die Beweisaufnahme nicht noch um 15.00 Uhr, als er erschienen sei, habe durchgeführt werden können.

Die zulässige Beschwerde, der das SG mit Beschluss vom 18. Juli 2005 nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet.

Die Pflicht eines Zeugen, vor Gericht zu erscheinen, ist eine von §§ 205, 118 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 380 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) vorausgesetzte allgemeine Staatsbürgerpflicht, bei deren Nichterfüllung § 380 ZPO die Möglichkeit gibt, dem ordnungsgemäß geladenen und nicht genügend entschuldigten Zeugen die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen und gegen ihn ein Ordnungsgeld festzusetzen. Der Zeuge ist, was er selbst nicht bestreitet, ordnungsgemäß zu dem Termin zur Beweisaufnahme geladen worden. Die Ladung enthielt die Bezeichnung der Beteiligten, den Gegenstand der Vernehmung sowie die Anweisung, zur Ablegung des Zeugnisses bei Vermeidung der durch das Gesetz angedrohten Ordnungsmittel in dem nach Zeit und Ort zu bezeichnenden Termin zu erscheinen (§ 377 Abs. 2 ZPO, § 111 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist mit Postzustellungsurkunde rechtzeitig vor dem Termin zugestellt worden.

Der Beschwerdeführer ist zum Termin nicht rechtzeitig erschienen. Das SG hat auch angesichts der angekündigten Verspätung ausreichend lange, nämlich 30 Minuten, auf das Eintreffen des Beschwerdeführers gewartet. Soweit er geltend macht, seine Vernehmung habe auch noch bei seinem Erscheinen im Gericht um 15.00 Uhr (also 70 Minuten nach dem Ende des Termins) durchgeführt werden können, übersieht er dass die Beteiligten von dem Beweistermin zu benachrichtigen sind, um Ihnen Gelegenheit zu geben, der Vernehmung beizuwohnen (§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB X). Auf dieses Erfordernis kann nicht verzichtet werden, ohne dass es darauf ankäme, ob die Beteiligten von ihrem Recht Gebrauch machen wollen. Es hätte den Beteiligten also der neue Termin um 15.00 Uhr bekannt gegeben werden müssen, was nicht mehr möglich war.

Schließlich konnte die Festsetzung des Ordnungsgeldes nicht unterbleiben und war auch nicht gemäß § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO nachträglich wieder aufzuheben, denn der Beschwerdeführer konnte sein Ausbleiben in dem Termin am 4. Mai 2005 nicht genügend entschuldigen. Als genügende Entschuldigungsgründe für das Ausbleiben eines ordnungsgemäß geladenen Zeugen i.S. von § 381 Abs. 1 ZPO können grundsätzlich nur solche äußeren Umstände und Ereignisse anerkannt werden, die einen Zeugen - ohne sein Zutun - von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Zeugenpflicht mit der Wahrnehmung beruflicher Pflichten kollidiert (BVerfG Beschluss vom 30.09.2001, NJW 2002, 955). Im Streitfall ist das Ausbleiben des Beschwerdeführers vor allem darauf zurückzuführen, dass er der beruflich geschuldeten Notwendigkeit, möglichst unverzüglich die Reparatur des PKW durchführen zu lassen, seiner Pflicht zum Erscheinen vor Gericht den Vorrang gegeben hat. Er räumt selbst ein, dass es möglich gewesen wäre, pünktlich (und mit hinnehmbarem zeitlichen Mehraufwand von etwa einer halben Stunde pro Weg) mit öffentlichen Verkehrsmitteln bei Gericht zu erscheinen, nachdem er bereits um 9.00 Uhr festgestellt hatte, dass der PKW in die Werkstatt musste. Ein genügender Entschuldigungsgrund für dieses Verhalten ist nicht erkennbar, denn ohnehin hätte es in der Hand des Beschwerdeführers gelegen, irgendeine berufliche Beeinträchtigung durch die notwendig gewordene Zeugenladung von vornherein dadurch zu umgehen, dass er den von Behörde und Gericht geforderten Befundbericht schriftlich abgibt. Es war dem Beschwerdeführer aus dem vorangegangenen Schriftwechsel und Gesprächen mit dem Gericht bekannt, dass eine schriftliche Aussage durch einen Befundbericht ggf. noch am selben Tag vor dem Termin die Notwendigkeit seines Erscheinens hätte entfallen lassen. Es ist nach seinem Vortrag nicht nachvollziehbar, weshalb er einen solchen Befundbericht nicht wenigstens dann erstellt und unter telefonischer Ankündigung an die Geschäftsstelle gefaxt hat, als ihm um 9.00 Uhr erkennbar wurde, dass sein PKW in die Werkstatt musste und er an dem Terminstag durchaus absehbar in zeitliche Schwierigkeiten geraten würde.

Die Höhe des vom Sozialgericht festgesetzten Ordnungsgeldes hat ebenfalls Bestand. Maßgebend für die nach pflichtgemäßen Ermessen zu bestimmende Höhe des Ordnungsgeldes gegen einen nicht erschienen Zeugen, das nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EGStGB fünf bis tausend Euro betragen darf, sind die Bedeutung der Rechtssache und der Aussage für die Entscheidung sowie die Schwere der Pflichtverletzung und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen. Gegen die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes (150 Euro) bestehen keine Bedenken. Sie liegt im unteren Bereich und erscheint auch angesichts der vermuteten finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers für vertretbar. Im Rahmen der Beschwerde hat dieser die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes ohnehin nicht angriffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 15. Mai 2006 - L 1 B 1/06 RH -, ebenso LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 28. Februar 2006 – L 18 B 34/05-, veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de) findet § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) mit der Folge einer zusätzlichen Kostenlast für den Zeugen im Falle einer erfolglosen Beschwerde keine Anwendung.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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