L 25 B 1112/05 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 208/05 PKH
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 1112/05 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 22. Juli 2005 aufgehoben. Dem Kläger wird für die Durchführung des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Cottbus Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab dem 18. November 2004 gewährt. Frau Rechtsanwältin B M wird beigeordnet.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (Ast.) begehrt für ein vor dem Sozialgericht Cottbus durchgeführtes Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH).

Der am 1953 geborene Ast. beantragte am 18. November 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der alleinstehende, seit 2000 dauernd getrennt lebende Leistungsbewerber legte eine ärztliche Bescheinigung zur Anerkennung eines Mehrbedarfs (MB) für kostenaufwendige Ernährung vom 07. Oktober 2004 vor. Darin bescheinigte Dr. B P, der Ast. sei bei ihm seit Juli 2004 in Behandlung wegen insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II mit Organkomplikationen. Bei zur Zeit einer Körpergröße von 171 cm liege ein Körpergewicht von 85,80 kg vor. Auf dem Vordruck war unter Ziffer 12 angekreuzt, es liege ein Diabetes mellitus Typ II b vor. Dieser Zeile war als "Krankenkost" zugeordnet "Diabetes-Reduktionskost" mit der Auflage zur Gewichtsreduktion auf 80 kg Körpergewicht. Die Kostform sei für die angekreuzte Erkrankung aus ärztlicher Sicht ausgehend vom Datum der Ausstellung der Bescheinigung für 12 Monate verordnet.

Mit Bescheid vom 06. Dezember 2004 wurde dem Ast. - noch von der Agentur für Arbeit Cottbus - für die Zeit vom 01. Januar bis 30. Juni 2005 eine monatlich zustehende Leistung von 492,44 Euro zuerkannt. Ausweislich des Berechnungsbogens war die Leistung ausgehend von der Regelleistung in Höhe von 331 Euro zuzüglich Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUuH) in Höhe von 161,44 Euro, Gesamtbedarf 492,44 Euro berechnet worden. Angaben zu einem zuzuerkennenden MB fanden sich nicht. Soweit ersichtlich wurde dieser Bescheid bestandskräftig.

Am 03. Februar 2005 beantragte der Ast. insoweit die Überprüfung des Bescheides. Mit ihrer Entscheidung vom 16. Februar 2005 brachte - noch die Agentur für Arbeit Cottbus - zum Ausdruck, dem "Antrag zur Anerkennung eines MB für kostenaufwendige Ernährung" könne nicht entsprochen werden. Es handele sich um eine Reduktionskost mit der Auflage zur Gewichtsreduktion. In seinem Widerspruch vom 22. Februar 2005 trug der Ast. vor, er müsse sich viermal am Tag Insulin spritzen und zusätzlich dabei besonders auf seine Ernährung achten. Der Antragsgegner erließ zurückweisenden Widerspruchsbescheid unter dem 10. Mai 2005. Die Gewährung eines MB nach § 21 Abs. 5 SGB II setze voraus, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige aus medizinisch indizierten Gründen einer besonderen Ernährung bedürfe, deren Kosten aus dem in der Regelleistung enthaltenen Anteil auf Ernährung nicht vollständig gedeckt werden könnte. Zur Beantwortung der Frage, welche Kostform bei welcher Erkrankung anzuwenden sei und wie hoch der MB sei, werde auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zur Gewährung von Krankenkostzulagen zurückgegriffen. Nach diesen Empfehlungen sei bei Diabetes mellitus Typ I und Diabetes Typ II für die Diabeteskost bzw. Vollkost eine Krankenkostzulage notwendig. Für die beim Widerspruchsführer vorliegende Erkrankung Diabetes mellitus Typ II b sahen diese Empfehlungen keine Krankenkostzulage vor. Bei dieser Erkrankung fiele im Zusammenhang mit dem Bestehen eines Übergewichts nur ein Aufwand für eine (Gewichts-)Reduktionskost an, welche aus der Regelleistung zu bestreiten sei.

Hiergegen wandte sich der Ast. mit Klage vom 03. Juni 2005 und stellte zugleich Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Ihm stehe ein MB in Höhe von 51,13 Euro pro Monat zu. Frau Rechtsanwältin B Mhat sich mit Schriftsatz vom 13. Juli 2005 grundsätzlich bereit erklärt, den Kläger zu vertreten, sofern ein Beschluss zur Gewährung von PKH vorliege.

Mit Beschluss vom 22. Juli 2005 hat das Sozialgericht Cottbus die Gewährung von PKH abgelehnt. Für den beim Kläger bestehenden Diabetes mellitus vom Typ II b würden die genannten Empfehlungen des Deutschen Vereins keinerlei Diabeteskost vorsehen (zitiert nach Karlhorn in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, § 21 Rz. 26 ff.). Die Aufwendungen für Reduktionskost zur Minderung des Übergewichts seien aus der Regelleistung zu bestreiten und für die Gewährung eines MB nicht ausreichend.

Gegen den ihm am 28. Juli 2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 24. August 2005 Beschwerde eingelegt. Er benötige zur Ernährung für Diabetiker Produkte, um sein Körpergewicht zu halten bzw. abzunehmen. Diese Produkte seien im Handel teurer als jene für eine normale Ernährung.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Am 12. September 2005 hat der Kläger von seinem neuen Hausarzt Herrn DM T R, Facharzt für Allgemeinmedizin eine ärztliche Bescheinigung vom 29. August 2005 zur Akte gereicht. Dieser zufolge soll beim Kläger nunmehr ein Diabetes mellitus Typ II a festzustellen sein, welcher als Krankenkost Diabeteskost verlange. Diese Kostform werde ausgehend vom Datum der Ausstellung der Bescheinigung lebenslang verordnet. Die Beklagte hat vorgetragen, die jetzt ausgewiesene Diagnose einer Diabeteserkrankung vom Typ II a stehe im Widerspruch zu der ärztlichen Bescheinigung vom 07. Oktober 2004, wonach ein Diabetes Typ II b festgestellt worden sei.

Die unterschiedliche Typbezeichnung bestehe darin, dass bei Typ II a eine Erkrankung ohne Übergewicht und bei Typ II b eine Erkrankung mit Übergewicht vorliege. Personen die an einer Diabetes mellitus-Erkrankung mit Übergewicht litten, bedürften in erster Linie einer Reduktionskost, durch welche Mehrkosten nicht entstünden. Unabhängig von der jeweiligen Typbezeichnung gehe aus beiden ärztlichen Bescheinigungen ein Körperübergewicht des Beschwerdeführers hervor.

Die vom Senat eingeschaltete Geschäftsstelle des Gerichts hat zur Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der PKH-Antragstellung bescheinigt, dass dem Kläger PKH ohne Ratenzahlung zu bewilligen wäre - bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Aktenunterlagen und die Unterlagen des gerichtlichen Verfahrens. Diese haben dem Senat zu seiner Entscheidung vorgelegen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Antragsteller und Kläger kann Prozesskostenhilfe seit Antragstellung verlangen.

Dementsprechend war die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die PKH entsprechend. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Prüfung der Erfolgsaussichten ist vorliegend auf den zugrunde zu legenden Sachantrag im Hauptsacheverfahren wegen Kontrolle einer ablehnenden Überprüfungsentscheidung der Beklagten zu beziehen.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 73 a Rz. 7 a m.w.N.).

Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen MB in angemessener Höhe, wenn sie aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung bedürfen.

Selbst ausgehend von der Rechtsauffassung der Beklagten, wonach es auf die Empfehlungen des "Deutschen Vereins" für die nähere Anwendung dieser Vorschrift ankomme, wie dies auch das Sozialgericht angenommen hat, ist vorliegend medizinische Aufklärung der aufgetretenen widersprüchlichen Beurteilung verschiedener Ärzte zum Charakter der Erkrankung des Klägers erst noch vorzunehmen. Insoweit kann es nicht bei der Beurteilung der Beklagten verbleiben, worin die unterschiedliche - medizinische - Typbezeichnung der Diabetesformen darin bestehe, dass bei Typ II a eine Erkrankung ohne Übergewicht und bei Typ II b eine Erkrankung mit Übergewicht vorliege. Offenbar will die Beklagte unabhängig von der jeweiligen Typbezeichnung bei einem Körperübergewicht von der Notwendigkeit einer Reduktionskost ausgehen, durch welche Mehrkosten nicht entstehen können.

Dieses bedarf weiterer Sachaufklärung von Amts wegen. PKH-rechtlich kann deswegen eine hinreichende, nicht notwendig überwiegende Erfolgsaussicht nicht verneint werden.

Die wirtschaftlichen Voraussetzungen liegen vor.

Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz einen ordentlichen Rechtsbehelf nicht vor (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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