Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1464/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 935/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 01.12.2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob wegen fortbestehender Zahlungsschwierigkeiten des Arbeitgebers der Klägerin nach einem in der Vergangenheit liegenden Insolvenzereignis die Gewährung von Insolvenzgeld aufgrund eines späteren Insolvenzereignisses ausgeschlossen ist.
Die am 1966 geborene Klägerin schloss am 15.12.2001 einen Arbeitsvertrag mit der Firma BM E. GmbH (fortan: BM) in D. als Buchhalterin.
Wenige Monate zuvor, nämlich am 01.07.2001, war bereits ein Insolvenzverfahren über die BM vor dem Amtsgericht T. (Az.: II 4 IN 75/01) eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter und Rechtsanwalt W. legte hierbei einen Insolvenzplan vom 30.07.2001 vor, der vorsah, die festgestellten Forderungen der Gläubiger mit 28 % ihres Bruttobetrages in drei gleichen Raten zum 31.01.2002, zum 30.09.2003 und zum 30.09.2004 abzugelten. Die Erfüllung der Verpflichtung aus dem Insolvenzplan sollte durch den Insolvenzverwalter W. überwacht werden. Mit Erklärung vom 27.07.2001 erklärte sich der Zeuge W. (fortan: W.) als zukünftiger Geschäftsführer und künftiger Mehrheitsgesellschafter bereit, eine Kapitaleinlage von 300,000,00 DM zu leisten. W. übernahm nachfolgend die Stammeinlagen für die BM zu einem Kaufpreis von 2,00 EUR. Tatsächlich leistete W. jedoch lediglich ein Darlehen in Höhe von 80.000 EUR. Die Gläubiger der BM nahmen den Insolvenzplan mit Beschluss vom 06.09.2001 vor dem Amtsgericht an. Mit Beschluss vom 16.10.2001 hob das Amtsgericht daraufhin das Insolvenzverfahren auf und ordnete die Überwachung des Insolvenzplans durch den bisherigen Insolvenzverwalter an. Das Jahr 2001 schloss die BM mit einem Jahresgewinn von 460,411,00 EUR ab. Die erste Rate aus dem Insolvenzplan wurde planmäßig in Höhe von 26.583,28 EUR beglichen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 01.03.2004 wurde das Stammkapital von 600.000,00 DM auf 400.000,00 EUR erhöht, und zwar durch Umwandlung eines zuvor von W. gegebenen Darlehens. Im Sommer 2002 wurde ein Kontokorrentkredit der Volksbank in Höhe 500.00,00 EUR gegeben. Dieser Kreditrahmen wurde unter Vermittlung des Wirtschaftsministeriums und mit einer Bürgschaft der Landesbank gewährt. Im Jahr 2002 erwirtschaftete die BM einen Verlust von 1.461,004,00 EUR. Im Mai 2003 wurde das Anlagevermögen der BM für einen Kaufpreis 300.000,00 EUR veräußert und zu einem Jahresmietzins von 78.000,00 EUR gemietet. Ab Oktober 2003 war die BM nicht mehr in der Lage, die Miete für die Büroräume zu bezahlen. Im November 2003 wurden Löhne und sonstige Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlt. Die am 30.11.2003 fällig gewordene zweite Rate aus dem Insolvenzplan wurde nicht mehr bezahlt. Der Betrieb wurde am 08.12.2003 eingestellt. Am 11.12.2003 wurde ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Gemäß Gutachten des Rechtsanwaltes W. vom 15.03.2004 war die BM zahlungsunfähig und das Unternehmen überschuldet.
Die Klägerin beantragte am 09.01.2004 die Gewährung von Insolvenzgeld, da am 11.12.2003 das Insolvenzverfahren über die BM eröffnet worden sei. Ihr sei am 08.12.2003 zum 31.03.2004 gekündigt worden, und sie habe bereits ab November 2003 kein Gehalt mehr bezogen. Bereits mit ihrer Antragstellung wies die Klägerin darauf hin, dass ihr Fall sich ihrer Auffassung nach in wesentlichen Punkten von dem Sachverhalt unterscheide, welcher dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 21.11.2002 (B 11 AL 35/02 R) zugrunde liege. Der Insolvenzverwalter der BM sei nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens am 16.10.2001 nur noch für die Überwachung des Insolvenzplanes zuständig gewesen. Rechtsgeschäfte hätten ab diesem Zeitpunkt für ihre Wirksamkeit nicht mehr seiner Genehmigung bedurft. Die erste Quote aus dem Insolvenzplan sei pünktlich zum 31.01.2002 bezahlt worden. Ein Wirtschaftsprüfer habe der BM zudem für die Jahre 2001 und 2002 Zahlungsfähigkeit bescheinigt. Gehälter und Sozialversicherungsbeiträge seien in diesem Zeitraum immer bezahlt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.01.2004 wurde der Antrag auf Insolvenzgeld abgelehnt. Anfang Dezember 2003 sei noch während des andauernden Insolvenzplanverfahrens erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der BM beantragt worden. Ein erneutes Insolvenzereignis, das Ansprüche auf Insolvenzgeld nach § 183 SGB III auslösen würde, läge jedoch nur dann vor, wenn nach der ersten Insolvenz im Juni 2001 die Zahlungsfähigkeit der BM im rechtlichen Sinne wiederhergestellt gewesen wäre. Die Durchführung des Insolvenzplanverfahrens bei angeordneter Planüberwachung rechtfertige nicht den Schluss, die Zahlungsunfähigkeit der Firma sei beendet. Bei mehreren aufeinander folgenden Insolvenzereignissen bestehe nur Anspruch auf Insolvenzgeld für die Zeit vor dem ersten Insolvenzereignis, nachdem eine Zahlungsfähigkeit der Firma im rechtlichen Sinne (danach) nicht anzunehmen sei.
Dagegen legte der Klägervertreter mit Schreiben vom 10.02.2004 Widerspruch ein und führte aus, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Juli 2001 sei dieses bereits im Oktober 2001 mit Anordnung der Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplanes aufgehoben worden. Die erste Rate nach Insolvenzplan sei erbracht worden. Das restliche Geschäftsjahr 2001 sei ordnungsgemäß abgewickelt und alle Zahlungsverpflichtungen seien erfüllt worden. Auch das komplette Geschäftsjahr 2002 sei mit allen Zahlungen ordnungsgemäß verlaufen. Damit sei die Zahlungsunfähigkeit nach dem Insolvenzereignis im Jahr 2001 nachhaltig beseitigt worden, weswegen es sich bei dem Ereignis im Jahr 2003 um ein neues Insolvenzereignis im Sinne von § 183 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) handele.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Hierbei berief sich die Beklagte auf das von der Klägerin bereits in ihrem Antrag zitierte Urteil des Bundessozialgerichtes vom 21.11.2002 (Az.: B 11 AL 35/02 R). Solange noch ein Insolvenzplan bestehe und überwacht werde, dauere die Zahlungsunfähigkeit eines Betriebes an. Bereits die zweite Rate sei nicht mehr bezahlt worden. Hierdurch sei die noch anzunehmende Zahlungsunfähigkeit erneut offenkundig geworden. Die Arbeitgeberin sei bereits im Jahr 2002 nicht fähig gewesen, ohne Einschränkungen ihre laufenden Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. So seien von Teilen der Belegschaft Entgeltbestandteile der Firma gestundet worden, um die Weiterführung überhaupt zu ermöglichen. Die gestundeten Ansprüche sollten zum 31.08.2003 nachgezahlt werden, wozu die Firma jedoch nicht in der Lage gewesen sei. Nach § 268 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung oder unter den Voraussetzungen des § 268 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung könne nach einem gesetzlich bestimmten Zeitabstand von wenigstens drei Jahren bei einem späteren Insolvenzereignis davon ausgegangen werden, dass die Zahlungsfähigkeit des Schuldners zwischenzeitlich wiederhergestellt worden sei.
Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben des Klägervertreters vom 07.05.2004, das am 11.05.2004 bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG) einging, Klage. Das erste Konkursverfahren sei im Oktober 2001 nach Leistung der ersten Rate endgültig eingestellt worden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich soweit gebessert, dass eine unproblematische Teilnahme am Wirtschaftsleben gewährleistet gewesen sei. Die Firma habe ihre laufenden Verpflichtungen erfüllt. Das Eigenkapital sei erhöht worden. Das Wirtschaftsjahr 2002 sei erfolgreich abgeschlossen worden. Es sei Fremdkapital durch Ausgabe von Genussanteilen in Höhe von 691.000,00 EUR aufgenommen worden. Es hätten somit genügend liquide Mittel zur Verfügung gestanden, um die laufenden Verbindlichkeiten zu bedienen. Die Zahlungsfähigkeit sei spätestens im Jahr 2002 vollständig wiederhergestellt worden. Dass von der Beklagten herangezogene Urteil des BSG sei deswegen mit der vorliegend zu beurteilenden Situation nicht vergleichbar. Die BM habe bis zum Eintritt der erneuten Insolvenz ca. 30 Monate lang am Wirtschaftsleben teilgenommen. Die Anforderungen an die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit dürften nicht überspannt werden (unter Hinweis auf Peters-Lange in Gagel, SGB III, § 183 Rdnr. 52). Die Arbeitnehmer hätten Vertrauen in den Fortbestand des Unternehmens und seine Zahlungsfähigkeit gehabt. Dieses Vertrauen sei schutzwürdig. Ein Missbrauch der Versicherung liege nicht vor. Die Verweigerung von Insolvenzgeld stelle eine völlig unangemessene und unverhältnismäßige Benachteiligung und einen Missbrauch des Vertrauens der Versicherten dar.
Das SG hat die beim Amtsgericht T. geführten Insolvenzakten der BM beigezogen. Anschließend hat das SG hat den Wirtschaftsprüfer/Steuerberater L. und den früheren Mehrheitseigner W. am 14.07.2005 als Zeugen vernommen. Der Zeuge L. verwies in seiner Aussage auf die von ihm angefertigten Prüfberichte über die wirtschaftliche Situation der BM. Der frühere Mehrheitseigner W. gab an, das wirtschaftliche Umfeld habe sich 2002 nicht so entwickelt wie vorgesehen. Die Umsatzentwicklung habe nicht den Planungen entsprochen. Jedoch sei bis Sommer 2003 ein normaler Geschäftsbetrieb durchgeführt worden. Im Sommer 2003 habe eine weitere Finanzierung über die Ausgabe von Genussscheinen erreicht werden sollen. Dies sei nicht erfolgreich gewesen. Der von ihm geleistete Kapitalzufluss im März 2002 sei durch Umwandlung eines Darlehens getätigt worden. Es sei allen Mitarbeitern klar gewesen, dass die Firma nicht im Geld schwimme. Es seien Gehaltserhöhungen zugesagt worden, diese seien zum Teil von den Mitarbeitern gestundet worden. Der Weg über das Insolvenzplanverfahren sei gewählt worden, da dieses eher geeignet sei, Vertrauen aufzubauen. Im Frühjahr 2003 hätte einigen Mitarbeitern gekündigt werden müssen.
Die Klägerin teilte daraufhin mit, die Zeugenvernehmung habe ihrer Auffassung nach ihren Klageanspruch bestätigt. Wäre das Unternehmen in eine neue Gesellschaft umgegründet worden, wäre Insolvenzgeld zu bezahlen. Die Arbeitnehmer seien von keinem der Beteiligten je auf die Konsequenz der Fortführung des Unternehmens hingewiesen worden. Zudem habe die Volksbank M. eG den Kontokorrentrahmen erhöht und die L-Bank hierfür in Höhe von 500.000,00 EUR gebürgt. Es sei neue Technologie entwickelt und eingeführt und eine langfristige Partnerschaft mit dem Unternehmen A. vereinbart worden. 14 neue Mitarbeiter seien eingestellt worden. Die Klägerin sei erst nach dem ersten Insolvenzereignis eingestellt worden und genieße daher Vertrauensschutz.
Der Klägervertreter legte außerdem einen Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses der BM vom 31.12.2002 der Treuhand GmbH H., eine Bilanz zum 31.12.2002, eine Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2002 und ein Gutachten zum Insolvenzantrag des Rechtsanwalts Walter vom 15.03.2004 vor.
Mit Urteil vom 01.12.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Insolvenzereignis aus dem Jahr 2001 habe zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung und Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Dezember 2003 noch eine Sperrwirkung entfaltet, da zwischenzeitlich keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten, sondern im Jahr 2003 die fortbestehende Zahlungsunfähigkeit erneut offenbar geworden sei. Zwar seien laufende Zahlungsverpflichtungen, insbesondere die Verpflichtung zur Lohnzahlung, erfüllt worden. Dies sei jedoch für die Aufrechterhaltung des Betriebes unabdingbar gewesen. Die offenen Raten aus dem Insolvenzplanverfahren seien im Hintergrund gestanden. Im Jahr 2002 habe ein erweiterter Kreditrahmen geschaffen werden müssen. Das BSG habe darauf hingewiesen, dass ein neues Insolvenzereignis nicht eintrete, selbst wenn von einem Konkursverwalter ein Betrieb unter Umständen über mehrere Jahre hinweg fortgeführt werde. Eine wirtschaftliche Gesundung des Betriebes sei nicht eingetreten. Lediglich im Jahr 2001 sei ein Überschuss von 460.411,00 EUR erzielt worden. Jedoch sei zu diesem Zeitpunkt die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit noch fern gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei auch die erste Rate aus dem Insolvenzplan nicht gezahlt worden. Auch die Zahlung dieser Rate im Januar 2002 rechtfertige nicht den Schluss, dass Zahlungsfähigkeit eingetreten sei, da diese in Höhe von 28.000,00 EUR gegenüber einer monatlichen Lohnsumme von ca. 150.000,00 EUR nur gering ausfalle. Bereits im Jahr 2002 sei ein Verlust von knapp 1,5 Millionen Euro gemacht worden. Im zweiten Jahr nach der Insolvenz sei ein neuer Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt worden. Bereits im Jahr 2002 habe ausweislich der Punkte 12 und 13 des Berichtes der H. Treuhand eine Überschuldung im Raum gestanden. Die Fortführung des Unternehmens sei von der Zuführung von Eigenkapital abhängig gemacht worden (Punkt 101). W. gebe im Lagebericht über das Geschäftsjahr 2002 unumwunden zu, dass die Liquiditätsbasis der Firma im Geschäftsverlauf 2002 leider in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Zahlreiche geplante Aufträge seien verschoben worden. Die Bewertung des Anlagevermögens mit 2,2 Millionen Euro und des Neuwerts zu einem Wert 1,1 Millionen Euro sei zu optimistisch gewesen, da bei dem Verkauf des Anlagevermögens nur 300.000,00 EUR erzielt worden seien. Bereits im Jahr 2002 seien einige Zahlen "schön" gerechnet worden. Es sei kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass vor Planerfüllung die Sperrwirkung des früheren Insolvenzereignisses entfallen sei. Die Klägerin trage nicht vor, dass sie von der Insolvenzeröffnung im Juli 2001 und von der Durchführung des Insolvenzplanes ab Oktober keine Kenntnis gehabt habe. Die Klägerin sei auch im kaufmännischen Bereich tätig geworden. Sie sei für die Auskunftserteilung gegenüber den Wirtschaftsprüfern zuständig gewesen. In dieser Position habe ihr die Vorgeschichte nicht unbekannt sein können.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 16.01.2006 zugestellte Urteil hat dieser mit Schreiben vom 14.02.2006, das am 14.02.2006 oder am 15.02.2006 beim SG einging, Berufung eingelegt. Der Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft H. Treuhand GmbH ergebe keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes zum 31.12.2002. Es seien zahlreiche Projekte in Aussicht gewesen. Der Umsatz habe im Jahr 2002 immerhin 2,488 Millionen Euro betragen. Die Firma A. habe sich nicht an die Kooperationsvereinbarung gehalten und keine neuen Aufträge mehr erteilt. Auch andere Projekte hätten nicht realisiert werden können. Spätestens im Laufe des Jahres 2002 sei die Zahlungsfähigkeit wiederhergestellt gewesen. Der Betrieb sei über zwei Jahre fortgeführt worden. Die Planüberwachung durch den Insolvenzverwalter habe nicht wie "ein Damoklesschwert" über dem Unternehmen geschwebt. Die Klägerin stützt sich bei ihrem Vortrag auf das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 25.04.2002 - L 1 AL 171/01 -. Die Berufung der Beklagten auf § 268 Insolvenzordnung gehe fehl. Hieraus könne kein Schluss auf Zahlungsunfähigkeit gezogen werden. Ein Arbeitnehmer, der mehr als 2 Jahre seinen Lohn für erbrachte Leistungen erhalte, müsse davon ausgehen können, dass sein Arbeitgeber weiterhin zahlungsfähig bleibe und seine Ansprüche erfüllt würden. Bei einer Umgründung wären neue Ansprüche entstanden. Neue Mittel seien durch die Ausgabe von Genussscheinen zugeführt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 01.12.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2004 aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie beruft sich auf die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 21.11.2002 (B 11 AL 35/02 R). Solange der Insolvenzplan bestehe und überwacht werde, könne in aller Regel nicht von wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit ausgegangen werden. Lediglich eine von drei Raten in Höhe von 26.583,02 EUR sei beglichen worden. Die monatliche Lohnsumme habe dagegen 150.000,00 EUR betragen. Insofern könne eine Zahlungsfähigkeit nicht belegt werden, insbesondere auch nicht im Verhältnis zum Jahresverlust 2002 in Höhe von 1.461.004,00 EUR. Dem Bericht der H. Treuhand sei zu entnehmen, dass bereits im Jahr 2002 die Überschuldung im Raum gestanden und die Fortführung des Betriebes sowie die Realisierung des Insolvenzplans von weiterer Zuführung von Eigenkapital abhängig sei (vgl. hierzu Blatt 87, 62 und 66 des Berichtes der H. Treuhand). Ein Kapitalfluss in relevantem Umfang habe nie stattgefunden. Auch seien bereits im Jahr 2002 Entgeltbestandteile der Arbeitnehmer gestundet worden. Es sei daher nicht zutreffend, dass die Liquiditätsproblematik erst im Jahr 2003 aufgetreten sei. Es habe sich nur die weiterhin bestehende Zahlungsunfähigkeit offenbart. Eine unterlassene Beratungspflicht der Beklagten und ein daraus resultierender sozialrechtliche Herstellungsanspruch seien nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig sei ein Vertrauensschutzbestand geschaffen worden. Nach der Rechtsprechung des BSG werde selbst bei Beteiligung des Insolvenzgerichts im Insolvenzplanverfahren kein Vertrauensschutztatbestand geschaffen. Zudem müsse insbesondere die Klägerin, die für die Auskunftserteilung gegenüber dem Wirtschaftsprüfern zuständig gewesen sei, die wirtschaftliche Situation gekannt haben. Eine wirtschaftliche Gesundung sei zu keinem Zeitpunkt eingetreten, die Sperrwirkung des Insolvenzereignisses aus dem Jahr 2001 sei somit weiterhin gegeben.
Im Berufungsverfahren hat der Klägerbevollmächtigte eine Kopie des Insolvenzplanes vom 30.07.2001 vorgelegt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des SG und des Landessozialgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den § 143 f. Sozialgerichtsgesetz zulässige Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat zutreffend die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2001 als maßgebliches Insolvenzereignis mit Sperrwirkung für spätere Ereignisse angesehen. Diesbezüglich wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen und insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens ist § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung, wonach Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld haben, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei (Nr. 1) Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, (Nr. 2) Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder (Nr. 3) vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Massen nicht in Betracht kommt (Insolvenzereignis), für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses nach Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Von den grundsätzlich gleichrangigen drei Insolvenzereignissen dieser Vorschrift löst grundsätzlich nur das zeitlich erste den Insolvenzgeldanspruch aus (BSG SozR 4100 § 141 b Nr. 1 und BSG SozR 3-4100 § 141 b Nr. 3). Den drei Tatbestandsalternativen des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist gemeinsam, dass ein Vermögensverfall auf der Arbeitgeberseite verlangt wird (vgl. BSG in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 22. September 1993 - 10 RAr 9/91 - SozR 3-4100 § 141b Nr. 7 zu der Vorgängervorschrift des § 141b Arbeitsförderungsgesetz (AFG)).
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Insolvenzgeld und auch zu dem zuvor nach ähnlichen Voraussetzungen gewährtem Konkursausfallgeld, dass ein neues Insolvenzereignis im Sinne der Anspruchsnormen nicht eintritt und folglich auch keine Ansprüche auf Insolvenzgeld bzw. Konkursausfallgeld ausgelöst werden können, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert (BSG SozR 4100 § 141 b Nrn. 6, 37, 43 und 46, SozR 3-4100 § 141 e Nr. 3). Zahlungsunfähigkeit liegt solange vor, wie der Gemeinschuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist und andauernd aufhört, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelne Zahlungsverpflichtungen wieder erfüllt. Neue Ansprüche auf Konkursausfallgeld oder Insolvenzgeld, etwa wegen Betriebseinstellung, entstehen nach der Eröffnung eines Konkurs- oder Insolvenzverfahrens nicht mehr, unabhängig davon, ob und wie lange der Konkursverwalter das Unternehmen bis zur Betriebseinstellung fortführt, sowie, ob er Arbeitsverhältnisse begründet und diese unter Umständen über mehrere Jahre bestehen (so das BSG in seinem bereits von den Beteiligten zitierten Urteil vom 21.11.2002 - B 11 AL 35/02 R -, BSGE 90, 157, m.w.N.).
In dem voranstehend zitierten Urteil hat das Bundessozialgericht auch ausdrücklich entschieden, dass allein wegen der Aufhebung eines eröffneten Insolvenzverfahrens und der Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens nicht von einer Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners auszugehen ist. Die materiell-rechtlichen Wirkungen des Insolvenzplanes betreffen nämlich nur die am Insolvenzplanverfahren Beteiligten, das heißt den Schuldner, die Insolvenzgläubiger und die Absonderungsberechtigten. Zudem sind die Wirkungen des Plans nicht endgültig, sondern halten nicht mehr an, wenn der Schuldner gegenüber einem Gläubiger mit der Erfüllung des Plans erheblich in Rückstand gerät, § 255 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung (BSG a.a.O.). Vielmehr sind die Einzelumstände der wirtschaftlichen Entwicklung des Arbeitgebers umfassend zu würdigen.
Danach zeigt sich vorliegend aufgrund der vom SG umfassend durchgeführten Ermittlungen, dass bereits seit dem Jahr 2000 mit einem negativen Betriebsergebnis von 712.929 EUR (vgl. S. 8 des Insolvenzplanes vom 30.07.2001, Bl. 49 der LSG-Akte) keine wirtschaftliche Gesundung der BM mehr erfolgt ist. Bereits in dem Insolvenzplan wird der Umsatzrückgang im Jahr 2000 als "dramatisch" bezeichnet. Die anderen vorliegenden Dokumente und Aussagen bestätigen dieses Bild. Hierbei ist unerheblich, dass durchaus eine gewisse berechtigte Hoffnung auf eine wirtschaftliche Gesundung des Unternehmens bestanden haben mag, da das Unternehmen die Aussicht - im Sinne einer Chance - auf große Aufträge hatte. Maßgeblich ist hierbei, dass diese erhofften Großaufträge nicht eingetroffen sind, und dass seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.07.2001 durch das Amtsgericht T. (Az.: II 4 IN 75/01) die erheblichen Gläubigerforderungen aus der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt beglichen worden sind. Dies gilt insbesondere für die Raten des Insolvenzplanes, von dem unstreitig nur die erste von drei Raten bezahlt worden ist, was das Scheitern des Insolvenzplanes bereits im Jahr 2002 illustriert, als die zweite Rate fällig war (vgl. S. 43 des Insolvenzplanes).
Insoweit ergibt sich auch nichts anderes aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25.04.2002 - L 1 AL 171/01 -, weil auch nach dieser Entscheidung für eine wenigstens vorübergehende Beseitigung einer Insolvenz zu fordern ist, dass beim Vorliegen eines Insolvenzplans zumindest über einen gewissen Zeitraum die Vorgaben des Planes eingehalten werden. Ein solcher Zeitraum ist vorliegend nicht feststellbar, da nur eine einzige der Raten des Insolvenzplanes gezahlt worden ist.
Dies wird weiter durch den Prüfbericht der H. Treuhand GmbH für das Jahr 2002 bestätigt, wonach das Fehlen von Eigenkapital in Höhe von 195.000 EUR - bei negativer Geschäftsentwicklung - als erhebliches Risiko dargestellt wird (Randziffern 11 f. und 101 des Prüfberichtes). Der von den Wirtschaftsprüfern geforderte Zufluss von Eigenkapital ist dann jedoch gerade nicht erfolgt (vgl. die Aussage des Zeugen W. vor dem SG am 14.07.2005). Von der Volksbank wurde lediglich ein höherer Kontokorrentkredit eingeräumt, der über eine Bürgschaft der Landesbank abgesichert wurde. Etwas Kapital floss erst 2003 durch den Verkauf des Anlagevermögens zu. Der Plan, mit Genussscheinen eine höhere Liquidität zu erreichen, ging offensichtlich nicht auf (vgl. die Zeugenaussage des W.).
Auch wenn nach der Aussage des Zeugen W. bis Sommer 2003 ein "normaler Geschäftsbetrieb" vorgelegen haben mag, sagt dies nur wenig über die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens seit dem Jahr 2001 aus. Auch der Zeuge W. gab schließlich an, dass die BM seit dem Jahr 2001 für ihren Fortbestand nicht nur auf Umsätze, sondern auch auf Darlehen angewiesen gewesen sei. Im Übrigen war der Zeitraum, in dem eine begründete Hoffnung auf die Genesung des Unternehmens bestand, nach der Aussage des Zeugen W. äußerst knapp (von Sommer bis Herbst 2002).
Das BSG (a.a.O.) hat auch entschieden, dass die Beteiligung des Insolvenzgerichts am Insolvenzplanverfahren nicht zu der Annahme führt, es werde für die betroffenen Arbeitnehmer ein Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers geschaffen, weil dem Verfahren bis zur Bestätigung des Insolvenzplans eine eingehende Prüfung der Erfolgsaussichten durch das Gericht nicht vorausgeht.
Ein Vertrauenstatbestand kann auch nicht dadurch erkannt werden, dass die Klägerin bei der BM erst nach dem maßgeblichen Insolvenzereignis eingestellt worden ist. Zum einen ist davon auszugehen, dass der Klägerin aufgrund ihrer Stellung bei der BM die problematische wirtschaftliche Lage ihres Arbeitgebers bekannt war. Schließlich war sie in ihrer Funktion für die Auskunftserteilung gegenüber den Wirtschaftsprüfern zuständig (vgl. Randziffer 40 des Prüfberichtes der H. Treuhand GmbH für das Jahr 2002).
Die in der Insolvenzordnung angelegte Konkurrenz von regulärem Insolvenzverfahren und Insolvenzplanverfahren schließt es zudem nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch aus, allein das Insolvenzplanverfahren dadurch zu begünstigen, dass den Gläubigern durch die wiederholte Zuerkennung von Insolvenzgeld-Ansprüchen ein Sondervorteil verschafft wird. Hiervon wird auch der Fall der Klägerin erfasst, die als Gläubigerin zudem auch noch zu einem viel späteren Zeitpunkt in die wirtschaftlichen Turbulenzen der BM hineingezogen worden ist und insoweit jedenfalls aufgrund ihres größeren Wissens um die Probleme der BM keinen größeren Vertrauensschutz geltend machen kann als die Gläubiger mit älteren Ansprüchen.
Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die vorliegende Auslegung des Rangverhältnisses der Insolvenztatbestände in § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III mit höherrangigem Recht unvereinbar sein könnte (BSG a.a.O.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Tatsache, dass das vorliegende Verfahren als Musterklage für 22 weitere Verfahren ausgewählt worden ist, stellt keinen Revisionsgrund im Sinne des SGG dar.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob wegen fortbestehender Zahlungsschwierigkeiten des Arbeitgebers der Klägerin nach einem in der Vergangenheit liegenden Insolvenzereignis die Gewährung von Insolvenzgeld aufgrund eines späteren Insolvenzereignisses ausgeschlossen ist.
Die am 1966 geborene Klägerin schloss am 15.12.2001 einen Arbeitsvertrag mit der Firma BM E. GmbH (fortan: BM) in D. als Buchhalterin.
Wenige Monate zuvor, nämlich am 01.07.2001, war bereits ein Insolvenzverfahren über die BM vor dem Amtsgericht T. (Az.: II 4 IN 75/01) eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter und Rechtsanwalt W. legte hierbei einen Insolvenzplan vom 30.07.2001 vor, der vorsah, die festgestellten Forderungen der Gläubiger mit 28 % ihres Bruttobetrages in drei gleichen Raten zum 31.01.2002, zum 30.09.2003 und zum 30.09.2004 abzugelten. Die Erfüllung der Verpflichtung aus dem Insolvenzplan sollte durch den Insolvenzverwalter W. überwacht werden. Mit Erklärung vom 27.07.2001 erklärte sich der Zeuge W. (fortan: W.) als zukünftiger Geschäftsführer und künftiger Mehrheitsgesellschafter bereit, eine Kapitaleinlage von 300,000,00 DM zu leisten. W. übernahm nachfolgend die Stammeinlagen für die BM zu einem Kaufpreis von 2,00 EUR. Tatsächlich leistete W. jedoch lediglich ein Darlehen in Höhe von 80.000 EUR. Die Gläubiger der BM nahmen den Insolvenzplan mit Beschluss vom 06.09.2001 vor dem Amtsgericht an. Mit Beschluss vom 16.10.2001 hob das Amtsgericht daraufhin das Insolvenzverfahren auf und ordnete die Überwachung des Insolvenzplans durch den bisherigen Insolvenzverwalter an. Das Jahr 2001 schloss die BM mit einem Jahresgewinn von 460,411,00 EUR ab. Die erste Rate aus dem Insolvenzplan wurde planmäßig in Höhe von 26.583,28 EUR beglichen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 01.03.2004 wurde das Stammkapital von 600.000,00 DM auf 400.000,00 EUR erhöht, und zwar durch Umwandlung eines zuvor von W. gegebenen Darlehens. Im Sommer 2002 wurde ein Kontokorrentkredit der Volksbank in Höhe 500.00,00 EUR gegeben. Dieser Kreditrahmen wurde unter Vermittlung des Wirtschaftsministeriums und mit einer Bürgschaft der Landesbank gewährt. Im Jahr 2002 erwirtschaftete die BM einen Verlust von 1.461,004,00 EUR. Im Mai 2003 wurde das Anlagevermögen der BM für einen Kaufpreis 300.000,00 EUR veräußert und zu einem Jahresmietzins von 78.000,00 EUR gemietet. Ab Oktober 2003 war die BM nicht mehr in der Lage, die Miete für die Büroräume zu bezahlen. Im November 2003 wurden Löhne und sonstige Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlt. Die am 30.11.2003 fällig gewordene zweite Rate aus dem Insolvenzplan wurde nicht mehr bezahlt. Der Betrieb wurde am 08.12.2003 eingestellt. Am 11.12.2003 wurde ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Gemäß Gutachten des Rechtsanwaltes W. vom 15.03.2004 war die BM zahlungsunfähig und das Unternehmen überschuldet.
Die Klägerin beantragte am 09.01.2004 die Gewährung von Insolvenzgeld, da am 11.12.2003 das Insolvenzverfahren über die BM eröffnet worden sei. Ihr sei am 08.12.2003 zum 31.03.2004 gekündigt worden, und sie habe bereits ab November 2003 kein Gehalt mehr bezogen. Bereits mit ihrer Antragstellung wies die Klägerin darauf hin, dass ihr Fall sich ihrer Auffassung nach in wesentlichen Punkten von dem Sachverhalt unterscheide, welcher dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 21.11.2002 (B 11 AL 35/02 R) zugrunde liege. Der Insolvenzverwalter der BM sei nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens am 16.10.2001 nur noch für die Überwachung des Insolvenzplanes zuständig gewesen. Rechtsgeschäfte hätten ab diesem Zeitpunkt für ihre Wirksamkeit nicht mehr seiner Genehmigung bedurft. Die erste Quote aus dem Insolvenzplan sei pünktlich zum 31.01.2002 bezahlt worden. Ein Wirtschaftsprüfer habe der BM zudem für die Jahre 2001 und 2002 Zahlungsfähigkeit bescheinigt. Gehälter und Sozialversicherungsbeiträge seien in diesem Zeitraum immer bezahlt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.01.2004 wurde der Antrag auf Insolvenzgeld abgelehnt. Anfang Dezember 2003 sei noch während des andauernden Insolvenzplanverfahrens erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der BM beantragt worden. Ein erneutes Insolvenzereignis, das Ansprüche auf Insolvenzgeld nach § 183 SGB III auslösen würde, läge jedoch nur dann vor, wenn nach der ersten Insolvenz im Juni 2001 die Zahlungsfähigkeit der BM im rechtlichen Sinne wiederhergestellt gewesen wäre. Die Durchführung des Insolvenzplanverfahrens bei angeordneter Planüberwachung rechtfertige nicht den Schluss, die Zahlungsunfähigkeit der Firma sei beendet. Bei mehreren aufeinander folgenden Insolvenzereignissen bestehe nur Anspruch auf Insolvenzgeld für die Zeit vor dem ersten Insolvenzereignis, nachdem eine Zahlungsfähigkeit der Firma im rechtlichen Sinne (danach) nicht anzunehmen sei.
Dagegen legte der Klägervertreter mit Schreiben vom 10.02.2004 Widerspruch ein und führte aus, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Juli 2001 sei dieses bereits im Oktober 2001 mit Anordnung der Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplanes aufgehoben worden. Die erste Rate nach Insolvenzplan sei erbracht worden. Das restliche Geschäftsjahr 2001 sei ordnungsgemäß abgewickelt und alle Zahlungsverpflichtungen seien erfüllt worden. Auch das komplette Geschäftsjahr 2002 sei mit allen Zahlungen ordnungsgemäß verlaufen. Damit sei die Zahlungsunfähigkeit nach dem Insolvenzereignis im Jahr 2001 nachhaltig beseitigt worden, weswegen es sich bei dem Ereignis im Jahr 2003 um ein neues Insolvenzereignis im Sinne von § 183 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) handele.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Hierbei berief sich die Beklagte auf das von der Klägerin bereits in ihrem Antrag zitierte Urteil des Bundessozialgerichtes vom 21.11.2002 (Az.: B 11 AL 35/02 R). Solange noch ein Insolvenzplan bestehe und überwacht werde, dauere die Zahlungsunfähigkeit eines Betriebes an. Bereits die zweite Rate sei nicht mehr bezahlt worden. Hierdurch sei die noch anzunehmende Zahlungsunfähigkeit erneut offenkundig geworden. Die Arbeitgeberin sei bereits im Jahr 2002 nicht fähig gewesen, ohne Einschränkungen ihre laufenden Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. So seien von Teilen der Belegschaft Entgeltbestandteile der Firma gestundet worden, um die Weiterführung überhaupt zu ermöglichen. Die gestundeten Ansprüche sollten zum 31.08.2003 nachgezahlt werden, wozu die Firma jedoch nicht in der Lage gewesen sei. Nach § 268 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung oder unter den Voraussetzungen des § 268 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung könne nach einem gesetzlich bestimmten Zeitabstand von wenigstens drei Jahren bei einem späteren Insolvenzereignis davon ausgegangen werden, dass die Zahlungsfähigkeit des Schuldners zwischenzeitlich wiederhergestellt worden sei.
Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben des Klägervertreters vom 07.05.2004, das am 11.05.2004 bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG) einging, Klage. Das erste Konkursverfahren sei im Oktober 2001 nach Leistung der ersten Rate endgültig eingestellt worden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich soweit gebessert, dass eine unproblematische Teilnahme am Wirtschaftsleben gewährleistet gewesen sei. Die Firma habe ihre laufenden Verpflichtungen erfüllt. Das Eigenkapital sei erhöht worden. Das Wirtschaftsjahr 2002 sei erfolgreich abgeschlossen worden. Es sei Fremdkapital durch Ausgabe von Genussanteilen in Höhe von 691.000,00 EUR aufgenommen worden. Es hätten somit genügend liquide Mittel zur Verfügung gestanden, um die laufenden Verbindlichkeiten zu bedienen. Die Zahlungsfähigkeit sei spätestens im Jahr 2002 vollständig wiederhergestellt worden. Dass von der Beklagten herangezogene Urteil des BSG sei deswegen mit der vorliegend zu beurteilenden Situation nicht vergleichbar. Die BM habe bis zum Eintritt der erneuten Insolvenz ca. 30 Monate lang am Wirtschaftsleben teilgenommen. Die Anforderungen an die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit dürften nicht überspannt werden (unter Hinweis auf Peters-Lange in Gagel, SGB III, § 183 Rdnr. 52). Die Arbeitnehmer hätten Vertrauen in den Fortbestand des Unternehmens und seine Zahlungsfähigkeit gehabt. Dieses Vertrauen sei schutzwürdig. Ein Missbrauch der Versicherung liege nicht vor. Die Verweigerung von Insolvenzgeld stelle eine völlig unangemessene und unverhältnismäßige Benachteiligung und einen Missbrauch des Vertrauens der Versicherten dar.
Das SG hat die beim Amtsgericht T. geführten Insolvenzakten der BM beigezogen. Anschließend hat das SG hat den Wirtschaftsprüfer/Steuerberater L. und den früheren Mehrheitseigner W. am 14.07.2005 als Zeugen vernommen. Der Zeuge L. verwies in seiner Aussage auf die von ihm angefertigten Prüfberichte über die wirtschaftliche Situation der BM. Der frühere Mehrheitseigner W. gab an, das wirtschaftliche Umfeld habe sich 2002 nicht so entwickelt wie vorgesehen. Die Umsatzentwicklung habe nicht den Planungen entsprochen. Jedoch sei bis Sommer 2003 ein normaler Geschäftsbetrieb durchgeführt worden. Im Sommer 2003 habe eine weitere Finanzierung über die Ausgabe von Genussscheinen erreicht werden sollen. Dies sei nicht erfolgreich gewesen. Der von ihm geleistete Kapitalzufluss im März 2002 sei durch Umwandlung eines Darlehens getätigt worden. Es sei allen Mitarbeitern klar gewesen, dass die Firma nicht im Geld schwimme. Es seien Gehaltserhöhungen zugesagt worden, diese seien zum Teil von den Mitarbeitern gestundet worden. Der Weg über das Insolvenzplanverfahren sei gewählt worden, da dieses eher geeignet sei, Vertrauen aufzubauen. Im Frühjahr 2003 hätte einigen Mitarbeitern gekündigt werden müssen.
Die Klägerin teilte daraufhin mit, die Zeugenvernehmung habe ihrer Auffassung nach ihren Klageanspruch bestätigt. Wäre das Unternehmen in eine neue Gesellschaft umgegründet worden, wäre Insolvenzgeld zu bezahlen. Die Arbeitnehmer seien von keinem der Beteiligten je auf die Konsequenz der Fortführung des Unternehmens hingewiesen worden. Zudem habe die Volksbank M. eG den Kontokorrentrahmen erhöht und die L-Bank hierfür in Höhe von 500.000,00 EUR gebürgt. Es sei neue Technologie entwickelt und eingeführt und eine langfristige Partnerschaft mit dem Unternehmen A. vereinbart worden. 14 neue Mitarbeiter seien eingestellt worden. Die Klägerin sei erst nach dem ersten Insolvenzereignis eingestellt worden und genieße daher Vertrauensschutz.
Der Klägervertreter legte außerdem einen Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses der BM vom 31.12.2002 der Treuhand GmbH H., eine Bilanz zum 31.12.2002, eine Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2002 und ein Gutachten zum Insolvenzantrag des Rechtsanwalts Walter vom 15.03.2004 vor.
Mit Urteil vom 01.12.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Insolvenzereignis aus dem Jahr 2001 habe zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung und Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Dezember 2003 noch eine Sperrwirkung entfaltet, da zwischenzeitlich keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten, sondern im Jahr 2003 die fortbestehende Zahlungsunfähigkeit erneut offenbar geworden sei. Zwar seien laufende Zahlungsverpflichtungen, insbesondere die Verpflichtung zur Lohnzahlung, erfüllt worden. Dies sei jedoch für die Aufrechterhaltung des Betriebes unabdingbar gewesen. Die offenen Raten aus dem Insolvenzplanverfahren seien im Hintergrund gestanden. Im Jahr 2002 habe ein erweiterter Kreditrahmen geschaffen werden müssen. Das BSG habe darauf hingewiesen, dass ein neues Insolvenzereignis nicht eintrete, selbst wenn von einem Konkursverwalter ein Betrieb unter Umständen über mehrere Jahre hinweg fortgeführt werde. Eine wirtschaftliche Gesundung des Betriebes sei nicht eingetreten. Lediglich im Jahr 2001 sei ein Überschuss von 460.411,00 EUR erzielt worden. Jedoch sei zu diesem Zeitpunkt die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit noch fern gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei auch die erste Rate aus dem Insolvenzplan nicht gezahlt worden. Auch die Zahlung dieser Rate im Januar 2002 rechtfertige nicht den Schluss, dass Zahlungsfähigkeit eingetreten sei, da diese in Höhe von 28.000,00 EUR gegenüber einer monatlichen Lohnsumme von ca. 150.000,00 EUR nur gering ausfalle. Bereits im Jahr 2002 sei ein Verlust von knapp 1,5 Millionen Euro gemacht worden. Im zweiten Jahr nach der Insolvenz sei ein neuer Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt worden. Bereits im Jahr 2002 habe ausweislich der Punkte 12 und 13 des Berichtes der H. Treuhand eine Überschuldung im Raum gestanden. Die Fortführung des Unternehmens sei von der Zuführung von Eigenkapital abhängig gemacht worden (Punkt 101). W. gebe im Lagebericht über das Geschäftsjahr 2002 unumwunden zu, dass die Liquiditätsbasis der Firma im Geschäftsverlauf 2002 leider in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Zahlreiche geplante Aufträge seien verschoben worden. Die Bewertung des Anlagevermögens mit 2,2 Millionen Euro und des Neuwerts zu einem Wert 1,1 Millionen Euro sei zu optimistisch gewesen, da bei dem Verkauf des Anlagevermögens nur 300.000,00 EUR erzielt worden seien. Bereits im Jahr 2002 seien einige Zahlen "schön" gerechnet worden. Es sei kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass vor Planerfüllung die Sperrwirkung des früheren Insolvenzereignisses entfallen sei. Die Klägerin trage nicht vor, dass sie von der Insolvenzeröffnung im Juli 2001 und von der Durchführung des Insolvenzplanes ab Oktober keine Kenntnis gehabt habe. Die Klägerin sei auch im kaufmännischen Bereich tätig geworden. Sie sei für die Auskunftserteilung gegenüber den Wirtschaftsprüfern zuständig gewesen. In dieser Position habe ihr die Vorgeschichte nicht unbekannt sein können.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 16.01.2006 zugestellte Urteil hat dieser mit Schreiben vom 14.02.2006, das am 14.02.2006 oder am 15.02.2006 beim SG einging, Berufung eingelegt. Der Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft H. Treuhand GmbH ergebe keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes zum 31.12.2002. Es seien zahlreiche Projekte in Aussicht gewesen. Der Umsatz habe im Jahr 2002 immerhin 2,488 Millionen Euro betragen. Die Firma A. habe sich nicht an die Kooperationsvereinbarung gehalten und keine neuen Aufträge mehr erteilt. Auch andere Projekte hätten nicht realisiert werden können. Spätestens im Laufe des Jahres 2002 sei die Zahlungsfähigkeit wiederhergestellt gewesen. Der Betrieb sei über zwei Jahre fortgeführt worden. Die Planüberwachung durch den Insolvenzverwalter habe nicht wie "ein Damoklesschwert" über dem Unternehmen geschwebt. Die Klägerin stützt sich bei ihrem Vortrag auf das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 25.04.2002 - L 1 AL 171/01 -. Die Berufung der Beklagten auf § 268 Insolvenzordnung gehe fehl. Hieraus könne kein Schluss auf Zahlungsunfähigkeit gezogen werden. Ein Arbeitnehmer, der mehr als 2 Jahre seinen Lohn für erbrachte Leistungen erhalte, müsse davon ausgehen können, dass sein Arbeitgeber weiterhin zahlungsfähig bleibe und seine Ansprüche erfüllt würden. Bei einer Umgründung wären neue Ansprüche entstanden. Neue Mittel seien durch die Ausgabe von Genussscheinen zugeführt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 01.12.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2004 aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie beruft sich auf die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 21.11.2002 (B 11 AL 35/02 R). Solange der Insolvenzplan bestehe und überwacht werde, könne in aller Regel nicht von wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit ausgegangen werden. Lediglich eine von drei Raten in Höhe von 26.583,02 EUR sei beglichen worden. Die monatliche Lohnsumme habe dagegen 150.000,00 EUR betragen. Insofern könne eine Zahlungsfähigkeit nicht belegt werden, insbesondere auch nicht im Verhältnis zum Jahresverlust 2002 in Höhe von 1.461.004,00 EUR. Dem Bericht der H. Treuhand sei zu entnehmen, dass bereits im Jahr 2002 die Überschuldung im Raum gestanden und die Fortführung des Betriebes sowie die Realisierung des Insolvenzplans von weiterer Zuführung von Eigenkapital abhängig sei (vgl. hierzu Blatt 87, 62 und 66 des Berichtes der H. Treuhand). Ein Kapitalfluss in relevantem Umfang habe nie stattgefunden. Auch seien bereits im Jahr 2002 Entgeltbestandteile der Arbeitnehmer gestundet worden. Es sei daher nicht zutreffend, dass die Liquiditätsproblematik erst im Jahr 2003 aufgetreten sei. Es habe sich nur die weiterhin bestehende Zahlungsunfähigkeit offenbart. Eine unterlassene Beratungspflicht der Beklagten und ein daraus resultierender sozialrechtliche Herstellungsanspruch seien nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig sei ein Vertrauensschutzbestand geschaffen worden. Nach der Rechtsprechung des BSG werde selbst bei Beteiligung des Insolvenzgerichts im Insolvenzplanverfahren kein Vertrauensschutztatbestand geschaffen. Zudem müsse insbesondere die Klägerin, die für die Auskunftserteilung gegenüber dem Wirtschaftsprüfern zuständig gewesen sei, die wirtschaftliche Situation gekannt haben. Eine wirtschaftliche Gesundung sei zu keinem Zeitpunkt eingetreten, die Sperrwirkung des Insolvenzereignisses aus dem Jahr 2001 sei somit weiterhin gegeben.
Im Berufungsverfahren hat der Klägerbevollmächtigte eine Kopie des Insolvenzplanes vom 30.07.2001 vorgelegt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des SG und des Landessozialgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den § 143 f. Sozialgerichtsgesetz zulässige Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat zutreffend die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2001 als maßgebliches Insolvenzereignis mit Sperrwirkung für spätere Ereignisse angesehen. Diesbezüglich wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen und insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens ist § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung, wonach Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld haben, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei (Nr. 1) Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, (Nr. 2) Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder (Nr. 3) vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Massen nicht in Betracht kommt (Insolvenzereignis), für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses nach Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Von den grundsätzlich gleichrangigen drei Insolvenzereignissen dieser Vorschrift löst grundsätzlich nur das zeitlich erste den Insolvenzgeldanspruch aus (BSG SozR 4100 § 141 b Nr. 1 und BSG SozR 3-4100 § 141 b Nr. 3). Den drei Tatbestandsalternativen des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist gemeinsam, dass ein Vermögensverfall auf der Arbeitgeberseite verlangt wird (vgl. BSG in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 22. September 1993 - 10 RAr 9/91 - SozR 3-4100 § 141b Nr. 7 zu der Vorgängervorschrift des § 141b Arbeitsförderungsgesetz (AFG)).
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Insolvenzgeld und auch zu dem zuvor nach ähnlichen Voraussetzungen gewährtem Konkursausfallgeld, dass ein neues Insolvenzereignis im Sinne der Anspruchsnormen nicht eintritt und folglich auch keine Ansprüche auf Insolvenzgeld bzw. Konkursausfallgeld ausgelöst werden können, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert (BSG SozR 4100 § 141 b Nrn. 6, 37, 43 und 46, SozR 3-4100 § 141 e Nr. 3). Zahlungsunfähigkeit liegt solange vor, wie der Gemeinschuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist und andauernd aufhört, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelne Zahlungsverpflichtungen wieder erfüllt. Neue Ansprüche auf Konkursausfallgeld oder Insolvenzgeld, etwa wegen Betriebseinstellung, entstehen nach der Eröffnung eines Konkurs- oder Insolvenzverfahrens nicht mehr, unabhängig davon, ob und wie lange der Konkursverwalter das Unternehmen bis zur Betriebseinstellung fortführt, sowie, ob er Arbeitsverhältnisse begründet und diese unter Umständen über mehrere Jahre bestehen (so das BSG in seinem bereits von den Beteiligten zitierten Urteil vom 21.11.2002 - B 11 AL 35/02 R -, BSGE 90, 157, m.w.N.).
In dem voranstehend zitierten Urteil hat das Bundessozialgericht auch ausdrücklich entschieden, dass allein wegen der Aufhebung eines eröffneten Insolvenzverfahrens und der Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens nicht von einer Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners auszugehen ist. Die materiell-rechtlichen Wirkungen des Insolvenzplanes betreffen nämlich nur die am Insolvenzplanverfahren Beteiligten, das heißt den Schuldner, die Insolvenzgläubiger und die Absonderungsberechtigten. Zudem sind die Wirkungen des Plans nicht endgültig, sondern halten nicht mehr an, wenn der Schuldner gegenüber einem Gläubiger mit der Erfüllung des Plans erheblich in Rückstand gerät, § 255 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung (BSG a.a.O.). Vielmehr sind die Einzelumstände der wirtschaftlichen Entwicklung des Arbeitgebers umfassend zu würdigen.
Danach zeigt sich vorliegend aufgrund der vom SG umfassend durchgeführten Ermittlungen, dass bereits seit dem Jahr 2000 mit einem negativen Betriebsergebnis von 712.929 EUR (vgl. S. 8 des Insolvenzplanes vom 30.07.2001, Bl. 49 der LSG-Akte) keine wirtschaftliche Gesundung der BM mehr erfolgt ist. Bereits in dem Insolvenzplan wird der Umsatzrückgang im Jahr 2000 als "dramatisch" bezeichnet. Die anderen vorliegenden Dokumente und Aussagen bestätigen dieses Bild. Hierbei ist unerheblich, dass durchaus eine gewisse berechtigte Hoffnung auf eine wirtschaftliche Gesundung des Unternehmens bestanden haben mag, da das Unternehmen die Aussicht - im Sinne einer Chance - auf große Aufträge hatte. Maßgeblich ist hierbei, dass diese erhofften Großaufträge nicht eingetroffen sind, und dass seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.07.2001 durch das Amtsgericht T. (Az.: II 4 IN 75/01) die erheblichen Gläubigerforderungen aus der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt beglichen worden sind. Dies gilt insbesondere für die Raten des Insolvenzplanes, von dem unstreitig nur die erste von drei Raten bezahlt worden ist, was das Scheitern des Insolvenzplanes bereits im Jahr 2002 illustriert, als die zweite Rate fällig war (vgl. S. 43 des Insolvenzplanes).
Insoweit ergibt sich auch nichts anderes aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25.04.2002 - L 1 AL 171/01 -, weil auch nach dieser Entscheidung für eine wenigstens vorübergehende Beseitigung einer Insolvenz zu fordern ist, dass beim Vorliegen eines Insolvenzplans zumindest über einen gewissen Zeitraum die Vorgaben des Planes eingehalten werden. Ein solcher Zeitraum ist vorliegend nicht feststellbar, da nur eine einzige der Raten des Insolvenzplanes gezahlt worden ist.
Dies wird weiter durch den Prüfbericht der H. Treuhand GmbH für das Jahr 2002 bestätigt, wonach das Fehlen von Eigenkapital in Höhe von 195.000 EUR - bei negativer Geschäftsentwicklung - als erhebliches Risiko dargestellt wird (Randziffern 11 f. und 101 des Prüfberichtes). Der von den Wirtschaftsprüfern geforderte Zufluss von Eigenkapital ist dann jedoch gerade nicht erfolgt (vgl. die Aussage des Zeugen W. vor dem SG am 14.07.2005). Von der Volksbank wurde lediglich ein höherer Kontokorrentkredit eingeräumt, der über eine Bürgschaft der Landesbank abgesichert wurde. Etwas Kapital floss erst 2003 durch den Verkauf des Anlagevermögens zu. Der Plan, mit Genussscheinen eine höhere Liquidität zu erreichen, ging offensichtlich nicht auf (vgl. die Zeugenaussage des W.).
Auch wenn nach der Aussage des Zeugen W. bis Sommer 2003 ein "normaler Geschäftsbetrieb" vorgelegen haben mag, sagt dies nur wenig über die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens seit dem Jahr 2001 aus. Auch der Zeuge W. gab schließlich an, dass die BM seit dem Jahr 2001 für ihren Fortbestand nicht nur auf Umsätze, sondern auch auf Darlehen angewiesen gewesen sei. Im Übrigen war der Zeitraum, in dem eine begründete Hoffnung auf die Genesung des Unternehmens bestand, nach der Aussage des Zeugen W. äußerst knapp (von Sommer bis Herbst 2002).
Das BSG (a.a.O.) hat auch entschieden, dass die Beteiligung des Insolvenzgerichts am Insolvenzplanverfahren nicht zu der Annahme führt, es werde für die betroffenen Arbeitnehmer ein Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers geschaffen, weil dem Verfahren bis zur Bestätigung des Insolvenzplans eine eingehende Prüfung der Erfolgsaussichten durch das Gericht nicht vorausgeht.
Ein Vertrauenstatbestand kann auch nicht dadurch erkannt werden, dass die Klägerin bei der BM erst nach dem maßgeblichen Insolvenzereignis eingestellt worden ist. Zum einen ist davon auszugehen, dass der Klägerin aufgrund ihrer Stellung bei der BM die problematische wirtschaftliche Lage ihres Arbeitgebers bekannt war. Schließlich war sie in ihrer Funktion für die Auskunftserteilung gegenüber den Wirtschaftsprüfern zuständig (vgl. Randziffer 40 des Prüfberichtes der H. Treuhand GmbH für das Jahr 2002).
Die in der Insolvenzordnung angelegte Konkurrenz von regulärem Insolvenzverfahren und Insolvenzplanverfahren schließt es zudem nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch aus, allein das Insolvenzplanverfahren dadurch zu begünstigen, dass den Gläubigern durch die wiederholte Zuerkennung von Insolvenzgeld-Ansprüchen ein Sondervorteil verschafft wird. Hiervon wird auch der Fall der Klägerin erfasst, die als Gläubigerin zudem auch noch zu einem viel späteren Zeitpunkt in die wirtschaftlichen Turbulenzen der BM hineingezogen worden ist und insoweit jedenfalls aufgrund ihres größeren Wissens um die Probleme der BM keinen größeren Vertrauensschutz geltend machen kann als die Gläubiger mit älteren Ansprüchen.
Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die vorliegende Auslegung des Rangverhältnisses der Insolvenztatbestände in § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III mit höherrangigem Recht unvereinbar sein könnte (BSG a.a.O.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Tatsache, dass das vorliegende Verfahren als Musterklage für 22 weitere Verfahren ausgewählt worden ist, stellt keinen Revisionsgrund im Sinne des SGG dar.
Rechtskraft
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