L 6 V 1195/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 V 5871/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 1195/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die in P. lebende Klägerin begehrt Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die 1927 geborene Klägerin ist p. Staatsangehörige. Mit Schreiben vom 27.11.2002 (Eingang beim Beklagten am 09.12.2002) beantragte sie die Gewährung von Versorgung aufgrund ihrer Zwangsarbeit in Deutschland. Sie gab dabei an, von Anfang 1943 bis Kriegsende in der Landwirtschaft des J. B., B. 1, Gemeinde A. im Kreis S. gearbeitet zu haben. Im Winter 1943 und 1944 sei sie mit Holzhacken und Zaunaufstellen beschäftigt worden. Da sie keine warmen Schuhe gehabt habe, habe sie sich Erfrierungen an den Beinen zugezogen. Im Mai 1944 habe sie beim Torfstechen gearbeitet. Als ein Wagen in die Torfgrube gerutscht sei, habe sie andere Verletzungen erlitten. Die Folgen dieses Unfalls spüre sie bis heute. Nach dem Unfall sei sie vom 04.06. bis 25.07.1944 im Städtischen Krankenhaus in S. behandelt worden. Ihrem Antrag fügte sie u. a. die Bescheinigung des J. B. vom 19.09.1974, wonach die Klägerin von Beginn des Jahres 1943 bis zum Kriegsende in seiner Landwirtschaft tätig gewesen sei, sowie die Auskunft des Internationalen Suchdienstes, B. A., vom 18.08.1998 (u. a. vom 04.06. bis 25.07.1944 im Städtischen Krankenhaus S. behandelt) bei.

Mit Bescheid vom 31.03.2003 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Beschädigtenrente im Rahmen der Teilversorgung nach den §§ 31, 64 e BVG ab. Die Voraussetzungen für eine Versorgung nach dem BVG lägen nicht vor. Für Gesundheitsstörungen, die durch Zwangsarbeit entstanden seien, sehe das BVG keine Leistung vor.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, dass die deutsche Wehrmacht sie im März und April 1945 zum Schützengräben-Graben beschäftigt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2003 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, da Gesundheitsstörungen im Zusammenhang mit dem Ausheben von Schützengräben von der Klägerin nicht geltend gemacht würden. Insoweit komme eine Versorgung nach dem BVG ebenfalls nicht in Betracht.

Dagegen erhob die Klägerin am 03.11.2003 Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) und machte geltend, während des Einsatzes bei der deutschen Wehrmacht habe sie mehrere Verletzungen erlitten, die zu weiteren Gesundheitsstörungen in ihrem Leben geführt hätten. Auf Nachfrage durch das SG gab die Klägerin weiter an (vgl. Schriftsatz vom 26.04.2004), dass sie beim Ausheben von Schützengräben für die deutsche Wehrmacht im März und April 1944 wegen Mangels an warmer Kleidung und warmem Schuhwerk erkältet gewesen sei und erfrorene Beine und Kopfschmerzen gehabt habe. Nach Kriegsende habe sie in einem Lager für P. ärztliche Hilfe (Tabletten, Sirup und Salbe für die erfrorenen Beine) bekommen. Zeugen, die bestätigen könnten, dass sie zum Ausheben von Schützengräben durch die deutsche Wehrmacht herangezogen worden sei, lebten nicht mehr. Das SG holte von der Gemeine A. (zu der die Gemeinde B. zwischenzeitlich gehört) die Auskunft vom 26.04.2004 ein, wonach in den noch vorhandenen An- und Abmeldebüchern des Ortsteiles B. kein die Klägerin betreffender Eintrag zu finden sei.

Mit Urteil vom 22.11.2004 wies das SG die Klage ab. Die während des Krieges ausgeübte Tätigkeit der Klägerin in der Landwirtschaft sei nicht in den Schutz des BVG einbezogen. Soweit die Klägerin mit ihrem nachgereichten Schriftsatz vom 26.04.2004 erklärt habe, sie habe sich im Frühjahr des Jahres 1944 beim Ausheben von Schützengräben für die deutsche Wehrmacht erkältet und sich Erfrierungen im Bereich der Beine zugezogen, könne diese Darstellung nicht überzeugen. Vor dem Hintergrund der gerichtsbekannten militärhistorischen Erkenntnisse habe nämlich seinerzeit in dem genannten niederelbischen Gebiet keinerlei Veranlassung zu militärischen Schanzarbeiten, insbesondere etwa auf Geheiß der deutschen Wehrmacht, bestanden. Vielmehr spreche alles dafür, dass die frühere Darstellung der Klägerin, sie sei auch zum Torfstechen eingesetzt gewesen, sachlich zutreffe.

Gegen das ihr am 15.02.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.02.2005 (Eingang beim SG) Berufung eingelegt. Sie habe sich im Juni/Juli 1944 nicht zur Stationären Behandlung im Städtischen Krankenhaus S. aufgehalten. Nach dem Unfall beim Torfstechen sei sie erkrankt und diese Erkrankung habe eine ärztliche Behandlung erfordert, die sie nicht bekommen habe. Sie bestätige ihre Angaben, wonach sie durch die Wehrmacht zum Erdeausheben herangezogen worden sei. Sie sei mit der Meinung des Gerichtes nicht einverstanden, wonach die in der Landwirtschaft verrichtete Arbeit einen zivilen Charakter gehabt habe und es ohne Bedeutung sei, ob diese freiwillig oder unter Zwang geleistet worden sei. Sie könne ihre Arbeit in der Landwirtschaft nicht als eine zivile Arbeit sehen, da sie jeglicher Zivilrechte entbehrt habe. Mit weiterem Schreiben vom 16.05.2005 erklärte die Klägerin, sie bleibe bei ihren Angaben, die sie im Antragsschreiben gemacht habe und die der einzigen Wahrheit entsprächen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.11.2004 und den Bescheid des Beklagten vom 31.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2003 aufzuheben und ihr Versorgungsleistungen nach dem BVG in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von (Teil-)Versorgung nach dem BVG.

Ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung nach dem BVG ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil sie p. Staatsangehörige ist und in P. lebt. Zwar findet nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BVG dieses Gesetz in erster Linie Anwendung auf Deutsche und deutsche Volkszugehörige, zu denen die Klägerin nicht zählt. Unter bestimmten Voraussetzungen wird nach Abs. 1 Nr. 3 das BVG jedoch auf andere Kriegsopfer angewandt.

Zwar muss der Beschädigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt grundsätzlich im Geltungsbereich des BVG haben. Jedoch sieht § 8 Satz 1 BVG i.V.m. Nr. 3 Buchstabe b der "Regelungen für die Versorgung von Kriegsopfern in Ost- und Südosteuropa" (Richtlinien Ost 1990) des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 7. Dezember 1990 (veröffentlicht in dem vom Sozialverband VdK Deutschland e. V. herausgegebenen "Handbuch des sozialen Entschädigungsrechts" 2003/2004, Seite 267, 268) eine Ausnahme für solche Kriegsopfer vor, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem der in § 1 der Auslandsversorgungsverordnung vom 30.06.1990 (Bundesgesetzblatt I, Seite 1321) genannten Länder - darunter P. - haben. Angehörige dieses Personenkreises erhalten eine im Umfang nach den §§ 64 ff. BVG geminderte Versorgung, wenn sie die in § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG genannten sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Danach kann Versorgung gewährt werden, wenn die Schädigung entweder mit einem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder einem militärähnlichen Dienst für eine deutsche Organisation in ursächlichem Zusammenhang steht oder in Deutschland oder in einem zur Zeit der Schädigung von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet durch unmittelbare Kriegseinwirkung eingetreten ist.

Die Gewährung von Versorgung nach dem BVG käme für die Klägerin demnach dann in Betracht, wenn sie tatsächlich auf Anordnung der deutschen Wehrmacht Schützengräben ausgehoben hätte und sich dabei eine Gesundheitsschädigung zugezogen hätte. Hiervon vermag sich der Senat jedoch aufgrund der eigenen Angaben der Klägerin nicht zu überzeugen.

Die Klägerin hat in ihrem Antragsschreiben angegeben, sie habe im Rahmen der von ihr verrichteten Zwangsarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb des Herrn Benecke im Winter 1943 und 1944 Erfrierungen an den Beinen erlitten. Außerdem sei sie bei einem Unfall während des Torfstechens im Mai 1944 verletzt worden. Angaben darüber, dass sie im Rahmen eines militärischen oder militärähnlichen Dienstes bzw. des später geltend gemachten Einsatzes für die Wehrmacht verletzt worden sei, wurden dabei nicht gemacht. Erst nachdem der Beklagte die Gewährung von Versorgung mit der Begründung abgelehnt hatte, die Zwangsarbeit stelle keinen versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand dar, hat die Klägerin geltend gemacht, im März und April 1945 für die Wehrmacht Schützengräben ausgehoben zu haben. Angaben über dabei erlittene Gesundheitsschäden hat sie allerdings nicht gemacht. Diese wurden erst gegenüber dem SG geltend gemacht, nachdem im Widerspruchsbescheid darauf hingewiesen worden war, dass wegen fehlender Gesundheitsschäden in Verbindung mit dem Ausheben von Schützengräben keine Versorgung in Betracht komme. Die spätere Behauptung der Klägerin, sie habe sich die Erfrierungen beim Ausheben der Schützengräben 1944 zugezogen, sind für den Senat angesichts der zuvor erfolgten abweichenden Angaben nicht glaubhaft, zumal die Klägerin im Laufe des Verfahrens auch verschiedene Jahre für die angeblich erlittenen Verletzungen angegeben hat. Darüber hinaus wird nach Auffassung des Senats aus dem Berufungsschreiben der Klägerin deutlich, dass sie Versorgung für die während ihrer Zwangsarbeit erlittenen Gesundheitsschäden wünscht. In diesem Schreiben legt sie ausführlich dar, dass sie mit der Wertung des SG, bei der Tätigkeit im landwirtschaftlichen Betrieb habe es sich um eine Tätigkeit mit zivilem Charakter gehandelt, nicht einverstanden sei. Nähere Angaben zu Gesundheitsbeeinträchtigungen und anhaltenden Gesundheitsstörungen als Folge der behaupteten Tätigkeit bei der Wehrmacht macht die Klägerin in diesem Schreiben nicht (mehr). Auch ihr Schreiben vom 16.05.2005, mit dem sie geltend macht, dass die im Antragsschreiben gemachten Angaben der einzigen Wahrheit entsprächen, zeigt nach Auffassung des Senats deutlich, dass es nicht um die Entschädigung von Gesundheitsstörungen geht, die sie sich beim Ausheben von Schützengräben zugezogen hat, sondern dass die Klägerin Entschädigung für Verletzungen will, die sie sich im Rahmen ihrer Zwangsarbeit zugezogen hat. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand, sodass sowohl der Beklagte als auch das SG die Gewährung von Versorgung zu Recht abgelehnt haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved