L 6 RJ 100/03

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 9 RJ 921/00
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 6 RJ 100/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Mai 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Altersrente unter Berücksichtigung von Zeiten im Ghetto.

Er ist am XX.XXXXXXXXX 1927 in L. (Polen) geboren und jüdischen Glaubens, lebt heute in England und ist britischer Staatsangehöriger.

Am 2. April 1998 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Altersrente verbunden mit einem Nachentrichtungsantrag. Zu seinem Arbeitsleben teilte er mit, dass er von 1940 bis 1942 im Ghetto Lask, von 1942 bis August 1944 im Ghetto Lodz (Strohresort) als Arbeiter in Vollzeitbeschäftigung gegen Ghettogeld tätig gewesen sei. Ab August 1944 sei er im Konzentrationslager (KZ) gewesen. In einem Fragebogen erklärte er, er könne sich nicht erinnern, Entschädigungsleistungen beantragt zu haben. Weiter reichte er eine Zeugenerklärung der Zeugin S. S. ein. Diese bekundete, dass er von 1941 bis 1942 im Ghetto Lask und von Sommer 1942 bis August 1944 im Ghetto Lodz beschäftigt worden sei. In Lask habe er in derselben Firma wie sie gearbeitet (W. Bekleidung), in Lodz im Strohresort. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Zeugenerklärung vom 6. April 1998 verwiesen.

Unterlagen der Claims Conference ergaben, dass der Kläger im August 1997 eine Entschädigung in Höhe von DM 6.500,- erhalten hatte. Seine Angaben im dortigen Verfahren zu den Aufenthalten in den Ghettos Lask und Lodz entsprachen denen im Rentenverfahren. Des Weiteren hatte er darauf hingewiesen, dass die Häftlingsnummer XXXXX auf seinen Arm tätowiert worden sei. Beigefügt war auch eine Auskunft des Internationalen Suchdienstes vom 18. Februar 1994, nach der der männliche Häftling mit der Häftlingsnummer XXXXX (Personalien nicht aufgeführt) am 17. Oktober 1944 im KZ Auschwitz inhaftiert gewesen sei. Nach den Feststellungen, die hätten getroffen werden können, sei diese Häftlingsnummer am 2. September 1944 ausgegeben worden (Transport vom Ghetto Lodz). In den Unterlagen fand sich schließlich der Hinweis, dass dem Kläger eine Entschädigungsleistung nach dem Bundesentschädigungsgesetz durch das Bayerische Landesentschädigungsamt bewilligt worden war.

Aus der beigezogenen Entschädigungsakte ist zu entnehmen, dass der Kläger im Entschädigungsverfahren behauptet hatte, er sei von Juni 1941 bis November 1944 im KZ Manowitz bei Auschwitz gewesen, anschließend bis April 1945 im KZ Nordhausen und dann im KZ Bergen-Belsen. Für den Zeitraum November 1942 bis November 1944 wurde dies durch eine eidesstattliche Erklärung des G. L1 bestätigt. Dem Kläger wurde vor dem Oberlandesgericht München am 28. November 1956 vergleichsweise eine Haftentschädigung für 55 Monate in Höhe von DM 8.250,- bewilligt. Aus dem Protokoll ergab sich seine Adresse in der London.

Auf Vorhalt der Beklagten äußerte der Kläger, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Entschädigung bekommen habe. Er habe allerdings einen Cousin gleichen Namens, der zwei Jahre älter sei. Weiter gab er u.a. den Ort C. als Aufenthaltsort nach 1945 und seine frühere Londoner Adresse mit East-London an.

Mit Bescheid vom 13. Oktober 1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Regelaltersrente ab. Er sei identisch mit dem Antragsteller aus dem Entschädigungsverfahren, wie sich u.a. an der Übereinstimmung der Londoner Adresse zeige. Die im Rentenverfahren gemachten Angaben könnten angesichts der erheblichen Abweichungen von den Angaben im Entschädigungsverfahren nicht zugrunde gelegt werden, so dass sich keine anrechenbaren Zeiten ergäben.

Gegen diesen am 20. Oktober 1999 zugegangenen Bescheid legte der Kläger am 17. November 1999 Widerspruch ein, den er nicht begründete.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2000 wies die Beklagte den Widerspruch unter Verweis auf den Ausgangsbescheid zurück.

Dagegen erhob der Kläger am 14. August 2000 Klage. Er räumte ein, im Jahre 1956 eine Entschädigungszahlung erhalten zu haben, und machte geltend, dass seine Angaben aus dem Rentenverfahren, die mit denjenigen gegenüber der Claims Conference übereinstimmten und die zutreffende Version seines Verfolgungsschicksals seien, durch die Auskunft des Internationalen Suchdienstes belegt würden, dass der Häftling mit der Häftlingsnummer XXXXX von Lodz aus nach Auschwitz verbracht worden sei. Zur Unterstützung seines Vortrags reichte er eine Zeugenerklärung der Frau T. C1 vom 16. November 2001 ein. Diese gab an, der Kläger sei von 1940 bis etwa Mitte 1942 im Ghetto Lask gewesen und habe dort wie alle anderen Bewohner gearbeitet. Danach seien sie ins Ghetto Lodz gekommen und beide im Strohresort eingesetzt worden.

Das Sozialgericht holte schriftliche Aussagen der Zeuginnen S. S. und T. C1 ein. Mit Schreiben vom 14. April 2002 erklärte die Zeugin S. S., der Kläger habe von 1940 bis Mitte 1942 im Ghetto Lask und von Mitte 1942 bis August 1944 im Ghetto Lodz gelebt. Sie wisse nicht, welcher Arbeit er dort nachgegangen sei, ob er eine Vollbeschäftigung gehabt habe und ob er eine Bezahlung erhalten habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der schriftlichen Aussage verwiesen. Die Zeugin T. C1 hat mit Schreiben vom 11. Juni 2002 ebenfalls bestätigt, dass der Kläger von 1940 bis Mitte 1942 in Lask und von Mitte 1942 bis August 1944 in Lodz gelebt habe. Sie wisse nicht, welcher Arbeit er dort nachgegangen sei und ob er eine Vollbeschäftigung gehabt habe. Als Insasse des Ghettos Lodz müsse er für seine Arbeit mit Ghettogeld bezahlt worden sein. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der schriftlichen Aussage verwiesen.

Mit Urteil vom 8. Mai 2003 wies das Sozialgericht die Klage ab. Versicherungszeiten seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Der behauptete Aufenthalt im Ghetto Lask und Lodz sei nicht überwiegend wahrscheinlich, da die Angaben des Klägers im Entschädigungsverfahren dem widersprächen. Das Gericht sei von der Identität des Klägers mit dem Antragsteller im Entschädigungsverfahren überzeugt. Neben weiteren Anhaltspunkten sei insoweit maßgeblich, dass er den Erhalt einer Entschädigung inzwischen selbst eingeräumt habe und die Adresse London in beiden Verfahren genannt worden sei. Zwar spreche die Auskunft des Internationalen Suchdienstes zunächst für die Richtigkeit der Angaben des Klägers im Rentenverfahren, dieser Auskunft könne aber nicht eindeutig entnommen werden, dass der Häftling mit der Nummer XXXXX an dem fraglichen Tag von Lodz nach Auschwitz transportiert worden sei. Auch habe Herr L1 den Aufenthalt des Klägers in Manowitz bestätigt. Die Aussagen der Zeuginnen S. und C1 seien demgegenüber nicht geeignet, die Widersprüche zu entkräften. Insbesondere habe die Zeugin C1, die selbst im Strohresort tätig gewesen sei, nicht sagen können, wo der Kläger gearbeitet habe. Das wecke gerade Zweifel an der Einlassung des Klägers, er habe im Strohresort gearbeitet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen. Der Kläger hat am 17. Juli 2003 gegen das am 27. Juni 2003 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Er sei im Ghetto als Bauhilfsarbeiter und Zementmischer beschäftigt gewesen. Seine Arbeitszeit habe zehn Stunden täglich betragen. Er habe dafür weder Coupons noch Geld, aber zweimal täglich Essensrationen erhalten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Mai 2003 den Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente unter Anerkennung von Versicherungszeiten in den Jahren 1940 bis August 1944 nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat eine Auskunft des Internationalen Suchdienstes vom 28. Februar 2006 vorgelegt, nach der ein J. K., geboren am XX.XXXXXXXXX 1927, am 30. Juli 1941 beim Arbeitsamt Bielitz, Nebenstelle Auschwitz, registriert worden sei. Am 18. August 1946 habe er in C. gewohnt. Während des Krieges sei er KZ-Häftling gewesen. Ein J. K1, geboren am XX.XXXXXX 1927, sei am 24. September 1942 im Ghetto Lodz gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Auskunft verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die Sachakte der Beklagten und die Entschädigungsakte 54195/Mi/4195 des Bayerischen Landesentschädigungsamtes, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zwar statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch sonst zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

Rechtsgrundlage des Begehrens ist § 35 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Die Voraussetzungen des § 300 Abs. 2 SGB VI, der auf die Reichsversicherungsordnung (RVO) verweist, sind erkennbar nicht gegeben.

§ 35 SGB VI setzt die Vollendung des 65. Lebensjahres und die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voraus. Der Kläger ist 1927 geboren und hat das 65. Lebensjahr bereits 1992 vollendet. Die allgemeine Wartezeit beträgt nach § 50 Abs. 1 SGB VI fünf Jahre. Das Sozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nach der Verordnung des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern – EG-VO 1408/71 –, deutsche und britische Versicherungszeiten zusammengerechnet werden können; nach Art. 48 Abs. 1 der Verordnung bleibt aber eine Versicherungszeit von mindestens zwölf Monaten in der deutschen Rentenversicherung erforderlich. Daran fehlt es. Ebenso wenig kommt dem Kläger die Erleichterung des § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto und zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (ZRBG) zugute, wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch auf Rente auch besteht, wenn die zur Leistungspflicht nach zwischen- oder überstaatlichem Recht erforderliche Mindestanzahl an rentenrechtlichen Zeiten für die Berechnung der Rente nicht vorhanden ist.

Nach § 51 Abs. 1 und 4 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit Beitragszeiten und Ersatzzeiten angerechnet. Ob die Voraussetzungen für Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI ab Vollendung des 14. Lebensjahres des Klägers im Jahr 1941 vorliegen, kann offen bleiben (vgl. zu dem Problem BSG, Urt. v. 8.9.2005, - B 13 RJ 20/05 R -, juris); Ersatzzeiten können nämlich nur "Versicherte" erwerben, was wiederum den Nachweis einer Beitragszeit verlangt (BSG, Urt. v. 7.10.2004, - B 13 RJ 59/03 R -, BSGE 93 S. 214, 216; Schmidt, in: Kreikebohm, 2. Aufl. 2003, § 250 Rn. 6).

Beitragszeiten sind nach § 55 Abs. 1 S. 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Nach Satz 2 der Vorschrift sind Pflichtbeitragszeiten auch solche Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Nach § 247 Abs. 3 SGB VI sind Beitragszeiten auch Zeiten, für die nach den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind.

In den Ghettos Lask und Lodz galt ab dem 1. Januar 1942 die RVO – eingeführt durch die Ostgebiete-VO vom 22. Dezember 1941 (für Lodz vgl. BSG, Urt. v. 18.6.1997, - 5 RJ 66/95 -, BSGE 80 S. 250, 251; für Lask vgl. LSG NRW, Urt. v. 24.8.2005, - L 8 RJ 49/03 -, juris, unter Verweis auf BSG, Urt. v. 14.7.1999, - B 13 RJ 75/98 R -, Volltext in juris). Für die Zeit davor könnte eine Berücksichtigung von Versicherungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) geboten sein.

Nach allen in Betracht kommenden Vorschriften – das gilt auch in Bezug auf das Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) und das ZRBG – ist aber zu fordern, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis glaubhaft gemacht worden wäre (vgl. BSG, Urt. v. 20.7.2005, - B 13 RJ 37/04 R -, juris; Urt. v. 7.10.2004, a.a.O., S. 220, 225 f.; Urt. v. 23.8.2001, - B 13 RJ 59/00 R -, SozR 3-2200 § 1248 RVO Nr. 17 S. 69 ff.; Urt. v. 14.7.1999, a.a.O.). Denn es geht im vorliegenden Verfahren nicht um eine Entschädigung, sondern um eine Versicherungsleistung, die an das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung anknüpft. Das hat der Kläger indes nicht glaubhaft machen können.

Bereits die Behauptung des Klägers in diesem Rentenverfahren, er sei von 1940 bis 1944 in den Ghettos Lask und Lodz gewesen, begegnet erheblichen Zweifeln. Dem steht nämlich entgegen, dass er im Entschädigungsverfahren vor dem Bayerischen Landesentschädigungsamt angegeben hat, er sei von 1941 bis 1944 im KZ Manowitz bei Auschwitz gewesen. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger mit dem J. K., der das damalige Entschädigungsverfahren betrieb, identisch ist. Das hat das Sozialgericht zutreffend herausgearbeitet; insoweit wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf das angefochtene Urteil verwiesen. Der Senat versteht den Kläger im Übrigen so, dass er mit dem Vorbringen, er habe – entgegen dem Bestreiten im Verwaltungsverfahren – doch eine Entschädigungszahlung erhalten, die Personenidentität eingeräumt hat.

Es kann aber dahinstehen, ob sich der Kläger in den Ghettos Lask und Lodz tatsächlich aufgehalten hat und die Angaben über die Unterbringung im KZ Manowitz nicht zutrafen. Dafür spricht insbesondere die Bescheinigung des Internationalen Suchdienstes vom 18. Februar 1994, nach der die Häftlingsnummer XXXXX anlässlich eines Transportes von Lodz nach Auschwitz im September 1994 ausgegeben wurde. Dagegen spricht allerdings die Auskunft des Internationalen Suchdienstes vom 28. Februar 2006, nach der ein J. K., dessen Geburtsdatum XX.XXXXXXXXX 1927 annähernd dem des Klägers entspricht und der wie der Kläger nach dem Krieg in C. wohnte, 1941 beim Arbeitsamt in Auschwitz registriert war.

Jedenfalls ist eine versicherungspflichtige Tätigkeit in den Ghettos Lask oder Lodz nicht glaubhaft gemacht. Es fehlt bereits an einer im Wesentlichen widerspruchsfreien Darlegung der Art der Tätigkeit des Klägers. Er selbst hat nicht angegeben, welcher Tätigkeit er in Lask nachgegangen war. Hinsichtlich seines Aufenthaltes in Lodz hat er behauptet, er sei dort im Strohresort eingesetzt worden. Im Berufungsverfahren hat er demgegenüber erklärt, er sei als Bauhilfsarbeiter und Zementmischer tätig gewesen. Diese Behauptungen passen nach Auffassung des Senats nicht zusammen und begründen – wie auch die sonstigen sehr widersprüchlichen Erklärungen des Klägers – Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben. Auch die Aussagen der von Sozialgericht schriftlich vernommenen Zeuginnen können dies nicht aufklären. Die Zeugin C1, die selber im Strohresort beschäftigt gewesen war, wusste nicht, welche Tätigkeit der Kläger ausgeübt hatte. Sie präzisierte allerdings, dass sie nicht in dem gleichen Bereich wie der Kläger gearbeitet habe. Ebenso konnte die Zeugin S. hierzu keine Angaben machen. Damit hat sie ihre schriftliche Erklärung vom 6. April 1998, nach der der Kläger im Ghetto Lask in einer Bekleidungsfirma und im Ghetto Lodz im Strohresort gearbeitet habe, nicht wiederholt und bestätigt. Die früheren Angaben der Zeuginnen stehen im Übrigen auch nicht in Einklang mit den Angaben des Klägers selbst.

Außerdem erachtet es der Senat als nicht wahrscheinlich, dass der Kläger eine Tätigkeit versicherungspflichtig, d.h. entgeltlich (vgl. BSG, Urt. v. 7.10.2004, a.a.O., S. 220), ausgeübt hat. Dieser hat im Berufungsverfahren selbst vorgetragen, er habe keine Bezahlung, sondern lediglich Essensrationen erhalten. Aus den Zeugenaussagen ergibt sich nichts anderes: Die Zeugin S. wusste nicht, ob er eine Bezahlung erhalten hatte. Die Zeugin C1 wusste dies ebenso wenig; sie vermutete lediglich aufgrund der allgemeinen Umstände, dass der Kläger Ghettogeld erhalten habe. Die Gewährung von – wenn auch guter – Verpflegung ist jedoch lediglich als freie Unterhaltsgewährung, nicht als Entgelt i.S. einer Versicherungspflicht zu werten (so BSG, Urt. v. 7.10.2004, a.a.O., S. 221). Das gilt auch unter den Bedingungen der sog. Ghettoarbeit. Das Bundessozialgericht (Urt. v. 7.10.2004, a.a.O., S. 223) hat insoweit ausgeführt:

"Wollte man ( ) den Entgeltbegriff völlig von der Angemessenheit des für die geleistete Arbeit Erlangten lösen und jegliche Form von freiem Unterhalt, wenn er nur das Überleben sichern half, wegen der besonderen Bedingungen im Ghetto als Entgelt i.S. einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gelten lassen, wäre für eine Differenzierung der Ghetto-Arbeiten nach dem Typus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einerseits und einer nichtversicherten Zwangsarbeit andererseits kaum noch Raum. Als versicherungspflichtige Beschäftigung müsste dann jede Art von Arbeit angesehen werden, die unter den damaligen Verhältnissen aus der Not "freiwillig" aufgenommen wurde, nur um durch zum Teil dürftigste "Gegenleistungen" in Form von geringwertiger Kost, menschenunwürdiger Unterbringung o.ä. das Überleben irgendwie zu sichern. Der Gesetzgeber hat jedoch davon abgesehen, jegliche durch (Zwangs-)Arbeit erlittene Schäden (auch) in der Rentenversicherung zu kompensieren. Es überschreitet den Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung, diejenigen Arbeitstätigkeiten in den Typus der versicherungspflichtigen Beschäftigung einzubeziehen, bei denen ein wesentliches Merkmal – nämlich das des Entgelts, das nicht nur in der Gewährung von (teilweise) freiem Unterhalt besteht – fehlt."

Dem folgt der erkennende Senat.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Rechtskraft
Aus
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