L 6 SB 5018/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 359/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5018/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Wege der Neufeststellung streitig, ob die Klägerin Schwerbehinderte ist.

Bei der 1950 geborenen Klägerin hatte das Versorgungsamt Heidelberg (VA) mit dem bindend gewordenen Teilabhilfebescheid vom 23. August 2000 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt. Grundlage hierfür waren die versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahmen vom 27. April und 21. August 2000, in denen als Behinderungen ein rezidivierendes Wirbelsäulen-Schulter-Arm-Syndrom sowie Coxalgie beidseits (Teil-GdB 20), eine chronische Gastritis (Teil-GdB 20), ein depressives Syndrom mit Kopfschmerz, Schwindel und Tinnitus (Teil-GdB 20) und ein Hypertonus (Teil-GdB 10) aufgeführt wurden. Für die Bewertung maßgebend waren der Befundbericht der Praktischen Ärztin K. vom 2. März 2000, der Befundschein des Frauenarztes Dr. T. vom Februar 2000 sowie der Entlassungsbericht der Reha-Klinik K. vom 20. Juli 2000, in der die Klägerin vom 6. Juni 2000 bis zum 11. Juli 2000 an einer stationären Reha-Maßnahme teilgenommen hatte.

Am 25. Juli 2001 stellte die Klägerin einen Neufeststellungsantrag, zu dem das VA von der Orthopädin Dr. D. Arztbriefe beizog, die in den vä Stellungnahmen vom 5. Oktober 2001 und 16. Oktober 2001 ausgewertet wurden. Während in der Stellungnahme vom 5. Oktober 2001 der GdB mit 50 bewertet wurde, verblieb es in der Stellungnahme vom 16. Oktober 2001 bei der Bewertung mit 40. Das VA lehnte mit Bescheid vom 18. Oktober 2001 den Neufeststellungsantrag der Klägerin ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren wurde auch in der vä Stellungnahme vom 16. Januar 2002 der GdB im Hinblick auf das von der Klägerin noch vorgelegte Attest der Praktischen Ärztin K. vom 14. Dezember 2001 mit 40 bewertet. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2002 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 18. Februar 2002 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Dieses vernahm zunächst auf schriftlichem Wege Dr. D. und die Fachärztin für Allgemeinmedizin K. uneidlich als sachverständige Zeugen. Dr. D. schloss sich in ihrer Stellungnahme vom 29. April 2002 der vä Beurteilung an. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin K. hielt in ihrer Auskunft vom 26. Juli 2002 den Teil-GdB für die Depression für zu niedrig und führte aus, eine Verschlimmerung sei durch den neu aufgetretenen Bandscheibenvorfall und in der Verstärkung der Schmerzsymptomatik und der Depression aufgetreten. Ferner beauftragte das SG Prof. Dr. R., Gutachtensambulanz an der Orthopädischen Universitätsklinik H., mit der Erstattung eines Gutachtens. Der Sachverständige führte unter dem 6. Februar 2003 abschließend aus, es habe sich bei der Untersuchung eine Verringerung der Gesamtbeweglichkeit der Wirbelsäule mit verringerter Inklination/Reklination sowie vermehrtem Muskeltonus der paravertebralen Muskulatur mit lokaler Druckschmerzhaftigkeit gefunden. Eine Befundverschlechterung sei nicht nachweisbar, der Befund habe sich jetzt eher günstiger gezeigt. Es verbleibe auf orthopädischem Fachgebiet bei einem GdB von 20; der Gesamt-GdB betrage weiterhin 40. Sodann befragte das SG den Internisten Dr. W. und den Nervenarzt Dr. P. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. W. teilte unter dem 25. Februar 2003 mit, auf seinem Fachgebiet bestehe keine Behinderung. Dr. P. teilte in seiner Antwort vom 24. April 2003 mit, bisher sei vom Beklagten die Verdachtsdiagnose eines Restless-Legs-Syndroms nicht beachtet worden. Die Behinderungen auf orthopädischem Fachgebiet seien mit einem Teil-GdB von 20 zu veranschlagen. Der Symptomkomplex "Spannungskopfschmerz und somatoforme Schmerzstörung" sei mit einem GdB von 30 anzunehmen. Bezüglich des wahrscheinlichen Restless-Legs-Syndroms müsse von einem Teil-GdB von 20 ausgegangen werden. Der Gesamt-GdB sei daher auf mindestens 50 anzuheben.

Hierzu hieß es in der vä Stellungnahme vom 16. September 2003 u. a., die Einschätzung des Symptomenkomplexes Depressionen, Kopfschmerzsyndrom etc. mit einem GdB von 40 durch Dr. P. sei nicht nachvollziehbar. Es werde ja nicht bezweifelt, dass das Wohlbefinden durch die Kopfschmerzen eingeschränkt werde. Dies sei aber bei weitem noch nicht gleichzusetzen mit einer dauernd vorhandenen wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Deshalb ergebe sich auch aus sonstigen Ausführungen zur Schmerzsymptomatik kein Grund, hierfür einen GdB von 40 anzusetzen. Die Verdachtsdiagnose eines Restless-Legs-Syndroms könne nicht berücksichtigt werden.

Gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. R. und die vä Beurteilungen wies das SG durch Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2003 die Klage ab.

Gegen den ihr am 4. November 2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4. Dezember 2003 Berufung eingelegt und sich zur Begründung insbesondere auf Dr. P. berufen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Oktober 2003 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Versorgungsamts Heidelberg vom 18. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2002 zu verurteilen, bei ihr die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist hierzu auf die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat von Amts wegen von Dr. E., Nervenärztin in H., das Gutachten vom 1. Juli 2004 eingeholt. Darin heißt es, die Klägerin leide an einer chronisch somatoformen Schmerzstörung, einem Restless-Legs-Sydnrom, einem Karpaltunnelsyndrom rechts, an einem chronisch rezidivierenden Halswirbelsäulen(HWS)-Syndrom ohne radikuläre Ausfälle und an einem chronisch rezidivierenden Lendenwirbelsäulen(LWS)-Syndrom ohne radikuläre Ausfälle. Bei der festgestellten somatoformen Schmerzstörung handle es sich um eine eigenständige psychiatrische Erkrankung, die durch das diagnostische Kriterium einer Depression bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Sie bedinge einen GdB von 30, das Restless-Legs-Syndrom einen GdB von 20, die chronisch rezidivierenden Wirbelsäulen(WS)-Syndrome einen GdB von 20, das Karpaltunnelsyndrom rechts keinen GdB.

Hiergegen heißt es in der vom Beklagten vorgelegten vä Stellungnahme vom 9. September 2004, auch wenn Dr. E. einen GdB von 30 für die somatoforme Schmerzstörung mit depressiver Komponente vorschlage, sei eine Erhöhung des Gesamt-GdB nicht gerechtfertigt. Ein Teil-GdB von 20 für das Restless-Legs-Syndrom sei überbewertet. Die hieraus resultierende Funktionsbeeinträchtigung, nämlich Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und Tagesmüdigkeit, überschnitten sich erheblich mit den psychovegetativen Begleiterscheinungen der somatoformen Schmerzstörung mit depressiver Komponente (ebenfalls Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen). Sie seien auch schon zu einem Zeitpunkt dokumentiert worden, als noch keine Restless-Legs-Symptomatik vorhanden gewesen sei. Bei integrativer Betrachtung sei die Funktionsbeeinträchtigung durch das Restless-Legs-Syndrom unter Berücksichtigung der Überschneidung doch eher unerheblich gegenüber den multiplen Beschwerden der Klägerin und sicher nicht zum Erreichen der Schwerbehinderteneigenschaft heranzuziehen. Ein Teil-GdB von 10 für das Restless-Legs-Syndrom sei ausreichend. Somit sei nach wie vor ein Gesamt-GdB von 40 angemessen.

Die Klägerin hat den Arztbrief des Radiologen Dr. W. vom 2. August 2004 über eine Magnetresonanztomographie der HWS sowie den Arztbrief des Urologen Dr. H. vom 28. Februar 2005 vorgelegt, in welchem eine Blasenentleerungsstörung, Blasensenkung, ein chronisches HWS-/LWS-Syndrom, Depressionen und eine Stressinkontinenz diagnostiziert worden sind.

Sodann hat der Senat von Amts wegen das fachorthopädische Gutachten von Dr. T. vom 26. August 2005 eingeholt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass gegenüber dem Gutachten von Prof. Dr. R. sich auf orthopädischem Fachgebiet keine Veränderung im Gesundheitszustand und damit auch nicht in den Behinderungen der Klägerin ergeben habe.

Der Beklagte hat die vä Stellungnahme von Dr. F. vom 25. November 2005 vorgelegt. Ein höherer Teil-GdB als 10 für das Restless-Legs-Syndrom könne nicht begründet werden, zumal im Gutachten des Dr. T. ausgeführt werde, dass auch bei gezieltem Nachfragen keine wesentliche Beschwerden bzgl. dieses Syndroms geäußert worden seien. Die von Dr. H. beschriebene Belastungsinkontinenz sei von ihm zwar als zunehmend beschrieben worden, eine dauerhafte GdB-wirksame Verschlechterung nach Einleitung einer diesbezüglichen Therapie könne aber nicht abgeleitet werden.

Die Beteiligten haben sich mit ihren Schriftsätzen vom 9. Mai 2005 und 12. Mai 2005 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten des Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist unbegründet. Auch der Senat vermochte keine wesentliche, die Erhöhung des GdB rechtfertigende Änderung in den Gesundheitsverhältnissen der Klägerin festzustellen.

Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 - SozR 1300 § 48 Nr. 29 m. w. N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10. September 1997 - 9 RVs 15/96 - SozR 3-3870 § 3 Nr. 7). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, sind insoweit seit 1. Juli 2001 die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63 und 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.

Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2004 (AP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AP, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AP, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AP, 19 Abs. 4, S. 26).

Der Gesamt-GdB für die bei der Klägerin bestehenden und zu berücksichtigenden Behinderungen ist weiterhin mit 40 zu bewerten.

Nach Überzeugung des Senats beträgt auf psychiatrischem Fachgebiet der Teil-GdB 30 für die chronische somatoforme Schmerzstörung (Gutachten von Dr. E. vom 1. Juli 2004), auf orthopädischem Fachgebiet der Teil-GdB 20 für degenerative Veränderungen der HWS und LWS mit gering- bis mittelgradigen funktionellen Auswirkungen ohne Nervenwurzelschädigungssymptomatik, eine Periarthritis der rechten Schulter mit endgradiger Bewegungseinschränkung und polyarthralgische Beschwerden im Bereich der Gelenke der oberen und unteren Gliedmaßen mit geringer Funktionseinschränkung beider Hüftgelenke (Gutachten von Dr. T. vom 26. August 2005), auf internistischem Fachgebiet der Teil-GdB 10 für die chronische Magenschleimhautentzündung und der Teil-GdB 10 für den Bluthochdruck sowie auf urologischem Fachgebiet der Teil-GdB 10 für die Harninkontinenz. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Senat sieht daher insoweit im Hinblick auf die vom Beklagten vorgelegte vä Stellungnahme vom 9. September 2004 von weiteren Darlegungen ab.

Streit besteht zwischen den Beteiligten lediglich darin, ob ein Restless-Legs-Syndrom mit einem Teil-GdB 10 (so in der vä Stellungnahme vom 9. September 2004) oder mit einem Teil-GdB 20 (so im Gutachten von Dr. E. vom 1. Juli 2004) zu bewerten ist. Nach Überzeugung des Senats bedingt das Restless-Legs-Syndrom - so selbiges überhaupt vorliegen sollte - allenfalls einen Teil-GdB von 10. Insoweit stützt sich der Senat auf das Gutachten von Dr. T. vom 26. August 2005. Der Sachverständige hat auf Seite 92 seines Gutachtens ausgeführt, dass die Klägerin im Rahmen der Untersuchung die Beschwerdesymptomatik bezüglich des Restless-Legs-Syndroms nicht erwähnt und auf Nachfrage nicht positiv beantwortet habe. Dr. T. hat hieraus für den Senat überzeugend den zutreffenden Schluss gezogen, dass im Hinblick auf diese Symptomatik zumindest ein wesentlicher Leidensdruck nicht ableitbar sei. Im Übrigen enthält bereits das Gutachten von Prof. Dr. R. vom 6. Februar 2003 keine objektivierbaren Angaben zum Vorliegen eines Restless-Legs-Syndroms. Der Senat folgt daher nicht der Einschätzung von Dr. E. in deren Gutachten vom 1. Juli 2004, zumal diese Sachverständige das Vorhandensein des Restless-Legs-Syndrom nicht objektiviert hat, sondern nach dem Eindruck des Senats auf Seite 23 ihres Gutachtens lediglich den Schilderungen der Klägerin und dem Arztbrief von Dr. P. vom 24. April 2003 entnommen hat. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass Dr. E. auf Seite 13 ihres Gutachtens bei der Darstellung des psychopathologischen Befundes keine Hinweise auf das Vorhandensein eines Restless-Legs-Syndroms während der Untersuchungssituation gemacht hat. Im Übrigen hat auch Dr. P. in seiner Zeugenauskunft vom 24. April 2003 lediglich den Verdacht auf das Vorliegen eines Restless-Legs-Syndroms geäußert.

Doch selbst wenn man hier zugunsten der Klägerin das Vorliegen eines Restless-Legs-Syndroms annehmen und dieses auch noch mit einem Teil-GdB von 20 bewerten würde, führte dies nach Ansicht des Senats - die Bewertung des Gesamt-GdB ist letztlich eine Rechtsfrage - nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB von 40 auf 50. Abgesehen davon, dass nach den oben dargelegten Grundsätzen auch ein Teil-GdB von 20 nicht unbedingt zur Erhöhung des Gesamt-GdB führen muss, käme dies im vorliegenden Fall allenfalls dann in Betracht, wenn dieser Teil-GdB von 20 voll anzurechnen wäre. Dies ist jedoch, wie in der vä Stellungnahme vom 9. September 2004 für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt worden ist, nicht der Fall. Denn die von der Klägerin wegen des Restless-Legs-Syndroms vorgebrachten Funktionsbeeinträchtigungen, nämlich Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und Tagesmüdigkeit, überschneiden sich erheblich mit den psychovegetativen Begleiterscheinungen der somatoformen Schmerzstörung mit depressiver Komponente (ebenfalls Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen).

Demnach ist eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die dem Teil-abhilfebescheid vom 23. August 2000 zu Grunde lagen, nicht gegeben.

Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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