L 23 B 20/06 SO PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 50 SO 5825/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 20/06 SO PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt noch für das inzwischen erledigte Hauptsacheverfahren (Antragsverfahren nach § 86 b Sozialgerichtsgesetz - SGG -) die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

Der Antragsteller steht im Bezug von Sozialhilfeleistungen und Leistungen zur Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 22. Februar 2005 wurden dem Kläger Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von 369,15 Euro monatlich ab 01. Januar 2005 bis einschließlich Juni 2005 gewährt. In der Folgezeit wurde festgestellt, dass die Leistungen zur Grundsicherung nach dem Grundsicherungsgesetz ab April 2004 bis November 2004 nicht als Einkommen auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz - BSHG - angerechnet worden waren und dadurch eine Überzahlung von insgesamt 2.717,33 Euro entstanden war (Bl. 972 VV). In der Folge wurde ein Bewilligungsbescheid vom 18. Juni 2003, der Grundlage für die Leistungsbewilligung gewesen war, mit Bescheid vom 07. September 2005 aufgehoben und der Betrag von 2.717,33 Euro zurückgefordert (Bl. 1027 VV). Mit Schreiben vom 06. Oktober 2005 erinnerte der Betreuer des Antragstellers, Diplompsychologe, Psychotherapeut und Erziehungswissenschaftler M S,den Antragsgegner an die Zahlung von Leistungen von 369,15 Euro auf der Grundlage eines Bescheides vom 22. Februar 2005 und führte an, ein aktueller Bescheid liege nicht vor.

Am 17. November 2005 zeigte die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die Vertretung an und machte auf der Grundlage eines Bescheides vom 22. Mai 2005 (gemeint wohl 22. Februar 2005) laufende Zahlungen geltend. Ab Juli 2005 seien Zahlungen in unterschiedlicher Höhe erfolgt, so am 26. Oktober 2005 lediglich in Höhe von 68,33 Euro. Der Antragsteller verfüge über keine Vermögenswerte, ihm stünden keinerlei Mittel zum Lebensunterhalt zur Verfügung, eine Lastschrift des Stromlieferanten sei bereits von der Bank zurückgewiesen worden.

Der Antragsteller beantragte am 24. November 2005 beim Sozialgericht Berlin den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm am Dezember 2005 sowie künftig monatlich im Voraus 369,15 Euro zu zahlen und machte geltend, er habe nicht nachvollziehbare Zahlungen erhalten. Er hat weiter beantragt, ihm für das einstweilige Rechtsschutzverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin K Gzu gewähren.

Mit Schriftsatz vom 06. Dezember 2005 erklärte der Antragsgegner, er habe den Antragsteller mit Bescheid vom 06. Dezember 2005 klaglos gestellt und rückwirkend ab 01. Juli 2005 Änderungsbescheide erlassen und einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.579,64 Euro an den Antragssteller überwiesen.

Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2005 erklärte die Prozessbevollmächtigte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und hat beantragt, die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 14. Dezember 2005 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, die Beiordnung eines Rechtsanwalts sei nicht erforderlich gewesen, weil es sich um einen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überschaubaren Sachverhalt gehandelt habe. Es sei ohne weiteres davon auszugehen, dass der Betreuer des Antragstellers in der Lage sei, das Anliegen verständlich zu formulieren und vorzutragen. Eine anwaltliche Vertretung erscheine deshalb und im Hinblick auf den ohnehin bestehenden Amtsermittlungsgrundsatz nicht erforderlich.

Gegen den ihm am 02. Januar 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 01. Februar 2006 Beschwerde eingelegt, mit der er geltend macht, die laufende Leistungsgewährung sei wegen der Kürzung der Leistungen für den Betreuer nicht nachvollziehbar gewesen. Angesichts der Vermengung von vermeintlichen Rückforderungsansprüchen mit der Zahlung von laufenden Leistungen könne nicht von einem einfachen und überschaubaren Sachverhalt ausgegangen werden. Durch die Aussetzung und Kürzung der zu gewährenden laufenden Bezüge sei er in eine finanzielle Lage geraten, die ein unmittelbares Handeln erforderlich gemacht habe. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Entscheidung vom 02. Februar 2006).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, auf die Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung - ZPO - erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Danach hat das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend den Antrag abgelehnt. Dabei dürfte jedoch die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten nach § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich gewesen sein. Danach erfolgt die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Ob eine solche Erforderlichkeit vorliegt, ist im Einzelfall nach der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und nach den persönlichen Verhältnissen des Beteiligten zu beurteilen. Hieran sind keine überspannten Anforderungen zu stellen. Objektive Merkmale sind die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Streitsache, deren Umfang und die wirtschaftliche und persönliche Bedeutung der Angelegenheit für den Beteiligten. Maßstab ist auch, ob ein Beteiligter, der nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde. Auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes darf das Recht der Beteiligten auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht verletzt werden. Die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im sozialgerichtlichen Verfahren kann daher nicht unter Hinweis auf den Amtermittlungsgrundsatz nach § 103 SGG verneint werden, weil die Aufklärungs- und Beratungspflicht des Anwalts über die Reichweite der Amtersmittlungspflicht des Richters hinausgeht (BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2001, 1 BvR 391/01, Breith. 2002, 486 bis 488). Im Sozialhilferecht erscheint es angesichts der Bedeutung der Angelegenheiten für die Betroffenen bedenklich, die Erforderlichkeit einer Beiordnung und damit auch einer Beratung durch einen Rechtskundigen zu verneinen. Erst Recht gilt dies im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Sache, wenn - wie hier - eine Aufhebungsentscheidung und damit zusammenhängende Erstattungsforderung Auswirkungen auf den laufenden Bezug von Grundsicherungsleistungen und Leistungen der Sozialhilfe hat. Bei einem solchen Sachverhalt kann nicht von einer einfach überschaubaren Sach- und Rechtslage ausgegangen werden. Auch erscheint es fraglich, den Antragsteller im Rahmen der Beurteilung, ob die Hinzuziehung eines rechtskundigen Bevollmächtigten erforderlich ist, auf die Sachkunde des Betreuers zu verweisen. Die Bestellung zum Betreuer dürfte nicht auch die Vertretung des Antragstellers in Rechtssachen mit umfassen, die - wie hier - Fragen der Einkommens- und Vermögensanrechnung und der Verrechnung und Rückforderung von Leistungen im laufenden Bezug von Sozialhilfeleistungen und Leistungen zur Grundsicherung zum Gegenstand haben. Zudem kann nicht von vornherein ohne nähere Anhaltspunkte bei einem Diplompsychologen, Psychotherapeuten und Erziehungswissenschaftler eine solche Rechtskunde unterstellt werden, die ihn befähigt, den Antragsteller angemessen zu beraten. Letztlich wird das Sozialgericht dies im Rahmen der Entscheidung über den von der Prozessbevollmächtigten gestellten Antrag nach § 193 SGG (erneut) zu beurteilen haben.

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe war dennoch abzulehnen, weil eine hinreichende Aussicht auf Erfolg einer beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht (mehr) bestanden hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über das Hilfegesuch (Kalthoener/Büttner, Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Auflage, RN 423 m.w.N.). Die Erfolgsaussichten waren hier zu verneinen, weil das Verfahren, für das der Antragsteller Prozesskostenhilfe begehrt hat, zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch bereits durch Antragsrücknahme beendet war. Die Erledigung der Hauptsache führt zum Wegfall der Erfolgsaussichten (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 73 a, RN 11a; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10. Februar 2004, 2 O 201/03, veröffentlicht in juris; OVG Berlin, Beschluss vom 05. März 1998, 8 M 9.98, NVwZ 1998, 650-651). Dies folgt daraus, dass Prozesskostenhilfe für eine "beabsichtigte Rechtsverfolgung" nach § 114 ZPO zu gewähren ist und bei Erledigung des Rechtsstreits eine Rechtsverfolgung gerade nicht mehr beabsichtigt ist. Hier kann dahinstehen, ob von diesem Grundsatz dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn eine Säumigkeit des Gerichts bei der Bescheidung des Prozesskostenhilfegesuchs vorliegt und aus Billigkeitsgesichtspunkten vom gesetzlichen Erfordernis der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgesehen werden kann (OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28. Oktober 2003, 3 O 27/03, veröffentlicht in juris, unter Hinweis auf OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19. April 1991, 3 O 23/91). Eine solche Säumigkeit des Sozialgerichts bei der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch ist hier bei Antragstellung im November 2005 und Entscheidung Mitte Dezember 2005 nicht erkennbar. Eine hinreichende Erfolgsaussicht kann auch hier nicht im Hinblick darauf angenommen werden, dass im Ergebnis das Antragsverfahren für den Antragsteller zu einem erfolgreichen Ergebnis geführt hat, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch ein Anordnungsgrund für die im erledigten Verfahren beantragte einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG nicht mehr vorgelegen hat.

Die Erfolgsaussichten des Antrages zum Zeitpunkt der Erledigung wird ebenso wie die Frage, ob der Antragsgegner hier durch fehlerhafte Leistungsgewährung und Schaffung einer Notlage im Sinne des § 86 b Abs. 2 SGG zum Antragsverfahren Anlass gegeben hat, bei der vom Sozialgericht aufgrund des Antrages des Antragstellers vom 13. Dezember 2005 zu treffenden Entscheidung nach § 193 SGG über die Tragung der außergerichtlichen Kosten zu berücksichtigen haben.

Eine Kostenentscheidung war wegen § 73 a SGG i. V. mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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