L 23 B 27/06 SO ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 20 SO 138/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 27/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
L 23 B 28/06 SO PKH
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Dezember 2005 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit ihren Beschwerden verfolgen die Antragsteller ihre Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten weiter.

Die Antragsteller sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und beziehen seit dem 01. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2005 beantragten sie bei der Antragsgegnerin, ihnen zweimal 85,00 EUR für neue Pässe zu zahlen. Die alten Pässe verlören ihre Gültigkeit am 06. Dezember 2005, Pässe der Russischen Föderation seien ihre einzigen Ausweisdokumente.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2006 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Kostenübernahme ab. Dagegen erhoben die Antragsteller mit Schreiben vom 25. Oktober 2005 Widerspruch, über den die Antragsgegnerin noch nicht entschieden hat. Zur Begründung trug ihr Prozessbevollmächtigter vor, dass die Kostenübernahme in Anwendung des § 73 SGB XII gewährt werden könne. Im Falle der Antragsteller komme hinzu, dass sie ihre russische Rente, die voll auf die Leistungen der Grundsicherung angerechnet werde, nur beantragen könnten, wenn sie im Besitz eines gültigen Ausweises seien. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass entsprechend § 71 SGB XII insbesondere alten Menschen eine besondere Hilfestellung gegeben werden solle, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Die Möglichkeit, sich ausweisen zu können, gehöre zu den Grundvoraussetzungen, um überhaupt in der Öffentlichkeit verkehren zu können. Ferner sei der Grundsicherungsbetrag für den Monat November 2005 um die Kosten der Passverlängerung zu erhöhen. Die Gewährung eines Darlehens gemäß § 34 SGB XII lehnten die Antragsteller am 17. November 2005 ab.

Vor dem Sozialgericht Potsdam haben die Antragsteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, im Rahmen der Sozialhilfe die Gebühren und weitere Beschaffungskosten für Reisepässe der Russischen Föderation zu erstatten. Ferner haben sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt. Am 24. November 2005 wurden den Antragstellern neue Pässe der Russischen Föderation ausgestellt.

Das Sozialgericht Potsdam hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 19. Dezember 2005 abgelehnt. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, die Kosten für die Ausstellung russischer Reisepässe erhöhten nicht den Bedarf der Antragsteller im Monat November 2005, denn diese Kosten gehörten zum notwendigen Lebensunterhalt, der vom Regelsatz zu bestreiten sei. Wesentliche Nachteile, die die Antragsteller treffen würden, wenn die beantragte Anordnung nicht erginge, seien nicht ersichtlich, weil Belege dafür vorlägen, dass die Antragsteller die Passgebühren und Fahrscheine bezahlt hätten.

Mit den hiergegen eingelegten Beschwerden, denen das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, verfolgen die Antragsteller ihre Begehren weiter. Bei den Kosten handele es sich um notwendige Kosten, die im Zusammenhang mit der Anrechnung ihrer russischen Renten entstanden seien. Daher seien die Passkosten nicht bereits im notwendigen Lebensunterhalt enthalten, sondern bei der Ermittlung ihres Einkommens auf der Ausgabenseite gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII hinzuzurechnen. Ohne die Vorlage russischer Reisepässe hätten sie keine Bescheinigung durch die russische Botschaft zur Beantragung der russischen Rente und daher auch keine als Einkommen geltende Rente erhalten. Ferner würden Passkosten in Höhe von jeweils 85,00 EUR ein Viertel des Regelbetrages ausmachen und seien daher nicht in den monatlichen Beträgen zum notwendigen Lebensunterhalt enthalten. Sie hätten daher einen Anspruch auf eine von den Regelsätzen abweichende Bemessung ihres Bedarfs entsprechend § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Ihr Gesamtbedarf sei durch die Belastung mit den Kosten für die Passbeschaffung im Monat Dezember 2005 nicht mehr gedeckt gewesen. Bei Einreichung des Antrages auf Erlass der einstweiligen Anordnung am 23. November 2005 habe ein hinreichend glaubhaft gemachter Anordnungsgrund vorgelegen.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Dezember 2005 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen die verauslagten Passgebühren nebst Zahlungsgebühr und Fahrtkosten zu erstatten

sowie

ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Die Regelungen des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII könnten nicht zur Anwendung gelangen, weil nicht ein laufender, sondern nur ein einmaliger Bedarf geltend gemacht werde. Für diesen einmaligen Bedarf hätten die Antragsteller monatlich jeweils einen Betrag in Höhe von 7,73 EUR ansparen müssen. Diese Ansparung sei ihnen zuzumuten gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die Beschwerden der Antragsteller sind zulässig, aber unbegründet.

Soweit sich die Antragsteller gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes wenden, ist ihre Beschwerde unbegründet. Denn sie haben einen Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit in der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ).

Die Antragsteller haben einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Sie sind ausweislich der vorgelegten Ausweiskopien seit dem 24. November 2005 im Besitz der begehrten Pässe. Ob sie die hierfür aufgewendeten Kosten von der Antragsgegnerin erstattet verlangen können, ist im Hauptsacheverfahren zu klären. Denn eine einstweilige Anordnung dient lediglich der Sicherung, nicht schon der Befriedigung von (glaubhaft gemachten) Rechten. Sie darf die Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorwegnehmen. Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unzulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache gilt nur dann, wenn es zur Vermeidung schlechthin unzumutbarer Folgen für den betreffenden Antragsteller notwendig ist, dass das Gericht die begehrte einstweilige Anordnung erlässt. Anderenfalls würde die Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzulässigerweise in das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorverlagert. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob der jeweilige Antragsteller in diesem Sinne einen Anordnungsgrund dargelegt hat, ist nicht, wie der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller meint, der Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, sondern der Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung im gerichtlichen Verfahren (vgl. Keller in Meyer Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, Komm. 8. Aufl., § 86 b Rdnr. 42, OVG NW, Beschluss vom 06. Mai 1980 8 B 1376/79 juris). Die Antragsteller haben aber den geltend gemachten unabweisbaren Bedarf durch Beschaffung der Pässe am 24. November 2005 gedeckt. Einer gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bedurfte es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Die zulässige Beschwerde gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Potsdam ist ebenfalls unbegründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 114 ff. ZPO liegen aus den vorgenannten Gründen mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht vor. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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