L 23 B 1010/05 AY ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 49 AY 219/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 1010/05 AY ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ber-lin vom 19. September 2005 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch SGB XII über § 2 Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG -. Die Antragsteller, jugoslawische Staatsangehörige, sind am 13. Dezember 1999 in das Bundesgebiet eingereist. Sie erhielten bis August 2003 Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG. Mit Bescheid vom 13. August 2003 (Bl. 183 Verwaltungsakte des Antragsgegners, Band III) lehnte der Antragsgegner einen Antrag auf laufende Leistungen nach § 2 AsylbLG ab und verfügte, dass die Antragsteller ab sofort Leistungen nach § 3 in Verbindung mit § 1 a Nr. 1 AsylbLG erhielten, da die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG nicht vorlägen. Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller keinen Widerspruch; in der Folge wurden ihnen Leistungen nach §§ 1 a, 3 AsylbLG gewährt. Unter dem 21. September 2004 wurden für den Antragsteller zu 1) Leistungen für einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kos-tenaufwändiger Ernährung nach dem Bundessozialhilfegesetz beantragt. Der Antragsgegner lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 26. Oktober 2004 mit der Begründung ab, unter Berücksichtigung des verminderten Leistungsanspruchs nach §§ 1, 4 AsylbLG könne ein Mehrbedarf nicht berücksichtigt werden. Am 11. November 2004 beantragten die Antragsteller Leistungen nach § 2 AsylbLG und erhoben Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2004 und führten aus, der angeführte verminderte Leistungsanspruch führe dazu, dass der Antragsteller zu 1) nicht zureichend ernährt werden könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2005 wurde der Widerspruch des Antragstellers zu 1) zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 1. März 2005 hat der Antragsteller zu 1) Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit welcher er die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung eines Mehrbedarfs für Ernährung begehrt (Sozialgericht Berlin, Aktenzeichen S 38 AY 108/05).

Am 14. Juli 2005 haben die Antragsteller vor dem Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für den Antragsteller zu 1) den beantragten ernährungsbedingten Mehrbedarf zu zahlen und ihnen beiden Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren. Der schlechte Gesundheitszustand des Antragstellers zu 1) sei durch zahlreiche Atteste und Bescheinigungen nachgewiesen. Der Zuschlag für den Mehrbedarf bei der Ernährung mache nur Sinn, wenn zunächst der normale Grundbedarf gedeckt sei, von dem der Zuschlag ausgehe. Dies sei der Fall bei Leistungen der normalen Sozialhilfe. Ein rechtsmissbräuchlicher Aufenthalt liege bei ihnen nicht vor. Mit Beschluss vom 19. September 2005 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung an das Sozialgericht Berlin, 38. Kammer, Aktenzeichen S 38 AY 108/05 verwiesen. Ein Anspruch nach § 2 AsylbLG bestünde nicht, da die Antragsteller lediglich einen Anspruch auf die im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar gebotenen Leistungen nach § 1 a AsylbLG hätten. Das Sozialgericht hat auf die Begründung des Antragsgegners im Bescheid vom 13. August 2003 verwiesen. Soweit der Antragsteller zu 1) einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung geltend mache, sei die Sache an die zuständige Kammer zu verweisen gewesen. Gegen den (am 22. September 2005 zugestellten) Beschluss haben die Antragsteller am 12. Oktober 2005 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 13. Oktober 2005). Sie begehren weiter Leistungen nach § 2 AsylbLG. Unter Beifügung einer Dokumentation der Ereignisse in Jugoslawien machen sie geltend, dass sie nach Berlin geflüchtet seien. Ihnen sei nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme dazu gegeben worden, welche Tatsachen dafür sprächen, dass sie sich nach Deutschland begeben haben sollten, um Sozialleistungen zu erhalten.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts vom 19. September 2005 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen ab 14. Juli 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - zu gewähren. Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen. Er hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, auf die Verwaltungsakten des Antragsgegners (5 Bände) und auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Abteilung IV Ausländerbehörde Berlin verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Nachdem das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss auch die Abgabe des auf die Gewährung von Leistungen zur Abdeckung eines geltend gemachten Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung gerichteten Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an eine andere Kammer verfügt hat, ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens die Zurückweisung des auf die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII gerichteten Antrages. Die Beschwerden sind statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie sind unbegründet. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ). Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung. Das Sozialgericht hat zu Recht die Anträge abgewiesen. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf den Erlass der begehrten Anordnung. Sie haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach den Vorschriften des SGB XII. Ein solcher Anspruch könnte sich, da die Antragsteller Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG sind, allein aus § 2 AsylbLG ergeben. Nach § 2 AsylbLG erhalten abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG diejenigen Leistungsberechtigten entsprechende Leistungen nach dem SGB XII, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Dem Anspruch der Antragsteller steht bereits der Bescheid des Antragsgegners vom 13. August 2003 entgegen, mit dem den Antragstellern Leistungen nur noch in Höhe des nach den Umständen des Einzelfalls unabweisbar Gebotenen gewährt worden sind. Nach diesem Bescheid hat der Antragsgegner nicht nur für den nächsten Leistungszeitraum (in der Regel für den laufenden Monat) Leistungen nach § 1 a AsylbLG gewährt, sondern verfügt, dass auch zukünftige Leistungen nur in Höhe des im Einzelfall unabweisbar Gebotenen gezahlt werden. Der Bescheid ist bestandskräftig geworden (§ 77 SGG), so dass, solange er nicht aufgehoben wird, Leistungen nur nach § 1a AsylbLG gewährt werden können (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 13. September 2002, Az.: 6 S 32.01, zitiert nach juris). Die verfügte Absenkung des Leistungsniveaus nach § 1 a AsylbLG bezieht sich auch auf mögliche Leistungen nach § 2 AsylbLG in Verbindung mit den Leistungen nach dem SGB XII. Leistungen in besonderen Fälle nach § 2 AsylbLG sind Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (Adolph in: Asylbewerberleistungsgesetz, Kommentar, 43. Lfg., Stand Juli 2005, § 2, Anm. 21), sie werden daher von der Einschränkung des § 1a AsylbLG erfasst. Weiter haben die Antragsteller einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass einem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen, nicht zumutbar ist, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (Keller in: Meyer Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 b Anmerkung 28). Solche Nachteile haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.

Sie führen an, dass sie auf höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG deshalb angewiesen seien, weil nur dann ein Anspruch auf Leistungen für notwendigen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung möglich erscheine. Unabhängig davon, dass damit lediglich zur Dringlichkeit hinsichtlich des von dem Antragsteller zu 1) geltend gemachten Anspruchs vorgetragen worden ist, weil nur er einen Mehrbedarf geltend macht, ist die Leistung für einen Mehrbedarf nicht abhängig von der Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG. Leistungen für Mehrbedarfe können in den Leistungen nach § 1 a AsylbLG enthalten sein. Diese Leistungen erfassen den unabweisbar gebotenen Bedarf zur Führung eines menschenwürdigen Daseins im Einzelfall und damit auch etwaige Bedarfe für ernährungsbedingten Sonderbedarf, wenn dieser zur Führung eines menschenwürdigen Daseins im Einzelfall erforderlich ist. Aus dem Vortrag der An-tragsteller folgt daher nicht, dass die begehrten Leistungen nach § 2 AsylbLG zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig sind. Den Anspruch auf Leistungen zur Abdeckung eines Mehrbedarfs verfolgt der Antragsteller zu 1) mit seiner beim Sozialgericht anhängigen Klage zum Aktenzeichen S 38 AY 108/05; bezüglich dieses Streitgegenstands ist auch ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren anhängig. Nach allem hat das Sozialgericht zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved