L 23 B 1048/05 SO NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 SO 1707/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 1048/05 SO NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin bezog ab 01. Juni 2004 bedarfsorientierte Grundsicherungsleistungen nach dem Grundsicherungsgesetz GSiG in Höhe von 631,09 EUR, worin ein Mehrbedarf von 15 v. H. des Regelsatzes für den Haushaltsvorstand (= 44,40 EUR) nach § 3 Abs. 1 Ziffer 1 GSiG enthalten war. Daneben bezog die Klägerin ein Altersruhegeld in Höhe von 165,45 EUR.

Nachdem mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2004 ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - GsiG - abgelehnt worden war, beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Bewilligung einer Krankenkostzulage nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes BSHG.

Mit Bescheid vom 06. Dezember 2004 gewährte der Beklagte der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG für die Monate August 2004 bis Dezember 2004 in Höhe von 7,91 EUR monatlich und eine Weihnachtsbeihilfe in Höhe von 63,91 EUR. Dabei wurde ein sozialhilferechtlicher Bedarf in Höhe von 781,03 EUR unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 23 BSHG für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 52,31 EUR und eines Mehrbedarfs nach § 23 BSHG wegen Alters in Höhe von 59,20 EUR zugrunde gelegt. Als nach § 76 BSHG einzusetzendes Einkommen berücksichtigte der Beklagte das Altersruhegeld der Klägerin in Höhe von 165,45 EUR und die Leistungen nach dem GSiG in Höhe von 631,09 EUR monatlich. Nach Abzug von Aufwendungen für die Hausratsversicherung, Haftpflichtversicherung und sonstige Versicherungen berücksichtige der Beklagte ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 773,12 EUR monatlich. Daraus errechnete sich ein Bedarf (Hilfe zum Lebensunterhalt 781,03 EUR abzüglich Einkommen 773,12 EUR) in Höhe von 7,91 EUR.

Mit ihrem Widerspruch vom 13. Dezember 2004 machte die Klägerin geltend, ihr stünden 52,31 EUR monatlich für kostenaufwändige Ernährung zu. Dieser Betrag sei zu ihrer Grundsicherung zur Auszahlung zu bringen. Ein in den Grundsicherungsleistungen nach § 3 GSiG enthaltener Betrag in Höhe von 44,40 EUR monatlich müsse bei der Berechnung der Krankenkostenzulage anrechnungsfrei sein.

Der Beklagte wies mit Bescheid vom 17. März 2005 den Widerspruch mit der Begründung zurück, mangels gesetzlicher Grundlage könne der bei den Leistungen zur Grundsicherung anerkannte Mehrbedarf bei der Ermittlung des Sozialhilfeanspruchs nicht anrechnungsfrei sein.

Mit ihrer am 23. März 2005 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 01. August 2004 bis zum 31. Dezember 2004 noch monatlich 44,40 EUR, insgesamt 222,00 EUR zuzüglich Zinsen ab 01. Januar 2005 zu zahlen.

Die Kürzung ihrer Krankenkostzulage von monatlich 52,31 EUR auf 7,91 EUR monatlich sei rechtlich nicht zulässig. Ihr monatliches Einkommen betrage 728,72 EUR und nicht, wie von dem Beklagten berechnet, 756,54 EUR. Für eine Kürzung der Krankenkostzulage sehe das Gesetz keine Grundlage vor.

Sie hat beantragt,

den Bescheid vom 06. Dezember 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt für August bis Dezember 2004 ohne Berücksichtigung des Grundsicherungszuschlags von "44,44 EUR" zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist bei der mit dem Widerspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung verblieben.

Mit Urteil vom 31. August 2005 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, das Einkommen der Klägerin aus Leistungen zur Grundsicherung und dem Altersruhegeld sei zutreffend gemäß § 76 BSHG berücksichtigt worden, der Zuschlag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 GSiG sei im Rahmen des § 76 BSHG nicht anrechnungsfrei.

Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung hat die Klägerin am 20. September 2005 Beschwerde eingelegt.

Sie macht geltend, das Sozialgericht habe das bereinigte Nettoeinkommen gemäß § 76 BSHG fehlerhaft berechnet. Die geforderte Summe in Höhe von 44,44 EUR monatlich stünde ihr nach § 37 BSHG als Krankenhilfe zu. Es handele sich nicht um laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Eine ärztliche Bescheinigung habe sie bei dem Beklagten eingereicht. Der Beklagte habe auch ab August 2004 monatlich 52,31 EUR für kostenaufwändige Ernährung berücksichtigt. Von diesen bewilligten 52,31 EUR habe der Beklagte aber nur 7,91 EUR monatlich zur Auszahlung gebracht. Es sei verfahrensfehlerhaft, wenn das Sozialgericht laufende Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherungsleistungen "in einen Topf werfe". Krankenkostzulage sei gemäß § 37 BSHG Krankenhilfe. Bereits aus dem Wort "Krankenkostzulage" folge, dass es sich um eine Zulage zu anderen Leistungen handele. Nach der Rechtsauffassung des Sozialgerichts hätte der Beklagte im Jahr 2004 auch die Zahnbehandlung verweigern können. Bei der Berechnung des bereinigten Nettoeinkommens nach § 76 BSHG sei dem Sozialgericht zudem ein Berechnungsfehler unterlaufen. Es seien weitere monatliche Ausgaben von ihrer Rente in Abzug zu bringen, so dass sich das einzusetzende Einkommen weiter verringere.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2005 zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung abzuweisen.

Er hält das Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder aufgrund Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 EUR nicht übersteigt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Klägerin hat mit der Klage Geldleistungen in Höhe von 222,00 EUR geltend gemacht. Dieser geltend gemachte Klageanspruch ist mit dem Urteil des Sozialgerichts abgewiesen worden, so dass der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht wird. Die Berufung ist auch mit dem Tenor des Urteils nicht zugelassen worden.

Die Beschwerde ist zulässig. Die Nichtzulassung der Berufung kann durch Beschwerde angefochten worden, einer Abhilfeentscheidung des Sozialgerichts bedarf es nicht (§ 145 Abs. 1, Abs. 4 SGG).

Die Berufung ist nicht zuzulassen, ein gesetzlicher Zulassungsanspruch liegt nicht vor.

Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

2. das Urteil von einer Entscheidung der Landessozialgerichte, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Das angefochtene Urteil weicht nicht von einer Entscheidung der genannten Gerichte ab. Soweit die Klägerin auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts verweist, finden sich unter den von ihr angegebenen Fundstellen keine einschlägigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts.

Aufgrund einer Änderung des § 23 BSHG durch das Zweite Haushaltsstrukturgesetz HStruktG kann eine Krankenkostzulage seit dem 01. April 1982 nicht mehr im Rahmen der Krankenhilfe, sondern nur noch als Mehrbedarf nach § 23 Abs. 4 BSHG und damit nicht mehr unter den für den Hilfeempfänger günstigeren Einkommensgrenzen gewährt werden (vgl. Streicher/Schelter/Kunz/Decker, Bundessozialhilfegesetz, 40.EL, Stand: September 2000, § 23, Anmerkung 23; LPK BSHG, 4. Auflage, § 23, Anmerkung 20). Soweit sich die Klägerin auf Rechtsprechung zur Rechtslage vor dieser Änderung bezieht, kann damit keine Abweichung des sozialgerichtlichen Urteils begründet werden.

Ein Verfahrensfehler liegt nicht vor. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren, nicht das Widerspruchsverfahren und nicht das Verwaltungsverfahren regelt. Es geht dabei nicht um die Richtigkeit der Entscheidung des Sozialgerichts, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Wege zum Urteil (Meyer Ladewig in: Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 144, Anmerkung 32). Ein solcher Mangel wird von der Klägerin nicht geltend gemacht. Soweit sie rügt, das Sozialgericht habe die Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Krankenkostzulage verkannt, so läge darin, selbst wenn der Vortrag zuträfe, kein Verfahrensmangel.

Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Eine solche wäre anzunehmen, wenn eine bisher nicht geklärte, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufgeworfen wäre. Eine tatsächliche Frage ist nicht ausreichend, auch wenn spezielle Erfahrungssätze betroffen sind. Grundsätzliche Bedeutung liegt auch vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist und wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die vom Sozialgericht entschiedene Rechtsfrage zum seit 01. Januar 2005 außer Kraft getretenen BSHG, dass im Rahmen des § 76 BSHG bei der Anrechnung von Leistungen nach dem GSiG (ebenfalls seit dem 01. Januar 2005 außer Kraft) berücksichtigte Mehrbedarfe nicht anrechnungsfrei bleiben, ist nicht (mehr) klärungsbedürftig, da die Vorschriften des BSHG und des GSiG seit dem 01. Januar 2005 nicht mehr in Kraft sind. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist auch nicht für das neue Recht nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch SGB XII klärungsbedürftig. Die nunmehr in den §§ 41 ff. SGB XII geregelten Leistungen der Grundsicherung entsprechen den Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, so dass eine ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nicht in Betracht kommt (Grube in: Grube/Warendorf, SGB XII, § 19, Anmerkung 27). Die vom Sozialgericht entschiedene Rechtsfrage stellt sich damit nicht mehr. Dass eine erhebliche Zahl von Hilfeempfängern noch von der entschiedenen Rechtsfrage betroffen ist, ist dem Senat nicht bekannt und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG), dadurch wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2005 rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Rechtskraft
Aus
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