L 1 KR 35/05

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 37 KR 828/01
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 35/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin hat der Beigeladenen zu 1.) auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob die Klägerin für die Beigeladene zu 1.) den Gesamtsozialversicherungsbeitrag in Höhe von 14.315,34 EUR (=27.998,40 DM) zu entrichten hat.

Die Klägerin bietet mit etwa 1.300 beschäftigten Mitarbeitern deutschlandweit Management- und It-Beratungsleistungen für Banken, Versicherungen, Öffentliche Verwaltungen, Telekommunikation, Energieversorgung, Gesundheitswesen sowie Transport an. Die Beigeladene zu 1.) ist promovierte Chemikerin. Sie war zunächst als angestellte Beraterin bei einem Konkurrenzunternehmen tätig und schloss unter dem 16. Dezember 1994 mit der Klägerin eine schriftliche Vereinbarung, wonach sie "zum 1.05.1995 oder früher als freie Mitarbeiterin" für diese tätig sein werde. Weiter heißt es, der Beigeladenen zu 1.) würden im Einzelfall Beratungsaufträge erteilt; jener stehe es frei, diese anzunehmen oder abzulehnen. Sie sei auch berechtigt, für Dritte tätig zu sein. Die Beratungsaufträge seien eigenverantwortlich zu erledigen. Dabei komme der Klägerin die Stellung eines Generalunternehmers, der Beigeladenen zu 1.) diejenige eines Subunternehmers zu. Im Hinblick auf diese eigenverantwortliche Tätigkeit sei diese Weisungen der Klägerin nicht unterworfen. Auf den Vertrag vom 16. Dezember 1994 (Blatt 42-46 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 16. Dezember 1994 bestätigte die Klägerin "in Ergänzung zur Standard-Vereinbarung vom 16. Dezember 1994" die Vereinbarung einer maximalen Tantieme von 30.000 DM p.a. und das Angebot, das Vertragsverhältnis für freie Mitarbeiter nach ca. 12 Monaten in ein Angestelltenverhältnis zu überführen. Mit weiterem Schreiben vom 18. Januar 1995 sicherte die Klägerin für das Jahr 1995 "140 Einsatztage Beschäftigung" zu.

Nachdem die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) für die Klägerin im Frühjahr 1996 geendet hatte, erhob diese beim Arbeitsgericht Köln Klage auf Feststellung des Fortbestands eines Arbeitsverhältnisses. Die Klage blieb in zwei Instanzen erfolglos (Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26. Juni 1998 – 11 Sa 1665/97 –). Alsdann beantragte die Beigeladene zu 1.) bei der Beklagten die Überprüfung ihres Versicherungsverhältnisses. Sie gab an, bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen zu sein. Diese habe das Vertragsverhältnis jedoch rechtlich fehlerhaft als freiberufliche Mitarbeit eingestuft und keine Sozialabgaben abgeführt. Mit Bescheid vom 29. Dezember 1999 forderte die Beklagte von der Klägerin die Entrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages für die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1.) in den Jahren 1995 und 1996 in Höhe von insgesamt 27.998,40 DM. Diese sei abhängig beschäftigt gewesen, weil sie weisungsgebunden und von der Klägerin persönlich abhängig gewesen sei und kein eigenes Unternehmerrisiko getragen habe. Dies ergäben die Umstände der Tätigkeit. Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung seien in Gestalt des Höchstbeitrages zu entrichten, da das Entgelt über der Beitragsbemessungsgrenze gelegen habe. In der Kranken- und Pflegeversicherung sei sie sozialversicherungsfrei, da ihr Einkommen über der Jahresentgeltgrenze gelegen habe. Für den Fall, dass andere Zahlen zugrunde zu legen seien, werde um Einreichung der Beitragsnachweise gebeten.

Auf den Widerspruch der Klägerin hob die Beklagte diesen Bescheid mit weiterem Bescheid vom 6. Juli 2000 auf. Die Beigeladene zu 1.) sei selbständig tätig gewesen. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln. Dieser Entscheidung widersprach wiederum die Beigeladene zu 1.). Daraufhin entschied die Beklagte mit Bescheid vom 31. August 2000 erneut, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin mit an deren Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Bescheid vom 15. Mai 2001 zurück. Auf die genannten Bescheide wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat zunächst beim Sozialgericht Düsseldorf fristgerecht Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung der sie belastenden Bescheide unter Hinweis darauf begehrt hat, dass die Beigeladene nicht abhängig bei ihr beschäftigt gewesen sei. Das Sozialgericht Düsseldorf hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 16. August 2001 an das Sozialgericht Hamburg verwiesen und dieses hat die Klage nach Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin, J. R., als Zeugen, und Anhörung der Beigeladenen zu 1.) durch Urteil vom 20. Mai 2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beigeladene zu 1.) habe bei der Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden und unterliege deshalb der Versicherungs- und Beitragspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Zwar sei der Vertrag ein Indiz für das Vorliegen eines freien Mitarbeiterverhältnisses, ausschlaggebend seien indessen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) die tatsächlichen Gegebenheiten, die hier dem Bild einer abhängigen Beschäftigung entsprächen. Das Urteil ist der Klägerin am 10. Juni 2005 zugestellt worden. Auf die Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.

Zur Begründung ihrer am 11. Juli 2005, einem Montag, eingelegten Berufung trägt die Klägerin vor, der angegriffene Bescheid vom 31. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2001 könne bereits deshalb keinen Bestand haben, weil dieser nicht an sie, sondern lediglich als Mitteilung an ihren seinerzeitigen Bevollmächtigten gerichtet gewesen sei und sich zudem auf einen anderen Rechtsstreit bezogen habe, in dem es um den von der Beigeladenen zu 1.) geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Beitragszuschüssen zur Krankenversicherung gegangen sei. Auch sei der Beitragsbescheid vom 29. Dezember 1999 durch den Bescheid vom 6. Juli 2000 aufgehoben worden. Schließlich genüge der angefochtene Bescheid nicht den Anforderungen an einen Verwaltungsakt, insbesondere nicht denjenigen, die sich aus § 28 h Abs. 2 SGB IV ergäben. Auch seien die Ansprüche auf Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung verjährt und es fehle der Beklagten an einem berechtigten Interesse hinsichtlich einer Entscheidung der lediglich dem Grunde nach thematisierten Frage, ob die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) als sozialversicherungspflichtige oder aber als selbstständige Tätigkeit einzustufen gewesen sei. Die angegriffenen Bescheide könnten schon deshalb keinen Bestand haben, weil sie eine Beitragspflicht dem Grunde nach behaupteten, diese aber nicht mehr durchsetzbar sei.

Unabhängig von diesen formalen Mängeln der angefochtenen Bescheide sei das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beigeladene zu 1.) bei ihr in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Das Sozialgericht habe die hinlänglich bekannten Kriterien zur Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von selbstständiger Tätigkeit, wie sie in § 7 Abs. 1 SGB IV vorausgesetzt seien, anders als das Landesarbeitsgericht Köln, falsch bewertet, jedenfalls aber falsch gewichtet. Bei einer Gesamtbetrachtung der Arbeitsleistung der Beigeladenen zu 1.) überwögen die Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit im streitigen Zeitraum sprächen. Dies ergebe sich bereits bei richtiger Bewertung der geschlossenen Vereinbarung, weil dort ausdrücklich als Geschäftsgrundlage angesehen worden sei, dass zwischen den Parteien ein steuer- und sozialversicherungsrechtlich anzuerkennendes freies Mitarbeiterverhältnis und kein Anstellungsvertrag bestanden habe. Auch sei das Honorar so bemessen worden, dass etwaige Beiträge zur Sozialversicherung sowohl hinsichtlich des Arbeitnehmer- als auch des Arbeitgeberanteiles als abgegolten angesehen worden seien. Da die Beigeladene zu 1.) nach der getroffenen Vereinbarung verpflichtet gewesen sei, etwaige von ihr, der Klägerin, an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger zu leistenden Beiträge zu erstatten, sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien das Vertragsverhältnis auch im Sinne einer selbstständigen Tätigkeit verstanden und gelebt hätten. Im Übrigen habe das Sozialgericht die Aussage des Zeugen R. fehlerhaft gewürdigt. Dieser habe nämlich erklärt, ohne dass dies im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2005 hinlänglich Erwähnung gefunden habe, dass zu internen Sitzungen auch freie Mitarbeiter und Subunternehmer eingeladen worden seien. Diese hätten auch in der Telefonliste der Klägerin gestanden. Das Sozialgericht habe ferner außer Acht gelassen, dass ihr Sekretariat eben nicht für die Beigeladene zu 1.) geschrieben habe und dass ihr die Visitenkarten lediglich zu Akquisitionszwecken als Werbemittel zur Verfügung gestellt worden seien. Ihr Außenauftritt habe unter dem von den Vertragsparteien vereinbarten internen Vorbehalt einer freien Mitarbeit gestanden, sodass auch dieses Indiz einer selbstständigen Tätigkeit nicht entgegenstehe. Auch die Notiz des Zeugen R. vom 21. März 1996 sei falsch gewürdigt worden. Die Beigeladene zu 1.) habe andere Mitarbeiter weder einsetzen noch anfordern können. Wenn sie für ihre Tätigkeit Unterstützung benötigt habe, so habe sie diese bei der Klägerin "einkaufen" müssen. Vor diesem Hintergrund sei die Kernaussage der streitgegenständlichen Notiz zu bewerten, wonach so genannter "bereichsfremder Mitarbeitereinsatz" mit den Beteiligten abzustimmen und eine schriftliche Kostenverantwortung herbeizuführen sei. Tatsächlich habe es sich hier so verhalten, dass die Beigeladene zu 1.) Herrn Dr. B. zur Unterstützung ihrer Akquisitionstätigkeit angefordert habe. Die hierfür angefallenen Kosten habe Dr. B. festgehalten und der Auftraggeberin berechnet. Da die Beigeladene zu 1.) jedoch für die Inanspruchnahme von Dr. B. nicht habe selbst aufkommen wollen und sich mit diesem über die Kosten gestritten habe, habe der Zeuge R. in der vorgenannten Notiz lediglich darauf hingewiesen, dass bei derartigem bereichsfremden Mitarbeitereinsatz die Kostenverantwortung zukünftig vorher abzustimmen sei. Ein Indiz für eine Weisungsbefugnis gegenüber Mitarbeitern der Klägerin sei aus dieser Notiz jedenfalls nicht herzuleiten. Die Beigeladene zu 1.) habe auch nicht deshalb selbst einem Weisungsrecht unterlegen, weil sich der Zeuge R. bei Meinungsverschiedenheiten über Arbeitsergebnisse sowie bei der Frage des zu erreichenden Umsatzvolumens grundsätzlich durchgesetzt habe. Hier sei es nur darum gegangen, ob Arbeitsergebnisse im werkvertraglichen Sinne hätten abgenommen werden können. Schließlich belegten auch die unterschiedlichen Honorare der Beigeladenen zu 1.) ihre selbständige Stellung. Ihr seien nicht jeweils fünf Wochentage oder 40 Stunden vergütet worden. Ihr seien am 16. Juni 1995 (umgerechnet) 9.122,88 EUR, am 5. Juli 1995 7.015,66 EUR, am 9. August 1995 9.138,14 EUR, am 11. September 1995 7.322,23 EUR, am 13. Oktober 1995 8.267,24 EUR, am 3. November 1995 358,45 EUR, am 13. November 1995 4.126,98 EUR, am 13. Dezember 1995 7.497,80 EUR, am 15. Januar 1996 7.780,74 EUR, am 9. Februar 1996 6.730,98 EUR, am 3. April 1996 4.821,49 EUR und am 15. April 1996 752,74 EUR gezahlt worden. Überstunden und Wochenendarbeit seien ihr als freier Mitarbeiterin selbstverständlich nicht bezahlt worden. Sie habe auch nicht ihrer uneingeschränkten Kontrolle unterstanden. Weder habe Anwesenheitspflicht ab 9.30 Uhr morgens bestanden, noch sei eine Kontrolle ihrer Anrufliste erfolgt. Wenn die Beigeladene zu 1.) gebeten worden sei, die Planung für die bevorstehende Woche abzugeben, so habe dies seinen Grund darin, dass sie als Auftraggeberin über Arbeitsstand und Vorgehensweise in diesem ihr bislang unbekannten Bereich habe informiert sein wollen. All dies seien keine Indizien für ein Angestelltenverhältnis.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Mai 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 31. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und verteidigt ihre Entscheidung und das angefochtene Urteil. Von Verjährung könne keine Rede sein, das Widerspruchsverfahren hinsichtlich des Bescheides vom 29. Dezember 1999 sei nämlich noch nicht beendet. Die Bescheide seien auch nicht an einen falschen Adressaten gegangen, vielmehr dem seinerzeitigen Bevollmächtigten der Klägerin bekannt gegeben worden.

Die Beigeladene zu 1.) schließt sich dem Antrag der Beklagten an, stützt deren Vorbringen und tritt dem Berufungsvorbringen im Einzelnen entgegen. So sei Dr. B. ihr sehr wohl unterstellt gewesen. Er sei auch nicht "angefordert" worden. Vielmehr habe sie – die Beigeladene zu 1.) – die monatliche Arbeitszeiterfassung ihrer Mitarbeiter verantworten und abzeichnen müssen. Zu Recht habe deshalb das Sozialgericht die Weisungsunterworfenheit der Mitarbeiter als wesentliches Indiz für eine abhängige Tätigkeit angesehen. Die Würdigung des Sozialgerichts sei inhaltlich uneingeschränkt zutreffend.

Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.

Das Gericht hat den ehemaligen Geschäftsführer der Beklagten, J. R., als Zeugen zu den Umständen der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1.) bei der Klägerin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist mit dem in der Berufungsinstanz ausschließlich gestellten Anfechtungsantrag auch im Übrigen zulässig. Denn den im Verfahren ergangenen Bescheiden ist in der Gesamtschau die Regelung zu entnehmen, dass die Beklagte auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1.) durch den vorliegend angegriffenen Bescheid vom 31. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2001 die durch den Bescheid vom 29. Dezember 1999 geschaffene, die Klägerin durch die Beitragsforderung in Höhe von 27.998,40 DM belastende Situation wiederhergestellt hat. Damit ist allein zu entscheiden, ob die Beklagte nach § 28 h SGB IV berechtigt war, als Einzugsstelle den Beitragsanspruch gegenüber der Klägerin geltend zu machen. Die für das Bestehen der Beitragsforderung entscheidende Frage der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1.) ist hierfür nur eine Vorfrage und inzident bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheides zu prüfen. Einer gesonderten Feststellung bedarf es insoweit nicht.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens erweist sich die Heranziehung der Klägerin zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die Beigeladene zu 1.) als rechtmäßig. Der Bescheid ist der Klägerin ordnungsgemäß bekannt gegeben worden und leidet auch nicht an einem sonstigen Formmangel (1). Die Beigeladene zu 1.) unterlag während ihrer Tätigkeit bei der Klägerin der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung (2). Schließlich durfte die Beklagte den Beitrag im Wege der Schätzung ermitteln, weil die Klägerin den vorgeschriebenen Beitragsnachweis nicht rechtzeitig vorgelegt hatte (3). Auf Verjährung kann sich die Klägerin nicht berufen (4).

1) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Ausgangsbescheid vom 31. August 2000 dem seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin übersandt hat. Dieser hatte sich in dem die Abgabenschuld betreffenden Verfahren unter Vollmachtsvorlage legitimiert und die Beklagte war nach § 37 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) berechtigt, die Bekanntgabe an den Bevollmächtigten zu bewirken. Der Bescheid war auch hinreichend bestimmt. Zwar enthält das an den seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten gerichtete Schriftstück nur den Hinweis, dass die Beigeladene nach Auffassung der Beklagten im Zeitraum vom 1. Mai 1995 bis zum 30. Juni 1996 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und deshalb Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung abzuführen seien. Angaben zur Höhe fehlen. Jedoch ist die erforderliche Konkretisierung der Beitragsschuld bereits in dem Bescheid vom 29. Dezember 1999 erfolgt und die Klägerin war auf der Grundlage jener Entscheidung und der dort enthaltenen Berechnungen in der Lage, ihre durch Schätzung ermittelte Zahlungspflicht auch der Höhe nach zu überprüfen, wenn sie nicht die erforderlichen Beitragsnachweise nachreichen wollte.

2) Die Beigeladene zu 1.) unterlag auch dem Grunde nach der Versicherungspflicht, weil sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt war. Der Maßstab für das Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ist aus § 7 Abs. 1 SGB IV zu entnehmen. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (siehe etwa Urt. vom 22. Juni 2005 – B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig Beschäftigter oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das gesamte Bild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag. Dieser Rechtsprechung folgt der erkennende Senat in ebenfalls ständiger Rechtsprechung. Hiervon ausgehend hat das Sozialgericht die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) in dem Unternehmen der Klägerin zutreffend als abhängige Beschäftigung eingeordnet. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Vielmehr steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme auch für den Senat fest, dass die Beigeladene zu 1.) in die betriebliche Organisation des Unternehmens derart eingegliedert war, dass von abhängiger Beschäftigung auszugehen ist. Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien wie etwa die schriftlichen Vereinbarungen, die im Wesentlichen freie Zeiteinteilung und das je nach Einsatz schwankende Entgelt treten demgegenüber zurück. Wie der Zeuge R. anschaulich geschildert hat, wurde die Beigeladene zu 1.) in dem Unternehmen der Klägerin nicht anders geführt als andere Bedienstete. Ihr wurde ein Büro zur Verfügung gestellt, ohne dass ihr hierfür Kosten in Rechnung gestellt wurden. Ebenso partizipierte sie – unentgeltlich – an den Leistungen des Sekretariats. Auch wurden ihr andere Mitarbeiter des Unternehmens zugeordnet, die ihr zuzuarbeiten hatten, ohne dass hierfür eine Verrechnung mit dem vereinbarten Entgelt vorgenommen wurde. Der Zeuge hat auch glaubhaft bekundet, dass die Sonderstellung, welche die Beigeladene zu 1.) in dem Unternehmen zweifellos innehatte, auf ihrer besonderen Fachkenntnis beruhte, die wiederum dazu führte, dass ihr inhaltliche Vorgaben nicht gemacht werden konnten. In der Zusammenschau mit den bereits vom Sozialgericht angeführten Indizien für abhängige Beschäftigung – Aufführen der Beigeladenen in der internen Telefonliste des Unternehmens, Versorgung mit unternehmenseigenen Visitenkarten, Teilnahme an Sitzungen in dem Unternehmen und Einbindung in das Organigramm der Klägerin – ergibt sich das Bild einer in weitestgehender persönlicher Abhängigkeit tätigen Person, der unternehmerisches Wirken zwar vertraglich zugestanden war, deren Tätigwerden sich in der Gesamtschau aber nur marginal von anderen höheren Angestellten der Klägerin unterschied.

3) Die Beklagte durfte bei der Beitragsfestsetzung auch im Wege der Schätzung vorgehen. Denn die Klägerin ist ihrer aus § 28 f Abs. 3 Satz 1 SGB IV sich ergebenden Verpflichtung zur Einreichung eines Beitragsnachweises bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nicht nachgekommen. Die Schätzung bildet nach § 28 f Abs. 3 Satz 2 SGB IV solange alleinige Berechnungsgrundlage für die Beiträge, bis der Beitragsnachweis ordnungsgemäß eingereicht wird. Da die Klägerin Einwände gegen die Höhe der Forderung nicht erhoben hat und auch sonst keine Umstände erkennbar sind, die diese als ungerechtfertigt erscheinen ließen, legt auch der Senat die durch Schätzung ermittelten Beträge seiner Entscheidung zugrunde. Ausgehend von der Schätzung ist die Beitragsforderung der Höhe nach nicht zu beanstanden.

4) Die Beitragsforderung ist schließlich auch nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Verjährung konnte mithin für die in 1995 entstandenen Beitragspflichten frühestens zum Ablauf des 31. Dezember 1999 eintreten. Jedoch hemmte die ausweislich der Sachakte der Beklagten noch im Jahre 1999 durch Telefaxübermittlung an die Klägerin erfolgte Bekanntgabe des Beitragsbescheides vom 29. Dezember 1999 nach § 52 Abs. 1 SGB X die Verjährung auch der bereits im Jahre 1995 entstandenen Beitragsansprüche. Diese Hemmung endet frühestens mit der Unanfechtbarkeit dieses Bescheides oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung. Zwar hatte die Beklagte den Beitragsbescheid vom 29. Dezember 1999 zunächst aufgehoben, diese Entscheidung auf den Widerspruch der drittbelasteten Beigeladenen zu 1.) – wie dargelegt – aber durch den vorliegend angegriffenen Bescheid wieder rückgängig gemacht, so dass die ursprüngliche Entscheidung noch immer Grundlage des geltend gemachten Anspruches ist. Ungeachtet dessen verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erst in 30 Jahren. So liegt es hier. Denn nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und hier vornehmlich nach dem Inhalt der getroffenen Vereinbarungen sollten die Beiträge vorsätzlich nicht entrichtet werden, indem gezielt Vereinbarungen getroffen wurden, die den Anschein der selbstständigen Tätigkeit erweckten, ohne dass dies mit der Beschäftigungswirklichkeit in Einklang stand.

Die Kostenentscheidung beruht, da das Verfahren vor dem 2. Januar 2002 rechtshängig geworden ist (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 6. SGG-Änderungsgesetz – BGBl. I Seite 2144 –), auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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