Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 62 EG 17/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 EG 2/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Erziehungsgeldes.
Die Klägerin ist die Mutter des 2003 geborenen Kindes L. Mit dem Vater des Kindes, der seiner geschiedenen Frau und zwei aus dieser Ehe stammenden Kindern unterhaltspflichtig ist, lebt sie in eheähnlicher Gemeinschaft. Am 14. Mai 2003 beantragte sie die Gewährung von Erziehungsgeld, budgetiert für ein Jahr. Sie stehe in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis und habe für die Zeit vom 29. Mai 2003 bis 28. Mai 2004 Elternzeit/Erziehungsurlaub vereinbart, werde selbst also keine Einkünfte haben. Ihr Partner bleibe dagegen beschäftigt. Er habe im Jahre 2002 aus abhängiger Beschäftigung Bruttoeinkünfte in Höhe von 43.643,34 Euro gehabt und müsse an seine geschiedene Ehefrau und die Kinder Unterhalt in Höhe von 702,64 Euro monatlich zahlen.
Durch Bescheid vom 16. September 2003 gewährte der Beklagte Erziehungsgeld vom 2. April 2003 bis 1. April 2004, und zwar für die Zeit vom 2. April 2003 bis 1. Mai 2003 in Höhe von 70,00 Euro, vom 2. Mai 2003 bis 1. Juni 2003 in Höhe von 109,00 Euro, vom 2. Juni 2003 bis 1. Oktober 2003 in Höhe von monatlich 460,00 Euro und vom 2. Oktober 2003 bis 1. April 2004 in Höhe von monatlich 35,00 Euro. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass zunächst das bis zum 28. Mai 2003 gezahlte Mutterschaftsgeld angerechnet werde. Ab dem siebten Monat werde das Erziehungsgeld gemindert, da das ermittelte Einkommen die Einkommensgrenze von 16.470,00 Euro übersteige.
Die Klägerin erhob Widerspruch: Zu Unrecht werde das Einkommen ihres Partners nach den für verheiratete Paare geltenden Grundsätzen behandelt, obwohl die für Verheiratete bestehenden Möglichkeiten der Steuerersparnis (Splittingtarif) nicht in Anspruch genommen werden könnten. Das tatsächlich zur Verfügung stehende Nettoeinkommen sei geringer als der von der Beklagten berechnete Betrag. Sie – die Klägerin - werde so gezwungen, Sozialhilfe zu beantragen. Weil sie in einer Teilzeitbeschäftigung stehe, dürfe auch das Mutterschaftsgeld nicht auf das Erziehungsgeld angerechnet werden. Der Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. November 2003). Die Berechnung des Erziehungsgeldes entspreche den gesetzlichen Vorschriften, aus denen sich sowohl die Anrechnung des Mutterschaftsgeldes als auch - ab dem siebten Lebensmonat des Kindes - die Berücksichtigung des voraussichtlichen Einkommens des Vaters ergebe. Für Eltern, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebten, würden dieselben Vorschriften wie für nicht dauernd getrennt lebende Verheiratete gelten. Vom Bruttobetrag des Einkommens seien pauschal 27 vom Hundert sowie Unterhaltsleistungen abzuziehen. Weitergehende Möglichkeiten zur Berücksichtigung des tatsächlichen Nettoeinkommens sehe das Gesetz nicht vor.
Mit der am 20. Dezember 2003 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter. Ein pauschaler Abzug ohne Rücksicht darauf, ob die Eltern verheiratet seien oder nicht, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Der Gesetzgeber dürfe einzelne Personen nicht ohne sachlichen Grund in eine Regelung einbeziehen, wenn die Gruppe der Betroffenen so groß sei, dass der Gesetzgeber sie unter dem Gesichtspunkt einer zulässigen Typisierung nicht vernachlässigen dürfe. Die Gruppe der Nichtverheirateten bzw. Geschiedenen in neuer Partnerschaft gewinne zahlenmäßig zunehmend an Bedeutung. Weil diese Gruppe in die Steuerklasse 1 gehöre und damit ein geringeres Nettoeinkommen als Verheiratete habe, dürfe sie bei der Ermittlung des Erziehungsgeldes nicht den für Verheiratete geltenden Regeln unterworfen werden.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. Mai 2004), nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass die Klage sich nicht gegen die Anrechnung des Mutterschaftsgeldes richte. Zur Begründung hat das Sozialgericht auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ergänzend hat es ausgeführt, das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, dass die Gleichstellung von eheähnlichen Gemeinschaften mit Verheirateten bei der Berechnung des Erziehungsgeldes weder Art. 3 noch Art. 6 des Grundgesetzes (GG) verletze (Hinweis auf Urteil des BSG vom 20. November 1996 - 14 REg 6/96 - ).
Gegen das ihr am 22. Juli 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. August 2004 erhobene Berufung der Klägerin, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen zur Verfassungswidrigkeit der Berechnungsvorschriften wiederholt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2004 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2003 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie ab 2. Oktober 2003 ungemindertes Erziehungsgeld zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ungemindertes Erziehungsgeld ab dem 2. Oktober 2003 (Beginn des 7. Lebensmonats ihres Sohnes L).
Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) verringert sich das Erziehungsgeld vom Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes an, wenn das Einkommen nach § 6 bei Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, 16.470 Euro und bei anderen Berechtigten 13.498 Euro übersteigt. Nach § 5 Abs. 2 Satz 5 BErzGG gelten für Eltern in einer eheähnlichen Gemeinschaft die Vorschriften zur Einkommensgrenze für Verheiratete, die nicht dauernd getrennt leben. Für die in eheähnlicher Gemeinschaft lebende Klägerin gilt danach die Grenze von 16.470 Euro. Eine Erhöhung der Einkommensgrenze nach § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG kommt nicht in Betracht, weil weder an die Klägerin noch an ihren Partner Kindergeld für ein weiteres Kind gezahlt worden ist.
Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 BErzGG ist für die Berechnung des Erziehungsgeldes im ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes das voraussichtliche Einkommen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes maßgebend. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 BErzGG ist das Einkommen der berechtigten Person und, soweit sie in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt, auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen, dabei reicht die formlose Erklärung über die gemeinsame Elternschaft und das Zusammenleben aus. Die Klägerin, die in dem hier streitigen Zeitraum vom 2. Oktober 2003 bis 1. April 2004 keine eigenen Einkünfte zu erwarten hatte, muss sich das Einkommen ihres Partners anrechnen lassen, da sie angegeben hat, dass er Vater des Kindes sei und zusammen mit ihr in einer Wohnung lebe.
Auszugehen ist nach § 6 Abs. 1 BErzGG von der nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten verminderten Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommenssteuergesetzes. Diese sind um 27 vom Hundert zu mindern (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG), abzuziehen sind ferner Unterhaltsleistungen an Kinder, für die die Einkommensgrenze nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG erhöht worden ist, und sonstige Berechtigte (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BErzGG). Der Partner der Klägerin hatte für das Jahr 2003 (Kalenderjahr der Geburt des Kindes) ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erwarten. Da § 6 BErzGG auf Einkünfte im Sinne des Steuerrechts verweist, ist vom Bruttogehalt auszugehen. Der Beklagte hat das zu erwartende Arbeitseinkommen aus den von Januar bis April 2003 bereits angefallenen Bezügen und sonstigen Leistungen hochgerechnet und dazu die vom Arbeitgeber bestätigten Zahlungen für Weihnachts- und Urlaubsgeld aus dem letzten Jahr addiert, woraus sich eine Summe von 44.640,35 Euro ergibt. Ein Abzug für Werbungskosten ist vorzunehmen, weil § 2 Abs. 2 EStG die Einkünfte als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten definiert. Da keine höheren Werbungskosten geltend gemacht worden sind, ist die steuerrechtliche Pauschale von 1.044 Euro maßgebend. Als Summe der Einkünfte ergeben sich dann 43.596,35 Euro. Diese vermindern sich um 27 von Hundert (11.721,06 Euro) sowie um 8.495 Euro Unterhaltsleistungen (tatsächlich erfolgte Zahlungen von Januar bis Mai 2003 sowie ab Juni 2003 702,- Euro entsprechend der vorgelegten anwaltlichen Berechnung), so dass ein Betrag von 23.330,34 Euro verbleibt. Damit überschreitet das Einkommen die Grenze von 16.470 Euro. Nach § 5 Abs. 3 BErzGG verringert sich das Erziehungsgeld von 460 Euro (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG) um 6,2 Prozent des die Grenze überschreitenden Einkommens (23.330,34 Euro – 16.470,00 Euro = 6.860,34 Euro; davon 6,2 Prozent entsprechen 425,34108 Euro), so dass gerundet 35 Euro verbleiben. Eine fehlerhafte Berechnung des Erziehungsgeldes ab dem 2. Oktober 2003 durch den Beklagten ist demnach nicht ersichtlich.
Die Vorschriften über die Berechnung des Erziehungsgeldes an Mütter, die in eheähnlichen Gemeinschaften leben, verstoßen nicht gegen das Grundgesetz. Die geringere steuerliche Belastung verheirateter Paare mit Kind und einem Alleinverdiener gegenüber eheähnlichen Gemeinschaften in vergleichbarer Lebenssituation ist vom Steuerrecht vorgegeben. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt keine unterschiedliche Behandlung verheirateter Paare und eheähnlicher Gemeinschaften im Erziehungsgeldrecht (BSG, Urt. v. 15. Oktober 1996 – 14 REg 1/96 = SozR 3-7833 § 6 Nr 12 ). Im Rahmen des BErzGG liegt nämlich keine wesentliche Ungleichheit vor. Sinn des Erziehungsgeldes ist nicht der Ausgleich einer steuerlichen Belastung. Vielmehr soll der das Kind betreuende Elternteil sozial abgesichert werden (BSG, Urt. v. 10. März 1993 – 14b REg 2/92 = SozR 3-7833 § 5 Nr. 2 -). Die unterhaltsrechtliche Stellung einer nichtehelichen Mutter ist während der ersten Lebensjahre der einer Ehefrau angenähert, weil sie einen Unterhaltsanspruch gegen den Vater hat (§ 1615 l Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Bei Zusammenleben der nicht verheirateten Eltern kann auch davon ausgegangen werden, dass Unterhalt und Unterstützung durch den anderen tatsächlich gewährt werden, wenn ein Elternteil zur Betreuung des Kindes auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet. Deswegen ist die vom Gesetzgeber für eheähnliche Gemeinschaften bestimmte Anrechnung des Partnereinkommens nicht als unzulässige Erweiterung des Anwendungsbereichs einer sachlich nur für Ehen zutreffenden Regelung anzusehen.
Eine Verfassungswidrigkeit der Abzugsregelung ergibt sich nicht daraus, dass die tatsächliche Belastung des Partners der Klägerin mit Abgaben für Steuer- und Sozialversicherung über den in Abzug gebrachten 27 Prozent liegt. Der Gesetzgeber durfte aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung Pauschalregelungen einführen, deren Sinn gerade ist, die tatsächlichen individuellen Verhältnisse außer Betracht zu lassen (BSG, Urt. v. 15. Oktober 1996 – 14 REg 1/96 = SozR 3-7833 § 6 Nr 12; Urt. v. 20. November 1996 – 14 Reg 6/96 = SozR 3-7833 § 6 Nr. 13 - ). Es gibt auch kein verfassungsrechtliches Gebot, dass die gefundene Quote für alle Gruppen der Leistungsbezieher in etwa deren tatsächliche Abgabenlast wiedergeben muss (BSG, Urt. v. 20. November 1996 – 14 Reg 6/96 = SozR 3-7833 § 6 Nr. 13 ). Vielmehr kann der Gesetzgeber mit der Höhe der Abzugsquote zulässigerweise Steuerungsziele verfolgen (BSG, Urt. 13. Oktober 2005 B 10 EG 4/05 R = SozR 4-7833 § 6 Nr. 13 ). Soweit die Höhe des pauschalen Abzugs dazu führt, dass Ehen günstiger behandelt werden als eheähnliche Gemeinschaften, liegt darin ebenfalls kein Verstoß gegen das Grundgesetz. Art. 6 Abs. 1 GG stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Danach dürfen Ehen zwar prinzipiell nicht schlechter gestellt werden als eheähnliche Gemeinschaften, ohne dass aber eheähnliche Gemeinschaften vom Staat stets in gleicher Weise gefördert werden müssten wie Ehen (BSG, Urt. v. 15. Oktober 1996 – 14 REg 1/96 = SozR 3-7833 § 6 Nr. 12). Aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG kann sich dazu nichts anderes ergeben, weil Art. 6 Abs. 1 GG insoweit die speziellere Regelung darstellt. Die Besserstellung der Ehen steht mit dem besonderen Schutzauftrag des Grundgesetzes im Einklang und ist deswegen eine zulässige Ungleichbehandlung, die im Übrigen nicht nach den Vorschriften des Erziehungsgeldrechts eintritt, sondern allein im Steuerrecht.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Erziehungsgeldes.
Die Klägerin ist die Mutter des 2003 geborenen Kindes L. Mit dem Vater des Kindes, der seiner geschiedenen Frau und zwei aus dieser Ehe stammenden Kindern unterhaltspflichtig ist, lebt sie in eheähnlicher Gemeinschaft. Am 14. Mai 2003 beantragte sie die Gewährung von Erziehungsgeld, budgetiert für ein Jahr. Sie stehe in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis und habe für die Zeit vom 29. Mai 2003 bis 28. Mai 2004 Elternzeit/Erziehungsurlaub vereinbart, werde selbst also keine Einkünfte haben. Ihr Partner bleibe dagegen beschäftigt. Er habe im Jahre 2002 aus abhängiger Beschäftigung Bruttoeinkünfte in Höhe von 43.643,34 Euro gehabt und müsse an seine geschiedene Ehefrau und die Kinder Unterhalt in Höhe von 702,64 Euro monatlich zahlen.
Durch Bescheid vom 16. September 2003 gewährte der Beklagte Erziehungsgeld vom 2. April 2003 bis 1. April 2004, und zwar für die Zeit vom 2. April 2003 bis 1. Mai 2003 in Höhe von 70,00 Euro, vom 2. Mai 2003 bis 1. Juni 2003 in Höhe von 109,00 Euro, vom 2. Juni 2003 bis 1. Oktober 2003 in Höhe von monatlich 460,00 Euro und vom 2. Oktober 2003 bis 1. April 2004 in Höhe von monatlich 35,00 Euro. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass zunächst das bis zum 28. Mai 2003 gezahlte Mutterschaftsgeld angerechnet werde. Ab dem siebten Monat werde das Erziehungsgeld gemindert, da das ermittelte Einkommen die Einkommensgrenze von 16.470,00 Euro übersteige.
Die Klägerin erhob Widerspruch: Zu Unrecht werde das Einkommen ihres Partners nach den für verheiratete Paare geltenden Grundsätzen behandelt, obwohl die für Verheiratete bestehenden Möglichkeiten der Steuerersparnis (Splittingtarif) nicht in Anspruch genommen werden könnten. Das tatsächlich zur Verfügung stehende Nettoeinkommen sei geringer als der von der Beklagten berechnete Betrag. Sie – die Klägerin - werde so gezwungen, Sozialhilfe zu beantragen. Weil sie in einer Teilzeitbeschäftigung stehe, dürfe auch das Mutterschaftsgeld nicht auf das Erziehungsgeld angerechnet werden. Der Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. November 2003). Die Berechnung des Erziehungsgeldes entspreche den gesetzlichen Vorschriften, aus denen sich sowohl die Anrechnung des Mutterschaftsgeldes als auch - ab dem siebten Lebensmonat des Kindes - die Berücksichtigung des voraussichtlichen Einkommens des Vaters ergebe. Für Eltern, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebten, würden dieselben Vorschriften wie für nicht dauernd getrennt lebende Verheiratete gelten. Vom Bruttobetrag des Einkommens seien pauschal 27 vom Hundert sowie Unterhaltsleistungen abzuziehen. Weitergehende Möglichkeiten zur Berücksichtigung des tatsächlichen Nettoeinkommens sehe das Gesetz nicht vor.
Mit der am 20. Dezember 2003 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter. Ein pauschaler Abzug ohne Rücksicht darauf, ob die Eltern verheiratet seien oder nicht, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Der Gesetzgeber dürfe einzelne Personen nicht ohne sachlichen Grund in eine Regelung einbeziehen, wenn die Gruppe der Betroffenen so groß sei, dass der Gesetzgeber sie unter dem Gesichtspunkt einer zulässigen Typisierung nicht vernachlässigen dürfe. Die Gruppe der Nichtverheirateten bzw. Geschiedenen in neuer Partnerschaft gewinne zahlenmäßig zunehmend an Bedeutung. Weil diese Gruppe in die Steuerklasse 1 gehöre und damit ein geringeres Nettoeinkommen als Verheiratete habe, dürfe sie bei der Ermittlung des Erziehungsgeldes nicht den für Verheiratete geltenden Regeln unterworfen werden.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. Mai 2004), nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass die Klage sich nicht gegen die Anrechnung des Mutterschaftsgeldes richte. Zur Begründung hat das Sozialgericht auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ergänzend hat es ausgeführt, das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, dass die Gleichstellung von eheähnlichen Gemeinschaften mit Verheirateten bei der Berechnung des Erziehungsgeldes weder Art. 3 noch Art. 6 des Grundgesetzes (GG) verletze (Hinweis auf Urteil des BSG vom 20. November 1996 - 14 REg 6/96 - ).
Gegen das ihr am 22. Juli 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. August 2004 erhobene Berufung der Klägerin, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen zur Verfassungswidrigkeit der Berechnungsvorschriften wiederholt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2004 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2003 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie ab 2. Oktober 2003 ungemindertes Erziehungsgeld zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ungemindertes Erziehungsgeld ab dem 2. Oktober 2003 (Beginn des 7. Lebensmonats ihres Sohnes L).
Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) verringert sich das Erziehungsgeld vom Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes an, wenn das Einkommen nach § 6 bei Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, 16.470 Euro und bei anderen Berechtigten 13.498 Euro übersteigt. Nach § 5 Abs. 2 Satz 5 BErzGG gelten für Eltern in einer eheähnlichen Gemeinschaft die Vorschriften zur Einkommensgrenze für Verheiratete, die nicht dauernd getrennt leben. Für die in eheähnlicher Gemeinschaft lebende Klägerin gilt danach die Grenze von 16.470 Euro. Eine Erhöhung der Einkommensgrenze nach § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG kommt nicht in Betracht, weil weder an die Klägerin noch an ihren Partner Kindergeld für ein weiteres Kind gezahlt worden ist.
Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 BErzGG ist für die Berechnung des Erziehungsgeldes im ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes das voraussichtliche Einkommen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes maßgebend. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 BErzGG ist das Einkommen der berechtigten Person und, soweit sie in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt, auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen, dabei reicht die formlose Erklärung über die gemeinsame Elternschaft und das Zusammenleben aus. Die Klägerin, die in dem hier streitigen Zeitraum vom 2. Oktober 2003 bis 1. April 2004 keine eigenen Einkünfte zu erwarten hatte, muss sich das Einkommen ihres Partners anrechnen lassen, da sie angegeben hat, dass er Vater des Kindes sei und zusammen mit ihr in einer Wohnung lebe.
Auszugehen ist nach § 6 Abs. 1 BErzGG von der nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten verminderten Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommenssteuergesetzes. Diese sind um 27 vom Hundert zu mindern (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG), abzuziehen sind ferner Unterhaltsleistungen an Kinder, für die die Einkommensgrenze nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG erhöht worden ist, und sonstige Berechtigte (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BErzGG). Der Partner der Klägerin hatte für das Jahr 2003 (Kalenderjahr der Geburt des Kindes) ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erwarten. Da § 6 BErzGG auf Einkünfte im Sinne des Steuerrechts verweist, ist vom Bruttogehalt auszugehen. Der Beklagte hat das zu erwartende Arbeitseinkommen aus den von Januar bis April 2003 bereits angefallenen Bezügen und sonstigen Leistungen hochgerechnet und dazu die vom Arbeitgeber bestätigten Zahlungen für Weihnachts- und Urlaubsgeld aus dem letzten Jahr addiert, woraus sich eine Summe von 44.640,35 Euro ergibt. Ein Abzug für Werbungskosten ist vorzunehmen, weil § 2 Abs. 2 EStG die Einkünfte als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten definiert. Da keine höheren Werbungskosten geltend gemacht worden sind, ist die steuerrechtliche Pauschale von 1.044 Euro maßgebend. Als Summe der Einkünfte ergeben sich dann 43.596,35 Euro. Diese vermindern sich um 27 von Hundert (11.721,06 Euro) sowie um 8.495 Euro Unterhaltsleistungen (tatsächlich erfolgte Zahlungen von Januar bis Mai 2003 sowie ab Juni 2003 702,- Euro entsprechend der vorgelegten anwaltlichen Berechnung), so dass ein Betrag von 23.330,34 Euro verbleibt. Damit überschreitet das Einkommen die Grenze von 16.470 Euro. Nach § 5 Abs. 3 BErzGG verringert sich das Erziehungsgeld von 460 Euro (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG) um 6,2 Prozent des die Grenze überschreitenden Einkommens (23.330,34 Euro – 16.470,00 Euro = 6.860,34 Euro; davon 6,2 Prozent entsprechen 425,34108 Euro), so dass gerundet 35 Euro verbleiben. Eine fehlerhafte Berechnung des Erziehungsgeldes ab dem 2. Oktober 2003 durch den Beklagten ist demnach nicht ersichtlich.
Die Vorschriften über die Berechnung des Erziehungsgeldes an Mütter, die in eheähnlichen Gemeinschaften leben, verstoßen nicht gegen das Grundgesetz. Die geringere steuerliche Belastung verheirateter Paare mit Kind und einem Alleinverdiener gegenüber eheähnlichen Gemeinschaften in vergleichbarer Lebenssituation ist vom Steuerrecht vorgegeben. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt keine unterschiedliche Behandlung verheirateter Paare und eheähnlicher Gemeinschaften im Erziehungsgeldrecht (BSG, Urt. v. 15. Oktober 1996 – 14 REg 1/96 = SozR 3-7833 § 6 Nr 12 ). Im Rahmen des BErzGG liegt nämlich keine wesentliche Ungleichheit vor. Sinn des Erziehungsgeldes ist nicht der Ausgleich einer steuerlichen Belastung. Vielmehr soll der das Kind betreuende Elternteil sozial abgesichert werden (BSG, Urt. v. 10. März 1993 – 14b REg 2/92 = SozR 3-7833 § 5 Nr. 2 -). Die unterhaltsrechtliche Stellung einer nichtehelichen Mutter ist während der ersten Lebensjahre der einer Ehefrau angenähert, weil sie einen Unterhaltsanspruch gegen den Vater hat (§ 1615 l Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Bei Zusammenleben der nicht verheirateten Eltern kann auch davon ausgegangen werden, dass Unterhalt und Unterstützung durch den anderen tatsächlich gewährt werden, wenn ein Elternteil zur Betreuung des Kindes auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet. Deswegen ist die vom Gesetzgeber für eheähnliche Gemeinschaften bestimmte Anrechnung des Partnereinkommens nicht als unzulässige Erweiterung des Anwendungsbereichs einer sachlich nur für Ehen zutreffenden Regelung anzusehen.
Eine Verfassungswidrigkeit der Abzugsregelung ergibt sich nicht daraus, dass die tatsächliche Belastung des Partners der Klägerin mit Abgaben für Steuer- und Sozialversicherung über den in Abzug gebrachten 27 Prozent liegt. Der Gesetzgeber durfte aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung Pauschalregelungen einführen, deren Sinn gerade ist, die tatsächlichen individuellen Verhältnisse außer Betracht zu lassen (BSG, Urt. v. 15. Oktober 1996 – 14 REg 1/96 = SozR 3-7833 § 6 Nr 12; Urt. v. 20. November 1996 – 14 Reg 6/96 = SozR 3-7833 § 6 Nr. 13 - ). Es gibt auch kein verfassungsrechtliches Gebot, dass die gefundene Quote für alle Gruppen der Leistungsbezieher in etwa deren tatsächliche Abgabenlast wiedergeben muss (BSG, Urt. v. 20. November 1996 – 14 Reg 6/96 = SozR 3-7833 § 6 Nr. 13 ). Vielmehr kann der Gesetzgeber mit der Höhe der Abzugsquote zulässigerweise Steuerungsziele verfolgen (BSG, Urt. 13. Oktober 2005 B 10 EG 4/05 R = SozR 4-7833 § 6 Nr. 13 ). Soweit die Höhe des pauschalen Abzugs dazu führt, dass Ehen günstiger behandelt werden als eheähnliche Gemeinschaften, liegt darin ebenfalls kein Verstoß gegen das Grundgesetz. Art. 6 Abs. 1 GG stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Danach dürfen Ehen zwar prinzipiell nicht schlechter gestellt werden als eheähnliche Gemeinschaften, ohne dass aber eheähnliche Gemeinschaften vom Staat stets in gleicher Weise gefördert werden müssten wie Ehen (BSG, Urt. v. 15. Oktober 1996 – 14 REg 1/96 = SozR 3-7833 § 6 Nr. 12). Aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG kann sich dazu nichts anderes ergeben, weil Art. 6 Abs. 1 GG insoweit die speziellere Regelung darstellt. Die Besserstellung der Ehen steht mit dem besonderen Schutzauftrag des Grundgesetzes im Einklang und ist deswegen eine zulässige Ungleichbehandlung, die im Übrigen nicht nach den Vorschriften des Erziehungsgeldrechts eintritt, sondern allein im Steuerrecht.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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