Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 20 SO 86/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 1060/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 20. September 2005 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe für den Besuch eines Berufskollegs zur Erlangung der Fachhochschulreife. Der 1982 geborene Antragsteller ist stark sehbehindert. Seiner Schulpflicht kam er in der Schule für Blinde und Sehbehinderte in K W nach. Er beendete mit Ablauf des Schuljahres 1998/1999 das 10. Schuljahr mit der Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe. Danach nahm er am Berufsvorbereitungsjahr der Stiftung N S teil, einer privaten Bildungsstätte für Blinde und Sehbehinderte, und schloss im Juli 2005 erfolgreich die Berufsausbildung "kaufmännische Bürokommunikation" ab. Am 31. Januar 2005 beantragte er beim Antragsgegner, die Kosten für das einjährige Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife an der N S im Schuljahr 2005/2006 zu übernehmen. Der Antragsgegner erklärte sich für sachlich unzuständig und leitete den Antrag ohne ihn zu bescheiden an das Amt für Ausbildungsförderung weiter. Unter dem 21. Juli 2005 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Potsdam die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Kostenübernahme für den Besuch des Berufkollegs der N im Schuljahr 2005/2006 beantragt. Ohne die Übernahme der behinderungsbedingten Zusatzkosten des Berufskollegs durch den Antragsgegner versäume er den Schuljahresbeginn im September 2005, wodurch sich seine Ausbildung um mindestens ein Jahr verzögern würde. Auf Anforderung des Gerichts hat der Antragsteller eine Kopie der Vergütungsvereinbarung zwischen dem L W-H und der Stiftung N S übersandt, derzufolge das Heimentgelt für externe Schüler ab dem 1. April 2004 monatlich 457,64 EUR beträgt. Ferner hat der Antragsteller eine Stellungnahme der Stiftung N vom 26. August 2005 eingereicht, wonach der Unterricht dort in kleinen Klassenverbünden stattfinde, weshalb ein höherer Raumbedarf als in der Regelschule entstehe. Zu den besonderen Lernmaterialien und Hilfsmitteln der Schule gehörten Bildschirmlesegeräte, PC mit Braillezeile und/oder Sprachausgabe und Punkschriftdrucker, PC mit spezieller Vergrößerungssoftware und den zugehörigen Lizenzen, eine besondere Beleuchtung der Klassenräume, eine individuelle Arbeitsplatzbeleuchtung und aufbereitete Materialien für den naturwissenschaftlichen Unterricht und den Mathematikunterricht. Weitere Kosten der Einrichtung seien Personalkosten für den sozialpädagogischen Dienst, den psychologischen Dienst, Orthoptistin, Sozialdienst, Rehalehrer, Hausmeister, Sekretärin, Küchen- und Reinigungspersonal sowie für Strom, Wasser, Renovierung und Instandhaltung. Der Antragsteller hat ferner eine Erklärung der N vom 14. September 2005 eingereicht, in der diese versichert, dass die vereinbarte Pauschale ausschließlich zur Beschaffung und zum Unterhalt von sehbehinderten- und blindenspezifischen Lernmaterialien und Hilfsmitteln sowie für die Schulgebäude und deren räumliche Ausstattung verwendet werde. Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm die Kosten für eine Ausbildung am Berufskolleg N S im Rahmen der Eingliederungshilfe gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren für das Schuljahr 2005/2006 ab September 2005 zu zahlen. Der Antraggegner hat erstinstanzlich beantragt, den Antrag abzulehnen. Der Antragsteller habe bereits eine angemessene Schul- und Berufsausbildung. Die Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt sei nicht Aufgabe der Eingliederungshilfe. Der Antragsteller hätte BAföG-Leistungen beantragen müssen. Das Sozialgericht Potsdam hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 20. September 2005 verpflichtet, im Rahmen der Eingliederungshilfe vorläufig die behinderungsbedingten Zusatzkosten für das Berufskolleg Fachhochschulreife der Stiftung N S im Schuljahr 2005/2006 in Höhe von monatlich 457,64 EUR zu übernehmen. Der Antragsgegner hat dagegen Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Für eine vollstationäre Unterbringung bestehe kein Bedarf. Internatskosten seien Kosten der Unterkunft und damit über BAföG-Leistungen abzudecken. Da sich der Antragsteller seit Juli 1999, dem Beginn des kaufmännischen Grundlehrgangs, und nunmehr auch nach Beendigung seiner Lehrausbildung ununterbrochen in S aufhalte, sei davon auszugehen, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt zwischenzeitlich in S begründet habe. Für eine Hilfegewährung wäre daher nicht der Antragsgegner örtlich zuständig, sondern der Sozialhilfeträger, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhalte. Selbst wenn der Antragsgegner für das Antragsverfahren noch örtlich zuständig gewesen sein sollte, habe jedoch mit Aufnahme der Ausbildung am 27. September 2005 ein Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit stattgefunden. Im Übrigen sei der rechtliche Charakter der Maßnahme unklar. Der Antragsteller habe noch immer keinen Schulvertrag vorgelegt. Auch die Höhe der behinderungsbedingten Kosten sei unklar. Die vom Antragsteller vorgelegte Stellungnahme der N weise auch nicht mit der Behinderung in Zusammenhang stehende Kosten aus, wie z. B. Personalkosten für Hausmeister, Sekretärin, Küche- und Reinigungspersonal, sowie Kosten für Strom, Wasser etc. Der Antragsgegner hat ferner einen bei seinem Amt für Ausbildungsförderung eingereichten Antrag des Antragstellers vom 2. April 2005 vorgelegt. In der diesem Antrag beigefügten Bescheinigung der Ausbildungsstätte N vom 25. September 2005 heißt es unter Randziffer 24 "Tagesschüler (keine Unterkunft im Heim)." Mit Schreiben vom 17. November 2005 leitete der Antragsgegner den Antrag auf Kostenübernahme für das einjährige Berufskolleg an die Beigeladene weiter und machte dieser gegenüber einen Kostenerstattungsanspruch nach § 102 SGB X für die im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bereits geleisteten Zahlungen geltend. Der Antragsgegner beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 20. September 2005 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 22. Juli 2005 zurückzuweisen. Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Er sei erst nach dem stattgebenden erstinstanzlichen Beschluss zur Aufnahme der Ausbildung nach S gezogen. In der Zwischenzeit habe er wie auch bereits vor Beginn der Ausbildung bei seinen Eltern im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners gewohnt. Er habe von der Stiftung N privat eine Wohnung angemietet. Eine Internatsunterbringung nehme er nicht in Anspruch. Bei den in Bezug genommenen Ausführungen der N vom 26. August 2005 handele es sich um den Versuch des Antragstellers, die Entstehung der Kosten für eine speziell vorgehaltene behinderungsgerechte Schulinfrastruktur transparent zu machen. Es sei nicht Aufgabe des Antragstellers die Verwendung der Eingliederungshilfe durch den Leistungsträger darzustellen. Eine kostengünstigere Alternative für die sehbehindertengerechte Möglichkeit zur Erlangung eines Fachabiturs habe auch der Antragsgegner nicht aufgezeigt. Die Übernahme der für das Berufskolleg der N anfallenden Kosten sei daher notwendig. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auffassung, dass es sich bei der dem Antragsteller gewährten Leistung um eine stationäre Leistung handele, für die der Antragsgegner zuständiger Leistungsträger sei. Die N biete nach ihrer Selbstdarstellung umfassende Betreuungsleistungen an, denen sich der Antragsteller, auch wenn er dort nur eine Wohnung angemietet habe, nicht entziehen könne. Allenfalls sei eine Leistung nach § 98 Abs. 5 SGB XII anzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht Potsdam hat den Antragsgegner im Ergebnis zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig im Schuljahr 2005/2006 die Kosten für das Berufskolleg in Höhe von monatlich 457,64 EUR zu übernehmen. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO –). Der Antragsteller hat einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf die vorläufige Übernahme der behinderungsbedingten Zusatzkosten seiner Ausbildung am Berufskolleg im Rahmen der Eingliederungshilfe hinreichend glaubhaft gemacht. Der Anspruch auf vorläufige Leistungen durch den Antragsgegner findet seine Grundlage in § 43 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -. Danach hat in den Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der zuerst angegangene Leistungsträger die Leistungen zu erbringen, wenn dies der Berechtigte beantragt. § 43 Abs. 1 SGB I gilt auch, wenn ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht und zwischen mehreren Trägern der Sozialhilfe streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist (BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 – 5 C 14/87 –, zitiert nach JURIS). Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 SGB I sind glaubhaft gemacht. Einerseits besteht zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen als Sozialhilfeträgern Streit über die Zuständigkeit. Andererseits ist ein materieller Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Leistung glaubhaft gemacht. Ein Anspruch des Antragstellers folgt aus §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – i. V. m. § 12 Eingliederungshilfeverordnung – EinglhVO –. Danach sind Leistungen der Eingliederungshilfe auch Hilfen zum Besuch einer Realschule, eines Gymnasiums, einer Fachoberschule oder einer gleichgestellten Ausbildungsstätte (§ 12 Nr. 3 EinglhVO). Die Hilfe wird nur gewährt, wenn nach den Fähigkeiten und den Leistungen des behinderten Menschen zu erwarten ist, dass er das Bildungsziel erreichen wird (§ 12 Nr. 3 2. Halbsatz EinglhVO). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Antragssteller gehört unstreitig aufgrund seiner Sehbehinderung zu dem nach den §§ 53, 54 SGB XII anspruchsberechtigten Personenkreis. Der Erwerb der Fachhochschulreife, dem der Besuch des einjährigen Berufskollegs dient, erscheint auch nach dem bisherigen Bildungsgang des Antragstellers als angemessen. Mit der Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe im Abschlusszeugnis der Förderschule für Sehgeschädigte K W ist die Erwartung begründet, dass der Antragsteller das Bildungsziel der Fachhochschulreife erreichen wird. Die Höhe der behinderungsbedingten Zusatzkosten sind auch in dem im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erforderlichen Umfang hinreichend glaubhaft gemacht worden. Nach den aktenkundigen Bescheinigungen und Erklärungen des Schulträgers nimmt der Antragsteller die Ausbildung als Tagesschüler in Anspruch, eine Unterkunft in dem angeschlossenen Internat findet nicht statt. Anhaltspunkte für die Inanspruchnahme ambulanter Betreuungsleistungen in der in den Räumen der N angemieteten Wohnung durch den Antragsteller sind nicht ersichtlich. Darauf, dass die N für ihre in Wohngemeinschaften untergebrachten Internatsschüler weitergehende Betreuungsleistungen anbietet, kommt es daher nicht an. Dass der Antragsteller diese Betreuungsangebote nicht in Anspruch nimmt, erhellt bereits der Umstand, dass er für die von ihm angemietete Wohnung einen Mietzins von 200 Euro monatlich entrichtet, während die Kosten für die – von ihm ursprünglich angestrebte – internatsmäßige Unterbringung in der N mit 90,46 Euro täglich beziffert wurden (BAföG-Antrag, GA Bl. 65R). Die dem Antragsteller in Rechnung gestellten Kosten werden nach Darstellung des Einrichtungsträgers ausschließlich zur Beschaffung und zum Unterhalt von sehbehinderten- und blindenspezifischen Lernmaterialien und Hilfsmitteln verwandt (Erklärung der N vom 14. September 2005). Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei um Kosten handelt, die von Leistungen nach dem BAföG gedeckt werden könnten, oder dass mit diesen Kosten weitere Betreuungsleistungen abgegolten werden, sind nicht erkennbar. Der Antragsgegner ist allerdings zur Leistung dieser Eingliederungshilfe nicht schon nach § 98 SGB XII verpflichtet. Eine örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII scheitert bereits daran, dass es sich bei der vom Antragsteller beanspruchten Eingliederungshilfe nicht um Leistungen in einer stationären Einrichtung handelt. Der Antragsteller nimmt vielmehr, wie ausgeführt, durch den Besuch des Berufskollegs der N als (externer) Tagesschüler lediglich ambulante Hilfen in Anspruch. Für die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers kommt es vielmehr gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII auf den tatsächlichen Aufenthaltsort des Antragstellers an. Der Antragsgegner war aber auch nicht etwa ursprünglich – mit der Folge seiner vorläufigen Leistungspflicht nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X – gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII örtlich zuständig als der Sozialhilfeträger, in dessen Bereich sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung des Sozialgerichts Potsdam tatsächlich aufgehalten hat. Denn aus dem Grundgedanken des § 98 Abs. 1 SGB XII, dass der ortsnahe Hilfeträger am effektivsten in der Lage ist, eine gegenwärtige, akute Notlage zu beseitigen, folgt, dass ein Leistungsträger für einen zukünftigen Bedarf nicht zuständig ist. Der sozialhilferechtliche Bedarf des Antragstellers entstand aber erst mit Aufnahme der Ausbildung am Berufskolleg der N in S und somit erst in dem Zeitpunkt, in dem er seinen tatsächlichen Aufenthalt nach Stuttgart und damit in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen verlegt hat (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 15. Juni 2005 – L 4 B 154/05 ER SO –, zitiert nach JURIS). Da die Beigeladene ihre örtliche Zuständigkeit bestreitet, ist der Antragsgegner aber als der zuerst angegangene Leistungsträger gemäß § 43 Abs. 1 SGB I auf den Antrag des Antragstellers zur vorläufigen Leistung verpflichtet und muss darauf verwiesen werden, von der Beigeladenen gemäß § 102 SGB XII Erstattung zu verlangen. Einen Anordnungsgrund hat der Antragsteller aus den vom Sozialgericht dargelegten Gründen, denen sich der Senat anschließt, hinreichend glaubhaft gemacht. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe für den Besuch eines Berufskollegs zur Erlangung der Fachhochschulreife. Der 1982 geborene Antragsteller ist stark sehbehindert. Seiner Schulpflicht kam er in der Schule für Blinde und Sehbehinderte in K W nach. Er beendete mit Ablauf des Schuljahres 1998/1999 das 10. Schuljahr mit der Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe. Danach nahm er am Berufsvorbereitungsjahr der Stiftung N S teil, einer privaten Bildungsstätte für Blinde und Sehbehinderte, und schloss im Juli 2005 erfolgreich die Berufsausbildung "kaufmännische Bürokommunikation" ab. Am 31. Januar 2005 beantragte er beim Antragsgegner, die Kosten für das einjährige Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife an der N S im Schuljahr 2005/2006 zu übernehmen. Der Antragsgegner erklärte sich für sachlich unzuständig und leitete den Antrag ohne ihn zu bescheiden an das Amt für Ausbildungsförderung weiter. Unter dem 21. Juli 2005 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Potsdam die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Kostenübernahme für den Besuch des Berufkollegs der N im Schuljahr 2005/2006 beantragt. Ohne die Übernahme der behinderungsbedingten Zusatzkosten des Berufskollegs durch den Antragsgegner versäume er den Schuljahresbeginn im September 2005, wodurch sich seine Ausbildung um mindestens ein Jahr verzögern würde. Auf Anforderung des Gerichts hat der Antragsteller eine Kopie der Vergütungsvereinbarung zwischen dem L W-H und der Stiftung N S übersandt, derzufolge das Heimentgelt für externe Schüler ab dem 1. April 2004 monatlich 457,64 EUR beträgt. Ferner hat der Antragsteller eine Stellungnahme der Stiftung N vom 26. August 2005 eingereicht, wonach der Unterricht dort in kleinen Klassenverbünden stattfinde, weshalb ein höherer Raumbedarf als in der Regelschule entstehe. Zu den besonderen Lernmaterialien und Hilfsmitteln der Schule gehörten Bildschirmlesegeräte, PC mit Braillezeile und/oder Sprachausgabe und Punkschriftdrucker, PC mit spezieller Vergrößerungssoftware und den zugehörigen Lizenzen, eine besondere Beleuchtung der Klassenräume, eine individuelle Arbeitsplatzbeleuchtung und aufbereitete Materialien für den naturwissenschaftlichen Unterricht und den Mathematikunterricht. Weitere Kosten der Einrichtung seien Personalkosten für den sozialpädagogischen Dienst, den psychologischen Dienst, Orthoptistin, Sozialdienst, Rehalehrer, Hausmeister, Sekretärin, Küchen- und Reinigungspersonal sowie für Strom, Wasser, Renovierung und Instandhaltung. Der Antragsteller hat ferner eine Erklärung der N vom 14. September 2005 eingereicht, in der diese versichert, dass die vereinbarte Pauschale ausschließlich zur Beschaffung und zum Unterhalt von sehbehinderten- und blindenspezifischen Lernmaterialien und Hilfsmitteln sowie für die Schulgebäude und deren räumliche Ausstattung verwendet werde. Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm die Kosten für eine Ausbildung am Berufskolleg N S im Rahmen der Eingliederungshilfe gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren für das Schuljahr 2005/2006 ab September 2005 zu zahlen. Der Antraggegner hat erstinstanzlich beantragt, den Antrag abzulehnen. Der Antragsteller habe bereits eine angemessene Schul- und Berufsausbildung. Die Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt sei nicht Aufgabe der Eingliederungshilfe. Der Antragsteller hätte BAföG-Leistungen beantragen müssen. Das Sozialgericht Potsdam hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 20. September 2005 verpflichtet, im Rahmen der Eingliederungshilfe vorläufig die behinderungsbedingten Zusatzkosten für das Berufskolleg Fachhochschulreife der Stiftung N S im Schuljahr 2005/2006 in Höhe von monatlich 457,64 EUR zu übernehmen. Der Antragsgegner hat dagegen Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Für eine vollstationäre Unterbringung bestehe kein Bedarf. Internatskosten seien Kosten der Unterkunft und damit über BAföG-Leistungen abzudecken. Da sich der Antragsteller seit Juli 1999, dem Beginn des kaufmännischen Grundlehrgangs, und nunmehr auch nach Beendigung seiner Lehrausbildung ununterbrochen in S aufhalte, sei davon auszugehen, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt zwischenzeitlich in S begründet habe. Für eine Hilfegewährung wäre daher nicht der Antragsgegner örtlich zuständig, sondern der Sozialhilfeträger, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhalte. Selbst wenn der Antragsgegner für das Antragsverfahren noch örtlich zuständig gewesen sein sollte, habe jedoch mit Aufnahme der Ausbildung am 27. September 2005 ein Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit stattgefunden. Im Übrigen sei der rechtliche Charakter der Maßnahme unklar. Der Antragsteller habe noch immer keinen Schulvertrag vorgelegt. Auch die Höhe der behinderungsbedingten Kosten sei unklar. Die vom Antragsteller vorgelegte Stellungnahme der N weise auch nicht mit der Behinderung in Zusammenhang stehende Kosten aus, wie z. B. Personalkosten für Hausmeister, Sekretärin, Küche- und Reinigungspersonal, sowie Kosten für Strom, Wasser etc. Der Antragsgegner hat ferner einen bei seinem Amt für Ausbildungsförderung eingereichten Antrag des Antragstellers vom 2. April 2005 vorgelegt. In der diesem Antrag beigefügten Bescheinigung der Ausbildungsstätte N vom 25. September 2005 heißt es unter Randziffer 24 "Tagesschüler (keine Unterkunft im Heim)." Mit Schreiben vom 17. November 2005 leitete der Antragsgegner den Antrag auf Kostenübernahme für das einjährige Berufskolleg an die Beigeladene weiter und machte dieser gegenüber einen Kostenerstattungsanspruch nach § 102 SGB X für die im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bereits geleisteten Zahlungen geltend. Der Antragsgegner beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 20. September 2005 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 22. Juli 2005 zurückzuweisen. Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Er sei erst nach dem stattgebenden erstinstanzlichen Beschluss zur Aufnahme der Ausbildung nach S gezogen. In der Zwischenzeit habe er wie auch bereits vor Beginn der Ausbildung bei seinen Eltern im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners gewohnt. Er habe von der Stiftung N privat eine Wohnung angemietet. Eine Internatsunterbringung nehme er nicht in Anspruch. Bei den in Bezug genommenen Ausführungen der N vom 26. August 2005 handele es sich um den Versuch des Antragstellers, die Entstehung der Kosten für eine speziell vorgehaltene behinderungsgerechte Schulinfrastruktur transparent zu machen. Es sei nicht Aufgabe des Antragstellers die Verwendung der Eingliederungshilfe durch den Leistungsträger darzustellen. Eine kostengünstigere Alternative für die sehbehindertengerechte Möglichkeit zur Erlangung eines Fachabiturs habe auch der Antragsgegner nicht aufgezeigt. Die Übernahme der für das Berufskolleg der N anfallenden Kosten sei daher notwendig. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auffassung, dass es sich bei der dem Antragsteller gewährten Leistung um eine stationäre Leistung handele, für die der Antragsgegner zuständiger Leistungsträger sei. Die N biete nach ihrer Selbstdarstellung umfassende Betreuungsleistungen an, denen sich der Antragsteller, auch wenn er dort nur eine Wohnung angemietet habe, nicht entziehen könne. Allenfalls sei eine Leistung nach § 98 Abs. 5 SGB XII anzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht Potsdam hat den Antragsgegner im Ergebnis zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig im Schuljahr 2005/2006 die Kosten für das Berufskolleg in Höhe von monatlich 457,64 EUR zu übernehmen. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO –). Der Antragsteller hat einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf die vorläufige Übernahme der behinderungsbedingten Zusatzkosten seiner Ausbildung am Berufskolleg im Rahmen der Eingliederungshilfe hinreichend glaubhaft gemacht. Der Anspruch auf vorläufige Leistungen durch den Antragsgegner findet seine Grundlage in § 43 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -. Danach hat in den Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der zuerst angegangene Leistungsträger die Leistungen zu erbringen, wenn dies der Berechtigte beantragt. § 43 Abs. 1 SGB I gilt auch, wenn ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht und zwischen mehreren Trägern der Sozialhilfe streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist (BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 – 5 C 14/87 –, zitiert nach JURIS). Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 SGB I sind glaubhaft gemacht. Einerseits besteht zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen als Sozialhilfeträgern Streit über die Zuständigkeit. Andererseits ist ein materieller Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Leistung glaubhaft gemacht. Ein Anspruch des Antragstellers folgt aus §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – i. V. m. § 12 Eingliederungshilfeverordnung – EinglhVO –. Danach sind Leistungen der Eingliederungshilfe auch Hilfen zum Besuch einer Realschule, eines Gymnasiums, einer Fachoberschule oder einer gleichgestellten Ausbildungsstätte (§ 12 Nr. 3 EinglhVO). Die Hilfe wird nur gewährt, wenn nach den Fähigkeiten und den Leistungen des behinderten Menschen zu erwarten ist, dass er das Bildungsziel erreichen wird (§ 12 Nr. 3 2. Halbsatz EinglhVO). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Antragssteller gehört unstreitig aufgrund seiner Sehbehinderung zu dem nach den §§ 53, 54 SGB XII anspruchsberechtigten Personenkreis. Der Erwerb der Fachhochschulreife, dem der Besuch des einjährigen Berufskollegs dient, erscheint auch nach dem bisherigen Bildungsgang des Antragstellers als angemessen. Mit der Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe im Abschlusszeugnis der Förderschule für Sehgeschädigte K W ist die Erwartung begründet, dass der Antragsteller das Bildungsziel der Fachhochschulreife erreichen wird. Die Höhe der behinderungsbedingten Zusatzkosten sind auch in dem im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erforderlichen Umfang hinreichend glaubhaft gemacht worden. Nach den aktenkundigen Bescheinigungen und Erklärungen des Schulträgers nimmt der Antragsteller die Ausbildung als Tagesschüler in Anspruch, eine Unterkunft in dem angeschlossenen Internat findet nicht statt. Anhaltspunkte für die Inanspruchnahme ambulanter Betreuungsleistungen in der in den Räumen der N angemieteten Wohnung durch den Antragsteller sind nicht ersichtlich. Darauf, dass die N für ihre in Wohngemeinschaften untergebrachten Internatsschüler weitergehende Betreuungsleistungen anbietet, kommt es daher nicht an. Dass der Antragsteller diese Betreuungsangebote nicht in Anspruch nimmt, erhellt bereits der Umstand, dass er für die von ihm angemietete Wohnung einen Mietzins von 200 Euro monatlich entrichtet, während die Kosten für die – von ihm ursprünglich angestrebte – internatsmäßige Unterbringung in der N mit 90,46 Euro täglich beziffert wurden (BAföG-Antrag, GA Bl. 65R). Die dem Antragsteller in Rechnung gestellten Kosten werden nach Darstellung des Einrichtungsträgers ausschließlich zur Beschaffung und zum Unterhalt von sehbehinderten- und blindenspezifischen Lernmaterialien und Hilfsmitteln verwandt (Erklärung der N vom 14. September 2005). Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei um Kosten handelt, die von Leistungen nach dem BAföG gedeckt werden könnten, oder dass mit diesen Kosten weitere Betreuungsleistungen abgegolten werden, sind nicht erkennbar. Der Antragsgegner ist allerdings zur Leistung dieser Eingliederungshilfe nicht schon nach § 98 SGB XII verpflichtet. Eine örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII scheitert bereits daran, dass es sich bei der vom Antragsteller beanspruchten Eingliederungshilfe nicht um Leistungen in einer stationären Einrichtung handelt. Der Antragsteller nimmt vielmehr, wie ausgeführt, durch den Besuch des Berufskollegs der N als (externer) Tagesschüler lediglich ambulante Hilfen in Anspruch. Für die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers kommt es vielmehr gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII auf den tatsächlichen Aufenthaltsort des Antragstellers an. Der Antragsgegner war aber auch nicht etwa ursprünglich – mit der Folge seiner vorläufigen Leistungspflicht nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X – gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII örtlich zuständig als der Sozialhilfeträger, in dessen Bereich sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung des Sozialgerichts Potsdam tatsächlich aufgehalten hat. Denn aus dem Grundgedanken des § 98 Abs. 1 SGB XII, dass der ortsnahe Hilfeträger am effektivsten in der Lage ist, eine gegenwärtige, akute Notlage zu beseitigen, folgt, dass ein Leistungsträger für einen zukünftigen Bedarf nicht zuständig ist. Der sozialhilferechtliche Bedarf des Antragstellers entstand aber erst mit Aufnahme der Ausbildung am Berufskolleg der N in S und somit erst in dem Zeitpunkt, in dem er seinen tatsächlichen Aufenthalt nach Stuttgart und damit in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen verlegt hat (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 15. Juni 2005 – L 4 B 154/05 ER SO –, zitiert nach JURIS). Da die Beigeladene ihre örtliche Zuständigkeit bestreitet, ist der Antragsgegner aber als der zuerst angegangene Leistungsträger gemäß § 43 Abs. 1 SGB I auf den Antrag des Antragstellers zur vorläufigen Leistung verpflichtet und muss darauf verwiesen werden, von der Beigeladenen gemäß § 102 SGB XII Erstattung zu verlangen. Einen Anordnungsgrund hat der Antragsteller aus den vom Sozialgericht dargelegten Gründen, denen sich der Senat anschließt, hinreichend glaubhaft gemacht. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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