Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 49 SO 4214/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 1097/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
:
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2005 aufgehoben. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für drei Monate, längstens bis zum Abschluss eines Widerspruchsverfahrens zu gewähren. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt CZ, K D /, B gewährt. Der Antragsgegner hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das sozialgerichtliche und für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller sind Staatsangehörige der Russischen Förderation. Der Antragsteller zu 1) ist der Vater, die Antragstellerin zu 2) die Mutter und der Antragsteller zu 3) der Bruder des am 19. April 1991 geborenen A V. Dieser erlitt am 14. April 2005 in Berlin einen Herzanfall und wurde danach im D H B behandelt (zeitweise Implantation eines Kunstherzens). Um den Behandlungserfolg nicht zu gefährden, ist eine weitere engmaschige kardiologische Überwachung im D H erforderlich. Das D H B hielt am 30. Sepember 2005 einen Aufenthalt der Familie für weitere sechs Monate für erforderlich (Bl. 59 der Gerichtsakte - GA - ).
Der Antragsteller zu 1) reiste am 15. April 2005 mit einem am 14. März 2005 ausgestellten Visum nach Berlin ein, die Antragsteller zu 2) und 3) reisten am 12. Juni 2005 nach Berlin.
Die Antragsteller zu 1) und der Sohn A verfügen über einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG -, die Antragsteller zu 2) und 3) über eine Duldung nach § 60 a AufenthG. Nachdem sie zunächst bei einem Bekannten Unterkunft gefunden hatten, halten sie sich nunmehr im R-Haus B, straße in B auf, einer Einrichtung der M Kinderhilfe. Dort werden sie auch verpflegt.
Mit Erklärung vom 03. März 2005 verpflichtete sich ein Herr W für den Antragsteller zu 1) ab dessen Einreise für drei Monate die Kosten für den Lebensunterhalt und die Kosten für die Ausreise zu tragen. Im Juli 2005 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner, Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG -. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf des Antragsgegners verwies die Antragsteller an das Bezirksamt Mitte. Dieses verwies die Antragsteller wieder zurück an das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, ohne über den Antrag zu entscheiden.
Am 01. August 2005 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII -, hilfsweise Leistungen nach dem AsylbLG zu gewähren, insbesondere ihnen eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen.
Der Antragsgegner hat vor dem Sozialgericht unter Befügung von Stellungnahmen seiner Leistungsstelle geltend gemacht, es habe nicht geprüft werden können, nach welchen Leistungsgesetzen Ansprüche bestehen könnten. Weiter sei nicht überprüfbar gewesen, ob Dritte den Unterhalt sicherstellten. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin zu 2) nicht doch erwerbstätig sein könne. Zudem seien die tatsächlichen Verhältnisse der Antragsteller ungeklärt, so z.B. unter welchen Umständen sich die Familie (damals noch) in der Wollankstrasse aufgehalten habe. Die Antragsteller seien zunächst auf die Inanspruchnahme der abgegebenen Verpflichtungserklärung zu verweisen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 26. Oktober 2005 den Antrag mit der Begründung abgewiesen, die Antragsteller hätten wegen des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII. Ein Anordnungsanspruch hinsichtlich Leistungen nach dem AsylbLG sei nicht glaubhaft gemacht worden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sei Einkommen und Vermögen von den Leistungsberechtigten und den Familienangehörigen einzusetzen und die Antragsteller hätten nicht glaubhaft gemacht, dass Herr Wseinen Verpflichtungen aus der Erklärung vom 03. März 2005 nicht nachkomme und sie mittellos seien. Gegen den am 31. Oktober 2005 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 18. November 2005 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 07. Dezember 2005).
Die Antragsteller machen geltend, die vorgelegte Verpflichtungserklärung sei bis zum 17. Juli 2005 befristet gewesen sei. Die Beantragung von Sozialleistungen sei erst nach diesem Zeitpunkt erfolgt. Zudem sei die Verpflichtungserklärung allein für den Antragsteller zu 1) abgegeben worden. Sie seien mittellos. Das Ausländeramt verweigere die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen mit der Begründung, der Lebensunterhalt sei nicht gesichert. Die Unterkunft im RH stünde nicht dauerhaft zur Verfügung, sie sei nur für absolute Notlagen gedacht. Aufgrund der gesundheitlichen Situation des Sohnes der Antragsteller zu 1) und 2) sei ein längerer Aufenthalt zu erwarten.
Die Antragsteller zu 1) und 2) haben eidesstattliche Versicherung vom 09. Dezember 2005 zu ihrer wirtschaftlichen Situation zur Gerichtsakte gereicht, wegen deren Inhalts auf Blatt 84a, 85 der Gerichtsakte verwiesen wird.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2005 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, hilfsweise nach dem AsylbLG zu gewähren, insbesondere ihnen eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen.
Sie beantragen weiter,
ihnen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die Gerichtsakte und auf die im sozialgerichtlichen Verfahren beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat den von den Antragstellern gestellten Hilfeantrag zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Der Senat musste sich angesichts der von den Antragstellern vorgetragenen Mittellosigkeit und drohenden Obdachlosigkeit mit einer eingeschränkten Sachverhaltsermittlung begnügen. Insbesondere konnte der Eingang der angeforderten Verwaltungsvorgänge der Ausländerbehörde nicht abgewartet werden. Nach den sich aus den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners und der Gerichtsakte ergebenden Tatsachen haben die Antragsteller zur Überzeugung des Senats einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG glaubhaft gemacht.
Nach § 1 AsylbLG sind leistungsberechtigt Ausländer, die sich - wie die Antragsteller - im Bundesgebiet aufhalten und die über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG oder eine Duldung nach § 60 a AufenthG verfügen. Die Antragsteller zu 2) und 3) verfügen nach den Feststellungen des Antragsgegners über Duldungen nach § 60 a AufenthG; der Antragsgegner hat nicht geltend gemacht, dass die bis Ende November 2005 befristeten Duldungen nicht weiter verlängert worden sind.
Angesichts des Gesundheitszustandes des Sohnes Ader Antragstellerin und der Bescheinigung des D H vom 30. September 2005 (Bl. 59 der Gerichtsakte) dürfte ein Anspruch auf eine weitere Duldung bestehen. Dies gilt auch für die dem Antragsteller zu 1) erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Dass die Antragsteller dem Grunde nach Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG sind, hat der Antragsgegner auch nicht in Abrede gestellt. In einem dem Sozialgericht vorgelegten Vermerk der Leistungsstelle des Antragsgegners vom 31. August 2005 (Bl. 49 a der Gerichtsakte) wird die grundsätzliche Leistungsberechtigung der Antragsteller bestätigt.
Die Antragsteller haben auch glaubhaft gemacht, dass kein Einkommen oder Vermögen zur Verfügung steht, welches vor Eintritt von Leistungen nach dem AsylbLG aufzubrauchen wäre (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG). Sie haben dies nicht nur glaubhaft vorgetragen, sondern auch mit den abgegebenen Versicherungen an Eides Statt vom 9. Dezember 2005, die als Mittel der Glaubhaftmachung nach § 202 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung zulässig sind belegt. Die Antragsteller zu 1) und 2) versichern darin, dass weder ihnen, noch ihrem Sohn, dem Antragsteller zu 3) Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen. Soweit das Sozialgericht mit dem Antragsgegner eine Bedürftigkeit der Antragsteller mit der Begründung abgelehnt hat, aufgrund der Erklärung des HerrnW vom 03. März 2005 bestünde keine Bedürftigkeit und es sei eine Mittellosigkeit nicht glaubhaft gemacht worden, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen war die Verpflichtungserklärung für drei Monate ab Einreise des Antragstellers zu 1), also ab 15. April 2005, befristet, so dass sie ab 16. Juli 2005 nicht mehr in Anspruch genommen werden konnte. Zum anderen ergeben sich aus dieser Verpflichtungserklärung, worauf die Antragsteller zu Recht hinweisen, keine Verpflichtungen zugunsten der Antragsteller zu 2) und 3).
Auch stand und steht den Antragstellern keine dauerhafte Unterkunft zur Verfügung, die sie verlässlich nutzen können. Sie waren und sind noch im R-H B untergebracht. Aus dem mit den Versicherungen an Eides Statt glaubhaft gemachten Vortrag der Antragsteller ergibt sich aber, dass es sich bei dem R-H um eine reine Notunterkunft handelt, die nur übergangsweise (für 14 Tage) zur Verfügung steht. Dass die Antragsteller in der Vergangenheit dort über einen längeren Zeitraum wohnen konnten und auch verpflegt worden sind, ändert daran nichts und führt nicht dazu, dass sie auf diese Unterkunft im Rahmen der Ansprüche nach dem AsyblG verwiesen werden können.
Auch eine gelegentliche Übernachtung bei Bekannten zur Vermeidung von Obdachlosigkeit und Versorgung durch Bekannte ändert an der grundsätzlichen Bedarfslage nichts. Der Senat hatte dies lediglich in der Weise zu berücksichtigen, dass keine Leistungsverpflichtung des Antragsgegners für die Vergangenheit auszusprechen war, weil der Bedarf durch Andere gedeckt worden ist.
Durch die Versicherungen an Eides Statt haben die Antragsteller auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Auf ihre derzeitige Unterkunft mit Verpflegung haben die Antragsteller gegenüber der M` Kinderhilfe keinen Anspruch, sie steht ihnen nicht sicher für eine 14 Tage überschreitende Dauer zur Verfügung; die Versorgung der Antragsteller mit einer Unterkunft und Verpflegung ist damit gefährdet. Ihnen stehen keine Mittel zur Verfügung, mit denen sie ihren Lebensunterhalt decken können, so dass sie bedürftig sind. Damit drohen den Antragstellern durch ein Abwarten der Entscheidung des Antragsgegners über ihren Leistungsantrag erhebliche Nachteile, die durch den Erlass der Anordnung in dem tenorierten Umfang abzuwenden waren. Nach § 3 Abs. 1 AsylbLG umfassen die Leistungen nach dem AsylbLG auch die notwendige Unterkunft und die Verpflegung, so dass hierüber nicht gesondert zu entscheiden war.
Da die Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren erfolgreich war und kein einsetzbares Einkommen oder Vermögen bei den Antragstellern vorhanden ist, war ihnen auch nach § 73 a SGG Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung. Der Antragsgegner hat, was bei der Entscheidung über die Verteilung der Kosten zu berücksichtigen ist, zu dem Verfahren Anlass gegeben, weil er den für eine Prüfung eines Leistungsanspruchs nach dem AsylbLG klärungsbedürftigen Sachverhalt nicht in der erforderlichen Weise entsprechend § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - von Amts wegen aufgeklärt hat. Er hat sich auf den Verweis der Antragsteller auf vermeintliche Rechte aus der befristeten Verpflichtungserklärung beschränkt und weiter die Antragsteller nicht beschieden, obwohl erkannt worden ist, dass die Antragsteller dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sind.
Soweit aus Vermerken der Leistungsstelle des Antragsgegners hervorgeht, dass Entscheidungen der Ausländerbehörde zur Erteilung der Duldungen für die Antragsteller zu 2) und 3) nicht nachvollzogen werden konnten, kam es darauf nicht an, weil die Antragsteller nach den Entscheidungen der Ausländerbehörde jedenfalls zum Personenkreis des § 1 AsylbLG gehören. Nach allem erscheint es daher angemessen, dass der Antragsgegner auch die den Antragstellern für das sozialgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten erstattet.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
Gründe:
I.
Die Antragsteller sind Staatsangehörige der Russischen Förderation. Der Antragsteller zu 1) ist der Vater, die Antragstellerin zu 2) die Mutter und der Antragsteller zu 3) der Bruder des am 19. April 1991 geborenen A V. Dieser erlitt am 14. April 2005 in Berlin einen Herzanfall und wurde danach im D H B behandelt (zeitweise Implantation eines Kunstherzens). Um den Behandlungserfolg nicht zu gefährden, ist eine weitere engmaschige kardiologische Überwachung im D H erforderlich. Das D H B hielt am 30. Sepember 2005 einen Aufenthalt der Familie für weitere sechs Monate für erforderlich (Bl. 59 der Gerichtsakte - GA - ).
Der Antragsteller zu 1) reiste am 15. April 2005 mit einem am 14. März 2005 ausgestellten Visum nach Berlin ein, die Antragsteller zu 2) und 3) reisten am 12. Juni 2005 nach Berlin.
Die Antragsteller zu 1) und der Sohn A verfügen über einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG -, die Antragsteller zu 2) und 3) über eine Duldung nach § 60 a AufenthG. Nachdem sie zunächst bei einem Bekannten Unterkunft gefunden hatten, halten sie sich nunmehr im R-Haus B, straße in B auf, einer Einrichtung der M Kinderhilfe. Dort werden sie auch verpflegt.
Mit Erklärung vom 03. März 2005 verpflichtete sich ein Herr W für den Antragsteller zu 1) ab dessen Einreise für drei Monate die Kosten für den Lebensunterhalt und die Kosten für die Ausreise zu tragen. Im Juli 2005 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner, Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG -. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf des Antragsgegners verwies die Antragsteller an das Bezirksamt Mitte. Dieses verwies die Antragsteller wieder zurück an das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, ohne über den Antrag zu entscheiden.
Am 01. August 2005 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII -, hilfsweise Leistungen nach dem AsylbLG zu gewähren, insbesondere ihnen eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen.
Der Antragsgegner hat vor dem Sozialgericht unter Befügung von Stellungnahmen seiner Leistungsstelle geltend gemacht, es habe nicht geprüft werden können, nach welchen Leistungsgesetzen Ansprüche bestehen könnten. Weiter sei nicht überprüfbar gewesen, ob Dritte den Unterhalt sicherstellten. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin zu 2) nicht doch erwerbstätig sein könne. Zudem seien die tatsächlichen Verhältnisse der Antragsteller ungeklärt, so z.B. unter welchen Umständen sich die Familie (damals noch) in der Wollankstrasse aufgehalten habe. Die Antragsteller seien zunächst auf die Inanspruchnahme der abgegebenen Verpflichtungserklärung zu verweisen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 26. Oktober 2005 den Antrag mit der Begründung abgewiesen, die Antragsteller hätten wegen des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII. Ein Anordnungsanspruch hinsichtlich Leistungen nach dem AsylbLG sei nicht glaubhaft gemacht worden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sei Einkommen und Vermögen von den Leistungsberechtigten und den Familienangehörigen einzusetzen und die Antragsteller hätten nicht glaubhaft gemacht, dass Herr Wseinen Verpflichtungen aus der Erklärung vom 03. März 2005 nicht nachkomme und sie mittellos seien. Gegen den am 31. Oktober 2005 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 18. November 2005 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 07. Dezember 2005).
Die Antragsteller machen geltend, die vorgelegte Verpflichtungserklärung sei bis zum 17. Juli 2005 befristet gewesen sei. Die Beantragung von Sozialleistungen sei erst nach diesem Zeitpunkt erfolgt. Zudem sei die Verpflichtungserklärung allein für den Antragsteller zu 1) abgegeben worden. Sie seien mittellos. Das Ausländeramt verweigere die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen mit der Begründung, der Lebensunterhalt sei nicht gesichert. Die Unterkunft im RH stünde nicht dauerhaft zur Verfügung, sie sei nur für absolute Notlagen gedacht. Aufgrund der gesundheitlichen Situation des Sohnes der Antragsteller zu 1) und 2) sei ein längerer Aufenthalt zu erwarten.
Die Antragsteller zu 1) und 2) haben eidesstattliche Versicherung vom 09. Dezember 2005 zu ihrer wirtschaftlichen Situation zur Gerichtsakte gereicht, wegen deren Inhalts auf Blatt 84a, 85 der Gerichtsakte verwiesen wird.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2005 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, hilfsweise nach dem AsylbLG zu gewähren, insbesondere ihnen eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen.
Sie beantragen weiter,
ihnen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die Gerichtsakte und auf die im sozialgerichtlichen Verfahren beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat den von den Antragstellern gestellten Hilfeantrag zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Der Senat musste sich angesichts der von den Antragstellern vorgetragenen Mittellosigkeit und drohenden Obdachlosigkeit mit einer eingeschränkten Sachverhaltsermittlung begnügen. Insbesondere konnte der Eingang der angeforderten Verwaltungsvorgänge der Ausländerbehörde nicht abgewartet werden. Nach den sich aus den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners und der Gerichtsakte ergebenden Tatsachen haben die Antragsteller zur Überzeugung des Senats einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG glaubhaft gemacht.
Nach § 1 AsylbLG sind leistungsberechtigt Ausländer, die sich - wie die Antragsteller - im Bundesgebiet aufhalten und die über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG oder eine Duldung nach § 60 a AufenthG verfügen. Die Antragsteller zu 2) und 3) verfügen nach den Feststellungen des Antragsgegners über Duldungen nach § 60 a AufenthG; der Antragsgegner hat nicht geltend gemacht, dass die bis Ende November 2005 befristeten Duldungen nicht weiter verlängert worden sind.
Angesichts des Gesundheitszustandes des Sohnes Ader Antragstellerin und der Bescheinigung des D H vom 30. September 2005 (Bl. 59 der Gerichtsakte) dürfte ein Anspruch auf eine weitere Duldung bestehen. Dies gilt auch für die dem Antragsteller zu 1) erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Dass die Antragsteller dem Grunde nach Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG sind, hat der Antragsgegner auch nicht in Abrede gestellt. In einem dem Sozialgericht vorgelegten Vermerk der Leistungsstelle des Antragsgegners vom 31. August 2005 (Bl. 49 a der Gerichtsakte) wird die grundsätzliche Leistungsberechtigung der Antragsteller bestätigt.
Die Antragsteller haben auch glaubhaft gemacht, dass kein Einkommen oder Vermögen zur Verfügung steht, welches vor Eintritt von Leistungen nach dem AsylbLG aufzubrauchen wäre (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG). Sie haben dies nicht nur glaubhaft vorgetragen, sondern auch mit den abgegebenen Versicherungen an Eides Statt vom 9. Dezember 2005, die als Mittel der Glaubhaftmachung nach § 202 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung zulässig sind belegt. Die Antragsteller zu 1) und 2) versichern darin, dass weder ihnen, noch ihrem Sohn, dem Antragsteller zu 3) Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen. Soweit das Sozialgericht mit dem Antragsgegner eine Bedürftigkeit der Antragsteller mit der Begründung abgelehnt hat, aufgrund der Erklärung des HerrnW vom 03. März 2005 bestünde keine Bedürftigkeit und es sei eine Mittellosigkeit nicht glaubhaft gemacht worden, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen war die Verpflichtungserklärung für drei Monate ab Einreise des Antragstellers zu 1), also ab 15. April 2005, befristet, so dass sie ab 16. Juli 2005 nicht mehr in Anspruch genommen werden konnte. Zum anderen ergeben sich aus dieser Verpflichtungserklärung, worauf die Antragsteller zu Recht hinweisen, keine Verpflichtungen zugunsten der Antragsteller zu 2) und 3).
Auch stand und steht den Antragstellern keine dauerhafte Unterkunft zur Verfügung, die sie verlässlich nutzen können. Sie waren und sind noch im R-H B untergebracht. Aus dem mit den Versicherungen an Eides Statt glaubhaft gemachten Vortrag der Antragsteller ergibt sich aber, dass es sich bei dem R-H um eine reine Notunterkunft handelt, die nur übergangsweise (für 14 Tage) zur Verfügung steht. Dass die Antragsteller in der Vergangenheit dort über einen längeren Zeitraum wohnen konnten und auch verpflegt worden sind, ändert daran nichts und führt nicht dazu, dass sie auf diese Unterkunft im Rahmen der Ansprüche nach dem AsyblG verwiesen werden können.
Auch eine gelegentliche Übernachtung bei Bekannten zur Vermeidung von Obdachlosigkeit und Versorgung durch Bekannte ändert an der grundsätzlichen Bedarfslage nichts. Der Senat hatte dies lediglich in der Weise zu berücksichtigen, dass keine Leistungsverpflichtung des Antragsgegners für die Vergangenheit auszusprechen war, weil der Bedarf durch Andere gedeckt worden ist.
Durch die Versicherungen an Eides Statt haben die Antragsteller auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Auf ihre derzeitige Unterkunft mit Verpflegung haben die Antragsteller gegenüber der M` Kinderhilfe keinen Anspruch, sie steht ihnen nicht sicher für eine 14 Tage überschreitende Dauer zur Verfügung; die Versorgung der Antragsteller mit einer Unterkunft und Verpflegung ist damit gefährdet. Ihnen stehen keine Mittel zur Verfügung, mit denen sie ihren Lebensunterhalt decken können, so dass sie bedürftig sind. Damit drohen den Antragstellern durch ein Abwarten der Entscheidung des Antragsgegners über ihren Leistungsantrag erhebliche Nachteile, die durch den Erlass der Anordnung in dem tenorierten Umfang abzuwenden waren. Nach § 3 Abs. 1 AsylbLG umfassen die Leistungen nach dem AsylbLG auch die notwendige Unterkunft und die Verpflegung, so dass hierüber nicht gesondert zu entscheiden war.
Da die Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren erfolgreich war und kein einsetzbares Einkommen oder Vermögen bei den Antragstellern vorhanden ist, war ihnen auch nach § 73 a SGG Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung. Der Antragsgegner hat, was bei der Entscheidung über die Verteilung der Kosten zu berücksichtigen ist, zu dem Verfahren Anlass gegeben, weil er den für eine Prüfung eines Leistungsanspruchs nach dem AsylbLG klärungsbedürftigen Sachverhalt nicht in der erforderlichen Weise entsprechend § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - von Amts wegen aufgeklärt hat. Er hat sich auf den Verweis der Antragsteller auf vermeintliche Rechte aus der befristeten Verpflichtungserklärung beschränkt und weiter die Antragsteller nicht beschieden, obwohl erkannt worden ist, dass die Antragsteller dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sind.
Soweit aus Vermerken der Leistungsstelle des Antragsgegners hervorgeht, dass Entscheidungen der Ausländerbehörde zur Erteilung der Duldungen für die Antragsteller zu 2) und 3) nicht nachvollzogen werden konnten, kam es darauf nicht an, weil die Antragsteller nach den Entscheidungen der Ausländerbehörde jedenfalls zum Personenkreis des § 1 AsylbLG gehören. Nach allem erscheint es daher angemessen, dass der Antragsgegner auch die den Antragstellern für das sozialgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten erstattet.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
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