L 26 VG 10/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
26
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 5 VG 62/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 VG 10/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. April 2001 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG).

Der geborene Kläger ist aufgrund des Bescheides des Amtes für Soziales und Versorgung F vom 06. November 1997 anerkannter Schwerbehinderter/schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 wegen der Behinderungen "psychische Erkrankung, hirnorganisches Psychosyndrom und Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Wirbelsäulenschmerzsyndrom". Er bezieht seit 1997 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von der Landesversicherungsanstalt B.

Der Kläger beantragte am 02. Dezember 1999 bei dem Amt für Soziales und Versorgung Beschädigten-Versorgung nach dem OEG, weil er aufgrund eines Verkehrsunfalls in F am 29. März 1985 an den Folgen eines Schädelbasisbruches und eines hirnorganischen Psychosyndroms, an Depressionen, an einem Schmerzsyndrom an der Lenden- und Halswirbelsäule sowie an einer erheblichen Kieferverletzung mit weiteren gesundheitlichen Folgen leide.

Das Versorgungsamt F zog zum Verfahren Akten der Staatsanwaltschaft F (Gz.: ) zu dem damaligen Ereignis bei. Der Kläger hatte unter dem angegebenen Aktenzeichen bei der Staatsanwaltschaft F 1991 Nachermittlungen zu dem Ereignis vom 29. März 1985 eingeleitet. In einem Schreiben der Kreispolizeibehörde, Verkehrspolizei/F vom 30. September 1991, gerichtet an die Staatsanwaltschaft, wurde u.a. erklärt:

" ... Die Nachermittlung in o.g. Sache hat ergeben, daß nur noch die Eintragung im Unfalltagebuch des Jahres 1985 exestiert. Aus dieser Eintragung ist ersichtlich, daß Herr D G am 29.03.1985, gegen 19.20 Uhr als Fußgänger in F, Hstraße, einen Verkehrsunfall verursacht hat. Gegen Herrn G wurde keine Geldstrafe ausgesprochen, da er durch den Verkehrsunfall erhebliche gesundheitliche Schäden erlitten hat. Gegen Herrn G wurde ein Verweis wegen Verstoß gegen § 35 (1) der StVO der DDR als Unfallverursacher ausgesprochen ..."

Dem Schreiben vom 30. September 1991 waren Kopien des Unfalltagebuches für die Verkehrsunfallbereitschaft der Verkehrspolizei F beigefügt. Hierin war u.a. vermerkt, dass der Kläger als Fußgänger am Freitag, dem 29. März 1985 um 19.20 Uhr einen Verkehrsunfall in F/Hstraße/Höhe G aufgrund falschen Überquerens erlitten hatte. Als "Name des Schuldigen" war vermerkt: "G ...". Als weitere Unfallbeteiligte "H, M ...".

Die Staatsanwaltschaft F stellte das Ermittlungsverfahren durch Bescheid vom 30. Juli 1992 ein. Der Kläger legte hiergegen mit Schreiben vom 19. Oktober 1992 Beschwerde ein und erstattete am 30. November 1992 Strafanzeige gegen Unbekannt zum Ereignis vom 29. März 1985 wegen "Fahrerflucht", mit der er u.a. erklärte:

" ...Am 29.03.85 befand ich mich auf einer Feierlichkeit in dem damaligen V G in der T Str. Die Feier begann um 14.00 Uhr. Während dieser Zeit trank ich ca. 1halbe Flasche Goldbrand. Die Feierlichkeit war um 19.00 Uhr beendet ..."

Am 01. Dezember 1992 berichtigte er seine Strafanzeige vom 30. November 1992 dahingehend, dass er nur eine Körperverletzung habe anzeigen wollen. Er sei "durch den Alkoholgenuss auf der Feierlichkeit betrunken" gewesen. Er sei "gewaltsam in einen B 1000 verbracht" worden. U. a. sei B T dabei gewesen. Dieser habe ihm gegenüber eingestanden, dass sie ihn (Kläger) damals in den B 1000 gezerrt hätten. Er könne nicht beweisen, dass er durch ein Fahrzeug verletzt worden sei. Er erstatte deswegen Anzeige wegen Körperverletzung. Seine Verletzungen seien durch Schläge entstanden. Er werfe B T vor, dass er einfach auf der Straße abgesetzt worden sei.

Der Generalstaatsanwalt des L B wies die Beschwerde des Klägers mit Schreiben vom 26. Januar 1993 zurück. Zur Begründung führte er u.a. aus:

" ... Im vorliegenden Fall (kommt) fahrlässige Körperverletzung gemäß § 118 StGB-DDR, Herbeiführen eines schweren Verkehrsunfalls gemäß § 196 Abs. 2 StGB-DDR und pflichtwidriges Verhalten nach einem Verkehrsunfall gemäß § 199 StGB-DDR in Betracht ... Anhaltspunkte dafür, dass ein schwerer Fall der Herbeiführung eines Verkehrsunfalls gemäß § 396 Abs. 3 StGB-DDR oder gar der Versuch eines Tötungsdelikts vorliegen könnten, sind konkret weder Ihrem Vortrag zu entnehmen noch sonst ersichtlich ..."

Die Staatsanwaltschaft F teilte dem Kläger, der im November 1999 die "Wiederaufnahme" von Ermittlungen u.a. wegen eines versuchten Tötungsdelikts aufgrund des Ereignisses vom 29. März 1985 beantragt hatte, mit Schreiben vom 08. Dezember 1999 mit, eine erneute Prüfung des Sachverhaltes ("Ermittlungen zum Verkehrsunfall vom 29. März 1985") habe ergeben, dass es weder angezeigt sei, weitere Ermittlungen zu führen, öffentliche Klage zu erheben oder ein Wiederaufnahmeverfahren zu führen. Die Gründe, die zur Verfahrenseinstellung geführt hätten, bestünden fort. Die Einstellungsentscheidung sei in keiner Weise zu beanstanden. Das Amt für Soziales und Versorgung F zog zum Verwaltungsverfahren u.a. medizinische Unterlagen aus dem Klinikum F bei, wegen deren Inhalts im Einzelnen auf Bl. 58 bis 79 der B-Akten des Beklagten verwiesen wird. Das Polizeipräsidium F teilte auf Anfrage des Amtes für Soziales und Versorgung F unter dem 15. Dezember 1999 mit, dass von 1985 keine Akten mehr vorhanden seien. Sie würden nur 10 Jahre archiviert. Das H-Klinikum B/F teilte im Januar 2000 mit, dass keine Dokumentation über den Kläger in der Klinik vorhanden sei.

Das Amt für Soziales und Versorgung F lehnte durch Bescheid vom 15. Mai 2000 die Gewährung einer Entschädigung nach dem OEG aus Anlass des Vorfalls vom 29. März 1985 ab, weil ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff auf den Kläger nicht nachgewiesen worden sei. Aus den vorliegenden polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Unterlagen gehe hervor, dass es sich bei dem Geschehen vom 29. März 1985 um einen Verkehrsunfall gehandelt habe. Das Verfahren sei eingestellt worden und die dagegen gerichtete Beschwerde sei vom Generalstaatsanwalt des L B mit Bescheid vom 26. Januar 1993 abgelehnt worden.

Der Kläger legte hiergegen am 24. Mai 2000 Widerspruch ein, der durch Widerspruchsbescheid vom 09. August 2000 im Wesentlichen aus den Gründen des angefochtenen Bescheides vom 15. Mai 2000 zurückgewiesen worden ist.

Der Kläger hat bereits am 28. Juli 2000 "Untätigkeitsbeschwerde" vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben und mit Schriftsatz vom 30. August 2000 u. a. geltend gemacht:

"1. den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 09. August 2000 aufzuheben, 2. festzustellen, dass die gesamten zurückliegenden und noch bestehenden Gesundheitsstörungen Folgen des vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriffes vom 29. März 1985 ist, 3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Kapitalabfindung von DM 450.000,00 zu zahlen, 4. über die Anträge, wegen hoher Dringlichkeit, frühestmöglich zu entscheiden."

Er sei infolge eines betrieblich organisierten (angeordnetes Trinken) Richtfestes am 29. März 1985 Opfer einer Straftat geworden. Die Straftat sei von den zuständigen Behörden des L B "vertuscht worden ...". Es könne ihm nicht zum materiellen oder immateriellen Schaden gereichen, dass staatliche Behörden den genannten Vorgang nicht aufklärten bzw. nicht aufklären wollten, obwohl der Täter bekannt sei. Der seiner Meinung bewiesene Tatbestand eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs am 29. März 1985 werde nach dem 03. Oktober 1990 von dem Generalstaatsanwalt des L B rechtswidrig gedeckt. Der Ministerpräsident des L B (Dr. M S) habe seinerzeit persönlich pflichtwidrig das Vertuschen unterstützt. Er leide heute an den Folgen seiner Verletzungen und müsse zur Linderung seiner Schmerzen erhebliche materielle Mittel aufwenden, die nicht mehr vorhanden seien. Er nehme Bezug auf ein Gutachten des Kfz-Gutachtenbüros Q vom 21. August 2000. Darin habe der Sachverständige, der durch ihn beauftragt worden sei, unter anderem zusammenfassend festgestellt: " ... allerdings hat auf jeden Fall auch eine zu verfolgende Straftat vorgelegen ...".

Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat durch Urteil vom 19. April 2001 die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriffs gegen die Person des Klägers seien nicht erfüllt. Nach den Eintragungen der Verkehrspolizei im Unfalltagebuch habe es sich bei dem Ereignis vom 29. März 1985 um einen Verkehrsunfall gehandelt. Ein Strafverfahren wegen versuchten Totschlags oder Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls gegen die Unfallbeteiligte Frau H sei nicht geführt worden. Auch die Wiederaufnahme des Verfahrens habe keine neuen Erkenntnisse ergeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) wird auf Bl. 51 bis 55 der Gerichtsakten verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 15. Mai 2001 zugestellte Urteil hat er am 12. Juni 2001 Berufung eingelegt und sein Begehren weiter verfolgt. Er sei nach einem Richtfest des ehemaligen V-O (F) am 29. März 1985 in eine Schlägerei verwickelt worden, die damit geendet habe, dass er aus der Hecktür eines fahrenden Kleintransporters gestoßen und danach von dem entgegenkommenden PKW der Frau M H erfasst worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. April 2001 sowie den Bescheid des Amtes für Soziales und Versorgung F vom 15. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes vom 09. August 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Beschädigtenversorgung in rentenberechtigendem Grade nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz ab 01. Dezember 1999 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zum Verfahren das Original-Unfall-Tagebuch für die Verkehrsunfallbereitschaft der Verkehrspolizei F (Januar bis April 1985) beigezogen.

Der Senat hat darüber hinaus Beweis erhoben zum Beweisthema "Ereignisse am 29. März 1985 im Zusammenhang mit dem Kläger" durch Vernehmung der Zeugen H W, F G, A S und G M. Wegen der Aussage des Zeugen H W wird auf die Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 27. Mai 2004 (Bl. 158 der Gerichtsakten) und wegen der Aussagen der Zeugen F G, A S und G M werden auf die Anlagen 2 bis 4 zur Sitzungsniederschrift vom 12. Oktober 2005 (Bl. 263 bis 265 der Gerichtsakten) verwiesen. Des Weiteren hat der Senat die Zeugin M H zum Beweisthema "Unfall mit dem Kläger am 29. März 1985 in F, Hstraße, gehört"; wegen ihrer Aussage wird auf die Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 12. Oktober 2005 (Bl. 261 f. der Gerichtsakten) verwiesen.

Das Sozialgericht Frankfurt a. M. hat auf Ersuchen des Berichterstatters B T zum selben Beweisthema vernehmen sollen. Am 28. Juli 2004 hat die Ehefrau des Zeugen T dem Sozialgericht Frankfurt a. M. ein von ihm selbst unterschriebenes Schreiben vom 25. Juli 2004 übermittelt, worin mitgeteilt worden ist, ihr Ehemann leide an einem Hirntumor und sei im letzten Jahr zweimal operiert worden. Im Juni 2004 sei ein neuer Tumor diagnostiziert worden, der inoperabel sei. Der Gesundheitszustand sei sehr schlecht, weswegen um Freistellung von einer Zeugenvernehmung ersucht werde. Er (B T) habe den Unfall nicht selbst miterlebt. Er habe von dem Unfall nur von anderen Kollegen gehört. Nachdem das Sozialgericht Frankfurt das Ersuchen, den Zeugen B T zu hören, zurück gesandt hatte, ist dem Kläger im Oktober 2004 mitgeteilt worden, dass das Gericht in Hinblick auf die schriftliche Äußerung des B T und dessen Erkrankung von seiner Vernehmung Abstand nehmen wolle, und ihm gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten und wegen des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten, die B-Akten des Beklagten (Grdl.-Nr. ) und die SchwbG-Akten (Gz.: ) Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Verwaltungsentscheidungen des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG.

Nach dem seither unverändert gebliebenen § 1 Abs. 1 Satz 1 des am 16. Mai 1976 in Kraft getretenen OEG vom 11. Mai 1976 (BGBl. I, S. 1181) erhält, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Nach den 1984 (BGBl. I, S. 1723) neu in das OEG eingefügten §§ 10 Satz 2 und 10a Abs. 1 OEG erhalten Personen, die durch in der Zeit vom 23. Mai 1949 (Gründung der Bundesrepublik Deutschland) bis 15. Mai 1976 begangene Taten geschädigt worden sind, auf Antrag nach §§ 1 bis 7 OEG Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich dieses Gesetzes ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. An diese Regelung hat der Gesetzgeber für die Überleitung des OEG auf das Beitrittsgebiet angeknüpft.

Gemäß Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 18 Buchstabe c EinigVtr i.d.F. des 2. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 21. Juli 1993 (BGBl I, S. 1262) gelten die §§ 1 bis 7 OEG für Ansprüche aus Taten, die im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 7. Oktober 1949 (Gründung der DDR) bis zum 2. Oktober 1990 begangen worden sind, nach Maßgabe des § 10a OEG. § 10a OEG gilt nach Nr. 18 Buchstabe d (a. a. O.) für Personen, die im Beitrittsgebiet ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zur Zeit der Schädigung hatten, wenn die Schädigung in der Zeit vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 in dem vorgenannten Gebiet eingetreten ist.

In allen Zweigen des sozialen Entschädigungsrechts genügt, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen nachgewiesen, d.h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein müssen (st. Rspr. des BSG, so zur Kriegsopferversorgung - KOV - BSGE 77, 151, 152 = SozR 3-3100 § 1 Nr. 18; zum Opferentschädigungsgesetz - OEG -: BSGE 63, 271, 273 = SozR 1500 § 128 Nr. 34 m. w. N.; SozR 1500 § 128 Nr. 35; BSGE 65, 123f = § 128 Nr. 39; zum Soldatenversorgungsgesetz - SVG: BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 6; zum Impfschadensrecht: BSG SozR 3850 § 51 Nr. 9 und § 52 Nr. 1). Fehlt es daran, geht das zu Lasten des Klägers (objektive Beweis- und Feststellungslast). Insbesondere die Tatsache, dass ein Täter nicht ermittelt werden kann, rechtfertigt keine generelle Beweiserleichterung, etwa durch eine stets gebotene Annahme der Voraussetzungen des sog. Anscheinsbeweises oder durch geringere Anforderungen an die Beweiskraft (vgl. BSG vom 31. Mai 1989 – Az.: 9 RVg 3/89 – in: BSGE 65, 123 = SozR 1500 § 128 Nr. 39). Für u. a. das Opferentschädigungsrecht hat das BSG (vgl. u.a. Urteil vom 12. Dezember 1995 - Az: 9 RVg 6/95 – m.w.N. in: VersorgVerw 1996, 93) ausnahmsweise, wenn unmittelbare Tatzeugen nicht vorhanden sind, auch die Angaben des Verletzten allein zur Gewährung von Leistungen nach dem OEG ausreichen lassen, wenn sie den Umständen nach glaubhaft i. S. d. § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung sind.

Das Sozialgericht hat - auch unter Berücksichtigung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung - zutreffend entschieden, dass der Tatbestand von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht erfüllt ist. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlichen Angriff auf den Kläger ist weder nachgewiesen noch können -ausnahmsweise- allein die Angaben des Klägers als glaubhaft zu Grunde gelegt werden, um den Tatbestand zu bejahen.

Im Unfalltagebuch für die Verkehrsunfallbereitschaft der Verkehrspolizei (Januar bis April 1985) ist zum Ereignis am 29. März 1985 u. a. vermerkt, dass der Kläger infolge falschen Überquerens der Fahrbahn als Fußgänger verunfallt ist. Der Kläger erhielt nach einem Vermerk in dem Unfalltagebuch einen "Verweis". Eine vorsätzliche Straftat gegenüber dem Kläger am 29. März 1985 ergibt sich auch nicht aus dem wieder aufgenommenen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft F (Az.: ). Sie hat das Verfahren, das sich u. a. gegen die Zeugin M H (vgl. Schriftsatz vom 12. Mai 1992 der ehemaligen Verfahrensbevollmächtigten des Klägers, Rechtsanwälte S und S) richtete, schließlich eingestellt. Die Beschwerde des Klägers gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft F ist vom Generalstaatsanwalt des L B durch Schreiben vom 26. Januar 1993 zurückgewiesen worden. Darin ist u. a. ausgeführt worden, dass es keine Anhaltspunkte dafür gegeben habe, dass ein schwerer Fall der Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls gemäß § 196 Abs. 3 Strafgesetzbuch der DDR (StGB-DDR) oder gar der Versuch eines Tötungsdeliktes vorliegen könnte. Dem schließt sich der Senat nach eigener Überzeugungsbildung an.

Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff ist auch nicht unter Zugrundelegung der zur Überzeugung des Senats insoweit glaubhaften Aussagen der gehörten Zeugen zu bejahen.

Der Zeuge H W hat den Verkehrsunfall nicht selbst miterlebt. Er hat u. a. erklärt, er habe ca. 50 m vom Unfallort entfernt gewohnt und sei zur Unfallstelle hingegangen. Am Tag nach dem Unfall habe er erfahren, dass der Kläger aus dem Auto gesprungen sei. Ihm sei nichts von einer vorangegangenen Schlägerei, in die der Kläger verwickelt gewesen sei, bekannt. Er wisse auch nicht, ob der Kläger aus dem Auto gestoßen worden sei. Hiernach ist ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff gegen den Kläger nicht nachgewiesen.

Der Zeuge F G konnte ebenfalls keine Angaben zum Unfallhergang bzw. zu einer vorangegangenen Schlägerei oder einem Stoßen aus dem fahrenden Auto machen, da er beim Unfallgeschehen nicht zugegen gewesen war. Er hatte auch erst später vom Unfall des Klägers gehört. Streitigkeiten auf der Feier waren ihm nicht aufgefallen.

Der Zeuge A S war nach seinen Aufzeichnungen auf der Betriebsfeier am 29. März 1985 nicht zugegen und konnte deswegen keine weiteren Erkenntnisse zu einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff abgeben.

Der Zeuge G M war nicht der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2005 beschriebene Fahrer des Ikarus-Busses. Der Zeuge war nie für den VEB G Bus gefahren und konnte deswegen auch keine weiteren Erklärungen zu einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff machen.

Die Zeugin M H, die mit ihrem Auto den Kläger am 29. März 1985 anfuhr, hat ebenfalls keine Angaben machen können, die auf eine dem Unfall vorangegangene Gewalttätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG schließen ließ. Soweit eine fahrlässige Körperverletzung gemäß § 118 StGB-DDR vorliegend als Straftat näher in Betracht zu ziehen ist, erfüllt sie den Tatbestand von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht. Der Senat hat auch keinen Anhalt dafür, dass aufgrund des Verhaltens der Zeugin H etwa die Voraussetzungen eines vorsätzliches Herbeiführen eines schweren Verkehrsunfalls gemäß § 196 Abs. 2 StGB-DDR oder ein vorsätzliches, pflichtwidriges Verhalten nach einem Verkehrsunfall gemäß § 199 StGB-DDR gegeben sein könnten. Insoweit ist zu Lasten des Klägers kein Sachverhalt feststellbar, der dem Grunde nach i. S. d. OEG zu entschädigen wäre. Allein die Angaben des Klägers als glaubhaft (§ 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung) für die Annahme eines vorsätzlich, rechtswidrigen tätlichen Angriff zu unterstellen, steht die Vielzahl der Aussagen der Zeugen entgegen, die allesamt von einem Unfallgeschehen berichteten.

Auch aus der schriftlichen Erklärung des B T ergibt sich nichts anderes. Dieser war bei dem Unfall nicht selbst zugegen und wusste nur von Kollegen, dass der Kläger einen Unfall erlitten hatte. Das Gericht hat von der Zeugenvernehmung des B T abgesehen. Aufgrund der Erklärung des B T und seiner schweren Erkrankung ist der Senat nicht an die Beweiserhebung gebunden. Hiervon ist der Kläger auch im Oktober 2004 in Kenntnis gesetzt worden.

Schließlich ergibt sich auch nichts anderes aus dem Kfz-Gutachten des Sachverständigen Q vom 21. August 2000, das der Kläger selbst in Auftrag gegeben hat. Zwar beschreibt dieser Sachverständige u. a., dass aus seiner Sicht "auf jeden Fall auch eine zu verfolgende Straftat vorgelegen" hat. Das heißt aber nicht, dass der Sachverständige eine vorsätzliche Straftat als gegeben erachtet hat. Dies kann er auch als Kfz-Sachverständiger nicht sachkundig beurteilen. Dass hier durchaus eine fahrlässige Körperverletzung in Betracht zu ziehen ist, folgt u.a. auch aus dem Einstellungsschreiben des Generalstaatsanwaltes für das L B vom 26. Januar 1993. U. a. wegen einer fahrlässigen Körperverletzung hatte die Staatsanwaltschaft F das Ermittlungsverfahren aufgrund des Vorfalles vom 29. März 1985 in Fürstenwalde, von dem der Kläger betroffen war, wieder aufgenommen.

Soweit der Kläger beantragt hat, die Zeugin I G zu der Aussage der Frau M H zu hören, was ihr zu dem Thema von der Polizei oder anderen Dienststelle mitgeteilt worden ist, ist der Senat diesem Beweisantrag nicht gefolgt, weil – selbst wenn als wahr unterstellt würde, der Kläger habe vor dem Unfall auf der Straße gelegen – weiterhin der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht bewiesen bzw. glaubhaft gemacht wäre. Sowohl die Zeugin M H, informiert von der Polizei, als auch der Zeuge F G berichteten, dass auf der Betriebsfeier viel Alkohol getrunken worden sei bzw. der Kläger vom Unfall nicht viel mitbekommen habe, "so volltrunken, wie er gewesen sei". Für die Frage, ob der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben ist, ist unerheblich, ob die Zeugin H auf Grund des Anblicks (des verunfallten Klägers) selbst in medizinische Behandlung musste.

Soweit der Kläger weiter beantragt hat, M T als Zeuge zu hören, hat der Kläger nicht erklärt, zu welchem Beweisthema er den Zeugen zu hören wünscht. Der Senat hat sich deswegen nicht gedrängt gesehen, die mündliche Verhandlung wiederum zu vertagen, um diesem Antrag nachzukommen. Notwendig ist, dass ein Beteiligter – wenn auch in allgemeiner Form – das Beweisthema umreißt, also angibt, was die Beweisaufnahme ergeben soll (BSG NZS 1998, 588). Der weitere Antrag des Klägers, noch ein oder zwei weitere Zeugen, die er im Moment nicht benennen konnte, dem Gericht mitteilen zu wollen, ist als Beweisantrag nicht geeignet, weil er zu unbestimmt ist.

Selbst wenn die Behauptungen des Klägers, im Zusammenhang mit dem illegalen Abtransport von Baustoffen von der Baustelle habe eine Schlägerei stattgefunden, als wahr unterstellt werden, ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger deswegen ein Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff geworden war. Für diese Frage ist auch unerheblich, ob – entsprechend der Aussage der Zeugin M H – der Kläger bei einer Geschwindigkeit von 30 oder 40 km/h auf der anderen Straßenseite gelandet sein soll oder wie zum Zeitpunkt des Unfalls die meteorologischen Verhältnisse gewesen sind. Ein Gutachter bzw. Sachverständiger ist deswegen nicht zu hören.

Der Fahrer des Ikarus-Busses konnte vom Gericht nicht ermittelt werden. Hierzu ist nach den Beschreibungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2005 die Stadtverkehrsgesellschaft mbH F angeschrieben worden. Diese teilte den Namen des in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2005 gehörten Zeugen G M mit, der jedoch nicht der gesuchte Zeuge war, was sogar der Kläger einräumte.

Nach alledem bleibt die Berufung ohne Erfolg.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision ist nicht zuzulassen gewesen, weil die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Rechtskraft
Aus
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