L 8 AL 62/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 AL 5191/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 AL 62/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine auf Gewährung von Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung gerichtete berufung entfällt, wenn der Anspruchsteller während des Berufungsverfahrens als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger nach dem SGB II leistungsberechtigt wird.
Es bestehen keine rechtlichen bedenken dagegen, dass für die ehemaligen Bezieher von Arbeitslosenhilfe mit Ausnahme von § 434j Abs. 10 SGB III keine Übergangsregelung für leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung nach dem SGB III besteht.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2004 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Förderung der beruflichen Weiterbildung. Der Kläger ist 1960 geboren worden. Seit 1995 bezog er – mit Unterbrechungen – von der Beklagten Leistungen wegen Arbeitslosigkeit, seit 1996 in Gestalt von Arbeitslosenhilfe. Im Juli 2002 beantragte er, ihm für die Teilnahme an einer am 1. Februar 2003 beginnenden, dreijährigen Ausbildung zum Heilpraktiker Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung zu gewähren. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 22. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2002 ab. Die Maßnahme sei nicht förderungsfähig, weil sie nicht anerkannt sei. Ferner sei die Dauer der Ausbildung von drei Jahren unangemessen. Mit seiner Klage ist der Kläger vor dem Sozialgericht Berlin erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid vom 15. Juli 2004). Eine Förderung per 1. Februar 2003 sei bereits durch Zeitablauf erledigt. Darüber hinaus komme sie nicht in Betracht, weil Maßnahmeträger und gewünschte Maßnahme nicht für die Weiterbildungsförderung anerkannt seien. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte das ihr zustehende Ermessen unzutreffend ausgeübt habe. Mit der Berufung macht der Kläger, wie bereits zuvor, geltend, dass eine Weiterbildung bei ihm zur Eingliederung notwendig sei. Es sei auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund die gewünschte Ausbildung nicht förderungsfähig sein solle. An der am 1. Februar 2003 beginnenden Ausbildung habe er nicht teilgenommen. Seit 1. Januar 2005 beziehe er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Für Leistungen aus der Arbeitsförderung müsse es eine Übergangsregelung geben.

Der Kläger beantragt der Sache nach,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 22. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Bildungsgutschein für die Förderung einer dreijährigen Ausbildung zum Heilpraktiker auszustellen, hilfsweise ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:
Rechtliche Würdigung

Der Senat konnte über die Berufung auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die Berufung ist zum 1. Januar 2005 unzulässig geworden, da ein Bedürfnis für gerichtlichen Rechtsschutz seither nicht mehr besteht. Durch den Bescheid vom 22. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2002, der allein Gegenstand des Rechtsstreits ist, ist lediglich eine Entscheidung über den Antrag auf Weiterbildungsförderung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) getroffen worden. Nach diesem Leistungsgesetz kann der Kläger seit dem 1. Januar 2005 schlechterdings keine Leistungsrechte mehr haben. Denn er gehört seither zum Kreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach dem SGB II. Für diesen Personenkreis sind Leistungen der Weiterbildungsförderung nach dem SGB III kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 22 Abs. 5 SGB III in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung). Da der Kläger die von ihm begehrte Ausbildung in der Zeit ab 1. Februar 2003 nicht aufgenommen hat, kann ihm auch die Übergangsregelung nach § 434j Abs. 10 SGB III nicht mehr zugute kommen. Danach sind die Leistungsvorschriften des Weiterbildungsrechts nach dem SGB III für die Bezieher von Arbeitslosenhilfe weiter anzuwenden, die (am 31. Dezember 2004) an einer Maßnahme bereits teilgenommen haben. Dass die Gewährung von Leistungen zur Weiterbildungsförderung für die ehemaligen Bezieher von Arbeitslosenhilfe nur im Rahmen des § 434j Abs. 10 SGB III möglich ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn das SGB II sieht selbst Leistungen der beruflichen Weiterbildung in ähnlicher Ausgestaltung vor (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit §§ 77 ff SGB III). Dem entsprechend kann die Beklagte unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt mehr zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB III verurteilt werden. Leistungsrechte nach dem SGB II können nicht Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits sein. Das Landessozialgericht ist ein Rechtsmittelgericht (§ 29 SGG), der Streitgegenstand muss deshalb bereits vor dem Sozialgericht zulässig angebracht worden sein. Nur ausnahmsweise kann das Landessozialgericht erstinstanzlich über einen Streitgegenstand entscheiden, wenn Verwaltungsentscheidungen, die während des laufenden Berufungsverfahrens ergehen, über § 153 Abs. 1 i.V. mit § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Verfahrensgegenstand werden (s. dazu BSG SozR 3-1500 § 29 Nr. 1). Die streitigen Bescheide betreffen ausschließlich Leistungsrechte nach dem SGB III. Das ergibt sich bereits daraus, dass vor dem 1. Januar 2005 lediglich dieses Gesetz die vom Kläger begehrte Leistung vorsah. Nur dieser Streitgegenstand war somit zulässig vor dem Sozialgericht anhängig gemacht worden. Die Bescheide können nicht in Bescheide über die Ablehnung von Leistungen der beruflichen Weiterbildung nach dem SGB II umgedeutet werden (§ 43 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X), selbst wenn unterstellt würde, dass die Beklagte auch der für den Kläger zuständige Leistungsträger der Weiterbildungsförderung nach dem SGB II (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) wäre. Zunächst würde eine Umdeutung nichts daran ändern, dass Leistungsrechte nach dem SGB II erstinstanzlich schon deshalb nicht zulässig Gegenstand des Rechtsstreits sein konnten, weil das Verfahren dort bereits abgeschlossen war, bevor das SGB II in Kraft trat. Ferner kommt mit Blick auf die erforderliche Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, die Beeinträchtigung der verfahrensrechtlichen Stellung des Betroffenen und nicht zuletzt den Grundsatz der Gewaltenteilung eine Umdeutung im gerichtlichen Verfahren ohnehin nur eingeschränkt in Betracht (zusammenfassend dazu BSG, Urteil vom 19. März 1998 – B 7 AL 86/96 R -, SozR 3-4100 § 112 Nr. 29 mit weiteren Nachweisen). Schließlich ist sie vorliegend in jedem Fall deshalb ausgeschlossen, weil dem Kläger anderenfalls der gesetzliche Richter entzogen würde. Denn entsprechend dem in der Sozialgerichtsbarkeit geltenden Fachkammerprinzip (§ 10 Abs. 1 Satz 1 SGG) sind für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende besondere Spruchkörper neben denen für Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit zu bilden. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie berücksichtigt, dass die Berufung auch in der Zeit bis 31. Dezember 2004 aus den vom Sozialgericht bereits genannten Gründen ohne Erfolg geblieben wäre. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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