L 8 AL 97/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 60 AL 3986/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 AL 97/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Oktober 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Im Streit ist der Zeitpunkt der Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung wegen erneuter unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit (wegen Materialentfernung) erst nach Ablauf der sechswöchigen Leistungsfortzahlung ab 24. August 2001 statt ab 13. Juli 2001.

Die 1950 geborene Klägerin hatte bei ihrer Arbeitslosmeldung zum 17. Dezember 1998 erneut einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben und bezog ab diesem Tage Arbeitslosengeld und Anschlussarbeitslosenhilfe, unterbrochen durch mehrere kürzere versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, u. a. vom 20. Juni bis 25. Juni 2000 als Regieassistentin. Während dieses Beschäftigungsverhältnisses erlitt sie am 25. Juni 2000 einen Wegeunfall, der von der zuständigen Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt wurde. Sie bezog vom 26. Juni bis 4. Dezember 2000 von der Berufsgenossenschaft Verletztengeld und stand wieder befristet in einer Beschäftigung von 5. bis 22. Dezember 2000 und vom 1. bis 13. Januar 2001. Die Beklagte bewilligte auf die entsprechenden Anträge Arbeitslosengeld vom 23. bis 31. Dezember 2000 in Höhe von 590,87 DM wöchentlich (Bescheid vom 5. Februar 2001) und ab 14. Januar 2001 (Bescheid vom 9. Februar 2001) in Höhe von wöchentlich 610,40 DM. Vom 13. Juli bis 31. August 2001 war die Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 25. Juni 2000 erneut arbeitsunfähig krank.

Die Klägerin teilte der Beklagten bei einer Vorsprache am 17. Juli 2001 unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 13. bis 18. Juli mit, dass sie ab dem 13. Juli 2001 unfallbedingt arbeitsunfähig erkrankt sei und Verletztengeld beziehe. Die Beklagte hob daraufhin zunächst mit Bescheid vom 20. Juli 2001 die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 13. Juli 2001 auf. Nach Hinweis der Krankenkasse, dass Verletztengeld erst ab 24. August 2001 gezahlt werde, bewilligte sie noch Arbeitslosengeld für den Zeitraum der sechswöchigen Leistungsfortzahlung und hob die Leistungsbewilligung am 24. August 2001 mit Beginn der Verletztengeldzahlung auf (Bescheide vom 17. August 2001, 21. August 2001 und 24. August 2001).

Der Widerspruch dagegen, mit dem sie eine Leistungsaufhebung wegen der Arbeitsunfähigkeit ab 13. Juli 2001 bereits ab diesen Tage beanspruchte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2001). Die Berufsgenossenschaft lehnte mit Bescheid vom 20. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2002 die Gewährung von Verletztengeld für die Zeit vom 13. Juli bis 23. August 2001 wegen der Leistungsfortzahlung durch die Beklagte ab und bewilligte Verletztengeld erst ab 24. August 2001. In dem dazu geführten Rechtsstreit hatte die Klägerin keinen Erfolg (S 68 U 207/01; L 16 U 42/03).

Mit der am 2. November 2001 zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung erst ab 24. August 2001 statt ab 13. Juli 2001 weiter gewandt. Sie hat dazu geltend gemacht, aufgrund ihrer Veränderungsmitteilung sei ihr Arbeitslosengeld lediglich bis zum 12. Juli 2001 zu gewähren; ab 13. Juli 2001 stehe ihr ein Anspruch auf Verletztengeld zu. Durch die sechswöchige Leistungsfortzahlung seitens der Beklagten verkürze sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um sechs Wochen, obwohl die Leistungsgewährung während der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit in die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft als Unfallversicherungsträger falle.

Die Beklagte hat dazu die Auffassung vertreten, ein Verzicht auf die sechswöchige Leistungsfortzahlung ab 13. Juli 2001 widerspreche dem gesetzgeberischen Willen, kurzfristige Wechsel der Leistungsträger während der Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden, sodass ein solcher nach § 46 Abs. 2 des 1. Buches Sozialgesetzbuch/ Allgemeiner Teil – SGB I – unwirksam sei.

Sodann hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 31. Oktober 2002 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Bewilligung des Arbeitslosengeldes über den 12. Juli 2001 hinaus bis zum 23. August 2001 im Rahmen der sechswöchigen Leistungsfortzahlung sei § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 126 Abs. 1 Satz 1 des 3. Buches Sozialgesetzbuch – SGB III-. Danach ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld zwar grundsätzlich während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Verletztengeld zuerkannt sei.

Ein Ruhen des Anspruchs trete jedoch gemäß § 142 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III nicht ein, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf Verletztengeld und Arbeitslosengeld nach § 126 SGB III bestehe. Daraus ergebe sich, dass auch beim Bezug von Verletztengeld eine Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 126 SGB III stattfinden solle, damit bei kurzfristiger Arbeitsunfähigkeit ein Wechsel des Leistungsträgers vermieden werde. Da durch einen Verzicht auf die Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall durch das Arbeitsamt die vorgenannten Rechtsvorschriften umgangen würden und der Unfallversicherungsträger belastet würde, sei ein solcher Verzicht gemäß § 46 Abs. 2 SGB I unwirksam. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle es nämlich nicht in das Belieben des Arbeitslosen gestellt werden, ob er in dem sechswöchigen Zeitraum der Leistungsfortzahlung Arbeitslosengeld oder Krankengeld bzw. Verletztengeld beziehe. Der Bezug von Arbeitslosengeld im Wege der Leistungsfortzahlung führe zwar gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III zur Verminderung der Anspruchsdauer, die beim Bezug von Krankengeld oder Verletztengeld nicht angerechnet würde. Jedoch sei diese Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da ein sachlicher Grund hierfür in der Vereinfachung der Verwaltungspraxis durch Vermeidung kurzfristiger Wechsel der Zuständigkeit bei Arbeitsunfähigkeit innerhalb der ersten sechs Wochen bei Arbeitsunfähigkeit bestehe und die Beschwer hierdurch für den Betroffenen gering sei, da er im Rahmen des § 126 SGB III Arbeitslosengeld in einer Höhe weiter erhalte, wie es als Krankengeld oder Verletztengeld auch zu zahlen sei.

Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer Berufung gewandt, mit der sie weiterhin die Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht erst ab 24. August, sondern bereits ab 13. Juli 2001 beansprucht. Sie hat dazu vorgetragen, dass aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles die vom Sozialgericht angeführte Verwaltungsvereinfachung hier nicht die Anwendung der angesprochenen Vorschriften rechtfertige. Die Ursache für die Arbeitsunfähigkeit in Folge der Materialentfernung sei nicht während der Arbeitslosigkeit gesetzt worden. Allein ursächlich für die erneute Arbeitsunfähigkeit sei der Wegeunfall vom Juni 2000, der ausschließlich in den Risikobereich der Berufsgenossenschaft und nicht in den Bereich der Arbeitslosenversicherung falle. Zudem führten die von den Sozialversicherungen getroffenen Entscheidungen zu einer ungerechtfertigten Minderung der Anspruchsdauer bei der Gewährung von Arbeitslosengeld. Sie werde unzutreffender Weise so behandelt, als ob die Arbeitsunfähigkeit während der Gewährung von Arbeitslosengeld entstanden sei; es werde verkannt, dass die Ursache für die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall während einer Beschäftigung beruhe.

Wäre sie nach dem Unfall ohne Unterbrechung arbeitsunfähig krank geschrieben gewesen, hätte sie auch bei der Materialentfernung im Sommer 2001 Verletztengeld erhalten müssen. Es müsse dabei bleiben, dass das Risiko des Arbeitsunfalls und seiner Folgen letztlich von der Berufsgenossenschaft getragen werde. Mithin dürfe sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht um den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit wegen Materialentfernung verkürzen. Zudem erscheine es sachlich ungerechtfertigt, wenn die Berufsgenossenschaft ab dem 24. August 2001 Verletztengeld nach der Höhe des zuvor gezahlten Arbeitslosengeldes und nicht nach dem bei der Beschäftigung erzielten Arbeitseinkommen leiste.

Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Oktober 2002 sowie die Bescheide des Arbeitsamtes Berlin Südwest vom 17. August 2001, 21. August 2001 und 24. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (), die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und angesichts der eindeutigen Sach- und Rechtslage eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte zu Recht die Leistungsbewilligung aufgrund der ab 13. Juli 2001 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit erst ab 24. August 2001 aufgehoben hat.

Streitgegenstand sind die Bescheide vom 17., 21. und 24. August 2001, mit denen die Beklagte in Korrektur der ersten Leistungsaufhebung mit Bescheid vom 20. Juli 2001 die Bewilligung nunmehr erst ab 24. August 2001 aufgehoben hat. Richtige Klageart für das Begehren der Klägerin ist mithin die (isolierte) Anfechtungsklage, da diese die ursprüngliche Leistungsaufhebung wieder wirksam werden lassen würde.

Die Beklagte war zur Korrektur der im Bescheid vom 20. Juli 2001 ausgesprochenen Aufhebung der Leistungsbewilligung bereits ab 13. Juli 2001 gemäß § 44 Abs. 1 SGB X berechtigt. Nach dieser Vorschrift ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Die Beklagte ist aufgrund der unzutreffenden Angabe der Klägerin, ihr werde ab 13. Juli 2001 Verletztengeld gezahlt, von einem Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs gemäß § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III ausgegangen und hat auf dieser Grundlage gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X die Aufhebung der Bewilligung ab diesem Zeitpunkt erklärt. Tatsächlich ist der Klägerin jedoch für die streitige Zeit vom 13. Juli bis 23. August 2001 kein Anspruch auf Verletztengeld zuerkannt worden (vgl. dazu das von der Klägerin gegen die Berufsgenossenschaft geführte Verfahren S 68 U 207/01 – L 16 U 42/03).

Ihr stand aufgrund der während des Arbeitslosengeldbezuges eingetretenen Arbeitsunfähigkeit ein Leistungsfortzahlungsanspruch gemäß § 126 SGB III zu, der im Hinblick auf die bis zum 31. August 2001 bestehende Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld bis zum 23. August 2001 sicherte. Diese Vorschrift stellt allein auf den Eintritt von Arbeitsunfähigkeit und nicht auch auf deren Ursache ab, so dass es unerheblich ist, dass die (erneute) Arbeitsunfähigkeit auf den Arbeitsunfall aus dem Vorjahr zurückzuführen ist. Die Klägerin macht insofern zwar zu Recht geltend, dass ihr daneben dem Grunde nach auch Verletztengeld (§ 45 Abs. 1 SGB VII) zusteht. Diese Konkurrenz hat der Gesetzgeber auch gesehen und geregelt.

Im Bereich der Unfallversicherung hat er mit der Anrechnungsvorschrift in § 52 Nr. 2 SGB VII deutlich gemacht, dass der Anspruch auf Verletztengeld einen daneben bestehenden Anspruch auf Arbeitslosengeld unberührt lässt. Für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts hat er die Konkurrenz für den von § 126 SGB III erfassten Zeitraum abweichend von der Grundregel in § 142 Abs. 1 SGB III in Absatz 2 dieser Bestimmung ausdrücklich dahingehend gelöst, dass der Anspruch aus § 126 SGB III Vorrang vor dem – gleich hohen (§ 47 Abs. 2 SGB VII i. V. m. § 47 b SGB V) – Verletztengeld hat, und damit in gleicher Weise wie beim Krankengeld geregelt.

Die von der Klägerin gewünschte Unterscheidung danach, ob sich der der Arbeitsunfähigkeit zugrunde liegende Arbeitsunfall während einer vor der Arbeitslosigkeit liegenden Beschäftigung oder während des Arbeitslosengeldbezuges ereignet hat, sieht das Gesetz nicht vor und ist auch aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht ableitbar. Sinn dieser Vorschrift ist es, einen Wechsel der Leistungsträger bei kurzfristigen Arbeitsunfähigkeitszeiten zu vermeiden, dadurch im Interesse der Leistungsempfänger einen durchgehenden Leistungsbezug sicher zu stellen und damit den Leistungsempfänger vor zwangsläufig eintretenden Verzögerungen bei der Bearbeitung im Falle eines jeweils erforderlichen Zuständigkeitswechsel zu bewahren. Mit der von der Klägerin begehrten Unterscheidung will sie ausweislich ihres Vorbringens wohl geltend machen, hier lägen zwei parallel entstandene Ansprüche vor, die nicht gegeneinander "gekürzt" werden dürfen. Sie verkennt dabei aber, dass es bereits an dem Vorliegen zweier völlig unabhängig voneinander bestehender Ansprüche mangelt. Denn der ab 23. Dezember 2000 erworbene neue Arbeitslosengeldanspruch beruht jedenfalls in seiner Dauer wesentlich auf dem vorangegangenen Bezug von Verletztengeld und bestünde ohne dessen Berücksichtigung nur mit geringerer Dauer, sodass ausweislich der Akten zum hier beachtlichen Zeitpunkt der Arbeitslosengeldanspruch bereits erschöpft gewesen wäre.

Angesichts dieser Rechtslage ist es der Klägerin auch verwehrt, durch eine eigene formelle Abmeldung beim Arbeitsamt diese Situation in ihrem Sinne und entgegen der gesetzgeberischen Zielsetzung zu Lasten der Unfallversicherung zu regeln, wie das Sozialgericht zutreffend unter Hinweis auf § 46 Abs. 2 SGB I ausgeführt hat.

Soweit die Klägerin nicht grundsätzlich auf Leistungen für den angesprochenen Zeitraum verzichtet, was erkennbar ihrem Vorbringen nicht entspricht, kann sie mithin die Minderung ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 128 Abs. 1 SGB III durch die Leistungsfortzahlung gemäß § 126 SGB III für den streitigen Zeitraum nicht vermeiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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