L 7 KA 67/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 81/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 67/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2001 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat der Beklagten auch deren Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine Vergütung für vertragsärztliche Leistungen, die sie im Quartal II/95 für weitere 57 Patienten erbracht haben will.

Die Klägerin nimmt seit 1992 als Ärztin für Psychotherapie an der vertragsärztlichen Versorgung in Berlin teil und rechnet gegenüber der Beklagten zumindest seit dem Quartal II/95 mittels EDV ab.

Am 11. Juli 1995, an dem der durch den Vorstand der Beklagten festgelegte Termin zur Abgabe der Abrechnungsunterlagen für das Quartal II/95 ablief, reichte sie bei der Beklagten zwei Disketten zur Abrechnung der von ihr im Quartal II/95 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen ein. In der beigefügten Abrechnungssammelerklärung gab sie hierzu an, dass eine Diskette die Primärkassen mit 84 Fällen und eine Diskette die Ersatzkassen mit 26 Fällen betreffe, so dass insgesamt 110 Fälle zur Abrechnung gebracht würden.

Mit ihrem Honorarbescheid für das Quartal II/95 vergütete die Beklagte der Klägerin vertragsärztliche Leistungen für insgesamt 53 Patienten. Hierbei ging sie davon aus, dass die Klägerin mit den Disketten 27 den Primärkassen und 26 den Ersatzkassen zuzuordnende Patienten zur Abrechnung gebracht habe.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17. November 1995 Widerspruch ein, den sie trotz Aufforderung der Beklagten vom 04. März 1996 zunächst nicht begründete. Am 25. Juni 1997 führte sie sodann schriftsätzlich aus: Wie sie bereits am 29. April 1997 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache angegeben habe, sei es im Quartal II/96 (gemeint ist wohl das Quartal II/95) zu einem Abrechnungsfehler gekommen, weil die Beklagte für dieses Quartal nicht 110, sondern lediglich 53 Patienten abgerechnet habe. Dieser Fehler sei – wie aus einem Vergleich mit dem Disketteninhalt geschlossen werden könne – wahrscheinlich auf einen Fehler bei der Übernahme der Daten zurückzuführen und weder von ihr noch der Beklagten rechtzeitig bemerkt worden. Die Erstellung einer neuen Abrechnungsdiskette sei nach Auskunft ihres Computerbetreuers nicht mehr möglich, weil die Kassennummern geändert worden seien. In der Anlage überreichte sie mehrere mit Datum vom 03. Juni 1997 erstellte und das Quartal II/95 betreffende Computerausdrucke. Auf diesen Ausdrucken sind insgesamt 116 Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung aufgelistet. Ferner findet sich der Hinweis, dass für 102 dieser 116 Patienten Scheine hätten ausgewertet werden können; 53 dieser Scheine seien den Primärkassen, 49 davon den Ersatzkassen zuzuordnen. Im Dezember 1997 legte die Klägerin der Beklagten zwei Disketten vor, auf denen sich nach den Ermittlungen der Beklagten Abrechnungsunterlagen für das Quartal II/95 für 52 Versicherte der Primärkassen und 49 Versicherte der Ersatzkassen befunden haben sollen. Zu diesen Disketten teilte die Klägerin mit, es sei ihr nun doch gelungen, die zwei Abrechnungsdisketten für das Quartal II/95 wieder zu erstellen, und bat um entsprechende Korrektur der Honorarabrechnung.

Die Beklagte reichte der Klägerin die Disketten – nach Auswertung – zurück und teilte ihr mit ihren Schreiben vom 20. April 1998, 19. Juni 1998 und 16. Juli 1998 mit: Eine Nachvergütung komme nicht in Betracht. Denn eine Abrechnung von vertragsärztlichen Leistungen nach Ablauf eines Jahres vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, in dem sie erbracht worden seien, sei nach den maßgeblichen Bestimmungen ausgeschlossen. Hieran ändere nichts, dass sie die Abrechnung der Klägerin zeitnah auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit hin zu überprüfen habe. Denn die sachlich-rechnerische Richtigstellung beziehe sich ausschließlich auf die Umsetzung der Vorgaben des einheitlichen Bewertungsmaßstabs, ohne dass hierbei ein Abgleich zwischen der schriftlich gemeldeten Fallzahl und der Fallzahl auf der Diskette durchgeführt werden müsse. Es sei aber gängiges Verwaltungsverfahren, dass der entsprechende Sachbearbeiter bei größeren Differenzen zwischen schriftlicher Fallzahlmeldung und Diskettenabrechnung versuche, diese Differenzen – zumeist durch einen Anruf bei dem betroffenen Vertragsarzt – aufzuklären. Ob diese Serviceleistung auch im Fall der Klägerin stattgefunden habe, lasse sich angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit nicht mehr aufklären.

Hierzu gab die Klägerin an: Einen Anruf im vorgenannten Sinne habe sie nicht erhalten. Im Übrigen sei festzuhalten, dass es in ihrem Fall auf die ihr von der Beklagten entgegengehaltene Jahresfrist nicht ankomme. Denn wie sich aus dem Kontrollausdruck aus ihrem Computersystem ergebe, habe sie der Beklagten die Abrechnungsunterlagen für 110 Patienten am 11. Juli 1995 vollständig und fehlerfrei übermittelt. Nicht die von ihr eingereichten Disketten seien fehlerhaft gewesen, sondern der Fehler sei im Zuständigkeitsbereich der Beklagten beim Einlesen der Disketten in das dortige Computerprogramm entstanden. Zur Bekräftigung dieses Vorbringens überreichte sie eine Stellungnahme des Dr. P T – Software-Beratung & Computerservice – vom 11. März 1999, wonach die Daten auf den Abrechnungsdisketten nur dann gelesen werden könnten, wenn sie zuvor vollständig aus dem PC auf die Disketten übertragen worden seien; hierbei müssten die Patientenliste und die Abrechnungsdatei übereinstimmen, weil sie aus derselben Datei erstellt würden.

Mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 15. März 1999 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/95 zurück und führte zur Begründung aus: Der begehrten höheren Vergütung stünden § 34 Abs. 3 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen (EKV) sowie § 2 Abs. 7 Satz 1 ihres Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) entgegen. Hiernach sei die Abrechnung von Leistungen nach Ablauf eines Jahres – gerechnet vom Ende des Kalendervierteljahres an, in dem sie erbracht worden seien – ausgeschlossen. Diese Frist habe die Klägerin versäumt, weil davon auszugehen sei, dass der Abrechnungsfehler bei der Erstellung der Abrechnungsdisketten entstanden sei. Dies habe die Klägerin in ihrem Schreiben vom 18. September 1997 an ihren Software-Vertreiber bereits selbst eingestanden. Wenn sie nunmehr behaupte, dass der Fehler im Zuständigkeitsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eingetreten sei, trage sie hierfür die Beweislast.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf "Leistungsabrechnung der bisher unberücksichtigten 57 Patienten" weiterverfolgt und vier – das Quartal II/95 betreffende – Abrechungsdisketten zu den Akten der Beklagten gereicht. Zur Begründung ihrer Klage hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die in § 34 Abs. 3 EKV und § 2 Abs. 7 Satz 1 HVM geregelte Ausschlussfrist, die sich entgegen dem Wortlaut der genannten Vorschriften nicht auf die Abrechnung von erbrachten Leistungen, sondern nur auf das Einreichen der Abrechnungsunterlagen beziehe, habe für ihren Fall keine Bedeutung. Denn sie habe – wie die Auskunft des Computerspezialisten Dr. T belege – bereits am 11. Juli 1995 für insgesamt 110 Patienten Abrechungsunterlagen vollständig und fehlerfrei eingereicht, von denen die Beklagte aufgrund eines in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgetretenen Datenverarbeitungsfehlers lediglich Abrechungsunterlagen für 53 Patienten bei der Honorarabrechnung berücksichtigt habe. Hieran könne das ihr entgegengehaltene Schreiben an ihren Software-Vertreiber nichts ändern, zumal es in diesem Schreiben nur darum gegangen sei, Druck auf den Software-Vertreiber auszuüben, ihr bei der Neuerstellung der Abrechungsunterlagen behilflich zu sein. Die Neuerstellung dieser Unterlagen sei ihr im Übrigen anlässlich ihrer persönlichen Vorsprache im April 1997 von der zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten empfohlen worden, weil diese die Auffassung vertreten habe, dass die Vorlage der Sicherungskopien der Originalabrechnungsdisketten nicht sinnvoll sei, weil sie denselben Fehler enthalten könnten wie die Originalabrechungsdisketten. Selbstverständlich habe sie im Juli 1995 Sicherungskopien gefertigt, die ihr jedoch heute nicht mehr vorlägen. Soweit die Beklagte die Rechtzeitigkeit des Eingangs ihrer vollständigen Abrechungsunterlagen für 110 Patienten im Juli 1995 bestreiten wolle, habe im Übrigen die Beklagte die Beweislast für diese Behauptung zu tragen, weil sie sich insoweit auf einen rechtshindernden Einwand berufe bzw. wegen der Komplexität und Unübersichtlichkeit des gesamten Abrechnungsverfahrens zumindest eine Beweislastumkehr eintreten müsse. Davon abgesehen stehe ihr der geltend gemachte Anspruch jedenfalls unter dem Blickwickel des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu. Denn der Beklagten sei hier insofern eine den Herstellungsanspruch auslösende Pflichtverletzung vorzuwerfen, als sie die schriftliche Fallzahlmeldung nicht mit der Fallzahl auf den Abrechnungsdisketten abgeglichen und sie auf die Diskrepanz aufmerksam gemacht habe. Hierbei ergebe sich die Pflicht zum Abgleich und zur Information zum einen aus dem Umstand, dass die schriftliche Fallzahlmeldung sonst keinen Sinn hätte, sowie zum anderen aus der von der Beklagten eingeräumten gängigen Verwaltungspraxis, die schriftliche Fallzahlmeldung und die Fallzahl auf der Diskette miteinander zu vergleichen und den betroffenen Vertragsarzt bei Differenzen um Aufklärung zu bitten.

Mit seinem Urteil vom 17. Oktober 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Abrechnung von vertragsärztlichen Leistungen für 57 weitere Patienten für das Quartal II/95. Denn sie sei den Nachweis schuldig geblieben, dass sie im Juli 1995 über die berücksichtigten Leistungen für 53 Patienten hinaus weitere Leistungen zur Abrechnung gebracht habe. Die Originalabrechungsdisketten lägen nicht mehr vor und die nach den Angaben der Klägerin von ihr seinerzeit gefertigten Sicherungskopien seien ebenfalls nicht mehr vorhanden. Dass die Klägerin im Dezember 1997 der Beklagten (teilweise) neu erstellte Abrechnungsunterlagen eingereicht habe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn nach § 2 Abs. 7 Satz 1 HVM sei die Abrechnung von Leistungen nach Ablauf eines Jahres – vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, in dem sie erbracht worden seien – ausgeschlossen. Den Eintritt dieser Ausschlusswirkung habe die Klägerin durch ihr eigenes säumiges Verhalten im Widerspruchsverfahren gegen den Honorarbescheid zu vertreten, zumal sie den gerügten Abrechnungsfehler durch Blick in die dem Honorarbescheid beigefügte erweiterte Anzahlstatistik hätte unschwer entnehmen können. Auf das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könne sie sich nicht stützen, weil dieser Anspruch auf das Verhältnis des Vertragsarztes zur KV keine Anwendung finde.

Gegen dieses ihr am 29. November 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. Dezember 2001 eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen weiter vertieft. Zur weiteren Begründung überreicht sie zwei weitere Stellungnahmen des Dr. Tvom 04. Juli 2002 und 17. Februar 2003, wonach die Patientenliste und die an die KV weitergeleitete Abrechnungsdatei aus derselben Datei "Kassenscheine des Quartals" erstellt würden und deshalb nicht auseinander fallen könnten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2001 aufzuheben, den Honorarbescheid für das Quartal II/95 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1999 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, weitere vertragsärztliche Leistungen für 57 unberücksichtigt gebliebene Patienten für das Quartal II/95 zu vergüten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, dass von den ihr im Klageverfahren übermittelten vier Disketten zwei das Abrechnungsdatum vom 10. Juli 1995 trügen, zum einen 27 Primärkassenfälle sowie zum anderen 26 Ersatzkassenfälle zum Inhalt hätten und sich vom Inhalt her mit den Originalabrechnungsdisketten deckten; demgegenüber trügen die beiden weiteren Disketten das Datum vom 17. Dezember 1997 und wiesen – wie die Disketten, die die Klägerin im Dezember 1997 bei ihr zur Prüfung eingereicht habe – zum einen 52 Primärkassen- und zum anderen 49 Ersatzkassenfälle auf.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten einschließlich der der Beklagten im Klageverfahren übermittelten vier Disketten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2001 ist zutreffend.

Der Honorarbescheid für das Quartal II/95 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1999 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn sie hat keinen Anspruch auf Vergütung weiterer vertragsärztlicher Leistungen für 57 unberücksichtigt gebliebene Patienten für das Quartal II/95.

Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin verfolgten Anspruch ist § 85 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 10. Dezember 1988 (SGB V). Danach hat der jeweilige Vertragsarzt einen Anspruch auf Teilhabe an den Gesamtvergütungen entsprechend Art und Umfang der von ihm erbrachten – abrechnungsfähigen – Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen im HVM. Maßgeblicher HVM ist im vorliegenden Fall der HVM der Beklagten vom 01. Dezember 1994 in der Fassung der ab dem 01. April 1995 geltenden 1. Änderung vom 09. März 1995. Dieser HVM sieht in seinem § 2 Abs. 1 einen vierteljährlichen Abrechnungsmodus vor und bestimmt in seinem § 2 Abs. 3, dass die Abrechnungsunterlagen, die bei einer Abrechnung mittels EDV nach § 2 Abs. 4 HVM aus den zu Abrechnungszwecken erstellten Datenträgern bestehen müssen, zu den Terminen der Beklagten einzureichen sind, wie sie vom Vorstand festgelegt und im KV-Mitteilungsblatt veröffentlicht werden. Für den Fall der verspäteten Abgabe der Rechnungsunterlagen sieht der HVM in § 2 Abs. 6 Sonderregelungen vor, je nachdem, ob der Vorstand die verspätete Abgabe zuvor "genehmigt" hatte oder nicht. In seinem § 2 Abs. 7 Satz 1 bestimmt der HVM sodann, dass die Abrechnung von Leistungen ausgeschlossen ist nach Ablauf eines Jahres vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, in dem die Leistungen erbracht worden sind.

Die vorgenannten Fristenregelungen stehen mit höherrangigem Recht im Einklang. So entspricht zunächst § 2 Abs. 3 HVM der Vorschrift des § 34 Abs. 3 Satz 2 EKV in der hier maßgeblichen Fassung vom 01. Juli 1994 (EKV 1994) und ist durch die Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB V gedeckt. Hiernach sind die Kassenärztlichen Vereinigungen befugt, in ihrem HVM Regelungen über die Modalitäten der Abrechnung durch die Vertragsärzte zu treffen. Sie dürfen in diesem Zusammenhang Abrechnungsfristen vorgeben und diese auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung sogar als materielle Ausschlussfristen ausgestalten, um auf diese Weise den Zweck der Honorarverteilung sicherzustellen, nach jedem Quartal möglichst schnell und möglichst umfassend die für die Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge auszukehren. Allerdings dürfen die Fristenregelungen nicht unverhältnismäßig in den durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) geschützten Vergütungsanspruch der Vertragsärzte eingreifen, was dann anzunehmen wäre, wenn die Abrechnungsfristen als materielle Ausschlussfristen ausgestaltet und so kurz bemessen werden, dass es den Vertragsärzten nahezu unmöglich ist, eventuelle Fehler bei der Abgabe der Abrechnungsunterlagen noch innerhalb der Frist zu korrigieren (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 19/04 R – , zitiert nach juris). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier bezogen auf die Fristenregelung des § 2 Abs. 3 HVM indes nicht vor. Denn angesichts der in § 2 Abs. 6 HVM geregelten Ausnahmen ist mit dieser Bestimmung ein vollständiger und endgültiger Vergütungsausschluss noch nicht verbunden. Ein solcher Ausschluss ergibt sich vielmehr erst aus der Regelung des § 2 Abs. 7 Satz 1 HVM, die nach der zutreffenden Auslegung der Klägerin dahingehend zu verstehen ist, dass Leistungen dann nicht mehr abgerechnet werden dürfen, wenn die sie betreffenden Abrechnungsunterlagen erst nach Ablauf eines Jahres – vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, in dem die zur Abrechnung gestellten Leistungen erbracht worden sind – bei der Beklagten eingehen. Hierbei greift der Ausschluss auch dann ein, wenn der möglicherweise bereits erlassene Honorarbescheid – wie hier - noch nicht bestandskräftig geworden sein sollte, weil der betroffene Vertragsarzt hiergegen den insoweit vorgesehenen Rechtsbehelf eingelegt hat. Denn die Regelung des § 2 Abs. 7 Satz 1 HVM hat wie § 2 Abs. 3 HVM erkennbar den Sinn, eine möglichst zügige, zeitgerechte und vollständige Verteilung der Gesamtvergütungen zu erreichen. Dieser Sinn würde unterlaufen, bliebe die Abgabe von Abrechnungsunterlagen trotz Ablaufs der in § 2 Abs. 7 Satz 1 HVM geregelten Jahresfrist bis zum Eintritt der Bestandskraft des Honorarbescheides folgenlos möglich.

Wie § 2 Abs. 3 HVM steht auch § 2 Abs. 7 Satz 1 HVM mit höherrangigem Recht im Einklang. Diese Vorschrift korrespondiert mit § 34 Abs. 3 Satz 5 EKV 1994 und ist ebenfalls durch die Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB V gedeckt. Dass sie eine materielle Ausschlussfrist regelt, erweist sich im Lichte von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG als unbedenklich, weil die betroffenen Vertragsärzte angesichts der Länge der Frist von einem Jahr – gerechnet vom Ende des Kalendervierteljahres an, in dem die Leistungen erbracht worden sind – durch sie nicht unzumutbar belastet werden. Als maßgeblichen Termin für die Abgabe der Abrechnungsunterlagen für das Quartal II/95 hat der Vorstand der Beklagten auf der Grundlage von § 2 Abs. 3 HVM hier zulässiger Weise den 11. Juli 1995 bestimmt. Dass die Klägerin diesen Abgabetermin hinsichtlich der von ihr bei der Abrechnung vermissten Leistungen für weitere 57 Patienten eingehalten und dementsprechend nach § 85 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 SGB V nach Maßgabe der Verteilungsregelungen im HVM einen Vergütungsanspruch haben könnte, lässt sich entgegen ihrer Auffassung nicht feststellen.

Wie oben bereits dargelegt, können nach § 2 Abs. 4 HVM – soweit die Abrechnung (wie hier) mittels EDV erfolgt – Honoraranforderungen an die Beklagte nur mit zu Abrechnungszwecken erstellten Datenträgern gestellt werden, wogegen keine Bedenken bestehen. Denn die Regelung des § 2 Abs. 4 HVM entspricht § 42 Bundesmantelvertrag – Ärzte in der hier maßgeblichen Fassung vom 01. April 1995 (BMV 1995) sowie § 35 EKV 1994. Ebenso wie die Fristenregelungen in § 2 Abs. 3 und Abs. 7 Satz 1 HVM ist sie durch die Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB V gedeckt und im Lichte von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu beanstanden.

Maßgebliche Datenträger im vorgenannten Sinne sind hier die gemäß § 42 BMV 1995 sowie § 35 EKV 1994 mittels zertifizierter Software zu erstellenden Abrechnungsdisketten, denen auf der Basis von § 42 Abs. 3 BMV 1995 sowie § 35 Abs. 3 EKV 1994 nach § 2 Abs. 5 HVM die so genannte Abrechnungssammelerklärung beizufügen ist. Da sie gemeinsam mit den (aus den Abrechnungsdisketten bestehenden) Abrechnungsunterlagen abzugeben ist, stellt sie selbst keine geeignete Abrechnungsunterlage dar und kann dementsprechend nicht zum Nachweis dafür dienen, dass der von der Beklagten festgesetzte Termin für die Abgabe von Abrechnungsunterlagen hinsichtlich der nicht vergüteten Leistungen für weitere 57 Patienten eingehalten worden wäre.

Den Nachweis im soeben beschriebenen Sinne kann die Klägerin hier auch nicht auf sonstige Weise führen. Denn Disketten, zu denen die Beteiligten vorgetragen hätten, dass es sich um die Originalabrechnungsdisketten handeln könnte, sind nicht (mehr) vorhanden. Ferner stehen keine Disketten (mehr) zur Verfügung, bei denen es sich nach dem Vortrag der Beteiligten um die Sicherungsdisketten handeln könnte, die die Klägerin gemäß § 42 Abs. 6 BMV 1995 und § 35 Abs. 6 EKV 1994 hätte anfertigen und acht Quartale lang aufbewahren müssen. Vorhanden sind vielmehr lediglich die vier Disketten, die die Klägerin der Beklagten im Laufe des Klageverfahrens übermittelt hat. Sie sind indes zum Nachweis für die rechtzeitige Abgabe der hier in Rede stehenden Abrechnungsunterlagen bis zum 11. Juli 1995 nicht geeignet. Denn abgesehen davon, dass sie keine zwingenden Rückschlüsse darauf erlauben, welchen Inhalt die der Beklagten im Juli 1995 überreichten Originalabrechnungsdisketten gehabt haben müssen, haben sie nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren auch nur 27 Primär- und 26 Ersatzkassenfälle zum Inhalt (Disketten vom 10. Juli 1995) oder weisen (Disketten vom 17. Dezember 1997) lediglich 101 Fälle auf, die sich zahlenmäßig auf die Primär- und Ersatzkassen ganz anders verteilen, als die Klägerin in ihrer Abrechnungssammelerklärung angegeben hat (dort: 84 Primär- und 26 Ersatzkassenfälle; hier: 52 Primär- und 49 Ersatzkassenfälle).

Ein anderes Ergebnis folgt im vorstehenden Zusammenhang auch nicht aus den der Beklagten im Dezember 1997 eingereichten neu erstellten Disketten, die der Klägerin nach Auswertung durch die Beklagte seinerzeit wieder zurückgereicht worden sind und bei denen es sich um die Disketten vom 17. Dezember 1997 handeln könnte, die die Klägerin der Beklagten im Laufe des Klageverfahrens übermittelt hat. Denn diese Disketten weisen nach den nicht angegriffenen Ermittlungsergebnissen der Beklagten ebenfalls nur 101 Fälle auf, die sich in demselben Verhältnis auf die Primär- und Ersatzkassen verteilen wie die auf den Disketten vom 17. Dezember 1997 enthaltenen Fälle. Ferner lassen sie gleichermaßen keine Rückschlüsse auf den Inhalt der Originalabrechnungsdisketten zu. Des Weiteren besagen auch die von der Klägerin im Juni 1997 bei der Beklagten eingereichten Computerausdrucke nichts über den Inhalt der Originalabrechnungsdisketten. Denn abgesehen davon, dass sie erst am 03. Juni 1997 erstellt worden sind und sich nicht rückschließen lässt, dass sie mit den früheren Dateien identisch sein müssen, weisen sie 102 über Krankenschein abzurechnende Patienten aus, die sich abweichend von den Angaben der Klägerin in der Abrechnungssammelerklärung im Verhältnis 53 zu 49 auf die Primär- und Ersatzkassen verteilen. Schließlich belegen die Ausführungen des Dr. T die rechtzeitige Abgabe der hier in Rede stehenden Abrechnungsunterlagen nicht. Dr. T hat zwar nachvollziehbar dargelegt, dass aus einer Datei stammende Unterdateien zwangsläufig miteinander übereinstimmen müssten. Zu der entscheidenden Frage, wie die im Juli 1995 existierende Oberdatei tatsächlich ausgesehen haben muss, hat er jedoch Angaben weder gemacht noch machen können, sodass sich der Senat vor diesem Hintergrund zu einer von der Klägerin zu Recht nicht beantragten Vernehmung des Dr. T als Sachverständigen nicht gedrängt fühlen musste.

Die Nichterweislichkeit der von der Klägerin behaupteten Tatsache, sie habe der Beklagten am 11. Juli 1995 für das Quartal II/95 Abrechnungsunterlagen für weitere 57 unberücksichtigt gebliebene Patienten übermittelt, geht hier entgegen der Auffassung der Klägerin zu ihren Lasten. Denn der rechtzeitige Eingang der Abrechnungsunterlagen stellt mit Blick auf die begehrte Vergütung ein anspruchsbegründendes Merkmal dar, für das sie nach den allgemeinen Beweislastregeln die Beweislast trägt. Für eine Umkehr dieser Beweislast ist hier kein Raum, wie § 42 Abs. 6 BMV 1995 und § 35 Abs. 6 EKV 1994 erweisen. Mit Rücksicht darauf, dass diese Vorschriften dem jeweiligen Vertragsarzt die Pflicht auferlegen, im Rahmen seiner Dokumentationspflicht eine Sicherungskopie seiner Abrechnungsdatei zu fertigen und acht Quartale aufzubewahren, wird deutlich, dass die Sicherung von Beweisen im Zusammenhang mit der Übermittlung von Abrechnungsunterlagen in den Verantwortungsbereich des Vertragsarztes fällt. Dies wiederum muss auf die Verteilung der Beweislast hinsichtlich des rechtzeitigen Eingangs der Abrechnungsunterlagen bei der Beklagten durchschlagen.

Ein Anspruch auf Vergütung weiterer vertragsärztlicher Leistungen für 57 unberücksichtigt gebliebene Patienten für das Quartal II/95 ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin der Beklagten im Dezember 1997 zwei neu erstellte Abrechnungsdisketten überreicht hat. Denn wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, steht insoweit die oben bereits angesprochene Regelung des § 2 Abs. 7 Satz 1 HVM entgegen, wonach die Abrechnung von Leistungen nach Ablauf eines Jahres – vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, in dem die Leistungen erbracht worden sind – ausgeschlossen ist. Diese als materielle Ausschlussfrist ausgestaltete und von der hier noch nicht eingetretenen Bestandskraft des Honorarbescheides unabhängige Frist hat die Klägerin nicht eingehalten. Denn die Frist ist im vorliegenden Fall bereits am 30. Juni 1996 abgelaufen, während die neu erstellten Abrechnungsdisketten erst fast 1 ½ Jahre später im Dezember 1997 bei der Beklagten eingegangen sind.

Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich das bestehende Fristversäumnis im vorliegenden Fall auch nicht überwinden. Denn eine Fristverlängerung oder eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommen hier zugunsten der Klägerin schon deshalb nicht in Betracht, weil die Frist des § 2 Abs. 7 Satz 1 HVM als materielle Ausschlussfrist ausgestaltet ist. Das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist auf das Verhältnis zwischen Vertragsarzt und KV nicht anwendbar, weil dieses Verhältnis nicht der Verwirklichung der in den §§ 3 ff. des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches genannten sozialen Rechte dient. Das auf Treu und Glauben gestützte Rechtsinstitut der Nachsichtgewährung führt im vorliegenden Fall ebenfalls nicht weiter, weil jedenfalls seine Voraussetzungen nicht vorliegen. Denn nach der ständigen Rechtssprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat insoweit folgt, kommt eine Nachsichtgewährung nur dann in Betracht, wenn den jeweiligen Antragsteller an der Fristversäumnis kein Verschulden trifft (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 26. Oktober 1989 – 12 RK 10/88 – , zitiert nach juris), was sich hier nicht feststellen lässt. Denn die Klägerin hätte den Abrechnungsfehler zumindest anhand der dem Honorarbescheid beigefügten erweiterten Anzahlstatistik vor Fristablauf bemerken müssen und Abrechnungsunterlagen in Form der von ihr nach § 42 Abs. 6 BMV 1995 und § 35 Abs. 6 EKV 1994 zu fertigenden und sogar acht Quartale lang aufzubewahrenden Sicherungskopien ebenfalls vor Fristablauf einreichen können.

Schließlich lässt sich – ungeachtet der dogmatischen Einordnung – im vorliegenden Fall auch nicht feststellen, dass sich die Beklagte aus sonstigen Gründen nicht auf den Fristenablauf berufen dürfte. Denn selbst wenn die Beklagte – quasi im Gegenzug zu der Pflicht des Vertragsarztes, eine (peinlich genaue) Abrechnungssammelerklärung abzugeben, oder kraft der von ihr mit ihrem Schreiben vom 19. Juni 1998 eingeräumten Verwaltungspraxis – verpflichtet gewesen sein sollte, die schriftliche Fallzahlmeldung der Klägerin auf der Abrechnungssammelerklärung mit der Diskettenabrechnung zu vergleichen und bei Differenzen mit der Klägerin in Kontakt zu treten, und sie diese Pflichten verletzt haben sollte, kann sich die Klägerin hierauf nicht mit Erfolg stützen. Denn zum einen bietet der Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte diese Pflichten absichtlich verletzt haben könnte. Zum anderen kann die Frist des § 2 Abs. 7 Satz 1 HVM im Hinblick auf die Anforderungen der Rechtsinstitute der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Nachsichtgewährung mit Blick auf ein eventuelles Fehlverhalten der Beklagten auch nur dann überwunden werden, wenn die Klägerin ihrerseits kein Verschulden an dem Fristversäumnis träfe. Letzteres ist nach den obigen Ausführungen zum Rechtsinstitut der Nachsichtgewährung aber gerade nicht der Fall. Damit kann hier dahinstehen, ob der Vergütung der erst im Dezember 1997 geltend gemachten Leistungen für 57 weitere Patienten zugleich entgegensteht, dass die seinerzeit überreichten Disketten Angaben nicht zu insgesamt 110, sondern nur zu 101 Patienten enthalten, die sich zudem auch noch anders auf die Primär- und Ersatzkassen verteilen als von der Klägerin in ihrer Abrechnungssammelerklärung angegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil Gründe hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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