S 60 AL 2074/04

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
60
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 60 AL 2074/04
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Insoweit sind Kosten nicht zu erstatten. 3. Der Streitwert wird auf 564,- EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Berichtigung einer von der Beklagten ausgestellten Arbeitsbescheinigung.

Die Klägerin war vom 1. Dezember 2000 bis zum 31. Dezember 2004 als Marktleiterin bei der Beklagten beschäftigt. In dieser Zeit wohnte sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, der ebenfalls bei der Beklagten beschäftigt war, in einer Werkswohnung auf dem Betriebsgelände. Am 17. Dezember 2004 erstellte die Beklagte eine Arbeitsbescheinigung über diese Beschäftigung. Als Summe des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts gab sie einen Betrag von 26.794,14 EUR an. Die Klägerin meldete sich am 22. Dezember 2004 bei der Beigeladenen arbeitslos und legte dabei unter anderem die von der Beklagten ausgestellte Arbeitsbescheinigung vor. Daraufhin bewilligte die Beigeladene ihr für die Zeit ab 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld auf Grundlage der vorgelegten Arbeitsbescheinigung. Den Widerspruch der Klägerin gegen die Höhe der Leistungen wies die Beigeladene zurück; die Klage gegen den Widerspruchsbescheid ist beim Sozialgericht Lüneburg anhängig (Az.: S 7 AL 262/05).

Am 23. Dezember 2004 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben. Sie begehrt die Berichtigung der ausgestellten Arbeitsbescheinigung und trägt vor, dass als Bestandteile des Lohnes auch mietfreies Wohnen (300,- bis 350,- EUR pro Monat) und Nebenkosten, Strom, Heizung und Telefon (ca. 120,- EUR pro Monat) aufzunehmen seien. Teil ihrer von der Beklagten geschuldeten Vergütung sei nämlich unentgeltliches Wohnen in der Werkswohnung gewesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, das mietfreie Wohnen (300,- bis 350,- EUR) und die Mietnebenkosten, Strom, Telefon und Heizung (ca. 120,- EUR) als Bestandteil ihres Lohnes in der Arbeitsbescheinigung anzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Klage sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Darüber hinaus sei die Klage unbegründet, da alleiniger Mieter der Werkswohnung der Lebensgefährte der Klägerin gewesen sei.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht kann gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben.

II. Die Klage hat keinen Erfolg, weil sie unzulässig ist. Zwar ist nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesarbeitsgerichts für einen Anspruch auf Änderung einer Arbeitsbescheinigung der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben (BSG SozR 3-4100 § 133 Nr. 1; BAG NJW 1989, 1947; krit. dazu: Hoehl NZS 2005, 631). Für die vorliegende Klage fehlt jedoch das Rechtsschutzbedürfnis. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist dann nicht gegeben, wenn es für die Klägerin einen einfacheren und schnelleren Weg gibt, ihr Klageziel zu erreichen. Ein einfacherer und schnellerer Weg, um das mit der Klage verfolgte Ziel zu erreichen, stellt das Verwaltungsverfahren bei der Beigeladenen bzw. das sich daran anschließende Verfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg dar (vgl. BSG, a.a.O.). Denn im Verfahren über die Höhe des Arbeitslosengeldanspruchs müssen die Beigeladene und das Sozialgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt gemäß § 20 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) bzw. § 103 SGG von Amts wegen ermitteln. Dabei sind sie an den Inhalt der Arbeitsbescheinigung nicht gebunden. Zweck der Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) ist es lediglich, der Beigeladenen die Prüfung der Leistungsvoraussetzungen zu erleichtern. Die Bescheinigung als solche ist aber keine Anspruchsvoraussetzung und entfaltet keine Bindungswirkung. Einwände gegen die Richtigkeit der Bescheinigung kann die Klägerin gegenüber der Beigeladenen und dem Sozialgericht, das über den Arbeitslosengeldanspruch zu entscheiden hat, geltend machen. Des "Umweges" einer Klage gegen den ehemaligen Arbeitgeber bedarf es deshalb nicht. Für den betroffenen Arbeitnehmer ist die aufgezeigte Vorgehensweise zudem in der Regel günstiger als eine Klage gegen den ehemaligen Arbeitgeber, weil dieser in einem Verfahren gegen die Beigeladene als Zeuge gehört werden kann.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nach § 154 Abs. 1 VwGO hat die Klägerin als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, können ihr nach § 154 Abs. 3 VwGO keine Kosten auferlegt werden. Vor diesem Hintergrund wäre es aber auch unbillig, ihr nach § 162 Abs. 3 VwGO eine Erstattung ihrer Kosten zuzusprechen. Denn sie ist kein Kostenrisiko eingegangen; außerdem hat sie das Verfahren auch nicht wesentlich gefördert.

Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG kommen die §§ 154 ff. VwGO zur Anwendung, weil weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Nach § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren u.a. für Versicherte und Leistungsempfänger kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft beteiligt sind. Zwar ist die Klägerin Leistungsempfängerin im Sinne dieser Vorschrift, und sie hat die Klage auch im Hinblick auf einen Arbeitslosengeldanspruch erhoben. Gleichwohl tritt sie im Verhältnis zur Beklagten nicht in ihrer Eigenschaft als Leistungsempfängerin auf. Die Klage hat sie vielmehr in ihrer Eigenschaft als ehemalige Arbeitnehmerin der Beklagten erhoben. Auch die Beklagte gehört nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis. Die Anwendung des § 197a SGG wird dadurch gestützt, dass die andernfalls zur Anwendung kommenden §§ 183 ff. SGG zu völlig unbilligen Ergebnissen führen würden. Wenn man annähme, dass die Klägerin unter § 183 SGG fiele, würde das dazu führen, dass die Beklagte als Kostenpflichtige im Sinne des § 184 SGG eine Pauschgebühr zu entrichten hätte und gemäß § 193 Abs. 4 SGG trotz ihres Obsiegens weder diese noch ihre außergerichtlichen Kosten erstattet verlangen könnte (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage 2005, § 193 Rdnr. 3a f.). Diese einseitige Kostenbelastung eines obsiegenden Beklagten entspricht zwar der Konzeption des SGG für Klagen gegen Leistungsträger, kann aber nicht auf Klagen gegen private Dritte außerhalb des Sozialleistungssystems übertragen werden (vgl. allerdings für Klagen gegen Unternehmen der privaten Pflegeversicherung BSG SozR 3-1500 § 164 Nr. 13 zu § 193 Abs. 4 SGG a.F.).

IV. Gemäß § 197a SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) hat das Gericht den Streitwert festzusetzen. Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung nach Ermessen des Gerichts zu bestimmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bescheinigung, deren Berichtigung die Klägerin begehrt, dazu dient, Ansprüche gegenüber der Beigeladenen geltend zu machen. Insofern weist die Situation gewisse Ähnlichkeiten zur zivilrechtlichen Klage auf Auskunfterteilung auf, wenn die Auskunft dazu dienen soll, den "eigentlichen" Anspruch geltend zu machen. In diesen Fällen wird ein Bruchteil dieses Anspruchs als Wert angenommen (vgl. Herget in: Zöller, ZPO, 25. Auflage 2005, § 3 Rdnr. 16, Stichwort "Auskunft", m.w.N.). Eine ähnliche Vorgehensweise ist auch beim Anspruch auf Berichtigung einer Bescheinigung nach § 312 SGB III sachgerecht, wobei Ausgangspunkt die von der Klägerin geltend gemachten Positionen sind. Bei der Bestimmung des Bruchteils ist zu berücksichtigen, dass die geltend gemachten Beträge das Bruttoarbeitsentgelt betreffen, das Arbeitslosengeld aber nur einen Bruchteil davon beträgt, und dass der objektive Wert der begehrten Berichtigung dadurch eingeschränkt ist, dass die Beigeladene bzw. das Sozialgericht, vor dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht wird, ohnehin zur Amtsermittlung verpflichtet und deshalb nicht an den Inhalt der Bescheinigung gebunden ist. Deshalb erscheint es sachgerecht, hier 1/10 des geltend gemachten Betrages zugrunde zu legen. Die Klägerin verlangt die Bescheinigung von Leistungen im Wert von 350,- EUR (mietfreies Wohnen) plus 120,- EUR (Nebenkosten) pro Monat. Da für einen Arbeitslosengeldanspruch in der fraglichen Zeit das Entgelt der letzten 52 Wochen zugrunde zu legen war, geht es hier um 12 x 470,- EUR = 5.640,- EUR. 1/10 davon sind 564,00 EUR.
Rechtskraft
Aus
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