L 30 AL 72/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 9 AL 546/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 30 AL 72/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 29. Januar 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Unterhaltsgeld ab 12. Juli 2000 bis zum 01. April 2001 und damit einhergehend die Erstattung in Höhe von 2 670,06 DM (= 1 365,18 EUR).

Die 1975 geborene Klägerin war vom 01. Februar 1999 bis zum 31. Januar 2000 bei der BQ- und Sgesellschaft mbH/D (BQS GmbH) beschäftigt, meldete sich am 20. Januar 2000 arbeitslos und beantragte ab 01. Februar 2000 Arbeitslosengeld (Alg). Im Antrag gab sie an, dass zu Jahresbeginn 2000 die Lohnsteuerklasse I auf ihrer Lohnsteuerkarte eingetragen gewesen sei. Sie erklärte mit ihrer Unterschrift u. a. das Merkblattes 1 für Arbeitslose "Dienste und Pflichten" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Ihr Bruttoarbeitsentgelt betrug vom 01. Februar 1999 bis zum 31. Januar 2000 jeweils monatlich 1.997,28 DM nach der Arbeitsbescheinigung der BQS GmbH vom 28. Januar 2000. Durch Alg-Bewilligungsverfügung vom 10. Februar 2000 bewilligte die Beklagte Alg für 180 Tage mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 228,20 DM (Bemessungsentgelt 520,00 DM; Leistungsgruppe A, allgemeiner Leistungssatz).

Die Klägerin beantragte am 29. März 2000 bei der Beklagten die Förderung einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme. In dem Antrag gab sie u. a. wiederum an, dass zu Jahresbeginn 2000 die Lohnsteuerklasse I in ihrer Steuerkarte vermerkt sei. Sie versicherte erneut durch eigenhändige Unterschrift, dass Merkblatt 6 "Förderung der beruflichen Weiterbildung" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Sie besuchte vom 03. April 2000 bis zum 30. März 2001 eine von der Beklagten geförderte Weiterbildungsmaßnahme (Lehrgang: Buchführung in kleinen und mittelständischen Unternehmen) bei der A GmbH C.

Durch Bescheid vom 11. April 2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 03. April 2000 Unterhaltsgeld (Uhg) mit einem Leistungssatz von 228,20 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 520,00 DM, Leistungsgruppe A, allgemeiner Leistungssatz). Die Klägerin heiratete am 26. Mai 2000 und teilte dies der Beklagten mit einer am 13. Juni 2000 unterschriebenen Veränderungsmitteilung am 15. Juni 2000 mit. In der Zeit vom 31. Mai 2000 bis zum 09. Juni 2000 war der Uhg-Leistungsbezug wegen Ortsabwesenheit der Klägerin unterbrochen. Vom 10. bis zum 30. Juni 2000 bewilligte die Beklagte Uhg in derselben Höhe wie zuvor; Bewilligungsbescheid vom 20. Juni 2000. Ab 01. Juli 2000 bis zum 31. Dezember 2000 bezog die Klägerin Uhg mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 243,04 DM (Bemessungsentgelt 570,00 DM, Leistungsgruppe A, allgemeiner Leistungssatz). Vom 01. bis zum 31. Januar 2001 erhielt die Klägerin Uhg mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 248,71 DM nach denselben Leistungsparametern wie bis zum 31. Dezember 2000. Für die Zeit vom 01. Februar 2001 bis zum 01. April 2001 betrug das Uhg 251,51 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 580,00 DM, Leistungsgruppe A, allgemeiner Leistungssatz).

Am 28. März 2001 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg) ab 02. April 2001. In dem Antragsformular gab sie u. a. an, dass die Lohnsteuerklasse V zu Jahresbeginn 2001 auf ihrer Lohnsteuerkarte eingetragen worden sei. Die Beklagte bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 24. April 2001 Alg.

Am 30. April 2001 übersandte die Klägerin der Beklagten Kopien ihrer Lohnsteuerkarten für die Jahre 2000 und 2001. Die Lohnsteuerkarte 2000 war danach am 11. Juli 2000 aufgrund der Heirat am 26. Mai 2000 von der Lohnsteuerklasse I in die Lohnsteuerklasse V geändert worden. Zu Beginn des Jahres 2001 war in der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2001 ebenfalls Lohnsteuerklasse V eingetragen.

Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 07. Mai 2001 an. Die Klägerin erklärte unter dem 07. Mai 2001, im April 2000 habe sie sich bei ihrer Arbeitsvermittlerin informiert, was bei einer Eheschließung dem Arbeitsamt mitzuteilen sei. Sie wurde nur darauf hingewiesen, ihren neuen Familiennamen anzuzeigen. Dass auch die Änderung der Lohnsteuerklasse anzugeben sei, sei ihr nicht mitgeteilt worden. Die Mitarbeiterin der Beklagten habe ihr eine Veränderungsmitteilung mitgegeben, welche sie nach bestem Wissen und Gewissen ausgefüllt und an das Arbeitsamt zurückgesandt habe. Eine Kopie habe sie hiervon beigefügt. Auf diesem Vordruck sei kein Eintrag zur Änderung der Lohnsteuerklasse vorhanden. Ihr selbst sei nicht bewusst gewesen, dass sie die Änderung der Lohnsteuerklasse gegenüber dem Arbeitsamt hätte anzeigen müssen. Dies solle jedoch kein Entschuldigungs- bzw. Rechtfertigungsgrund sein. Sie möchte anmerken, dass dem Mitarbeiter, der die Veränderungsmitteilung bearbeitet habe, hätte auffallen können, dass eine verheiratete Person nach dem Steuerrecht nicht die Lohnsteuerklasse I in Anspruch nehmen könne. Sie bitte, in dieser Angelegenheit positiv zu entscheiden, und möchte nochmals betonen, dass sie nicht die Absicht eines Betruges gehabt habe.

Die Beklagte hob (zunächst) die Bewilligung von Unterhaltsgeld ab 26. Mai 2000 teilweise in Höhe von 68,60 DM wöchentlich auf; Bescheid vom 06. Juni 2001. Die Klägerin habe die Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2000 ab 26. Mai 2000 ändern lassen. Für die Zeit vom 26. Mai 2000 bis zum 30. Mai 2000, vom 10. Juni 2000 bis zum 31. Dezember 2000 sowie vom 01. Januar 2001 bis zum 31. Januar 2001 einschließlich vom 01. Februar 2001 bis zum 01. April 2001 habe sie 3 032,66 DM zu erstatten.

Die Klägerin legte hiergegen am 18. Juni 2001 Widerspruch ein, der durch Widerspruchsbescheid vom 23. August 2001 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Wegen der Einzelheiten des Widerspruchsbescheides wird auf Bl. I 52 bis I 56 der Leistungsakten der Beklagten verwiesen.

Die Klägerin hat am 25. September 2001 Klage vor dem Sozialgericht Cottbus erhoben und ihr Begehren weiter geltend gemacht.

Mit Bescheid vom 06. November 2001 hat die Beklagte den Bescheid vom 06. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2001 geändert und die Bewilligung von Unterhaltsgeld nur noch ab 12. Juli 2000 bis zum 01. April 2001 teilweise in Höhe von 68,60 DM wöchentlich aufgehoben und eine Erstattung für den vorgenannten Zeitraum in Höhe von noch 2 670,06 DM geltend gemacht.

Das Sozialgericht Cottbus hat durch Urteil vom 29. Januar 2004 "die Beklagte zur Aufhebung des Bescheides vom 06. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2001 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 06. November 2001 verurteilt". Die Klägerin habe nicht grob fahrlässig im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gehandelt. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass sie durch die Abgabe der Veränderungsmitteilung mit der darin enthaltenen Information über die Eheschließung und den neuen Familiennamen alles Notwendige getan habe. Bei der gegebenen Sachlage hätte sich der Arbeitsvermittlerin, bei welcher die Klägerin im April 2000 wegen der beabsichtigten Eheschließung vorgesprochen habe, aufdrängen müssen, der Klägerin einen Hinweis dahingehend zu erteilen, dass eine ggf. im Zusammenhang mit der Eheschließung erfolgende Änderung der Lohnsteuerklasse unbedingt gegenüber dem Arbeitsamt anzuzeigen sei. Dieser Beratungsbedarf hätte sich der Beklagten aufdrängen müssen, weil in der Regel Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Eheschließung einen Lohnsteuerklassenwechsel vornähmen. Weil die Klägerin aber gerade im April 2000 bei der Arbeitsvermittlerin vorgesprochen habe, um zu erfahren, welche Formalitäten sie im Zusammenhang mit der Eheschließung gegenüber der Beklagten vorzunehmen habe, und hier der genannte Hinweis auf Mitteilung des Lohnsteuerklassenwechsels nicht erfolgt sei, sei der Klägerin in diesem Falle keine grobe Fahrlässigkeit ihrer Unkenntnis vorzuwerfen, wenngleich auch im Merkblatt der Hinweis enthalten sei, dass ein Steuerklassenwechsel gegenüber der Beklagten mitzuteilen sei. Denn, wenn ein Arbeitsloser beim Arbeitsamt vorspreche, um die anstehende Eheschließung mitzuteilen, so dürfe er berechtigterweise darauf vertrauen, dass ihm von Seiten der Mitarbeiter des Arbeitsamtes der Hinweis erteilt werde, dass ein ggf. im Zusammenhang mit der Eheschließung durchgeführter Lohnsteuerklassenwechsel anzuzeigen sei.

Gegen das der Beklagten am 09. März 2004 zugestellte Urteil hat diese am 13. April 2004 Berufung eingelegt und vorgetragen, mit der Veränderungsmitteilung vom 13. Juni 2000 habe die Klägerin sie über die Eheschließung am 26. Mai 2000 sowie über die Namensänderung in Kenntnis gesetzt, nicht aber über eine Lohnsteuerklassenänderung ab 11. Juli 2000. Die Klägerin habe nicht annehmen können, dass sie dies nicht mitteilen müsse, auch wenn in einem Beratungsgespräch nicht ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei. Sie (die Beklagte) gehe weiterhin davon aus, dass der Klägerin die Bedeutung der Lohnsteuerklasse für die Zuordnung zur jeweiligen Leistungsgruppe und damit für die Höhe der Leistung zumindest bei Aufbringen der erforderlichen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen, da dies sowohl im Merkblatt für Arbeitslose als auch im Merkblatt "Förderung der beruflichen Weiterbildung" erläutert werde. Ihr (der Beklagten) habe sich zum Erfordernis der Mitteilung der Lohnsteuerklassenänderung nicht zwingend ein Beratungsbedarf aufdrängen müssen, da einerseits entsprechende Hinweise in den Merkblättern eindeutig seien und andererseits, z. B. bei Eheschließungen, keine Verpflichtung zur Änderung der Lohnsteuerklasse in dem betroffenen Jahr bestehe. Demgegenüber sei jedoch die Klägerin dazu verpflichtet, wesentliche Änderungen mitzuteilen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 29. Januar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten und wegen des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten sowie die Leistungsakten der Beklagten (Az.: ) Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht der Klage stattgegeben. Der Bescheid vom 06. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2001 und des Änderungsbescheides vom 06. November 2001 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn eine der in Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 genannten weiteren Voraussetzungen erfüllt ist. Gemäß § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ist diese Regelung im Bereich des SGB III zwingend. Hier kommen insbesondere die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X in Betracht, denn die Klägerin ist einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen. Diese Voraussetzung ist im Ergebnis zu Unrecht vom Sozialgericht verneint worden.

Vorliegend ist nach dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften von einer wesentlichen für die Klägerin nachteiligen Änderung der Verhältnisse auszugehen. Am 11. Juli 2000 hat sie auf ihrer Lohnsteuerkarte für das Jahr 2000 die Lohnsteuerklasse I in V ändern lassen. Die Änderung der Lohnsteuerklasse ist auch grundsätzlich im laufenden Bezug von Uhg zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus § 157 Abs. 1 SGB III in Verbindung mit § 137 Abs. 3 SGB III.

Nach § 137 Abs. 1 SGB III in der vorliegenden vom 01. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (BGBl. I S. 5948, = a.F.) richtet sich die als gewöhnlicher Abzug zugrunde zu legende Steuer nach der Leistungsgruppe, der der Arbeitslose zuzuordnen ist. Nach Abs. 2 der genannten Vorschrift sind zuzuordnen:

1. Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse I oder IV eingetragen ist, der Leistungsgruppe A,

2. Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse II eingetragen ist, der Leistungsgruppe B,

3. Arbeitnehmer, a) auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen ist oder b) die von ihrem im Ausland lebenden und daher nicht eingeschränkt einkommenssteuerpflichtigen Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, wenn sie darlegen und nachweisen, dass der Arbeitslohn des Ehegatten weniger als 40 % des Arbeitslohns beider Ehegatten beträgt, wobei bei der Bewertung des Arbeitslohnes des Ehegatten die Einkommensverhältnisse des Wohnsitzstaates zu berücksichtigen sind, der Leistungsgruppe C,

4. Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen ist, der Leistungsgruppe D sowie

5. Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse VI eingetragen ist, weil sie noch aus einem weiteren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen, der Leistungsgruppe E.

Nach § 137 Abs. 3 SGB III a. F. richtet sich die Zuordnung nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderungen vorlagen. Das Gleiche gilt, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird.

Für das Jahr 2000 hat die Klägerin ihre ursprüngliche Lohnsteuerklasse I am 11. Juli 2000 in die Lohnsteuerklasse V ändern lassen. Aufgrund der Gesetzeslage hatte die Klägerin gegenüber der Beklagten eine Mitteilungspflicht. Hierauf ist die Klägerin durch die ihr überlassenen Merkblätter ausreichend hingewiesen worden. Im Merkblatt 6 (Förderung der beruflichen Weiterbildung – Ausgabe April 1999) ist zur Höhe des Uhg ein Verweis auf das Merkblatt 1 für Arbeitslose enthalten (vgl. S 17 des Merkblattes 6). Da aber die Klägerin auch über das Merkblatt 1 verfügt hat, konnte sie hieraus entnehmen, dass eine wesentliche Mitteilungspflicht die Anzeige einer Steuerklassenänderung (vgl. S. 63 des Merkblattes 1) ist. Dieser Mitteilungspflicht ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats jedenfalls im April 2000 im Zusammenhang mit der Anzeige ihrer erst bevorstehenden Hochzeit im Mai 2000 und auch nicht vor der dann auch später erst am 11. Juli 2000 vorgenommenen Steuerklassenänderung nicht nachgekommen. Ein Nachweis ihrerseits, dass sie eine entsprechende Anzeige auch nur mündlich im Gespräch mit der Zeugin F gemacht hat, ist nicht gelungen. Eine derartige Erklärung hat die Zeugin nicht abgegeben. Die Zeugin F konnte sich zwar nicht konkret an das mit der Klägerin im April 2000 geführte Gespräch erinnern, sie konnte aber angeben, dass sie Arbeitslose, die dem Arbeitsamt über eine bevorstehende Hochzeit informieren, u. a. zu einer Lohnsteuerklassenänderung in der Regel informiert. Gründe, warum dies im Fall der Klägerin nicht so gewesen sein soll, haben sich dem Senat nicht aufgedrängt.

Die Klägerin ist ihrer Mitteilungspflicht auch grob fahrlässig nicht nachgekommen.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X). Grobe Fahrlässigkeit setzt also eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes, das heißt eine besonders grobe und auch subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung voraus, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Anzulegen ist bei der Prüfung des Vorliegens der groben Fahrlässigkeit nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab (BSG Urteil vom 24. April 1997 11 RAr 89/96 m. w. N. in Arbeit und Beruf AuB 1997, 282). Subjektiv unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung dieser individuellen Gegebenheiten hat die Klägerin zur Überzeugung des Senats dadurch grob fahrlässig gehandelt, dass sie den Hinweisen der Beklagten in ihren Merkblättern nicht ausreichend Beachtung geschenkt und entsprechend diesen Belehrungen am 11. Juli 2000 vorgenommene Änderung der eingetragenen Lohnsteuerklasse nicht angezeigt hat.

Die Beklagte hat die Bewilligung von Uhg ab dem 12. Juli 2000 bis zum 01. April 2001 auch innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 45 Abs. 4 SGB X zurückgenommen.

Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat die Klägerin die zu Unrecht erbrachten Leistungen zu erstatten. Den Erstattungsbetrag von 2.670,06 DM (= 1.365,18 EUR) hat die Beklagte zutreffend errechnet.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision haben nicht vorgelegen; § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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