L 25 B 438/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 311/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 438/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 2. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin außergerichtliche Kosten des Verfahrens nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Im Streit ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am 12. April 2006 erhobenen Klage hinsichtlich des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides des Antragsgegners vom 17. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2006.

Durch Bescheid vom 31. Mai 2005 wurden der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bewilligt und zwar insbesondere auch für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Juli 2005 in Höhe von monatlich 218,84 EUR sowie des Weiteren ab 1. August 2005 bis 31. August und ab 1. September 2005 bis 31. Dezember 2005 in jeweils unterschiedlichen Monatsbeträgen. Aufgrund einer Betriebskostenabrechnung der KWG, Kommunale Wohnungsgesellschaft mbH S vom 24. Mai 2005 für eine ehemals von der Antragstellerin bewohnten Wohnung wurde ihr für den Abrechnungszeitraum 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2004 der Betrag von 161,29 EUR im Juli 2005 auf Ihr Konto zurück überwiesen.

Nach Anhörung der Antragstellerin hat der Antragsgegner durch Bescheid vom 17. Februar 2006 den Bescheid vom 31. Mai 2005 über die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Juli 2005 teilweise in Höhe von 161,29 EUR aufgehoben mit der Begründung des Einkommenszuflusses aus Betriebskostenguthaben. Den dagegen eingelegten Widerspruch der Antragstellerin hat der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 27. März 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, bei dem Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung handele es sich um einmaliges Einkommen, das grundsätzlich zur Deckung eines Bedarfes im Zuflussmonat bestimmt sei und insofern als "Einkommen der Kosten der Unterkunft" (gemeint: gegenüber den Kosten der Unterkunft anrechenbar) anzusehen sei. Aufgrund des Einkommens sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen der Antragstellerin eingetreten. Die Erstattungspflicht ergebe sich aus § 40 Abs. 2 SGB II i. V. m. § 50 Abs. 1 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Höhe von 161,29 EUR.

Mit der am 12. April 2006 beim Sozialgericht (SG) Cottbus eingegangenen Klage und "Antrag auf einstweilige Anordnung" hat die Antragstellerin durch ihren seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten Klage erhoben. Zur Begründung wurde insbesondere vorgetragen, es handele sich bei dem Guthaben aus Betriebskostenvorauszahlungen für das Jahr 2004 nicht um anrechenbares Einkommen im Rahmen von Arbeitslosengeld II – Leistungen. Zu beachten sei, dass die Antragstellerin im Jahr 2004 nicht Sozialhilfe, sondern Arbeitslosenhilfe bezogen und alle entstehenden Mietkosten selbst getragen habe. Allenfalls komme eine Zuordnung der Guthabensauszahlung zum Vermögen der Antragstellerin in Betracht. Aufgrund der Vermögensfreibeträge sei dann keine Kürzung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes möglich. Zur Vermeidung gravierender Nachteile sei die vorläufige Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage zu beantragen.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 17. Februar 2006, Az.: , in Form des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2006, Az.: , wird aufgehoben.

2. Die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage wird einstweilen bis zur Entscheidung über die Hauptsache angeordnet.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zurückzuweisen.

Insbesondere wurde zur Begründung vorgetragen, die gezahlte Betriebskostenrückerstattung sei Einkommen im Sinne des § 11 SGB II. Die Betriebskosten seien im Juli 2005 der Antragstellerin zugeflossen, so dass sie auch in diesem Monat zu berücksichtigen gewesen seien.

Durch Beschluss vom 2. Mai 2006 hat das SG den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 12. April 2006 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden nach summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides. Die Antragstellerin habe im Juli 2005 Einkommen erzielt, die Voraussetzungen für die Aufhebung der Leistungsbewilligung wegen Änderung in den Verhältnissen ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X lägen mithin vor. Die Berücksichtigung eines Mittelzuflusses als Einnahme erfolge grundsätzlich unabhängig von Art, Rechtsgrund und Quelle. Die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin sei für den Monat Juli 2005 um den Einkommenszufluss in Höhe von 161,29 EUR gemindert.

Gegen den dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 8. Mai 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 24. Mai 2006 beim SG Cottbus eingegangene Beschwerde der Antragstellerin. Zur Begründung führt sie insbesondere aus, sie verstehe nicht, dass Geld zurückzuzahlen sei, da es sich um Leistungen aus Betriebskosten von 2004 handele und sie dieses Geld im Jahr 2004 als Vorauszahlung ihrer Miete für 2004 getätigt habe. So werde sie dafür bestraft, dass sie sparsam mit Wasser und Heizung umgegangen sei. Im Jahr 2004 habe sie keine Sozialhilfe, sondern Geld durch eine Umschulung erhalten, Leistungen aus Arbeitslosenhilfe, Kindergeld, Halbwaisenrente, Witwenrente erzielt. Das sei Geld, das ihr und ihren Kindern zugestanden habe und keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Dem Vorbringen der Antragstellerin ist als Antrag zu entnehmen,

den Beschluss des SG Cottbus vom 2. Mai 2006 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der am 12. April 2006 beim SG Cottbus eingegangenen Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 17. Februar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2006 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Beschluss des SG Cottbus ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage war nicht anzuordnen. Die angegriffene Verwaltungsentscheidung ergibt bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung keinen Anhalt ihrer Rechtswidrigkeit.

Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die aufschiebende Wirkung entfällt u. a. in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet, - wie im vorliegenden Fall -, grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung.

Im vorliegenden Fall entfällt daher der grundsätzliche Suspensiveffekt von Widerspruch und Anfechtungsklage nur gegenüber dem Aufhebungsbescheid, nicht jedoch gegenüber dem Rückforderungsbescheid (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGBII, 2005, § 39 Rz.12). Insoweit war die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur in Bezug auf den Aufhebungsbescheid zu prüfen.

Eine Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verwaltungsentscheidung bestehen (arg. § 86 a Abs. 3 S. 2 SGG; Conrades in LPK – SGB II, § 39 Rz. 11). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung bestehen nur, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs der Hauptsache wahrscheinlicher als dessen Misserfolg ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, SGG, 8. Auflage, § 86 a Rz. 27 m. w. N.).

Dies ist auch unter Berücksichtigung der in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu stellenden Anforderungen an die Sachaufklärung bei nur summarischer Prüfung hier nicht zu bejahen. Konkrete Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verwaltungsentscheidung fehlen.

Die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 31. Mai 2005 für den Zeitraum 1. Juli bis 31. Juli 2005 in Höhe von 161,29 EUR auf Grundlage des § 48 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 3. Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ist rechtmäßig.

Ein Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben könnte, § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X. Dies ist vorliegend der Fall. Durch den Zufluss der Erstattung der 161,29 EUR aus der Nebenkostenabrechnung war in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Bewilligungsbescheides vom 31. Mai 2005 vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten.

Der Zufluss von 161,29 EUR ist ein Einkommen, das zur Minderung des Anspruchs der Antragstellerin führt. Es handelt sich um Einkommen im Sinne des § 11 Abs.1 S 1 SGB II, wonach als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahmen der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten und der Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

Das SGB II unterscheidet zwischen Einkommen und Vermögen. Der Senat folgt insoweit der Auffassung, wonach Einkommen im Sinne des § 11 SGB II alles das ist, was der Hilfsbedürftige während eines Zahlungszeitraumes wertmäßig dazu erhält und Vermögen, das, was er bei Beginn eines Zahlungszeitraumes bereits hat (Mecke in Eicher u. a., a. a. O., § 11 Rz. 19, § 12 Rz.17ff). Damit zieht der Senat die Grundsätze heran, die bereits vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) herangezogen worden waren, wonach sozialhilferechtlich Einkommen all das war, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhalten hat und Vermögen, das, was er in der Bedarfszeit bereits hatte (BVerwG v. 19. Februar 2001- 5 C 4/00- ).

Nach allem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben. Bei der weiteren Bearbeitung des Hauptsacheverfahrens dürfte im Hinblick auf den Rücknahmebescheid § 40 Abs. 2 SGB II zu berücksichtigen sein.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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