L 16 AL 11/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 52 AL 416/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 AL 11/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. Dezember 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Der am 1944 geborene Kläger bezog von der Beklagten bis zum 13. Juni 1997 Arbeitslosen-geld (Alg) und im Anschluss daran Alhi. Wegen einer beruflichen Bildungsmaßnahme erhielt er vom 03. November 1997 bis zum 09. Januar 1999 Unterhaltsgeld (Uhg) bzw. Anschluss-Uhg. Die Gewährung von Alhi für die Zeit ab 10. Januar 1999 lehnte die Beklagte mit Be-scheid vom 26. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 1999 ab. Dieser Bescheid ist bestandskräftig. Am 27. Dezember 1999 beantragte der Kläger erneut Alhi. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 24. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2000 ab mit der Begründung, dass der Kläger weder arbeitslos noch verfügbar sei. Er habe in seinem Antrag auf Alhi vom 27. Dezember 1999 ein-deutig und unmissverständlich erklärt, nicht bereit zu sein, alle Möglichkeiten zu nutzen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Hieran müsse er sich festhalten lassen.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Gewährung von Alhi gerichtete Klage mit Urteil vom 04. Dezember 2003 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begrün-det. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Alhi gemäß § 190 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Ar-beitsförderung – (SGB III). Denn er sei nicht arbeitslos im Sinne des § 198 S. 2 Nr. 1 i.V. mit § 118 Abs. 1 SGB III gewesen. Es fehle an dem Tatbestandsmerkmal der Beschäftigungssuche. Eine Beschäftigung suche, wer alle Möglichkeiten nutze und nutzen wolle, um seine Beschäf-tigungslosigkeit zu beenden, und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfü-gung stehe. Der Kläger sei nicht beschäftigungssuchend, weil er die Frage, ob er bereit sei, alle Möglichkeiten zu nutzen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, verneint habe. Da es sich bei der Verfügbarkeitserklärung um eine Tatsachenerklärung handele, könne diese auch nicht rückwirkend wiederhergestellt werden.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter; auf seine Schriftsätze vom 20. Februar 2004 und 20. Juni 2005 wird Bezug genommen.

Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. Dezember 2003 und den Bescheid der Be-klagten vom 24. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 27. Dezember 1999 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Die Leistungsakten der Beklagten (3 Bände und 3. Behelfsakte), die Akte des SG Berlin S 78 AL 2395/99 – L 14 AL 166/99 und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Be-schluss zurückweisen können, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Ver-handlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers, mit der dieser bei verständiger Würdigung seines Begehrens (vgl. § 123 SGG) die erstinstanzliche erhobene und statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leis-tungsklage auf Gewährung von Alhi ab Antragstellung, d. h. für die Zeit ab 27. Dezember 1999 (vgl. § 325 Abs. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung), weiter verfolgt, ist nicht begründet. Für die Zeit ab 1. Januar 2005 gilt dies schon deshalb, weil seit diesem Zeitpunkt statt Alhi allenfalls Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) von dessen Leistungsträgern auf Grund eines entsprechenden An-trags zu gewähren sind. Soweit der Kläger auch über den 1. Januar 2005 hinaus die Gewährung von Alhi geltend macht, ist die Klage insoweit mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig, weil sich das Klagebegehren insoweit erledigt hat ( vgl. § 39 Abs.2 Sozialgesetz-buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz- SGB X; vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 7a/7 AL 70/04 R – nicht veröffentlicht). Im Übrigen, d.h. für den Zeit-raum vom 27. Dezember 1999 bis zum 31. Dezember 2004, ist die Klage auf Alhi unbegrün-det. Denn eine Bedürftigkeit des Klägers im Sinne von § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ist insoweit nicht feststellbar.

Anspruch auf Alhi haben Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben, einen Anspruch auf Alg nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht er-füllt haben, die besonderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt haben und bedürftig sind (§ 190 Abs. 1 SGB III in der bis 31. Dezember 1999 geltenden und vorliegend noch anwendbaren Fassung). Ungeachtet dessen, ob der Kläger in dem entscheidungserheblichen Zeitraum ar-beitslos war, ist die Bedürftigkeit des Klägers in diesem Zeitrahmen nicht erwiesen.

Bedürftig ist ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht (§ 193 Abs. 1 SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung). Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen einer Person, die mit dem Ar-beitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs. 2 SGB III in der bis 31. Juli 2001 geltenden Fassung). Wann dies der Fall ist, bestimmen die aufgrund der Ermächtigung des § 137 Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) hierzu getroffenen Regelungen der §§ 6 bis 10 der Alhi-Verordnung 1974 (AlhiVO 1974). Die-se Vorschriften finden vorliegend weiterhin Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 09. August 2001 – B 11 AL 11/01R = SozR 3-4300 § 193 Nr. 2). Die am 01. Januar 2002 in Kraft getrete-ne AlhiVO 2002 vom 13. Dezember 2001 (BGB l. I S. 3734) ist vorliegend mit Ausnahme des § 9 dieser Verordnung noch nicht anwendbar, weil der von dem Kläger geltend gemachte An-spruch auch den Zeitraum vom 01. Oktober bis zum 31. Dezember 2001 umfasst (vgl. § 4 Al-hiVO 2002).

Nach § 6 Abs. 1 AhliVO 1974 ist Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd ge-trennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumut-bar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000,00 DM (jetzt 4.100,00 EUR) übersteigt. Inwieweit Vermögen verwertbar bzw. die Verwertung zumutbar ist, regeln § 6 Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 7 AlhiVO 1974. Rechtlich unerheblich sind dabei abweichende privatrechtliche Vereinbarungen der Eheleute.

Nach den Angaben des Klägers im Verfahren S 78 AL 2395/99 – L 14 AL 166/99 (SG Berlin) verfügte die Ehefrau des Klägers, K G, in dem vorliegend entscheidungserheblichen Zeitrah-men über erhebliche Vermögenswerte (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 11. Juni 2001 nebst Anlagen). Der Kläger hat hierzu – entgegen seinen Angaben im Leistungsantrag vom 27. De-zember 1999 - im Termin zur mündlichen Verhandlung bei dem Landessozialgericht Berlin vom 08. Januar 2002 (L 14 AL 166/99) erklärt, dass "jetzt" noch ein Restbetrag von etwa 20.000,00 DM vom Vermögen seiner Ehefrau vorhanden sei. Die genaue Höhe des Vermögens seiner Ehefrau kenne er aber nicht. Seine Ehefrau habe ihm während seiner Arbeitslosigkeit, seitdem er keine Leistungen erhalte, monatlich 2000,00 DM als Kredit gewährt. Die Ehefrau des Klägers selbst hat ausweislich ihrer im Wege des Urkundenbeweises zu verwertenden Zeu-genaussage in diesem Verhandlungstermin erklärt, dass von ihrem aus Japan im Jahr 1999 mit-gebrachten Geld "jetzt" noch etwa 11.000,00 EUR übrig seien. Daneben habe sie 1992 aus Japan Vermögen in nicht genannter Höhe mitgebracht. Weitere Angaben hat die Ehefrau hierzu nicht gemacht, sondern sich insoweit auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Der Senat legt diese Angaben, deren Verwertung der Kläger auf ausdrücklichen Hinweis des Gerichts nicht widersprochen hat, seiner Entscheidung zu Grunde. Danach ist weder feststellbar, welcher Art das Vermögen des Klägers bzw. seiner Ehefrau in dem entscheidungserheblichen Zeitrahmen war bzw. welche Höhe dieses hatte, noch lassen sich Feststellungen dazu treffen, ob und gege-benenfalls zu welchem Teil dieses Vermögen möglicherweise nur treuhänderisch verwaltet wird oder ob dessen Verwertung oder die Verwertung von Teilen dieses Vermögens mögli-cherweise nicht zumutbar im Sinne von § 3 Abs. 2 AlhiVO 1974 war. Es ist auch nicht erkenn-bar, dass weitere Amtsermittlungen geeignet gewesen wären, den Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären. Somit ist bereits nicht erwiesen, dass die Verwertung des im Dezember 1999 und danach vorhandenen Vermögens unzumutbar gewesen wäre. Da im entscheidungserheblichen Zeitraum unstreitig Vermögen vorhanden war und sich keine Tatsachen feststellen lassen, die dessen Verwertung ausschließen, geht die Nichtfeststellbarkeit dieser Tatsachen nach Aus-schöpfung der dem Gericht zur Verfügung stehenden Amtsermittlungsmöglichkeiten zu Lasten des Klägers. Im Übrigen greift vorliegend auch die Vermutungsregel des § 10 AlhiVO 1974 ein. Nach dieser Vorschrift ist anzunehmen, dass der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann, wenn sich – wie hier – nicht fest-stellen lässt, ob oder in welcher Höhe der Arbeitslose Einkommen oder Vermögen hat, die Ge-samtumstände der Lebensführung des Arbeitslosen jedoch den Schluss zulassen, dass er nicht oder nur teilweise bedürftig ist (§ 10 Nr. 2 AlhiVO 1974). Dies ist im Hinblick darauf, dass die Ehefrau des Klägers im entscheidungserheblichen Zeitraum dessen Unterhalt tatsächlich bestritten hatte, der Fall. Denn der Arbeitslose bestreitet seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi, wenn er in einer Hausgemeinschaft lebt, in der er Unterkunft, Ernährung und Bekleidung erhält (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1990 – 7 RAr 22/90 = SozR 3-4100 § 137 Nr. 1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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