Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 RJ 2067/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 187/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Dezember 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstat-ten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsminderung (EM).
Die am 1963 geborene Klägerin hatte keine Berufsausbildung absolviert. Sie war nach ihren Angaben zuletzt als Kinderbetreuerin beschäftigt und bezog seit 1997 laufend Hilfen zum Le-bensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Im März 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von EM–Rente; dabei legte sie u.a. einen Entlassungsbericht der Rheumaklinik B vom 29. April 2003 (stationäre Be-handlung vom 28. März bis zum 29. März 2003 und vom 03. April bis 15. April 2003) vor, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Die Beklagte ließ die Klägerin durch die Internistin Dr. v I untersuchen und begutachten. Diese Ärztin bescheinigte der Klägerin in ihrem Gutachten vom 28. Juli 2003 ein tägliches Leistungsvermögen von mehr als 6 Stunden für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in Tagesschicht unter Berücksichtigung der aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen (Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden im Sinne eines Halswirbelsäulen- bzw. Lendenwirbelsäulensyndroms, arterielle Hypotension mit Kreis-laufdysregulation). Als "Erziehungshelferin" könne die Klägerin weiterhin vollschichtig tätig sein. Mit Bescheid vom 01. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Volle bzw. teilweise EM liege nicht vor.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2004 die auf Ge-währung von Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser EM gerichtete Klage abgewie-sen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser EM gemäß § 43 Sozial-gesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Die Klägerin sei noch in der Lage, täglich 6 Stunden und mehr körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Berücksichti-gung der durch Dr. v I festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auszuüben. Dieses im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten sei nach umfangreicher Untersuchung und Be-fundung erstellt worden und in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Eine entzündliche Gelenker-krankung habe bei der Klägerin nicht nachgewiesen werden können. Auch eine diesbezügliche Therapie finde nicht statt. Medizinische Unterlagen, die dem Begutachtungsergebnis von Dr. v I entgegenstehen würden, habe die Klägerin nicht vorgelegt. Mangels Einreichung der ihr aus-gehändigten Fragebogen habe das Gericht auch keine Veranlassung gehabt, weitere Ermittlun-gen von Amts wegen einzuholen.
Mit der – nicht begründeten – Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich der Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Dezember 2004 und den Be-scheid der Beklagten vom 1. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 1. März 2003 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat im Berufungsverfahren von der die Klägerin behandelnden Fachärztin für All-gemeinmedizin Dr. B einen Befundbericht vom 16. April 2005 erstatten lassen; hierauf wird Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegens-tand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin hat aufgrund ihres im März 2003 gestellten Rentenantrages (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB VI) weder einen Anspruch auf Rente wegen voller EM (§ 44 Abs. 2 SGB VI) noch auf Rente wegen teilweiser EM nach § 44 Abs. 1 SGB VI oder wegen teilweiser EM bei Berufsunfähigkeit (BU) nach § 240 SGB VI; die Gewährung von Rente wegen ver-minderter Erwerbsfähigkeit nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechtsvorschrif-ten, die im Hinblick auf den im März 2003 gestellten Rentenantrag ohnehin nicht in Betracht kommt, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
Die Vorschrift des § 43 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren Pflichtbeiträgen für ein versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EM voraus (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss volle bzw. teilweise EM vorliegen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI); bei der Rente wegen teilweiser EM bei BU muss der Versicherte vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sein (vgl. § 240 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB VI). Ein Anspruch der im Jahr 1963 geborenen Klägerin auf Rente wegen teilweiser EM bei BU schei-det deshalb bereits aufgrund ihres Lebensalters aus, und zwar unabhängig davon, ob in der Per-son der Klägerin die Voraussetzungen von BU erfüllt waren und sind.
Voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stun-den (volle EM) bzw. mindestens sechs Stunden (teilweise EM) täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeits-marktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Ar-beitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin war und ist in dem für das Klagebegehren erheblichen Zeitraum ab 01. März 2003 (Antragsmonat) nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Denn sie verfügte und verfügt in dem maßgebenden Zeitraum noch über ein vollschichtiges und damit auch ein mindestens sechsstündiges tägliches Restleistungsver-mögen zumindest für leichte körperlich und geistige Arbeiten, mit dem sie regelmäßig einer achtstündigen und somit jedenfalls auch einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen nachgehen konnte und kann. Dass die Klägerin über ein derart beschriebenes Restleistungsvermögen verfügte und auch der-zeit noch verfügt, folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus dem Gutachten der im Verwaltungsverfahren als Sachverständige eingesetz-ten Internistin Dr. v I. Diese Ärztin hat der Klägerin in ihrem Gutachten vom 28. Juli 2003 ein derartiges vollschichtiges Restleistungsvermögen bescheinigt. Eine Verschlechterung des sei-nerzeit bestehenden Gesundheitszustandes hat die Klägerin nicht behauptet; Anhaltspunkte hierfür sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Dabei war es dem Senat aufgrund der – unzurei-chenden – Mitwirkung der Klägerin im Berufungsverfahren nur möglich, einen Befundbericht von ihrer behandelnden Ärztin Dr. Berstatten zu lassen. Diese Ärztin hat aber in ihrem Bericht und dem Begleitschreiben hierzu vom 16. April 2005 gegenüber der Begutachtung gleichblei-bende Befunde mitgeteilt und bei der Klägerin sogar körperlich leichte Arbeiten als möglich bezeichnet. Weitere Amtsermittlungen zu den von Dr. B erwähnten Behandlungen bei nament-lich nicht genannten Orthopäden und Chirurgen waren dem Gericht verwehrt, weil die Kläge-rin auf entsprechende Anfrage des Gerichts sich auch auf mehrfache Erinnerung hin nicht ge-äußert hat. Mangels erkennbarer neuer Tatsachen auf medizinischem Gebiet war auch die Ein-holung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht angezeigt. Denn Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Überzeugungskraft des Gutachtens von Dr. v I zu erschüttern, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat diese Ärztin auf der Grundlage der von ihr erhobenen objekti-ven Befunde plausibel die sich hieraus ergebenden Leistungseinschränkungen beschrieben. Nachvollziehbare Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. v I hat die Klägerin weder im Widerspruchs- noch im Klage- oder Berufungsverfahren vorgebracht. Schon anlässlich der stationären Behandlung der Klägerin in der Rheumaklinik B im März und April 2003 waren keine klinisch objektivierbaren krankheitswertigen Befunde erhoben worden. Insbesondere eine entzündliche Gelenkerkrankung der Klägerin ist danach ausgeschlossen.
Da das der Klägerin verbliebene Leistungsvermögen für die Zeit ab März 2003 noch einen vollschichtigen Arbeitseinsatz im Rahmen leichter körperlicher und geistiger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zulässt und nach den Feststellungen von Dr. v I die Klägerin auch uneingeschränkt wegefähig war und ist, ist sowohl ein Anspruch auf Rente wegen voller EM als auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM ausgeschlossen. Denn die in § 43 SGB VI getroffenen Regelungen setzen ein Absinken des Restleistungsvermögens auf unter drei Stunden täglich bei voller EM (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) bzw. auf unter sechs Stunden täg-lich bei teilweiser EM (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) voraus.
Das vollschichtige Restleistungsvermögen der Klägerin war und ist nach den von Dr. v I festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart reduziert, dass es einem Arbeitseinsatz der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegenstünde. Die Klägerin kann zwar nach den von der Sachverständigen getroffenen Feststellungen wegen ihrer Leiden nur noch körperlich leichte Arbeiten und allen-falls gelegentlich körperlich mittelschwere Arbeiten ohne anhaltendes Sitzen verrichten. Aus-geschlossen sind Arbeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr, in gebeugter Körperhaltung, an Ma-schinen sowie auf Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschicht sowie Tä-tigkeiten, die eine Teilnahme am Straßenverkehr erfordern. Da nach den Feststellungen von Dr. v I jedenfalls die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit ebenso wie die Verantwortungs-fähigkeit und das Konzentrations- und Reaktionsvermögen im Rahmen geringer Anforderun-gen erhalten waren und sind, bestand und besteht damit aber weder eine spezifische Leistungs-behinderung noch liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 – B 5/4 RA 58/97 R – nicht veröffentlicht). Es lagen und liegen zwar bei der Klägerin Leistungseinschränkungen vor, die teilweise über den Rahmen dessen hinaus gehen, was inhaltlich vom Begriff der körperlich leichten Tätigkeiten umfasst wird. Dies gilt besonders hinsichtlich der Vermeidung bestimmter äußerer Einwirkungen wie Kälte, Nässe und Zugluft (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 – B 13 RJ 71/97 R – nicht veröf-fentlicht). Die von Dr. v I bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkun-gen sind aber nicht geeignet, das Feld körperlich leichte Arbeiten zusätzlich wesentlich einzu-engen. Denn die vorliegenden Leistungseinschränkungen wie der Ausschluss von Arbeiten in Zwangshaltungen oder mit einseitiger körperlicher Belastung, in Kälte, Nässe und Zugluft, an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten sowie in Nacht- und Wechselschicht zählen nicht zu den ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und schon gar nicht zu den schweren spezifischen Leistungsbehinderungen (vgl. dazu die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 – GS 1 – 4/95 – GS 2/95 = SozR 3 – 2600 § 44 Nr. 8). Das gilt auch hinsichtlich der eingeschränkten geistigen Fähigkeiten der Klägerin, die keine besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz erkennen lassen, die eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen könnten (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104, 117). Die Klägerin war und ist vielmehr in der Lage, ihrer geringen Vorbildung entsprechende einfache geistige Arbeiten zu verrichten. Insgesamt betreffen die bei der Klägerin festgestellten qualita-tiven Leistungseinschränkungen jedenfalls lediglich einen kleinen Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes, lassen aber ein weites Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten unberührt.
So konnte und kann die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen etwa noch leichte Bürotätigkeiten verrichten, wie sie in der Tarifgruppe X des früheren Bundesangestell-ten-Tarifvertrages (BAT) erfasst sind. Das Gleiche gilt für leichte Sortier- und Verpackungstä-tigkeiten. Die Klägerin ist auch in der Lage, derart einfache Tätigkeiten nach einer Zeit der Einarbeitung von höchstens drei Monaten vollwertig zu verrichten. Denn relevante Einschrän-kungen bezüglich der Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit, der Auffassungsgabe und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit bestanden und bestehen bei ihr nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsminderung (EM).
Die am 1963 geborene Klägerin hatte keine Berufsausbildung absolviert. Sie war nach ihren Angaben zuletzt als Kinderbetreuerin beschäftigt und bezog seit 1997 laufend Hilfen zum Le-bensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Im März 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von EM–Rente; dabei legte sie u.a. einen Entlassungsbericht der Rheumaklinik B vom 29. April 2003 (stationäre Be-handlung vom 28. März bis zum 29. März 2003 und vom 03. April bis 15. April 2003) vor, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Die Beklagte ließ die Klägerin durch die Internistin Dr. v I untersuchen und begutachten. Diese Ärztin bescheinigte der Klägerin in ihrem Gutachten vom 28. Juli 2003 ein tägliches Leistungsvermögen von mehr als 6 Stunden für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in Tagesschicht unter Berücksichtigung der aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen (Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden im Sinne eines Halswirbelsäulen- bzw. Lendenwirbelsäulensyndroms, arterielle Hypotension mit Kreis-laufdysregulation). Als "Erziehungshelferin" könne die Klägerin weiterhin vollschichtig tätig sein. Mit Bescheid vom 01. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Volle bzw. teilweise EM liege nicht vor.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2004 die auf Ge-währung von Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser EM gerichtete Klage abgewie-sen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser EM gemäß § 43 Sozial-gesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Die Klägerin sei noch in der Lage, täglich 6 Stunden und mehr körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Berücksichti-gung der durch Dr. v I festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auszuüben. Dieses im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten sei nach umfangreicher Untersuchung und Be-fundung erstellt worden und in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Eine entzündliche Gelenker-krankung habe bei der Klägerin nicht nachgewiesen werden können. Auch eine diesbezügliche Therapie finde nicht statt. Medizinische Unterlagen, die dem Begutachtungsergebnis von Dr. v I entgegenstehen würden, habe die Klägerin nicht vorgelegt. Mangels Einreichung der ihr aus-gehändigten Fragebogen habe das Gericht auch keine Veranlassung gehabt, weitere Ermittlun-gen von Amts wegen einzuholen.
Mit der – nicht begründeten – Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich der Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Dezember 2004 und den Be-scheid der Beklagten vom 1. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 1. März 2003 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat im Berufungsverfahren von der die Klägerin behandelnden Fachärztin für All-gemeinmedizin Dr. B einen Befundbericht vom 16. April 2005 erstatten lassen; hierauf wird Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegens-tand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin hat aufgrund ihres im März 2003 gestellten Rentenantrages (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB VI) weder einen Anspruch auf Rente wegen voller EM (§ 44 Abs. 2 SGB VI) noch auf Rente wegen teilweiser EM nach § 44 Abs. 1 SGB VI oder wegen teilweiser EM bei Berufsunfähigkeit (BU) nach § 240 SGB VI; die Gewährung von Rente wegen ver-minderter Erwerbsfähigkeit nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechtsvorschrif-ten, die im Hinblick auf den im März 2003 gestellten Rentenantrag ohnehin nicht in Betracht kommt, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
Die Vorschrift des § 43 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren Pflichtbeiträgen für ein versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EM voraus (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss volle bzw. teilweise EM vorliegen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI); bei der Rente wegen teilweiser EM bei BU muss der Versicherte vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sein (vgl. § 240 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB VI). Ein Anspruch der im Jahr 1963 geborenen Klägerin auf Rente wegen teilweiser EM bei BU schei-det deshalb bereits aufgrund ihres Lebensalters aus, und zwar unabhängig davon, ob in der Per-son der Klägerin die Voraussetzungen von BU erfüllt waren und sind.
Voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stun-den (volle EM) bzw. mindestens sechs Stunden (teilweise EM) täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeits-marktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Ar-beitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin war und ist in dem für das Klagebegehren erheblichen Zeitraum ab 01. März 2003 (Antragsmonat) nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Denn sie verfügte und verfügt in dem maßgebenden Zeitraum noch über ein vollschichtiges und damit auch ein mindestens sechsstündiges tägliches Restleistungsver-mögen zumindest für leichte körperlich und geistige Arbeiten, mit dem sie regelmäßig einer achtstündigen und somit jedenfalls auch einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen nachgehen konnte und kann. Dass die Klägerin über ein derart beschriebenes Restleistungsvermögen verfügte und auch der-zeit noch verfügt, folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus dem Gutachten der im Verwaltungsverfahren als Sachverständige eingesetz-ten Internistin Dr. v I. Diese Ärztin hat der Klägerin in ihrem Gutachten vom 28. Juli 2003 ein derartiges vollschichtiges Restleistungsvermögen bescheinigt. Eine Verschlechterung des sei-nerzeit bestehenden Gesundheitszustandes hat die Klägerin nicht behauptet; Anhaltspunkte hierfür sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Dabei war es dem Senat aufgrund der – unzurei-chenden – Mitwirkung der Klägerin im Berufungsverfahren nur möglich, einen Befundbericht von ihrer behandelnden Ärztin Dr. Berstatten zu lassen. Diese Ärztin hat aber in ihrem Bericht und dem Begleitschreiben hierzu vom 16. April 2005 gegenüber der Begutachtung gleichblei-bende Befunde mitgeteilt und bei der Klägerin sogar körperlich leichte Arbeiten als möglich bezeichnet. Weitere Amtsermittlungen zu den von Dr. B erwähnten Behandlungen bei nament-lich nicht genannten Orthopäden und Chirurgen waren dem Gericht verwehrt, weil die Kläge-rin auf entsprechende Anfrage des Gerichts sich auch auf mehrfache Erinnerung hin nicht ge-äußert hat. Mangels erkennbarer neuer Tatsachen auf medizinischem Gebiet war auch die Ein-holung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht angezeigt. Denn Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Überzeugungskraft des Gutachtens von Dr. v I zu erschüttern, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat diese Ärztin auf der Grundlage der von ihr erhobenen objekti-ven Befunde plausibel die sich hieraus ergebenden Leistungseinschränkungen beschrieben. Nachvollziehbare Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. v I hat die Klägerin weder im Widerspruchs- noch im Klage- oder Berufungsverfahren vorgebracht. Schon anlässlich der stationären Behandlung der Klägerin in der Rheumaklinik B im März und April 2003 waren keine klinisch objektivierbaren krankheitswertigen Befunde erhoben worden. Insbesondere eine entzündliche Gelenkerkrankung der Klägerin ist danach ausgeschlossen.
Da das der Klägerin verbliebene Leistungsvermögen für die Zeit ab März 2003 noch einen vollschichtigen Arbeitseinsatz im Rahmen leichter körperlicher und geistiger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zulässt und nach den Feststellungen von Dr. v I die Klägerin auch uneingeschränkt wegefähig war und ist, ist sowohl ein Anspruch auf Rente wegen voller EM als auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM ausgeschlossen. Denn die in § 43 SGB VI getroffenen Regelungen setzen ein Absinken des Restleistungsvermögens auf unter drei Stunden täglich bei voller EM (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) bzw. auf unter sechs Stunden täg-lich bei teilweiser EM (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) voraus.
Das vollschichtige Restleistungsvermögen der Klägerin war und ist nach den von Dr. v I festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart reduziert, dass es einem Arbeitseinsatz der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegenstünde. Die Klägerin kann zwar nach den von der Sachverständigen getroffenen Feststellungen wegen ihrer Leiden nur noch körperlich leichte Arbeiten und allen-falls gelegentlich körperlich mittelschwere Arbeiten ohne anhaltendes Sitzen verrichten. Aus-geschlossen sind Arbeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr, in gebeugter Körperhaltung, an Ma-schinen sowie auf Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschicht sowie Tä-tigkeiten, die eine Teilnahme am Straßenverkehr erfordern. Da nach den Feststellungen von Dr. v I jedenfalls die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit ebenso wie die Verantwortungs-fähigkeit und das Konzentrations- und Reaktionsvermögen im Rahmen geringer Anforderun-gen erhalten waren und sind, bestand und besteht damit aber weder eine spezifische Leistungs-behinderung noch liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 – B 5/4 RA 58/97 R – nicht veröffentlicht). Es lagen und liegen zwar bei der Klägerin Leistungseinschränkungen vor, die teilweise über den Rahmen dessen hinaus gehen, was inhaltlich vom Begriff der körperlich leichten Tätigkeiten umfasst wird. Dies gilt besonders hinsichtlich der Vermeidung bestimmter äußerer Einwirkungen wie Kälte, Nässe und Zugluft (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 – B 13 RJ 71/97 R – nicht veröf-fentlicht). Die von Dr. v I bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkun-gen sind aber nicht geeignet, das Feld körperlich leichte Arbeiten zusätzlich wesentlich einzu-engen. Denn die vorliegenden Leistungseinschränkungen wie der Ausschluss von Arbeiten in Zwangshaltungen oder mit einseitiger körperlicher Belastung, in Kälte, Nässe und Zugluft, an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten sowie in Nacht- und Wechselschicht zählen nicht zu den ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und schon gar nicht zu den schweren spezifischen Leistungsbehinderungen (vgl. dazu die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 – GS 1 – 4/95 – GS 2/95 = SozR 3 – 2600 § 44 Nr. 8). Das gilt auch hinsichtlich der eingeschränkten geistigen Fähigkeiten der Klägerin, die keine besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz erkennen lassen, die eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen könnten (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104, 117). Die Klägerin war und ist vielmehr in der Lage, ihrer geringen Vorbildung entsprechende einfache geistige Arbeiten zu verrichten. Insgesamt betreffen die bei der Klägerin festgestellten qualita-tiven Leistungseinschränkungen jedenfalls lediglich einen kleinen Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes, lassen aber ein weites Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten unberührt.
So konnte und kann die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen etwa noch leichte Bürotätigkeiten verrichten, wie sie in der Tarifgruppe X des früheren Bundesangestell-ten-Tarifvertrages (BAT) erfasst sind. Das Gleiche gilt für leichte Sortier- und Verpackungstä-tigkeiten. Die Klägerin ist auch in der Lage, derart einfache Tätigkeiten nach einer Zeit der Einarbeitung von höchstens drei Monaten vollwertig zu verrichten. Denn relevante Einschrän-kungen bezüglich der Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit, der Auffassungsgabe und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit bestanden und bestehen bei ihr nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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