L 16 R 1387/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 14 RA 621/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1387/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Juli 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 01. September 1982 bis zum 30. Juni 1990 Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVTI) sowie die entspre-chenden Arbeitsverdienste festzustellen.

Der am 1958 geborene Kläger erwarb in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nach einem Architekturstudium in der früheren Sowjetunion die Berechtigung, den a-kademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen (Urkunde des Ministerrates der DDR vom 04. Oktober 1982). Er war ab dem 01. September 1982 bei dem Volkseigenen Betrieb (VEB) B (B) K – Kombinatsbetrieb Forschung und Projektierung – beschäftigt, und zwar auch am 14. Juni 1990, dem Tag, an dem die A Planung und Beratung Bauplanungsgesellschaft mit be-schränkter Haftung (A GmbH) C als Nachfolgegesellschaft in das Handelsregister C eingetra-gen wurde; die Löschung des VEB erfolgte am selben Tage von Amts wegen. Der Kläger war anschließend bei der A GmbH über den 30. Juni 1990 hinaus weiter beschäftigt. Er war in der früheren DDR mit Wirkung vom 01. Juli 1984 in die Freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) einbezogen, nicht aber in ein Versorgungssystem.

Mit Bescheid vom 25. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu ei-nem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab mit der Begründung, dass der Klä-ger am Stichtag, dem 30. Juni 1990, keine Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb bzw. einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt habe, sondern in einem Rationalisierungs- und Projektierungsbetrieb.

Mit der Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, seine Beschäftigungszei-ten vom 01. September 1982 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVTI sowie die in dem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Das Sozialgericht (SG) C hat diese Klage mit Urteil vom 14. Juli 2005 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die im Klageantrag bezeichneten Feststellungen. Der Kläger werde vom persönlichen Anwen-dungsbereich des AAÜG nicht erfasst. Er habe beim Inkrafttreten des AAÜG am 01. August 1991 keinen Versorgungsanspruch gehabt und sei auch nicht Inhaber einer Versorgungsan-wartschaft gewesen. Er habe auch aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage keinen bundesrechtlich fingierten Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt. Denn er sei am Stichtag nicht mehr in einem volkseigenen Produktionsbetrieb beschäftigt gewesen. Der VEB B K – habe am 30. Juni 1990 nicht mehr existiert.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Es verstoße gegen das Gleichheitsgebot des Artikels 3 Grundgesetz (GG), dass ehemalige Kollegen von ihm eine Versorgungszusage erhalten hätten, nicht jedoch er selbst.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts C vom 14. Juli 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 01. September 1982 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz sowie die in dieser Zeit erziel-ten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Zusatzversorgungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Be-schluss zurückweisen können, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Ver-handlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. mit Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie gegebenenfalls der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 01. September 1982 bis zum 30. Juni 1990. Das AAÜG ist auf den Kläger schon deshalb nicht anwendbar, weil er am 01. August 1991, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG, keinen Versorgungsanspruch im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG innehatte. Denn der Ver-sorgungsfall (des Alters oder der Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Der Kläger war aber auch am 01. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Denn er hatte – unstreitig - bis zum 30. Juni 1990 eine Versorgungszusage in der DDR nicht erhalten und ihm war auch nicht im Rahmen einer Ein-zelentscheidung eine Versorgung zugesagt worden. Die Beklagte hat auch in den angefochte-nen Bescheiden eine positive Statusentscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG nicht getroffen.

§ 1 Abs. 1 AAÜG ist zwar im Wege verfassungskonformer Auslegung dahin auszulegen, dass den tatsächlich einbezogenen Personen diejenigen gleichzustellen sind, die aus bundesrechtli-cher Sicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen (fingierten) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (ständige Rechtsprechung des BSG: vgl. z. B. Urteile vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 und – B 4 RA 3/02 R = SGb 2002, 379 sowie – B 4 RA 18/01 R – nicht veröffentlicht). Ein derartiger fingierter An-spruch ist aber nur dann zu bejahen, wenn am Stichtag (30. Juni 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in dem betreffenden Versorgungssystem vorgesehen war (ständige Rechtsprechung: vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 18/03 R – nicht veröffentlicht; BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004 – B 4 RA 23/04 R - ). Allein maßgebend sind insoweit die Texte der Verordnung über die AVTI in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (AVTI – VO; GBl. S. 844) und der hierzu ergangen zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB; GBl. S. 487). Die genannten Vor-schriften der DDR sind unabhängig von deren Verwaltungs- und Auslegungspraxis allein nach bundesrechtlichen Kriterien auszulegen (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 3 S. 22; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – nicht veröffentlicht). Von diesen Grundsätzen ausge-hend liegt ein fingierter Anspruch auf eine Versorgungszusage nur vor, wenn der Betreffende zum Stichtag am 30. Juni 1990 drei Voraussetzungen erfüllt: Er muss 1. die Berechtigung gehabt haben, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, 2. eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit oder Beschäftigung tatsächlich verrichtet haben und 3. die Beschäftigung oder die Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb ausgeübt haben (vgl. hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6; SozR 3-8570 § 1 Nr. 3).

Der Kläger erfüllt ungeachtet dessen, ob er die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt hat, jedenfalls nicht die oben genannte dritte Voraussetzung für einen Anspruch auf Er-teilung einer fiktiven Versorgungszusage. Denn er war – unstreitig – am 30. Juni 1990 nicht in einem VEB, sondern in einer GmbH beschäftigt. Ein Betrieb dieser Rechtsform unterliegt nicht dem Anwendungsbereich der AVTI (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr.7; BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 – B 4 RA 12/04 R – veröffentlicht in juris). Unerheblich ist dabei, ob der nach der DDR- Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen im Kapitalgesellschaften vom 01. März 1990 (GBl. I 1990, S. 107) umgewandelte Betrieb (A GmbH) Rechtsnachfolger des vorhergehenden VEB geworden ist, was indes der Fall gewesen sein dürfte. Bei der A GmbH handelt es sich auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB.

Andere Rechtsgrundlagen, auf die der Kläger sein Begehren stützen könnte, sind nicht ersicht-lich. Insbesondere verstößt es nicht gegen Verfassungsrecht, dass der Bundesgesetzgeber an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR und deren Differenzierungen angeknüpft hat. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 GG gebietet es nicht, von den historischen Gegebenheiten in der DDR, aus de-nen sich Ungleichheiten ergeben können, abzusehen und sie rückwirkend zu Lasten der heuti-gen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigungen der damals Einbezogenen hat der Bundesgesetzgeber als ein Teilergebnis der Verhandlungen in Einigungsvertrag ange-sichts der historischen Bedingungen hinnehmen dürfen (vgl. BVerGE 100, 138, 109 = SozR 3-8570 § 7 Nr. 1). Zu einer "Totalrevision" des aus der DDR stammenden Versorgungsrechts war er über die mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorgenom-mene Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hinaus nicht verpflichtet (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2; Urteil vom 18. Juli 2003 – B 4 RA 1/03 R –). Zwischenzeitlich hat auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Auslegung der Texte der Zusatzver-sorgungsordnungen durch die Fachgerichte, insbesondere durch das BSG, nicht willkürlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04. August 2004 – 1 BvR 1557/01 – nicht veröffentlicht; Be-schluss vom 08. September 2004 – 1 BvR 1503/04 – nicht veröffentlicht – und zuletzt Be-schluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u. a. – ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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