Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
23
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 19/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 03.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2005 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Rücknahme- und Erstattungsbescheides der Beklagten im Zusammenhang mit der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II.
Der im Jahr 1967 geborene Kläger, der im Arbeitslosenhilfebezug stand, beantragte am 25.08.2004 gegenüber der Beklagten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende -. Er gab an, verheiratet zu sein und mit seiner Ehefrau und seinen in den Jahren 1995 und 1997 geborenen Kindern B1 und B2-M in einem gemeinsamen Haushalt zu leben. Der Kläger teilte weiter mit, dass er Kindergeld und Wohngeld beziehe. Seine Unterkunftskosten bezifferte er mit 365,00 EUR für Miete, 40,05 EUR für Heizkosten und 53,57 EUR für Nebenkosten.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 26.10.2004 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1.340,62 EUR. Die Beklagte führte aus, der Berechnung der Leistung lägen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers und der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zugrunde, wie sie bei der Antragstellung angegeben und nachgewiesen worden seien. Als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sah sie neben dem Kläger dessen Ehefrau und die Kinder an. Die Beklagte verwies auf den beigefügten Berechnungsbogen, dem entnommen werden könne, wie sich der angegebene Betrag im Einzelnen zusammensetze. Aus dem Berechnungsbogen geht hervor, dass die Beklagte Regelleistungen für den Kläger und seine Ehefrau in Höhe von jeweils 311,00 EUR berücksichtigte sowie Sozialgeld für beide Kinder in Höhe von jeweils 207,00 EUR und Unterkunftskosten in Höhe von 458,62 EUR. Als Einkommen brachte die Beklagte lediglich das Kindergeld des Sohnes in Höhe von 154,00 EUR in Abzug. Sämtliche dieser Posten ergeben sich aus der ersten Seite des Berechnungsbogen, der insgesamt zwei Seiten umfasst.
Der Kläger überreichte später eine Abrechnung der Mietnebenkosten für das Jahr 2003 vom 07.04.2004, die eine künftige Miete von 395,00 EUR und Nebenkosten in Höhe von 165,00 EUR vorsah.
Am 02.05.2005 stellte der Kläger einen Fortzahlungsantrag und gab an, es seien keine Änderungen eingetreten.
Mit Bescheid vom 06.05.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.11.2005 erneut Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1.340,62 EUR. Die Inhalte des Bescheides und des beigefügten Berechnungsbogens entsprachen denen der Bewilligung vom 26.10.2005 mit dem Unterschied, dass das berücksichtigte Einkommen nunmehr auf der zweiten Seite des Berechnungsbogens erschien.
Mit Schreiben vom 26.10.2005 hörte die Beklagte den Kläger zum unrechtmäßigen Bezug von Leistungen in der Zeit vom 01.01.2005 bis 30.11.2005 in Höhe von 1.694,00 EUR an. Sie stellte darauf ab, dass das Kindergeld der Tochter in Höhe von 154,00 EUR seit dem 01.01.2005 unberücksichtigt geblieben sei. Der Kläger sei über seine Pflichten als Leistungsempfänger und über die Tatbestände, unter denen die Anspruchsvoraussetzungen wegfielen, durch das "Merkblatt für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld)" unterrichtet worden.
Der Kläger erklärte unter dem 31.10.2005, die Überzahlung sei durch die Beklagte verursacht worden. Er habe im Erstantrag alle Angaben korrekt eingetragen. Als er den Bewilligungsbescheid erhalten habe, habe er sich darauf verlassen, dass die Berechnung in Ordnung sei. Er sei auch nicht in der Lage, den überzahlten Betrag zu erstatten, da er Privatinsolvenz angemeldet habe. Die überzahlten Beträge habe er außerdem verbraucht.
Mit Bescheid vom 03.11.2005 nahm die Beklagte die Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.11.2005 teilweise in Höhe von 1.694,00 EUR zurück und forderte den Kläger zur Erstattung des Betrages auf. Zur Begründung führte sie aus, das Kindergeld der Tochter in Höhe von 154,00 EUR monatlich sei seit dem 01.01.2005 nicht angerechnet worden. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass die Bewilligung fehlerhaft erfolgt sei. Die Beklagte berief sich auf § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -.
Der Kläger erhob am 21.11.2005 Widerspruch. Er machte geltend, er habe bei der Antragstellung vollständige und wahrheitsgemäße Angaben gemacht und sich dann auf die Richtigkeit des Bewilligungsbescheides verlassen. Auch sei die monatliche Überzahlung so gering gewesen, dass sie nicht aufgefallen sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte die Überzahlung erst nach Erteilung des zweiten Bewilligungsbescheides festgestellt habe. Er habe die überzahlten Beträge für seinen Lebensunterhalt aufgewendet und verbraucht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie stellte auf § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) - Arbeitsförderung - und § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X ab. Aufgrund des Berechnungsbogens sei der Kläger in der Lage gewesen, ihre Entscheidung nachzuvollziehen. Ohne besondere Anstrengung habe er erkennen können, dass eine Überzahlung erfolgt sei. Denn das einzige Einkommen der Familie habe aus dem Kindergeld bestanden. Ihm hätte auffallen müssen, dass nur das Kindergeld des Sohnes aufgeführt gewesen sei.
Am 17.01.2006 hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor, er habe den Kindergeldbezug bei Antragstellung vollständig und korrekt mitgeteilt. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X seien nicht erfüllt, da er weder Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides gehabt habe noch grob fahrlässig in Unkenntnis darüber gewesen sei. Zu berücksichtigen sei, dass er als einfacher Arbeiter (Druckereihelfer) nicht in der Lage gewesen sei, die Bewilligungsbescheide in irgendeiner Weise nachvollziehbar zu überprüfen. Ihm seien Vorschriften über Anrechnungen und Freibeträge nicht bekannt gewesen. Er habe im Übrigen auch nicht bemerkt, dass die Unterkunftskosten zu seinen Lasten zu gering bewilligt worden seien. Diese hätten 540,00 EUR monatlich betragen, wie inzwischen auch anerkannt werde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger hätte auffallen müssen, dass das Einkommen der Familie in zu geringem Umfang berücksichtigt worden sei. Es sei kein weiteres Einkommen als das Kindergeld vorhanden gewesen und der Kläger habe zwei Kinder. Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X sei gegeben, weil der Kläger den Bescheid nicht geprüft und den offensichtlichen Fehler nicht zum Anlass genommen habe, sich mit ihr in Verbindung zu setzen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger ist durch den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2005, mit dem diese die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.11.2005 in Höhe von 1.694,00 EUR teilweise zurücknahm und den Kläger zur Erstattung dieses Betrages aufforderte, und den Widerspruchsbescheid vom 28.12.2005, mit dem die Beklagte ihre Entscheidung bestätigte, gemäß § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig.
Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 1, S. 2 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III sind nicht erfüllt.
Danach ist ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn der Begünstigte sich nicht auf Vertrauen berufen kann, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. In der Regel ist das Vertrauen schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 S. 2 SGB X).
In den Fällen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X muss die Behörde die Rücknahmeentscheidung innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen treffen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 SGB X).
Die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit Bescheiden vom 26.10.2004 und 06.05.2005 stellt jeweils einen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Jeweils wurde das Recht des Klägers begründet, die bewilligten Leistungen zu beanspruchen.
Die Bewilligungsbescheide vom 26.10.2004 und 02.05.2005 sind auch rechtswidrig, denn der Kläger hatte nicht in dem bewilligten Umfang Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
Nach §§ 19 S. 1 Nr. 1, 20 ff. SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Als Einkommen zu berücksichtigen sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert (§ 11 Abs. 1 S. 1 SGB II).
Die aus dem Kläger, seiner Ehefrau und den Kindern bestehende Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 1, 3 a, 4 SGB II) verfügt nicht nur über das von der Beklagten berücksichtigte Kindergeld des Sohnes, sondern auch über das Kindergeld der Tochter, das nicht angerechnet wurde.
Der Kläger genießt aber Vertrauensschutz, da er nach seinem eigenen, von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag die erbrachten Leistungen für den Lebensunterhalt verbraucht hat.
Ein Ausschluss des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III kommt nicht in Betracht.
Weder kannte der Kläger die Rechtswidrigkeit der Bewilligung mit Bescheiden vom 26.10.2004 und 02.05.2005 noch war ihm diese infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt.
Aus dem schriftsätzlichen Vortrag des Klägers und seiner im Rahmen der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen, er habe die Bescheide zur Kenntnis genommen und sich aufgrund seiner vollständigen und wahrheitsgemäßen Angaben bei Antragstellung auf deren Richtigkeit verlassen, zumal sämtliche in seinem Haushalt lebenden Personen berücksichtigt gewesen seien und die Höhe der Leistung ungefähr der zuvor bezogenen Arbeitslosenhilfe entsprochen habe, die sich auf ca. 1.200,00 EUR einschließlich Wohngeld belaufen habe, ergibt sich, dass er keine positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Entscheidung hatte. Die Kammer erachtete den Kläger insofern als glaubwürdig und seine Aussage als glaubhaft. Der Kammer erschien die Vorgehensweise bei der Überprüfung der Bewilligungsbescheide nachvollziehbar, da der Kläger die maßgeblichen Punkte klärte, nämlich die berücksichtigten Personen und die Höhe der Leistung. Die Kammer hielt es auch für nachvollziehbar, dass der Kläger nach einem Blick auf den Berechnungsbogen das Gefühl hatte, ihm schwirre der Kopf. Die Gestaltung der Bewilligungsbescheide nach dem SGB II weicht von der Gestaltung der Bewilligungsbescheide nach dem SGB III, sofern sie die Arbeitslosenhilfe betreffen, ab. Letztere enthalten insbesondere keinen Berechnungsbogen und sind im Übrigen weniger umfangreich.
Die Kammer erachtete den Umgang des Klägers mit den Bewilligungsbescheiden vom 26.10.2004 und 02.05.2005 auch nicht als grob fahrlässig. Die Kammer war der Auffassung, dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt nicht in besonders schwerem Maße verletzt hat. Voraussetzung ist, dass schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und daher nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss; dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen; die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel müssen sich aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sein (BSG, Urteil vom 08.02.2001, Az.: B 11 AL 21/00 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.06.2004, Az.: L 12 AL 215/03).
Zwar bewertete die Kammer die Vorgehensweise des Klägers bei der Überprüfung der Richtigkeit der Bewilligungsbescheide vom 26.10.2004 und 02.05.2005 als verständig, da der Kläger die entscheidenden Punkte überprüfte, er ging nach seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung den Fragen nach, ob die Beklagte sämtliche Mitglieder seines Haushalt berücksichtigt hatte und die Leistung hinsichtlich der Höhe der vorher erhaltenen Arbeitslosenhilfe entsprach. Insofern gelangte die Kammer zu der Auffassung, dass dem Kläger auch die Unrichtigkeit der Einkommensanrechnung hätte erkennbar sein können. Der den Bewilligungsbescheiden beigefügte Berechnungsbogen erweist sich hinsichtlich der ersten drei Rubriken "Angaben zur Höhe der pauschalierten monatlichen Regelleistungen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld", "Höhe der monatlich zustehenden Leistungen in Euro" und "Zu berücksichtigendes monatliches Einkommen" als verständlich aufgebaut, da es die zu erwartenden Aspekte erläutert. Darüber hinaus war das Einkommen jeweils auch als Kindergeld spezifiziert, so dass sich der Kläger die Frage stellen musste, warum es lediglich bei seinem Sohn ausgewiesen war.
Die Kammer hielt insofern den Vorwurf der Fahrlässigkeit als Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch) für berechtigt.
Den Vorwurf grober Fahrlässigkeit vermochte die Kammer aber deshalb nicht zu bestätigen, weil der Kläger bei Antragstellung vollständige und wahrheitsgemäße Angaben, insbesondere zu seinem Einkommen, gemacht hatte und insofern annehmen durfte, dass die Beklagte zu einer korrekten Entscheidung gelangte. Der Beklagten war es im Übrigen selbst erst nach Erteilung des zweiten Bewilligungsbescheides aufgefallen, dass ihre Entscheidung fehlerhaft war. Darüber hinaus wertete die Kammer den Umstand zugunsten des Klägers, dass dieser keinerlei Erfahrung mit dem Bezug von Arbeitslosengeld II besaß. Er erhielt vorher Arbeitslosenhilfe, die anderen Einkommensanrechnungsvorschriften unterlag. Dass die Höhe der Leistung dem Kläger in besonderer Weise hätte auffallen müssen, vermochte die Kammer ebenfalls nicht zu erkennen. Zwar erwiesen sich die vorher bezogenen Sozialleistungen als um ca. 150,00 EUR geringer, aber aufgrund der Medienberichterstattung zur Zeit des Inkrafttretens des SGB II durfte der Kläger annehmen, dass sich seine finanzielle Lage verbessern könnte. Schließlich wertet die Kammer den Umstand zugunsten des Klägers, dass Bescheide, deren Gegenstand die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe war, erheblich weniger umfangreich waren als Bewilligungsbescheide nach dem SGB II und insbesondere keine umfangreichen Berechnungsbögen enthielten. Der erste Eindruck eines Berechnungsbogens kann durchaus verwirrend sein. Diese Auffassung beschränkte die Kammer allerdings nur auf die ersten Bewilligungsabschnitte nach Inkrafttreten des SGB II. Die Kammer ist der Auffassung, dass durch längere Erfahrung mit dem Arbeitslosengeld II-Bezug und umfangreiche Medienberichterstattung bei den Leistungsempfängern inzwischen ausreichendes Wissen vorhanden ist, wie sich die Leistung zusammen setzt und wie Bewilligungsbescheide einschließlich Berechnungsbögen zu verstehen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Rücknahme- und Erstattungsbescheides der Beklagten im Zusammenhang mit der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II.
Der im Jahr 1967 geborene Kläger, der im Arbeitslosenhilfebezug stand, beantragte am 25.08.2004 gegenüber der Beklagten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende -. Er gab an, verheiratet zu sein und mit seiner Ehefrau und seinen in den Jahren 1995 und 1997 geborenen Kindern B1 und B2-M in einem gemeinsamen Haushalt zu leben. Der Kläger teilte weiter mit, dass er Kindergeld und Wohngeld beziehe. Seine Unterkunftskosten bezifferte er mit 365,00 EUR für Miete, 40,05 EUR für Heizkosten und 53,57 EUR für Nebenkosten.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 26.10.2004 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1.340,62 EUR. Die Beklagte führte aus, der Berechnung der Leistung lägen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers und der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zugrunde, wie sie bei der Antragstellung angegeben und nachgewiesen worden seien. Als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sah sie neben dem Kläger dessen Ehefrau und die Kinder an. Die Beklagte verwies auf den beigefügten Berechnungsbogen, dem entnommen werden könne, wie sich der angegebene Betrag im Einzelnen zusammensetze. Aus dem Berechnungsbogen geht hervor, dass die Beklagte Regelleistungen für den Kläger und seine Ehefrau in Höhe von jeweils 311,00 EUR berücksichtigte sowie Sozialgeld für beide Kinder in Höhe von jeweils 207,00 EUR und Unterkunftskosten in Höhe von 458,62 EUR. Als Einkommen brachte die Beklagte lediglich das Kindergeld des Sohnes in Höhe von 154,00 EUR in Abzug. Sämtliche dieser Posten ergeben sich aus der ersten Seite des Berechnungsbogen, der insgesamt zwei Seiten umfasst.
Der Kläger überreichte später eine Abrechnung der Mietnebenkosten für das Jahr 2003 vom 07.04.2004, die eine künftige Miete von 395,00 EUR und Nebenkosten in Höhe von 165,00 EUR vorsah.
Am 02.05.2005 stellte der Kläger einen Fortzahlungsantrag und gab an, es seien keine Änderungen eingetreten.
Mit Bescheid vom 06.05.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.11.2005 erneut Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1.340,62 EUR. Die Inhalte des Bescheides und des beigefügten Berechnungsbogens entsprachen denen der Bewilligung vom 26.10.2005 mit dem Unterschied, dass das berücksichtigte Einkommen nunmehr auf der zweiten Seite des Berechnungsbogens erschien.
Mit Schreiben vom 26.10.2005 hörte die Beklagte den Kläger zum unrechtmäßigen Bezug von Leistungen in der Zeit vom 01.01.2005 bis 30.11.2005 in Höhe von 1.694,00 EUR an. Sie stellte darauf ab, dass das Kindergeld der Tochter in Höhe von 154,00 EUR seit dem 01.01.2005 unberücksichtigt geblieben sei. Der Kläger sei über seine Pflichten als Leistungsempfänger und über die Tatbestände, unter denen die Anspruchsvoraussetzungen wegfielen, durch das "Merkblatt für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld)" unterrichtet worden.
Der Kläger erklärte unter dem 31.10.2005, die Überzahlung sei durch die Beklagte verursacht worden. Er habe im Erstantrag alle Angaben korrekt eingetragen. Als er den Bewilligungsbescheid erhalten habe, habe er sich darauf verlassen, dass die Berechnung in Ordnung sei. Er sei auch nicht in der Lage, den überzahlten Betrag zu erstatten, da er Privatinsolvenz angemeldet habe. Die überzahlten Beträge habe er außerdem verbraucht.
Mit Bescheid vom 03.11.2005 nahm die Beklagte die Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.11.2005 teilweise in Höhe von 1.694,00 EUR zurück und forderte den Kläger zur Erstattung des Betrages auf. Zur Begründung führte sie aus, das Kindergeld der Tochter in Höhe von 154,00 EUR monatlich sei seit dem 01.01.2005 nicht angerechnet worden. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass die Bewilligung fehlerhaft erfolgt sei. Die Beklagte berief sich auf § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -.
Der Kläger erhob am 21.11.2005 Widerspruch. Er machte geltend, er habe bei der Antragstellung vollständige und wahrheitsgemäße Angaben gemacht und sich dann auf die Richtigkeit des Bewilligungsbescheides verlassen. Auch sei die monatliche Überzahlung so gering gewesen, dass sie nicht aufgefallen sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte die Überzahlung erst nach Erteilung des zweiten Bewilligungsbescheides festgestellt habe. Er habe die überzahlten Beträge für seinen Lebensunterhalt aufgewendet und verbraucht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie stellte auf § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) - Arbeitsförderung - und § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X ab. Aufgrund des Berechnungsbogens sei der Kläger in der Lage gewesen, ihre Entscheidung nachzuvollziehen. Ohne besondere Anstrengung habe er erkennen können, dass eine Überzahlung erfolgt sei. Denn das einzige Einkommen der Familie habe aus dem Kindergeld bestanden. Ihm hätte auffallen müssen, dass nur das Kindergeld des Sohnes aufgeführt gewesen sei.
Am 17.01.2006 hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor, er habe den Kindergeldbezug bei Antragstellung vollständig und korrekt mitgeteilt. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X seien nicht erfüllt, da er weder Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides gehabt habe noch grob fahrlässig in Unkenntnis darüber gewesen sei. Zu berücksichtigen sei, dass er als einfacher Arbeiter (Druckereihelfer) nicht in der Lage gewesen sei, die Bewilligungsbescheide in irgendeiner Weise nachvollziehbar zu überprüfen. Ihm seien Vorschriften über Anrechnungen und Freibeträge nicht bekannt gewesen. Er habe im Übrigen auch nicht bemerkt, dass die Unterkunftskosten zu seinen Lasten zu gering bewilligt worden seien. Diese hätten 540,00 EUR monatlich betragen, wie inzwischen auch anerkannt werde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger hätte auffallen müssen, dass das Einkommen der Familie in zu geringem Umfang berücksichtigt worden sei. Es sei kein weiteres Einkommen als das Kindergeld vorhanden gewesen und der Kläger habe zwei Kinder. Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X sei gegeben, weil der Kläger den Bescheid nicht geprüft und den offensichtlichen Fehler nicht zum Anlass genommen habe, sich mit ihr in Verbindung zu setzen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger ist durch den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2005, mit dem diese die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.11.2005 in Höhe von 1.694,00 EUR teilweise zurücknahm und den Kläger zur Erstattung dieses Betrages aufforderte, und den Widerspruchsbescheid vom 28.12.2005, mit dem die Beklagte ihre Entscheidung bestätigte, gemäß § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig.
Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 1, S. 2 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III sind nicht erfüllt.
Danach ist ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn der Begünstigte sich nicht auf Vertrauen berufen kann, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. In der Regel ist das Vertrauen schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 S. 2 SGB X).
In den Fällen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X muss die Behörde die Rücknahmeentscheidung innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen treffen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 SGB X).
Die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit Bescheiden vom 26.10.2004 und 06.05.2005 stellt jeweils einen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Jeweils wurde das Recht des Klägers begründet, die bewilligten Leistungen zu beanspruchen.
Die Bewilligungsbescheide vom 26.10.2004 und 02.05.2005 sind auch rechtswidrig, denn der Kläger hatte nicht in dem bewilligten Umfang Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
Nach §§ 19 S. 1 Nr. 1, 20 ff. SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Als Einkommen zu berücksichtigen sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert (§ 11 Abs. 1 S. 1 SGB II).
Die aus dem Kläger, seiner Ehefrau und den Kindern bestehende Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 1, 3 a, 4 SGB II) verfügt nicht nur über das von der Beklagten berücksichtigte Kindergeld des Sohnes, sondern auch über das Kindergeld der Tochter, das nicht angerechnet wurde.
Der Kläger genießt aber Vertrauensschutz, da er nach seinem eigenen, von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag die erbrachten Leistungen für den Lebensunterhalt verbraucht hat.
Ein Ausschluss des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III kommt nicht in Betracht.
Weder kannte der Kläger die Rechtswidrigkeit der Bewilligung mit Bescheiden vom 26.10.2004 und 02.05.2005 noch war ihm diese infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt.
Aus dem schriftsätzlichen Vortrag des Klägers und seiner im Rahmen der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen, er habe die Bescheide zur Kenntnis genommen und sich aufgrund seiner vollständigen und wahrheitsgemäßen Angaben bei Antragstellung auf deren Richtigkeit verlassen, zumal sämtliche in seinem Haushalt lebenden Personen berücksichtigt gewesen seien und die Höhe der Leistung ungefähr der zuvor bezogenen Arbeitslosenhilfe entsprochen habe, die sich auf ca. 1.200,00 EUR einschließlich Wohngeld belaufen habe, ergibt sich, dass er keine positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Entscheidung hatte. Die Kammer erachtete den Kläger insofern als glaubwürdig und seine Aussage als glaubhaft. Der Kammer erschien die Vorgehensweise bei der Überprüfung der Bewilligungsbescheide nachvollziehbar, da der Kläger die maßgeblichen Punkte klärte, nämlich die berücksichtigten Personen und die Höhe der Leistung. Die Kammer hielt es auch für nachvollziehbar, dass der Kläger nach einem Blick auf den Berechnungsbogen das Gefühl hatte, ihm schwirre der Kopf. Die Gestaltung der Bewilligungsbescheide nach dem SGB II weicht von der Gestaltung der Bewilligungsbescheide nach dem SGB III, sofern sie die Arbeitslosenhilfe betreffen, ab. Letztere enthalten insbesondere keinen Berechnungsbogen und sind im Übrigen weniger umfangreich.
Die Kammer erachtete den Umgang des Klägers mit den Bewilligungsbescheiden vom 26.10.2004 und 02.05.2005 auch nicht als grob fahrlässig. Die Kammer war der Auffassung, dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt nicht in besonders schwerem Maße verletzt hat. Voraussetzung ist, dass schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und daher nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss; dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen; die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel müssen sich aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sein (BSG, Urteil vom 08.02.2001, Az.: B 11 AL 21/00 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.06.2004, Az.: L 12 AL 215/03).
Zwar bewertete die Kammer die Vorgehensweise des Klägers bei der Überprüfung der Richtigkeit der Bewilligungsbescheide vom 26.10.2004 und 02.05.2005 als verständig, da der Kläger die entscheidenden Punkte überprüfte, er ging nach seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung den Fragen nach, ob die Beklagte sämtliche Mitglieder seines Haushalt berücksichtigt hatte und die Leistung hinsichtlich der Höhe der vorher erhaltenen Arbeitslosenhilfe entsprach. Insofern gelangte die Kammer zu der Auffassung, dass dem Kläger auch die Unrichtigkeit der Einkommensanrechnung hätte erkennbar sein können. Der den Bewilligungsbescheiden beigefügte Berechnungsbogen erweist sich hinsichtlich der ersten drei Rubriken "Angaben zur Höhe der pauschalierten monatlichen Regelleistungen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld", "Höhe der monatlich zustehenden Leistungen in Euro" und "Zu berücksichtigendes monatliches Einkommen" als verständlich aufgebaut, da es die zu erwartenden Aspekte erläutert. Darüber hinaus war das Einkommen jeweils auch als Kindergeld spezifiziert, so dass sich der Kläger die Frage stellen musste, warum es lediglich bei seinem Sohn ausgewiesen war.
Die Kammer hielt insofern den Vorwurf der Fahrlässigkeit als Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch) für berechtigt.
Den Vorwurf grober Fahrlässigkeit vermochte die Kammer aber deshalb nicht zu bestätigen, weil der Kläger bei Antragstellung vollständige und wahrheitsgemäße Angaben, insbesondere zu seinem Einkommen, gemacht hatte und insofern annehmen durfte, dass die Beklagte zu einer korrekten Entscheidung gelangte. Der Beklagten war es im Übrigen selbst erst nach Erteilung des zweiten Bewilligungsbescheides aufgefallen, dass ihre Entscheidung fehlerhaft war. Darüber hinaus wertete die Kammer den Umstand zugunsten des Klägers, dass dieser keinerlei Erfahrung mit dem Bezug von Arbeitslosengeld II besaß. Er erhielt vorher Arbeitslosenhilfe, die anderen Einkommensanrechnungsvorschriften unterlag. Dass die Höhe der Leistung dem Kläger in besonderer Weise hätte auffallen müssen, vermochte die Kammer ebenfalls nicht zu erkennen. Zwar erwiesen sich die vorher bezogenen Sozialleistungen als um ca. 150,00 EUR geringer, aber aufgrund der Medienberichterstattung zur Zeit des Inkrafttretens des SGB II durfte der Kläger annehmen, dass sich seine finanzielle Lage verbessern könnte. Schließlich wertet die Kammer den Umstand zugunsten des Klägers, dass Bescheide, deren Gegenstand die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe war, erheblich weniger umfangreich waren als Bewilligungsbescheide nach dem SGB II und insbesondere keine umfangreichen Berechnungsbögen enthielten. Der erste Eindruck eines Berechnungsbogens kann durchaus verwirrend sein. Diese Auffassung beschränkte die Kammer allerdings nur auf die ersten Bewilligungsabschnitte nach Inkrafttreten des SGB II. Die Kammer ist der Auffassung, dass durch längere Erfahrung mit dem Arbeitslosengeld II-Bezug und umfangreiche Medienberichterstattung bei den Leistungsempfängern inzwischen ausreichendes Wissen vorhanden ist, wie sich die Leistung zusammen setzt und wie Bewilligungsbescheide einschließlich Berechnungsbögen zu verstehen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Rechtskraft
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