L 16 RA 121/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 RA 410/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RA 121/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 09. August 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstat-ten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Vormerkung des Tatbestandes einer Ausbildungs- Anrechnungszeit vom 29. Januar 1959 bis zum 11. Februar 1960.

Der am 1941 in B geborene Kläger absolvierte im Rahmen eines Militärdienstverhältnisses als Kadett, das vom 29. Januar 1959 bis zum 11. Februar 1960 andauerte, eine Ausbildung an der Militäroberschule des b Heeres in der Zeit vom 29. Januar 1959 bis zum 28. November 1959 (Abschlusszeugnis vom 28. November 1959; Militärdienstpass). Der Kläger erlangte dadurch den Oberschulabschluss (Studienbescheinigung des Kommandos des Militärinstitutes des Hee-res vom 09. März 2004); die Abiturprüfungen legte er im Oktober 1961 ab (Abiturzeugnis vom 23. Oktober 1961). Anschließend nahm der Kläger ein Hochschulstudium auf.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2003 in der Fassung des Bescheides vom 22. August 2003 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2003 merkte die Beklagte u. a. Anrechnungszeiten wegen Schulausbildung bis zum 28. Januar 1959 und ab dem 12. Februar 1960 vor. Die Zeit vom 29. Januar 1959 bis zum 11. Februar 1960 könne nicht als Ausbil-dungs-Anrechnungszeit berücksichtigt werden, weil sich die Ausbildung im Rahmen eines bestehenden militärischen Dienstverhältnisses vollzogen habe.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Vormerkung von Anrechnungszeittatbeständen wegen Schulausbildung in der Zeit vom 29. Januar 1959 bis zum 28. November 1959 und vom 29. November 1959 bis zum 11. Februar 1960 (einschließende Sommerferien) geltend gemacht. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat diese Klage mit Urteil vom 09. August 2004 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vormerkung der geltend gemachten Anrechnungszeittatbestände gemäß § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Der vom Kläger geltend gemachte Zeitraum könne nicht als Tatbestand einer Anrechnungszeit wegen Schulausbildung im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI vorgemerkt werden, weil der Kläger nicht lediglich Schüler oder Student gewesen sei, sondern sich seine Abiturausbildung im Rahmen eines Militärdienstverhältnisses vollzogen habe. Allein dieser Status sei rentenversicherungsrechtlich relevant.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, wobei er darauf verweist, dass auch die Vormerkung eines Anrechnungszeittatbestandes wegen einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme in Betracht komme; auf seine Schriftsätze vom 15. November 2004, 04. Juli 2005 und 02. August 2005 wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Berlin vom 09. August 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 24. Februar 2003 und 22. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2003 zu verurteilen, die Zeit vom 29. Januar 1959 bis zum 11. Februar 1960 als Ausbil-dungs-Anrechnungszeit vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegens-tand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Be-schluss zurückweisen können, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Ver-handlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Zwar ist die erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. März 1997 – 5 RJ 78/95 = SozR 3-2600 § 58 Nr.12 mwN) weiter-hin zulässig, und zwar ungeachtet dessen, dass der Kläger nunmehr im Berufungsverfahren ausweislich seiner Berufungsschrift vom 15. November 2004 nur noch die Vormerkung des in Rede stehenden Zeitraumes als Anrechnungszeit wegen einer berufsvorbereitenden Maßnahme im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 2 SGB VI geltend macht. Da auch eine derartige berufsvorberei-tende Bildungsmaßnahme nach der Legaldefinition in § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI als Zeit einer schulischen Ausbildung anzusehen ist, stellt dies keine Klageänderung gemäß § 99 SGG dar, sondern nur eine Änderung in der Begründung.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vormerkung der in Rede stehenden Zeit als Anrechnungszeittatbestand wegen schulischer Ausbildung.

Nach § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI – die Vorschrift findet gemäß dem ab 01. Januar 1992 in Kraft getretenen § 300 SGB VI Anwendung, und zwar unabhängig davon, ob der Sachverhalt, auf den sich der Anspruch gründet, bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes vorgelegen hat (vgl. BSG, Urteil vom 18. April 1996 – 4 RA 18/94 – nicht veröffentlicht) – stellt der Versiche-rungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf ent-haltenen und nicht bereits geklärten Daten, die – wie hier – länger als 6 Kalenderjahre zurück-liegen, durch Bescheid fest. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird hingegen erst bei der Feststellung einer Leistung entschieden (§ 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI). Ungeachtet der Anrechenbarkeit und Bewertung des in Rede stehenden Anrechnungszeittatbestandes hat der Versicherungsträger diesen vorzumerken, wenn dessen tatsächliche und rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt selbst dann, wenn jegliche leistungsrechtliche Auswirkung einer Ausbildung als Anrechnungszeit verneint werden könnte; entscheidend ist vielmehr, ob nach derzeit geltendem Recht generell die Möglichkeit besteht, dass der Sachverhalt in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich erheblich werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 – 4 RA 67/97 = SozR 3-2600 § 58 Nr. 13 mwN).

Die Zeit vom 29. Januar 1959 bis zum 11. Februar 1960 erfüllt nicht den Tatbestand einer Ausbildungs-Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI in der vorliegend an-wendbaren ab 01. Januar 2005 geltenden Fassung, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger eine Vormerkung als Anrechnungszeittatbestand wegen Schulausbildung oder als Anrech-nungszeittatbestand wegen einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme begehrt. Nach der genannten Vorschrift sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollende-ten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvor-bereitenden Bildungsmaßnahme (Zeiten einer schulischen Ausbildung) teilgenommen haben. Eine Vormerkung als Ausbildungs-Anrechnungszeit im genannten Sinne scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil der Kläger – unstreitig – die Militärakademie im Rahmen seines mili-tärischen Dienstverhältnisses besucht hat. Im Hinblick darauf, dass die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten ein sozialer Ausgleich dafür sein soll, dass der Versicherte durch bestimm-te in seiner Person liegende Umstände ohne eigenes Verschulden gehindert war, einer renten-versicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen und demgemäß Pflichtbeiträge zur gesetzli-chen Rentenversicherung zu leisten (vgl. BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 102 S. 277), muss eine Ausbildung, die gerade innerhalb eines allgemeinen Beschäftigungs- bzw. Dienstverhältnisses vollzogen wird und die zugleich Inhalt der Dienstpflicht ist, versicherungsrechtlich das Schick-sal dieses Dienstverhältnisses teilen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Oktober 1983 – 11 RA 80/82 = SozR 2200 § 1259 Nr. 79; BSG, Urteil vom 18. April 1996 – 4 RA 18/94 -). Diese Rechtspre-chung beruht auf dem Gedanken, dass im Leistungsfall auf ein und denselben Sachverhalt grundsätzlich nicht zugleich Regeln über verschiedene rentenrechtliche Zeiten (vgl. § 54 SGB VI) anwendbar sein können. Deswegen können solche Ausbildungszeiten keine Anrechnungs-zeiten sein, die innerhalb eines zumindest an sich versicherungspflichtigen Beschäftigungs- bzw. Dienstverhältnisses zurückgelegt werden (vgl. BSG, Urteil vom 13. Oktober 1983 – 11 RA 80/82 –). Dies gilt auch dann, wenn sich die Ausbildung – wie vorliegend – der Form und dem Inhalt nach schulmäßig vollzog. Die Ausbildung des Klägers an der b Militärakademie hätte daher wie der sie umschließende Militärdienst eine Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI bilden können, wenn – was hier nicht der Fall ist – die Voraussetzungen des § 2 oder des § 3 des Bundesversorgungsgesetzes (militärischer oder militärähnlicher Dienst nach deutschem Wehrrecht) erfüllt gewesen wären. Daneben kann sie nicht losgelöst von dem Mili-tärdienst für sich selbständig eine Anrechnungszeit darstellen. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 16. April 2002 (VIII R 58/01 = BFHE 199, 111). Denn in diesem Urteil hat der BFH ein-zig darüber entschieden, ob die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Offizier als Be-rufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a Einkommensteuergesetz anzusehen ist. Die steuerrechtliche Berücksichtigung als Berufsausbildung besagt indes nichts über die ren-tenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Vormerkung einer derartigen Zeit als Ausbildungs-Anrechnungszeittatbestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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