L 16 RA 13/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 975/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RA 13/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. Januar 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die am 1963 geborene Klägerin hatte keine Berufsausbildung abgeschlossen. Sie war als Verkäuferin bzw. Kassiererin bis Dezember 1982 versicherungspflichtig beschäftigt und begann am 1983 eine Berufsausbildung zur Vbei dem Land Berlin. Mit Ablauf des 1984 schied sie auf eigenen Wunsch aus dem Ausbildungsverhältnis ohne Abschluss aus (Dienstzeugnis des Polizeipräsidenten in Berlin vom 1984). Anschließend war sie als Telefonistin bis November 1985 und zuletzt nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit vom 20. Juni 1991 bis zum 29. No-vember 1991 als Datenerfasserin beim Krankenhaus Spandau im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 02. Dezember 1991 bezog sie Leistungen vom Arbeitsamt bzw. von der Agentur für Arbeit, und zwar Arbeitslosengeld (Alg) bis 13. September 1992, Unterhaltsgeld während einer – aus gesundheitlichen Gründen nicht abgeschlossenen – Umschulungsmaßnahme zur Buchhalterin mit EDV-Kenntnissen vom 14. September 1992 bis zum 23. November 1992, und nach der Gewährung von Erziehungsgeld vom 13. Juli 1994 bis zum 16. Mai 1996 erneut Alg vom 27. Januar 1997 bis zum 22. Januar 1998 (eigene Abmeldung wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit). Nach dem Bezug von Krankengeld vom 23. Januar 1998 bis zum 21. Juli 1999 erhielt die Klägerin ab 22. Juli 1999 weiterhin Alg bis zum 20. März 2000 (Anspruchserschöpfung); der Antrag auf An-schluss-Arbeitslosenhilfe wurde mangels Bedürftigkeit abgelehnt.

Die Klägerin ist als Schwerbehinderte anerkannt mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 aufgrund folgender Leiden: seelisches Leiden mit Somatisierung, Fibromyalgiesyndrom, Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Bandscheiben-schaden L4/5, Morbus Raynaud, Chondropathia patellae beiderseits, Tinnitus beiderseits, Seh-behinderung (Abhilfebescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin vom 17. Januar 2000). Das Merkzeichen "G" wurde ihr zuerkannt.

Bereits im September 1998 hatte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt. Die Beklagte zog ein sozialmedizini-sches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin (MDK) vom 23. März 1998 (Ärztin Keil) und Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin bei, und zwar von dem Orthopäden Dr. Bvom 1998 und von dem Facharzt für Neurologie und Psychi-atrie R vom 1999. Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Arzt für Neurologie und Psychiat-rie Dr. C und den Orthopäden Dr. G untersuchen und begutachten. Diese Ärzte bescheinigten der Klägerin noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten (Gutachten vom 1999 und vom 1999; Somatisierungsstörung, Bandscheibenschädigung L4/5, Lumboischialgie links, Neigung zu Cervikobrachialgie rechts, retropatellarer Knorpelschaden, Übergewicht, Neigung zu Bluthochdruck). Mit Bescheid vom 04. März 1999 lehnte die Be-klagte den Rentenantrag ab. Auf den Widerspruch der Klägerin, mit der diese Atteste von Dr. vom 1999, von dem Arzt R vom 30. April 1999 und von der Internistin Dr. vom 1999 vorleg-te, veranlasste die Beklagte nochmals Begutachtungen auf orthopädischem (Arzt S; Gutachten vom 1999) und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet (Dr. B; Gutachten vom 1999).Beide Ärzte hielten die Klägerin noch für vollschichtig einsetzbar zumindest für körperlich leichte Tätigkeiten mit qualitativen Leistungseinschränkungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Erwerbsunfähigkeit (EU) bzw. Berufsunfähigkeit (BU) liege nicht vor.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin erstatten lassen, und zwar von Dr. vom 2000, von den Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dipl.-Med. vom 2000, von Dr. vom 2000, von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Bohlken vom 29. Mai 2000, von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Z vom 2000 und von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapeuti-sche Medizin Dr. vom 2000.

Das SG hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Innere Medizin Dr. A als Sachverständigen eingesetzt. Die-ser Arzt hat in seinem Gutachten vom 2002 (Untersuchung am 2001) folgende Diagnosen mitgeteilt: anhaltend somatoforme Schmerzstörung mit Polyarthralgien und Myalgien, chroni-schen Lumbalgien und rezidivierenden Lumboischialgien, Angststörung, Asthma bronchiale bei allergisch-topischer Disposition, Tinnitus, Myopie, rentenneurotische Entwicklung, Adipo-sitas, Verdacht auf frühe Persönlichkeitsstörung mit charakterneurotischer Entwicklung. Die Klägerin könne täglich regelmäßig und vollschichtig noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten – unter Berücksichtigung der aufgeführten qualitativen Leistungs-einschränkungen – sowie einfache bis mittelschwere geistige Arbeiten ausführen. Es bestünden deutliche Aggravationstendenzen. Zusätzlich zu den üblichen Pausen sei alle 2 Stunden min-destens eine zehnminütige Pause erforderlich. Auf Nachfrage des SG hat Dr. A mitgeteilt, dass es sinnvoll sei, wenn die Klägerin aufgrund ihrer Angsterkrankung und auftretender Schmerzen alle zwei Stunden eine Pause von 10 Minuten machen könne (Stellungnahme vom 09. Septem-ber 2002). Die Klägerin hat Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. A erhoben; auf ihren Schriftsatz vom 24. September 2002 wird Bezug genommen.

Das SG hat die auf Gewährung von Rente wegen EU zum frühest möglichen Zeitpunkt gerich-tete Klage mit Urteil vom 08. Januar 2003 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewäh-rung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß den §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) in den bis 31. Dezember 2000 Fassungen (im Fol-genden ohne Zusatz zitiert). Denn die Klägerin sei bereits nicht berufsunfähig. Sie könne nach der Leistungsbeurteilung des gerichtlichen Sachverständigen noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten mit qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten. Mit diesem Leistungs-vermögen könne sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf den sie verweisbar sei, noch einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Eine konkrete Verweisungstätigkeit sei ihr nicht zu benennen. Es bestehe auch keine medizinische Notwendigkeit für die strikte Einhaltung weite-rer zusätzlicher Pausen von mindestens 10 Minuten nach jeweils zwei Stunden wie beispiels-weise bei Diabetikern, die in regelmäßigen Abständen Mahlzeiten zu sich nehmen müssten. Der Sachverständige Dr. Albrecht habe demgemäß auch seine zunächst im Gutachten gemach-te Einschätzung abgeschwächt. Es sei somit nicht davon auszugehen, dass die Klägerin alle zwei Stunden eine Pause von 10 Minuten haben müsse.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung von Rente wegen EU weiter. Sie trägt vor: Das Sachverständigengutachten von Dr. A sei unvollständig. Das SG hät-te sich nicht ausschließlich auf dieses Gutachten stützen dürfen. So sei z.B. ihre Gehbehinde-rung nicht berücksichtigt worden. Das im Verlauf des Berufungsverfahrens eingeholte Sach-verständigengutachten von Dr. Ahabe die bei ihr vorliegende Fibromyalgie nicht gewürdigt. Entgegen der Einschätzung der gehörten Sachverständigen liege bei ihr auch keine Begehrens-haltung vor, sondern die objektivierbaren Befunde sprächen eindeutig für eine Rentengewäh-rung. Auf die Schriftsätze vom 24. April 2003, 5. April 2004, 22. März 2005, 6, Mai 2005 und 25. Juli 2005 wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 04. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 17. Februar 2000 zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 01. Juni 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil auch unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme für zutreffend.

Der Senat hat im Berufungsverfahren Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Kläge-rin erstatten lassen, und zwar von Dr. Hvom 2003, von Dr. Bvom 2003, von der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Dr. H vom 2003, von dem Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. Fvom 2003, von der Ärztin R vom 2003, von dem Orthopäden Dr. G vom 2003, von der Chirurgin Dr. Hvom 2003 und von der psychologischen Psychotherapeutin N vom 2003.

Der Senat hat den Arzt M mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 2004 (Untersuchung am 2004) folgende Gesund-heitsstörungen mitgeteilt: chronisches Schmerzsyndrom am Bewegungsapparat, somatoforme Störung, seelisches Leiden, Persönlichkeitsstörung, chronisches Lungenleiden, Ohrgeräusche, Sehbehinderung, Durchblutungsstörungen der Extremitäten, Herzrhythmusstörungen. Die Klä-gerin könne täglich regelmäßig und vollschichtig noch körperlich leichte Tätigkeiten in ge-schlossenen Räumen im Wechsel der Haltungsarten, aber auch vornehmlich im Sitzen, unter Berücksichtigung der aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen sowie leichte geisti-ge Arbeiten absolvieren. Ein vermehrter Pausenbedarf bestehe nicht. Die Klägerin könne Fuß-wege von mehr als 500 Metern zurücklegen und zweimal täglich während der Hauptverkehrs-zeiten öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Relevante Einschränkungen der Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit bestünden nicht. Die Klägerin hat gegen dieses Gutachten Einwendungen vorgebracht; auf ihren Schriftsatz vom 05. April 2004 wird insoweit Bezug genommen.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Abs. 1 SGG hat der Senat schließlich noch die Ärztin für Rheumatologie, Physikalische Therapie und Sportmedizin Dr. A als Sachverständige einge-setzt. Diese Ärztin hat in ihrem Gutachten vom 2005 (Untersuchung am 2004) bei der Kläge-rin folgende Leiden diagnostiziert: Spondylarthropathie mit peripherer Gelenkbeteiligung, un-veränderte seelische Beeinträchtigungen, Adipositas per magna. Nach Ausschöpfung aller möglichen therapeutischen Maßnahmen erscheine es möglich, dass die Klägerin leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung der aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkun-gen im Umfang von 3 bis 6 Stunden täglich mit den üblichen Pausen verrichten könne. Auf lange Anfahrtswege sei wegen der bekannten psychischen Erkrankung zu verzichten. "Aktuell erscheint" die Klägerin erwerbsunfähig. Eine Begehrenshaltung der Klägerin sei zweifelsohne ersichtlich. Die Klägerin hat sich zu dem Gutachten von Dr. A geäußert; auf ihre Schriftsätze vom 22. März 2005 und 06. Mai 2005 wird Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingeholten Befundberichte und die Sachverständigengutachten von Dr. At, dem Arzt M und Dr. ABezug genommen.

Die Leistungsakte der Agentur für Arbeit Spandau, die Schwerbehindertenakte des Versor-gungsamtes Berlin, die Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände) und die Gerichtsakten (2 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für er-forderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlich (nur) erhobene Klage auf Gewäh-rung von EU-Rente weiterverfolgt, ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU für die Zeit ab 01. Juni 1998 (Monat der Antragstellung auf Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation, vgl. § 116 Abs. 2 SGB VI) nach § 44 SGB VI. Denn sie war in dem für dieses Rentenbegehren im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 99 Abs. 1, 300 Abs. 1 SGB VI allein entscheidungserheblichen Zeitraum bis zum 30. November 2000 nicht erwerbsunfähig.

Erwerbsunfähig sind gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, die wegen Erkrankung oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbtätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monat-lich 630,00 DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. SGB VI).

Die Klägerin war bis einschließlich 30. November 2000 nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Denn sie verfügte in dem maßgebenden Zeitraum noch über ein vollschichtiges Restleistungsvermögen zumindest für leichte körperliche und einfache geistige Arbeiten, mit dem sie regelmäßig einer achtstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen und damit ein monatliches Einkommen von mehr als 630,00 DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro erzielten konnte. Dass die Klägerin in dem maßgeben-den Zeitraum und auch darüber hinaus noch über ein vollschichtiges Restleitungsvermögen verfügte und verfügt, folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfah-rens, insbesondere aus den Sachverständigengutachten von Dr. A und dem Arzt Msowie den Gutachten der im Verwaltungsverfahren als Sachverständige eingesetzten Ärzte Dr. C, Dr. , dem Arzt S und Dr. B. Alle diese Ärzte haben der Klägerin übereinstimmend ein derartiges vollschichtiges Restleistungsvermögen bis einschließlich 30. November 2000 und auch darüber hinaus bescheinigt. Soweit allein die Sachverständige Dr. Abereits seit August 1998 der Kläge-rin ein maximal 3 bis 6-stündiges tägliches Leistungsvermögen attestiert hat, ist dieser Ein-schätzung nicht zu folgen. Denn diese Ärztin hat die von ihr abgegebene Leistungsbeurteilung nicht nachvollziehbar aus den bei der Klägerin erhobenen Funktionsbefunden hergeleitet. Die von Dr. A mitgeteilten, objektivierbaren Funktionsbefunde decken sich im Wesentlichen mit den Feststellungen der zuvor gehörten Sachverständigen, ohne dass Frau Dr. A plausibel darge-legt hätte, weshalb sie aufgrund dieser Befunde zu einer wesentlich anderen Beurteilung des Restleistungsvermögens der Klägerin gelangt ist. Die subjektive Beschwerdeschilderung der Klägerin, die – worauf Dr. A wie auch alle übrigen Sachverständigen ausdrücklich hingewie-sen haben - von erheblichen Aggravationstendenzen und einer Begehrenshaltung geprägt ge-wesen ist, kann für die Beurteilung des verbliebenen Leistungsvermögens nicht ausschlagge-bend sein. Dr. A hat als anerkannte Expertin für dieses Krankheitsbild – anders als der Arzt M - auch keine Fibromyalgie bei der Klägerin diagnostiziert. Es kann somit auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Sachverständigengutachten von Dr. Aund dem Arzt M durch die spätere erstmalige Feststellung und somit Kenntnis einer fachspezifischen Hauptdiagnose in Frage gestellt worden wären. Der Arzt M hat vielmehr ungeachtet der diagnostischen Zuord-nung die objektiven Auswirkungen der bei der Klägerin vorliegenden generalisierten Schmerzerkrankung in jeder Hinsicht schlüssig dargelegt. Die von Dr. A erhobenen Befunde unterscheiden sich hiervon nicht. Eine ergänzende mündliche Anhörung dieser Ärztin – wie von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 25. Juli 2005 angeregt – gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. mit § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung war nicht angezeigt. Dies gilt schon deshalb, weil sich die Antworten zu den von der Klägerin in dem genannten Schriftsatz mitgeteilten Fragen bereits aus dem schriftlichen Gutachten vom 27. Januar 2005 ergeben (zu Frage 1 vgl. Anwort zu Beweisfrage 2 Satz 1 und Satz 2; zu Frage 2 ebenda Satz 4). Im Übrigen ist die me-dizinische Sachverständige nicht dazu berufen, die Rechtsbegriffe der EU bzw. BU zu definie-ren oder deren Vorliegen bzw. Nichtvorliegen zu bejahen, sondern allein dazu, die rentenrecht-lich erheblichen Leistungseinschränkungen festzustellen. Es bestand im Hinblick auf das um-fassende und in jeder Hinsicht schlüssige Gutachten des Arztes M auch kein weiterer Ermitt-lungsbedarf zur Feststellung der vorliegend entscheidungserheblichen medizinischen Tatsa-chen (vgl. zu den Voraussetzungen, unter denen eine Ladung des gerichtlichen Sachverständi-gen zu erfolgen hat: BSG, Urteil vom 2000 – = ). Eine andere Beurteilung des bei der Klägerin verbliebenen Leistungsvermögens folgt auch nicht aus den vorgelegten Attesten ihrer behandelnden Ärzte. Denn diesen bereits im Verwal-tungsverfahren eingereichten Bescheinigungen lassen sich weder objektive Funktionsbefunde entnehmen noch ist erkennbar, aufgrund welcher Befunde die Ärzte der Klägerin zu den von ihnen abgegebenen Leistungsbeurteilungen bzw. Berentungsempfehlungen gekommen sind. Gerade im Hinblick auf die bei der Klägerin von jedem der gehörten Sachverständigen festge-stellten erheblichen Aggravationstendenzen und deren starke Begehrenshaltung haben die Leis-tungseinschätzungen der behandelnden Ärzte, die zur Klägerin in einem besonderen Vertrau-ensverhältnis stehen, zudem nur eine eingeschränkte Aussagekraft.

Das vollschichtige Restleistungsvermögen der Klägerin jedenfalls bis zum 30. November 2000 und auch darüber hinaus war und ist nach den von den Sachverständigen festgestellten qualita-tiven Leistungseinschränkungen auch nicht derart reduziert, dass es einem Arbeitseinsatz der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegen gestanden hätte. Die Klägerin konnte und kann zwar nach den von den Sachverständigen ge-troffenen Feststellungen wegen ihrer Leiden jedenfalls nur noch körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend in geschlossenen Räumen im Wechsel der Haltungsarten bzw. überwiegend im Sitzen verrichten. Ausgeschlossen waren und sind Witterungseinflüsse, Arbeiten im Freien, Arbeiten unter Zeitdruck, an laufenden Maschinen, in Wechsel- oder Nachtschicht, Arbeiten unter einseitiger körperlicher Belastung, auf Leitern und Gerüsten und in festgelegtem Arbeits-rhythmus. Da nach den Feststellungen sämtlicher gehörten Sachverständigen jedenfalls die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit ebenso wie die Entschluss- und Verantwortungsfähig-keit im Rahmen der der Klägerin bildungsmäßig möglichen geistigen Arbeiten erhalten waren und sind, bestand und besteht damit aber weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch lag oder liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. BSG, Urteil vom 1998 – – nicht veröffentlicht). Es lagen und liegen zwar bei der Klägerin Leis-tungseinschränkungen vor, die teilweise über den Rahmen dessen hinausgehen, was inhaltlich vom Begriff der körperlich leichten Tätigkeiten umfasst wird. Dies gilt besonders hinsichtlich der Notwendigkeit der Vermeidung bestimmter äußerer Einwirkungen wie Hitze und Kälte sowie Feuchtigkeit und Zugluft (vgl. BSG, Urteil vom 1999 – – nicht veröffentlicht). Die bei der Klägerin vorliegenden qualitativen Leistungseinschränkungen sind aber nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Denn die vorliegenden Leistungseinschränkungen wie der Ausschluss von Arbeiten in Zwangshaltungen oder mit ein-seitiger körperlicher Belastung, unter besonderen Witterungsbedingungen, unter Zeitdruck, an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten und in Wechsel- oder Nachtschicht zählen nicht zu den ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und schon gar nicht zu den schweren spezifischen Leistungsbehinderungen (vgl. dazu die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 1996 5 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 ). Das Gleiche gilt hinsichtlich der geistigen Fähigkeiten der Klägerin, die keine besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz er-kennen lassen; nur derartige besondere Schwierigkeiten könnten eine schwere spezifische Leis-tungsbehinderung darstellen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104, 117). Die Klägerin war bis zum 30. November 2000 und ist auch darüber hinausgehend in der Lage, ihrer Vorbildung entsprechende geistige Arbeiten zu verrichten. Insgesamt betreffen die bei der Klägerin vorlie-genden qualitativen Leistungseinschränkungen in der Zeit bis zum 30. November 2000 und auch darüber hinaus jedenfalls nur einen kleinen Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes und lassen im Übrigen ein weites Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten unberührt. Durch das Gutachten des Arztes Mist auch klargestellt, dass die Klägerin keine zusätzlichen Arbeitspau-sen neben den im Arbeitszeitgesetz vorgesehenen gesetzlichen Ruhepausen benötigt. Dr. A hat seine im erstinstanzlichen Verfahren abgegebene Beurteilung, die Klägerin benötige zusätzlich zu den üblichen Pausen alle zwei Stunden mindestens eine zehnminütige Pause, zuletzt relati-viert (Stellungnahme vom 09. September 2002). Sie ist auch durch die erhobenen objektiven Befunde, worauf der Arzt M überzeugend hinweist, nicht begründbar.

Die Klägerin war und ist auch nicht etwa deshalb erwerbsunfähig, weil ihre Wegefähigkeit eingeschränkt wäre. Zwar gehört die ausreichende Fähigkeit, Arbeitsplätze aufzusuchen, zur Erwerbsfähigkeit. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die nur noch Fußwege bis zu 500 Metern Länge zulässt, reicht in der Regel nicht aus, um einen Arbeitsplatz zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 1989 – = SozR 2200 § 1247 Nr. 56). Eine derartige Beeinträchtigung liegt bei der Klägerin aber nicht vor. Sämtliche herangezogene Sachverständige haben der Klägerin ausnahmslos eine Gehfähigkeit bescheinigt, die es ihr erlaubt, eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern in angemessener Zeit zurückzulegen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Kläge-rin das Merkzeichen "G" vom Versorgungsamt zuerkannt worden ist. Denn wesentliche Bewe-gungseinschränkungen im Bereich der Hüft- und Kniegelenke liegen bei der Klägerin nicht vor, ebenso wenig objektivierbare rheumatologische Befunde. Dr. Ahat diesbezüglich lediglich "mögliche Frühzeichen" einer Arthritis im Bereich der oberen Gliedmaßen festgestellt.

Mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen konnte und kann die Klägerin somit noch etwa leichte Bürotätigkeiten verrichten, wie sie in der Tarifgruppe X des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) erfasst sind. Das Gleiche galt und gilt für leichte Sortier- und Verpackungstätigkeiten. Schließlich war und ist die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Leis-tungsvermögen gesundheitlich und geistig auch noch in der Lage, die Tätigkeit einer einfachen Pförtnerin im Tagesdienst bzw. im Wechselschichtdienst über Tage vollschichtig zu verrichten. Im Hinblick darauf, dass nach der Leistungsbeurteilung der Gerichtssachverständigen keine relevanten Einschränkungen bezüglich der Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit, der Auf-fassungsgabe und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit bestehen, konnte und kann die Klägerin auch noch derart einfache Tätigkeiten, wie sie mit der Tarifgruppe X BAT tariflich vergütet werden , nach einer Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten vollwertig verrichten eben-so wie leichte Sortier- und Verpackungstätigkeiten.

Einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung (EM) nach den §§ 43, 240 SGB VI in den seit dem 01. Januar 2001 geltenden Fassungen hat die Klägerin ausdrück-lich nicht geltend gemacht. Indes steht der Klägerin auch ein solcher Anspruch, der sich nur auf einen Rentenbeginn für die Zeit ab 01. Januar 2001 beziehen kann, nicht zu. Denn sie war und ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – wie dargelegt – auch in dem insoweit maß-gebenden Zeitraum noch in der Lage, 6 Stunden täglich und mehr unter den üblichen Bedin-gungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein, und zwar auch (vgl. § 240 Abs. 2 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung) in den ihr zumutbaren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf bei dieser Sachlage, ob die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bei einer Anfechtungs- und Leistungsklage auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht auch über die zum 01. Januar 2001 eingeführte Rente wegen EM zu entscheiden haben, wenn das Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt nicht beendet ist und der Klageantrag die Anwendung des neuen Rechts umfasst, oder ob es sich bei der Rente wegen EM nach dem ab 01. Januar 2001 geltenden Recht um eigenständige, rechtlich voneinander unabhängige Rechte auf "neue" EM - Renten handelt (so BSG, Beschluss vom 2004 – – nicht veröffentlicht; im Sinne der erstgenannten Auffassung: BSG, Urteil vom 2005 – – zur Veröffentlichung vorgesehen).

Ob die Klägerin einen ihrem Restleistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich erhalten hätte oder erhält, kann dahinstehen. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage spielt für die Feststellung von EU oder EM – wie der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt hatte und hat – keine Rolle (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 SGB VI; § 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung).

Die Kostenentscheidung beruht au f § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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